Titel:
Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 2
GlüStV 2021 § 9 Abs. 4 S. 2
BayAGGlüStV Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 2
Leitsätze:
1. Es existiert kein Rechtssatz, der Vertrauensschutz dergestalt vermittelt, dass eine Betriebsstätte nicht zukünftigen Beschränkungen unterworfen werden dürfte. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Abstandsvorgabe des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 BayAGGlüStV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Unionsrecht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der sachliche Grund für das Abstandsgebot zwischen einer Wettvermittlungsstelle und Schulen sowie ähnlichen Einrichtungen ist in der besonderen Empfänglichkeit von Kindern- und Jugendlichen gerade für Sportwetten begründet. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle;, Befristung bis zum 31. Dezember 2022;, Abstand zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Grundschule, Klagebefugnis des Veranstalters von Sportwetten gegen Erlaubnisbescheid, glücksspielrechtliche Erlaubnis, Befristung, Wettvermittlungsstelle, Sportwetten, Vertrauensschutz, Veranstalter, Abstandsgebot, Schule, Kinder, Jugendliche
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35341
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Veranstalterin von Sportwetten und verfügt über eine vom Regierungspräsidium ... erteilte Konzession. Sie wendet sich mit ihrer Klage gegen die Befristung einer der … … (nachfolgend: Vermittlerin) von dem Beklagten mit Bescheid vom 9. November 2022 erteilten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten auf Grundlage des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 (nachfolgend: GlüStV 2021) sowie des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (nachfolgend: AGGlüStV). Zwar hat die Klägerin vorliegend wörtlich Klage gegen einen Bescheid vom 10. November 2022 erhoben und einen Bescheid dieses Datums als Anlage zur Klageschrift vorgelegt. Dabei handelt es sich aber ausweislich des darauf befindlichen Aufdrucks „KOPIE“ und der Tatsache, dass dieser Bescheid vom 10. November 2022 keine Unterschrift trägt, nur um eine Zweitschrift des an die Vermittlerin bekanntgegebenen sowie unterschriebenen Bescheids vom 9. November 2022 (vgl. das Parallelverfahren M 27 ...).
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Die Klägerin beantragte für die Vermittlerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 die Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle an der ..., … …
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Mit Schreiben vom 18. November 2021 wurde die Vermittlerin zu einer beabsichtigten Befristung der Erlaubnis angehört (vgl. Anlage K1), woraufhin der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 2022 Stellung genommen hat (vgl. Anlage K2).
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Mit Bescheid vom 9. November 2022 erteilte der Beklagte der Vermittlerin durch die Regierung von Oberbayern die Erlaubnis, in der Wettvermittlungsstelle … …, … …, Sportwetten an die Klägerin in dem konzessionierten Umfang zu vermitteln (Nr. 1), wobei die Erlaubnis bis zum ... gilt (Nr. 3).
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Zur Begründung der Befristung der Erlaubnis führte die Regierung von Oberbayern in dem Bescheid im Wesentlichen aus, dass eine Erlaubnis gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 widerruflich und befristet zu erteilen sei. Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV dürfe die Erlaubnis zudem nur erteilt werden, wenn Versagungsgründe nicht ersichtlich seien und durch den Vertrieb des Glücksspielangebots den Zielen des § 1 GlüStV 2021 Rechnung getragen werde. Im vorliegenden Fall stehe der Erlaubniserteilung der Versagungsgrund des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Danach sei der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet des Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt werden, ohne dabei einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, einzuhalten, wobei die Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen könne. Innerhalb des 250 m-Radius um die Wettvermittlungsstelle befände sich jedoch die „D.-Schule“, weshalb der Mindestabstand nicht eingehalten werde. Es handele sich bei der „D.-Schule“ als Grundschule um eine bestehende Schule für Kinder und Jugendliche i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV, weil dort regelmäßig Kinder im Alter zwischen 6 und 10 Jahren beschult würden. Eine einschränkende Auslegung, wie vom Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Januar 2022 angeregt, komme nicht in Betracht, da sich das Attribut „die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten“ auch auf Schulen beziehe.
Soweit auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aus anderen Bundesländern verwiesen werde, sei die dortige Rechtslage nicht mit der bayerischen Gesetzeslage vergleichbar. Auch bei pflichtgemäßer Ermessensausübung könne keine Ausnahme von der Abstandsregelung erteilt werden, da es sich um keinen atypischen Einzelfall handele und sich zwischen der Wettvermittlungsstelle und Schule keine natürlichen Geländehindernisse oder andere örtliche Gegebenheiten, wie etwa eine Bahnstrecke, die eine andere Sichtweise erfordern würden, befänden. Vielmehr sei die Wettvermittlungsstelle im unmittelbaren Wahrnehmungsbereich der Kinder und Jugendlichen gelegen und für diese gut erreichbar. Ein atypischer Einzelfall sei daher nicht gegeben. Auch rechtfertige die vom Klägerbevollmächtigten vorgeschlagene Umgestaltung des äußeren Erscheinungsbildes der Wettvermittlungsstelle oder auch die Anpassung der Öffnungszeiten keine andere Beurteilung in Bezug auf das Abstandsgebot, zumal an der „D.-Schule“ eine Mittagsbetreuung angeboten werde. Aus diesem Grund müsse das Interesse des Wettvermittlers hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels zurückstehen. Durch den starken Bezug zum Sport und dessen Akteuren böten Sportwetten die Gefahr, dass sportbegeisterte Kinder und Jugendliche schon früh an Sportwetten und die Markennamen verschiedener Wettveranstalter herangeführt würden und darüber die Sportwette als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen werde. Daher sollten Kinder und Jugendlichen im Umkreis von häufig aufgesuchten Einrichtungen, wie vorliegend der „D.-Schule“, nicht mit diesem Glücksspielangebot konfrontiert werden. Aus diesem Grund seien Abstände zu Schulen und Kinder- bzw. Jugendeinrichtungen notwendig und erforderlich, um den Werbe- und Gewöhnungseffekt auf vulnerable Bevölkerungsteile zu verhindern. Hierzu werde auf die Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland verwiesen (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9). Schutzwürdiges Vertrauen auf die bisherige Rechtslage bestehe nicht. Indes könne aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV die Erlaubnis dennoch befristet bis zum ... erteilt werden. Denn nach Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV fände Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war, keine Anwendung, was auch auf die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle in der … … zuträfe, da diese mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 19. April 2018 aufgrund des Antrags vom 28. Oktober 2017, aktualisiert mit Schreiben vom 11. Oktober 2017, geduldet werde und somit die Übergangsregelung zur Anwendung komme. Allerdings gelte die Erlaubnis nur bis zum 31. Dezember 2022. Die Länge der Frist richte sich nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV, wonach die Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des ... außer Kraft trete und bis wohin eine Befreiung von der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV längstens möglich sei. Diese Befristung sei auch verhältnismäßig, da sie den längst möglichen Zeitraum vollständig ausschöpfe.
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Hiergegen ließ die Klägerin am 23. November 2022 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben mit den - sinngemäßen - Anträgen:
1. Die Befristung bis zum ... unter Nr. 3 Satz 1 des Bescheides des Beklagten vom 9. November 2022 aufzuheben.
2. Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die isolierte Anfechtung der Befristung unter Nr. 3 Satz 1 des Bescheides des Beklagten vom 9. November 2022 für unzulässig erachten sollte, den Beklagten unter Aufhebung der Befristung bis zum ... unter Nr. 3 Satz 1 des Bescheides des Beklagten vom 9. November 2022 zu verpflichten, die begehrte Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift … …, … … befristet bis zum 10. November 2027 zu erteilen.
3. Weiter hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Befristung der Erlaubnis der Vermittlerin zu entscheiden.
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Mit Schriftsatz vom 24. November 2022 verzichtete die Klägerin auf eine mündliche Verhandlung und zog die beantragte Akteneinsicht zurück.
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Mit Schriftsatz vom 25. November 2022 ließ die Klägerin zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vortragen, dass die Klage gegen die Befristung zulässig sei und die Klägerin als Veranstalterin, trotz ihrer nicht gegebenen Adressatenstellung, aufgrund der durch die Befristung berührten wirtschaftlichen Interessen der Klägerin in Gestalt von Umsatzbeteiligungen klagebefugt sei. Die Tatsache, dass in Bayern der Antragsteller und der Erlaubnisinhaber auseinanderfielen, dürfe die Klägerin vorliegend nicht benachteiligen. Die Klage sei zudem begründet, weil die Nichteinhaltung von Mindestabständen einer bisher formell legalen Betriebsstätte nicht entgegengehalten werden dürfe. Insoweit bestehe formeller Bestandsschutz, zumal zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme im Jahr 2019 noch keinerlei Abstandsregelungen existierten. Zudem sei die Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV unionsrechts- und verfassungswidrig. Es sei bisher nicht geklärt, ob derartige Anstandsregelungen unionsrechtmäßig seien. Das Schrifttum verneine dies. Auch sei die Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Abstandsvorgaben bei Spielhallen nicht auf Wettvermittlungsstellen übertragbar, weil eine abweichende Gefahrenlage bestehe. Der nötige Gefahrennachweis für Wettvermittlungsstellen könne indes nicht geführt werden, insbesondere nicht für eine Gefahr für Kinder ab dem Alter von sechs Jahren. Die Altersgrenze sei zu niedrig angesetzt, wie ein Vergleich mit anderen Bundesländern zeige. Der Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV sei zudem inkohärent, weil er keine Abstände für Spielhallen vorschreibe, welchen ein weitaus größeres Gefährdungspotential zukomme. Schließlich fehle es auch an der Geeignetheit des Abstandsgebots zur Erreichung des Jugend- und Spielerschutzes, weil von der Werbung im Fernsehen und Internet eine viel intensivere Konfrontation der zu schützenden Personengruppen mit dem Thema Sportwetten ausgehe als von Wettvermittlungsstellen im Straßenbild. Es fehle daher an der Verhältnismäßigkeit der Regelung. Schließlich beruhe die Befristungsentscheidung auch auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV hätte zum Zeitpunkt der hiesigen Behördenentscheidung wegen Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV keine Anwendung finden dürfen, weil das Abstandgebot erst bei Erlaubniserteilungen nach dem ... anzuwenden sei. Dies gelte auch bei § 246 Abs. 17 BauGB. Es sei vielmehr auf den Zeitpunkt der Erlaubniserteilung und nicht auf die Laufzeit der Erlaubnis abzustellen. Vielmehr hätte eine großzügige Befristung erfolgen müssen, weil ansonsten - wie hier - die Erlaubnis nur wenige Wochen gelte, was im Hinblick auf die getätigten Investitionen der Vermittlerin problematisch sei. Hinzu komme der Umstand, dass die „D.-Schule“ als Grundschule nicht Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV unterfalle, weil sich der Halbsatz „die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten“ nicht auf Schulen für Kinder und Jugendliche, sondern nur auf die nachfolgend genannten Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe beziehe. Aufgrund der Tatsache, dass suchtwissenschaftlich von einer Gefährdung erst ab einem Alter von 12 Jahren auszugehen sei, dürften Grundschulen für Kinder im Alter zwischen 6 und 10 Jahren nicht von der Regelung erfasst sein. Dies gelte umso mehr, als auch andere Bundesländer erst ab einem höheren Alter einen Mindestabstand vorgäben. In Bayern könne daher nichts anderes gelten. Zuletzt sei die Befristungsentscheidung auch ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte sich nicht näher mit der Erteilung einer Ausnahme befasst habe, insbesondere einer Erlaubniserteilung unter Auflagen wie der Umgestaltung des äußeren Erscheinungsbildes oder Anpassung von Öffnungszeiten.
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Mit Schriftsatz vom 28. November 2022 legte die Regierung von Oberbayern die Behördenakte vor und verzichtete ebenfalls auf eine mündliche Verhandlung. Zudem beantragte sie für den Beklagten,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Befristungsentscheidung rechtmäßig sei. Die Befristung sei erforderlich, um der Übergangsregelung Rechnung zu tragen sowie auch verhältnismäßig, da sie den möglichen Zeitraum vollständig ausschöpfe. Außerdem liege keine Kollision der Abstandsvorgabe des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV mit Art. 56 AEUV vor. Die Regelung von Mindestabständen zwischen allgemeinbildenden Schulen einerseits und Wettvermittlungsstellen andererseits führe weder zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in Grundfreiheiten noch zum Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Der Gesetzgeber habe den Betrieb von Wettvermittlungsstellen aufgrund deren Gefährlichkeit für Kinder und Jugendliche weitergehend reglementieren dürfen. Er habe sich auch nicht in Widerspruch zu seinem Regelungskonzept gesetzt. Unter Berücksichtigung des weiten Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers lägen zudem hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse vor, dass von Sportwetten vergleichbare Gefahren ausgingen wie von Spielhallen, gerade auch in der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen. Spielhallen wie auch Wettvermittlungsstellen im täglichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen begründeten die Gefahr, dass das Glücksspiel als alltäglicher Bestandteil des Lebens wahrgenommen werde. Dieser Wirkung solle entgegengetreten werden. Sportwetten dürften, was die Gestaltung und Angebote angehe, auf Kinder und Jugendliche dabei sogar noch attraktiver wirken als Geldspielautomaten. Zweifel an der Geeignetheit ergäben sich auch nicht daraus, dass Sportwetten in den Medien beworben würden, da ansonsten jedwede Regulierung außerhalb des Internets in Frage gestellt würde. Hinzu käme, dass für eine Glücksspielteilnahme im Internet für Kinder und Jugendliche erhebliche Hürden bestünden. Von einer offensichtlichen Ungeeignetheit könne keine Rede sein. Schließlich sei eine Grundschule auch eine „Schule für Kinder und Jugendliche“ im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV, da sich der Halbsatz „die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten“ auch auf Schulen beziehe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage konnte aufgrund der übereinstimmenden Verzichtserklärungen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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2. Die Klage im Hauptantrag ist zulässig, insbesondere scheidet vorliegend die isolierte Anfechtbarkeit der Befristungsentscheidung in Nr. 3 des Bescheids nicht offensichtlich aus (vgl. dazu auch BVerwG, U.v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 - juris), da die Erlaubnis auch ohne Befristung sinnvollerweise weiterbestehen könnte. Zudem ist die Klägerin, auch ohne selbst Adressatin des Verwaltungsakts zu sein, aufgrund ihrer berührten wirtschaftlichen Interessen (z.B. in Form von Umsatzbeteiligungen) möglicherweise in ihren eigenen Rechten verletzt und daher klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die Klägerin auch unter Beachtung sowohl nationalen, insbesondere Verfassungsrechts, als auch Unionsrechts, insbesondere der dort enthaltenen Grundfreiheiten, durch die Befristung bis zum ... nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Abstandsvorgabe des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ist intertemporal anwendbar, insbesondere teilt die Kammer die Auffassung der Klagepartei nicht, wonach es auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung ankomme und auch noch am ... eine Befristung z.B. auf 5 Jahre erteilt werden müsste. Denn aus der Gesetzesbegründung zum AGGlüStV ergibt sich zweifelsfrei, dass diejenigen Betreiber einer Wettvermittlungsstelle, die sich einem Duldungsverfahren unterworfen haben und deren Wettvermittlungsstelle weiterhin einen zuverlässigen Betreiber aufweist, in ihren Investitionen, welche sie im Vertrauen auf den Bestand des Duldungsbescheides getätigt haben, geschützt und „daher für eine Übergangszeit von den Regelungen zu Mindestabständen befreit werden“ sollen (LT-Drs. 18/14870, S. 17). Daraus ergibt sich weiter, dass nach Ablauf der „Übergangszeit“ - also nach dem ... - auch für Bestandsbetriebe die Abstandsvorgabe zur Anwendung kommen soll, sodass bei Nichteinhaltung der Abstände nach dem ... regelmäßig ein Versagungsgrund vorliegt. Insoweit greifen auch die Ausführungen der Klagepartei zum formellen Bestandsschutz nicht durch, weil der Gesetzgeber die diesbzgl. Problematik erkannt und sich angesichts des Vertrauens in bereits getätigte Investitionen für einen Ausgleich mittels eines Übergangszeitraums entschieden hat. Zudem existiert kein Rechtssatz, der Vertrauensschutz dergestalt vermittelt, dass eine Betriebsstätte nicht zukünftigen Beschränkungen unterworfen werden dürfte. Schließlich überzeugt auch der Verweis der Klagepartei auf § 246 Abs. 17 BauGB nicht, weil es sich dabei um eine im Rahmen der sog. „Asylkrise“ geschaffene Ausnahmevorschrift zur erleichterten Errichtung von Asylbewerberunterkünften handelt, welche weder verallgemeinerungsfähig noch auf den hiesigen Sachverhalt übertragbar ist.
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Die Abstandsvorgabe des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Unionsrecht. Zwar erscheint es auf den ersten Blick widersprüchlich, dass Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft einen Abstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen einzuhalten haben, diese Vorgaben indes für Spielhallen sowie für Betriebe, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind, nicht gelten. Gleichwohl liegt hierin noch kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. Denn die Kammer hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV. Vorliegend ist bei der Prüfung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - sei dieser im Einzelnen entweder grundgesetzlich oder unionsrechtlich abgeleitet - lediglich das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die unterschiedliche Handhabung zu fordern, da die Unterscheidungsmerkmale nicht personen-, sondern sachverhaltsbezogen sind (vgl. etwa Kischel in BeckOK-GG, 51. Edition, Stand 15.5.2022, Art. 3 GG Rn. 30 ff. m.w.N.). Dieser sachliche Grund ist in der besonderen Empfänglichkeit von Kindern- und Jugendlichen gerade für Sportwetten begründet (vgl. so auch bereits VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - juris Rn. 81 ff.; VG Regensburg, B.v. 15.11.2022 - RN 5 S 22.1333 - juris Rn. 63). Insoweit steht dem Landesgesetzgeber, der die unterschiedliche Handhabung von Abständen im Gesetzgebungsverfahren durchaus thematisiert hatte (vgl. LT-Drs. 18/16499, Plenarprotokoll vom 16.6.2021, S. 6), eine der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle weitestgehend entzogene Einschätzungsprärogative zu. Hiergegen gibt es rechtlich nichts zu erinnern, insbesondere obliegt es im vorliegenden Verfahren nicht der Kammer, zu beurteilen, ob Abstandsgebote auch für Spielhallen oder Betriebe, in welchen Geldspielgeräte aufgestellt sind, ebenfalls zweckmäßig gewesen wären (zur rechtlichen Unbedenklichkeit von Abstandsgeboten für Spielhallen nach § 2 Abs. 1 Satz 4 Spielhallengesetz Berlin vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 - juris Rn. 96 ff., 136 f., 141 f., 152). Dasselbe gilt für die Frage der Geeignetheit der Abstandsvorgabe zur Erreichung des Jugend- und Spielerschutzes als wesentliches Ziel des GlüStV 2021 vor dem Hintergrund, dass auch in den Medien für Sportwetten geworben wird (vgl. dazu auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 65), zumal eine offensichtliche Ungeeignetheit für die Kammer vorliegend nicht ersichtlich ist und dem Gesetzgeber auch insoweit eine legislative Einschätzungsprärogative zukommt.
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Die „D.-Schule“ ist schließlich auch als „Schule für Kinder und Jugendliche“ im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV zu qualifizieren, weil es sich bei einer Grundschule schon dem allgemeinen Sprachgebrauch nach um eine Schule - jedenfalls - für Kinder handelt. Ob darüber hinaus das Attribut „die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten“ nur auf die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe - wie die Klagepartei meint - oder auch auf die Schulen für Kinder- und Jugendlichen - wie der Beklagte vorbringt - bezieht, kann vorliegend dahinstehen, weil eine Grundschule als Schule jedenfalls tatbestandlich erfasst wird (vgl. auch VG München, U.v. 21.7.2022 - M 27 K 22.1646 - Rn. 22). Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass die Rechtsauffassung der Klagepartei sogar zu einem weiteren Anwendungsbereich der Norm führen könnte, wenn z.B. auch Vorschulen ohne tatbestandsbeschränkendes Mindestalter von sechs Jahren von der Regelung erfasst wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verweis auf abweichende Altersgrenzen in anderen Bundesländern, weil es sich um Regelungen völlig verschiedener Hoheitsträger handelt.
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Im Hinblick darauf, dass die Regierung von Oberbayern nach dem ... den Betrieb der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle wegen Nichteinhaltung des Abstandsgebots ohnehin hätte versagen müssen (Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV), weil die streitgegenständliche Betriebsstätte in der D.-Straße - unstreitig - den gesetzlichen Abstand zur „D.-Schule“ unterschreitet, war es auch nicht ermessensfehlerhaft, die Erlaubnis von vornherein bis zu dem längst möglichen Zeitpunkt, nach dem der Betrieb zu untersagen gewesen wäre, zu befristen, zumal die Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 in jedem Fall zu befristen ist. Ein Ermessensausfall, den die Klagepartei zu erkennen meint, liegt angesichts der umfangreichen Ausführungen der Regierung von Oberbayern im streitgegenständlichen Bescheid (vgl. dort S. 7 ff.) u.a. zur Frage eines atypischen Falls, der äußeren Umgestaltung der Betriebsstätte oder auch zur Anpassung von Öffnungszeiten ersichtlich nicht vor.
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4. Nachdem die Kammer die isolierte Anfechtung der Befristung im Hauptantrag als statthaft erachtet hat, war über den Hilfsantrag in Ziffer 2. der Klageschrift mangels Eintritt der prozessualen Bedingung („für den Fall, dass das Gericht die isolierte Anfechtung der Befristung […] für unzulässig erachten sollte“) nicht mehr zu entscheiden.
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5. Da der Hilfsantrag in Ziffer 3. der Klageschrift keine explizite Bedingung nennt, geht die Kammer bei verständiger Würdigung davon aus, dass der Hilfsantrag für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrags gestellt ist, weshalb über diesen Hilfsantrag zu entscheiden war. Nachdem sich die Befristung allerdings als rechtmäßig erwiesen hat, besteht jedoch kein Anspruch der Klägerin auf eine Verpflichtung des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer eine erneute Befristungsentscheidung zu treffen.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
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7. Die Berufung war nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil unter Geltung des GlüStV 2021 zu den vorliegend aufgeworfenen Rechtsfragen noch keine ober- bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung existiert und die Bedeutung dieser Rechtsfragen über den bloßen Einzelfall hinausgeht, wie schon die zahlreichen bei der Kammer anhängigen gleichgelagerten Verfahren zeigen.