Titel:
Futtermittel, Futtermittelzusatzstoffe, Zinkoxid, Vormischzwang, Mischungsqualität, Mischgenauigkeit, Homogenität einer Mischung
Normenketten:
VO (EU) 2017/625 Art. 138 Abs. 1 Buchst. b)
Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 Art. 1
Anhang II der Verordnung (EG) 183/2005
VO (EG) 1831/2003 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b)
GrCh Art. 16
GrCh Art. 17
GrCh Art. 52
Schlagworte:
Futtermittel, Futtermittelzusatzstoffe, Zinkoxid, Vormischzwang, Mischungsqualität, Mischgenauigkeit, Homogenität einer Mischung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35333
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das sich mit der Entwicklung und Herstellung von Produkten für die Tiergesundheit befasst. Hierbei stellt die Klägerin auch Futtermittel her, beispielsweise das Ergänzungsfuttermittel für Pferde „B. …“.
2
Mit Schreiben vom 5. März 2019 wies der Beklagte mehrere Mischfuttermittelhersteller in Oberbayern, unter anderem auch die Klägerin, auf die Rechtsvorgaben für Zusatzstoffe mit Vormischzwang hin. Dabei teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Erfüllung des Vormischzwangs zur Verfügung stünden. Der Vormischzwang könne zum einen dadurch erfüllt werden, dass Zusatzstoffe, welche einem Vormischzwang unterliegen, in einem separaten Mischer zur Herstellung einer Vormischung zu verwenden seien und diese Vormischung anschließend im Hauptmischer mit den übrigen Rezepturinhalten vermischt werde. Zum anderen bestehe auch die Möglichkeit eines zweistufigen Verfahrens. Hierbei werde zunächst mit den betreffenden Zusatzstoffen eine Vormischung hergestellt (1. Stufe), welcher anschließend die übrigen Rezepturinhalte beigegeben und unter erneuter Mischung beigemischt werden (2. Stufe). Der Beklagte wies darauf hin, dass die Mischung sämtlicher Rezepturinhalte einschließlich Zusatzstoffen in nur einem Mischgang auch dann nicht den rechtlichen Vorgaben an den Vormischzwang genüge, wenn die Mischgenauigkeit des verwendeten Mischers prinzipiell den Anforderungen an die Herstellung von Vormischungen genügt.
3
Am … März 2019 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Betriebskontrolle vor Ort durch, bei welcher der Beklagte die Klägerin auf den nicht eingehaltenen Vormischzwang hinwies. Laut Prüfbericht in der Behördenakte wies die Klägerin diesbezüglich darauf hin, dass ihr Mischer die geforderte Mischgenauigkeit von 1:100.000 aufweise, und legte ein entsprechendes Mischgutachten vor.
4
Bei einer erneuten Betriebskontrolle am … Mai 2020 stellte der Beklagte erneut fest, dass durch die Klägerin Futtermittelzusatzstoffe, für die entsprechend der jeweiligen Zulassungsverordnung ein Vormischzwang festgelegt wurde, nicht über Vormischungen in Mischfuttermittel eingemischt wurden, sondern dass diese den Mischfuttermitteln vielmehr direkt zugegeben wurden. Beispielhaft wurde hierfür das Ergänzungsfuttermittel für Pferde „B. …“ bezogen auf den Futtermittelzusatzstoff Zinkoxid genannt.
5
Mit E-Mail vom 3. Juni 2020 und vom 23. Juli 2020 wies der Beklagte die Klägerin jeweils auf den Vormischzwang hin und bat um Darlegung, wie die Klägerin diesen zukünftig einhalten wolle. Mit Schreiben vom … Juli 2020 und vom … August 2020 teilte die Klägerin mit, dass das Erfordernis eines Vormischzwangs für sie nicht nachvollziehbar sei, weil die von ihr verwendeten Mischgeräte die gleichmäßige Verteilung der Zusatzstoffe auch in einem einstufigen Verfahren sicherstellen würden.
6
Mit Schreiben vom … September 2020 wurde die Klägerin vom Beklagten zu den geplanten Anordnungen zum Vormischzwang angehört. Die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, nahm hierzu mit Schreiben vom … Oktober 2020 Stellung.
7
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 4. November 2020 verpflichtete der Beklagte die Klägerin, Futtermittelzusatzstoffe, die nach der jeweiligen Zulassungsverordnung Futtermitteln als Vormischungen beigegeben werden müssen (Vormischzwang), ab sofort nur noch über Vormischungen in Futtermittel einzumischen (Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids). Bei Zuwiderhandlung gegen diese Pflicht werde ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 EUR zur Zahlung fällig (Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids). Die Klägerin wurde schließlich verpflichtet, Gebühren in Höhe von 346,48 EUR und Auslagen in Höhe von 3,58 EUR als Kosten des Verfahrens zu tragen (Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids).
8
Die Klägerin ließ durch ihren Bevollmächtigten am 3. Dezember 2020 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben mit dem Antrag,
9
den Bescheid des Beklagten vom 4. November 2020 aufzuheben.
10
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom … Februar 2021 im Wesentlichen vorgetragen, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei. Der angeordnete Vormischzwang sei nicht verhältnismäßig. Er verstoße gegen das Grundgesetz und das Europäische Recht. Insbesondere sei der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 angeordnete Vormischzwang für Zinkoxid rechtswidrig. Die Klägerin würde durch die bei ihr eingesetzten Herstellungsverfahren und Geräte sicherstellen, dass die geforderte Mischqualität auch bei einem einstufigen Mischverfahren gewährleistet sei. Der angeordnete Vormischzwang sei deshalb weder erforderlich noch angemessen im Sinne von Art. 12 Grundgesetz. Die fehlende Angemessenheit ergebe sich auch daraus, dass die Durchführungsverordnung keine Übergangsfristen enthalten habe. Bei der Verschärfung der Herstellungsvorschriften handele es sich zudem auch um eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Grundgesetz.
11
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 beantragte der Beklagte,
13
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 25. Februar 2021 im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Vormischzwang für verschiedene Zinkverbindungen, unter anderem auch Zinkoxid, geltende EU-Rechtslage sei. Dieser absoluten Vorgabe sei keine Ausnahme in dem Sinne zu entnehmen, dass ein Zusatzstoff nur dann einem Futtermittel als Vormischungen bei zu geben sei, sofern nicht auf andere Weise die homogene Verteilung sichergestellt ist. Die entsprechenden Regelungen ließen auch einen großen Spielraum bei der Verwendung der betreffenden Zusatzstoffe und schlössen lediglich die Direktzugabe aus. Es bestehe auch kein Rechtsanspruch darauf, dass sich Rechtsvorgaben nicht ändern dürften. Die Verordnung (EU) 2016/1095 enthalte auch eine Übergangsvorschrift. Im Übrigen komme es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der entsprechenden EU-Verordnungen nicht auf das Grundgesetz, sondern auf die maßgeblichen Grundrechte der EU-Grundrechtecharta an.
14
Mit weiterem Schriftsatz vom … Juni 2022 wies die Klägerin darauf hin, dass die Anordnung des Vormischzwangs für Zinkoxid auf einem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) beruhe. Diese habe anlässlich eines Zulassungsantrags für Zinkoxid der G. … … im Jahr 2012 ausgeführt, dass der in dem Antrag zugrunde gelegte Vormischzwang für Zinkoxid aus ihrer Sicht nicht notwendig gewesen sei. Auch bei weiteren nachfolgenden Zulassungsanträgen hätte sich die EFSA zum Erfordernis eines Vormischzwangs nicht geäußert. Über dieses Votum der EFSA habe sich die Europäische Kommission schlichtweg hinweggesetzt. Des Weiteren werde die Mischgenauigkeit bereits durch die Verordnung (EG) Nr. 183/2005 abschließend geregelt. Durch die Anordnung des Vormischzwangs, auch des abgestuften Vormischzwangs, könne die Klägerin einige ihrer Futtermittel nicht mehr herstellen. Ein Vormischzwang könne auch dazu führen, dass die Qualität der Endprodukte negativ beeinflusst würde. Der Vormischzwang sei auch nicht vollständig unionsrechtlich determiniert, so dass die deutschen Grundrechte Anwendung finden müssten. Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf den vorliegenden Fall ausginge, sei festzustellen, dass die verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union übereinstimmen.
15
Mit weiterem Schriftsatz vom 30. Juni 2022 wies der Beklagte nochmals darauf hin, dass die Anordnung auf einer aktuell gültigen Rechtsgrundlage beruhe. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 regele, dass für das Inverkehrbringen, Verarbeiten oder Verwenden eines Futtermittelzusatzstoffes nicht nur eine entsprechende Zulassung erforderlich sei, sondern darüber hinaus gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) dieser Verordnung u.a. auch die in der Zulassungsverordnung für den jeweiligen Stoff festgelegten Bedingungen zu erfüllen seien. Sowohl die Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 als auch die jeweiligen Zulassungs-/Durchführungsverordnungen seien unmittelbar geltendes EU-Recht und damit für die nationale Behörde unmittelbar bindend. Dass in Zusammenhang mit der Herstellung von Futtermitteln noch weitere EU-Vorgaben zur Anwendung kommen würden (z.B. die Bestimmungen aus Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 183/2005), ändere nichts an der in diesem Fall einschlägigen Rechtsgrundlage. Darüber hinaus habe die EFSA beim aktuellsten vorliegenden Zulassungsantrag für Zinkoxid im Jahr 2015 zum vom Antragsteller vorausgesetzten Vormischzwang für Zinkoxid keine Anmerkung dahingehend gemacht, dass er nicht notwendig wäre. Die Europäische Kommission, die die Zulassungsbehörde sei, dürfe auch von der Stellungnahme der EFSA abweichen. Schließlich wies der Beklagte darauf hin, dass das zweistufige bzw. abgestufte Mischverfahren keine Ausnahme vom Vormischzwang darstelle, sondern lediglich eine Möglichkeit von dessen Umsetzung.
16
Am 11. Juli 2022 fand die mündliche Verhandlung statt.
17
Für Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
18
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 4. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
19
1. Der Bescheid vom 4. November 2020 ist formell rechtmäßig. Gründe für eine formelle Rechtswidrigkeit sind weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat mit der Regierung von Oberbayern die sachlich und örtlich für den Erlass des Bescheides zuständige Behörde gehandelt, § 38 Abs. 1 Satz 1 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) jeweils i.V. m. Art. 28 Abs. 2 Nr. 10 Satz 1 des Gesetzes über den gesundheitlichen Verbraucherschutz und das Veterinärwesen vom 24. Juli 2003 (GVVG) und § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den gesundheitlichen Verbraucherschutz (GesVSV).
20
2. Der Bescheid vom 4. November 2020 ist auch materiell rechtmäßig.
21
2.1 Rechtsgrundlage für die Anordnung in Nr. 1 des Bescheides ist Art. 138 Abs. 1 Satz 1 lit. b) der Verordnung (EU) 2017/625 vom 15. März 2017 in der Fassung der Änderung zum 14. Dezember 2019 (Kontroll-VO) i.V. m. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1831/2003 vom 22. September 2003 in der Fassung der Änderung zum 26. Juli 2019 (Zusatzstoff-VO) i.V.m. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603, Zinkoxid).
22
Dass der Beklagte seine Verfügung zusätzlich noch auf § 39 Abs. 1 und Abs. 2 LFGB gestützt hat, ist unschädlich. Art. 138 Kontroll-VO weist nämlich weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch auf die zulässigen Rechtsfolgen relevante Unterschiede zu dem hier nicht anwendbaren § 39 Abs. 1 und Abs. 2 LFGB auf (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 16.11.2021 - 9 S 3151/19, beck-online, Rn. 20).
23
2.1.1 Gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchstabe b) Kontroll-VO ergreifen die zuständigen Behörden bei Feststellung eines Verstoßes geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Vorstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften. Wenn die zuständigen Behörden in Einklang mit Absatz 1 dieses Artikels tätig werden, ergreifen sie alle ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 zu gewährleisten (Art. 138 Abs. 2 Halbs. 1 KontrollVO). Gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c) gilt die Kontroll-VO auch für amtliche Kontrollen, mit denen die Einhaltung von Vorschriften im Bereich der Futtermittel und Futtermittelsicherheit überprüft werden soll, die entweder auf Unionsebene oder von den Mitgliedstaaten erlassen wurden. Hierzu zählt auch die Zusatzstoff-VO, welche gemäß Art. 1 das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermittelzusatzstoffen regelt.
24
2.1.2 Der festgestellte Verstoß i.S.v. Art. 138 Abs. 1 KontrollVO, auf den der Beklagte seine Anordnung stützt, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) Zusatzstoff-VO i.V.m. Art. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603, Zinkoxid).
25
Nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b) Zusatzstoff-VO darf niemand einen Futtermittelzusatzstoff in Verkehr bringen, verarbeiten oder verwenden, sofern nicht die in der Zusatzstoff-VO festgelegten Bedingungen für die Verwendung, einschließlich der in ihrem Anhang IV enthaltenen allgemeinen Bedingungen, vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen der Zulassung, und die in der Zulassung für den Stoff festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) Zusatzstoff-VO sind Futtermittelzusatzstoffe „Stoffe, Mikroorganismen oder Zubereitungen, die keine Futtermittel-Ausgangserzeugnisse oder Vormischungen sind und bewusst Futtermitteln oder Wasser zugesetzt werden, um insbesondere eine oder mehrere der in Art. 5 Abs. 3 Zusatzstoff-VO genannten Funktionen zu erfüllen“. Futtermittel-Ausgangserzeugnisse sind gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b) Zusatzstoff-VO Erzeugnisse gemäß der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchstabe a) der RL 96/25/EG des Rates vom 29. April 1996 über den Verkehr mit Futtermittel-Ausgangserzeugnissen. Dort sind Futtermittel-Ausgangserzeugnisse definiert als „unterschiedliche pflanzliche oder tierische Erzeugnisse im natürlichen Zustand, frisch oder haltbar gemacht, und die Erzeugnisse ihrer industriellen Verarbeitung sowie organische oder anorganische Stoffe, mit oder ohne Zusatzstoffe, die zur Tierernährung durch Fütterung bestimmt sind, sei es unmittelbar als solche oder in verarbeiteter Form, für die Herstellung von Mischfuttermitteln oder als Trägerstoff für Vormischungen“. Vormischungen werden in Art. 2 Abs. 2 Buchstabe e) Zusatzstoff-VO definiert als „Mischungen von Futtermittelzusatzstoffen oder Mischungen aus einem oder mehreren Futtermittelzusatzstoffen mit Futtermittel-Ausgangserzeugnissen oder Wasser als Trägern, die nicht für die direkte Verfütterung an Tiere bestimmt sind“.
26
Bei dem von der Klägerin für die Produktion von Futtermitteln verwendeten Zinkoxid handelt es sich, was zwischen den Parteien auch nicht streitig ist, um einen Futtermittelzusatzstoff im Sinne der Zusatzstoff-VO. Zinkoxid ist ein Stoff, welcher bewusst Futtermitteln zugesetzt wird. Ziel der Zusetzung ist die positive Beeinflussung der Tierproduktion, der Leistung und des Wohlbefindens der Tiere im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchstabe f) Zusatzstoff-VO (vgl. statt vieler EFSA Journal 2012; 10(11):2970, S. 7).
27
Die Klägerin hält die in der Zusatzstoff-VO festgelegten Bedingungen für die Verwendung von Zinkoxid nicht ein. Namentlich verstößt sie gegen den Vormischzwang. Gemäß Art. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603), welche auf Art. 9 Zusatzstoff-VO basieren, soll der Zusatzstoff Zinkoxid Futtermitteln als Vormischung beigegeben werden. Wie bei den Betriebskontrollen … März 2019 und … Mai 2020 festgestellt wurde, setzte die Klägerin Zinkoxid den von ihr hergestellten Futtermitteln nicht über eine Vormischung zu. Den Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom … Juli 2020 und … August 2020 kann darüber hinaus entnommen werden, dass dies keine untypischen Zufallsbefunde sind, sondern dass die Zugabe von Zinkoxid zu Futtermitteln ohne Verwendung von Vormischungen auf einer bewussten Willensentscheidung der Klägerin beruht. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2022 hat die Klägerin zugestanden, die Bedingung für die Verwendung (Vormischung) nicht einzuhalten.
28
2.1.3 Die in Nr. 1 des Bescheides vom 4. November 2020 getroffene Anordnung, Futtermittelzusatzstoffe, die nach der jeweiligen Zulassungsverordnung Futtermitteln als Vormischungen beigegeben werden müssen (Vormischzwang), nur noch über Vormischungen in Futtermittel einzumischen, ist rechtmäßig.
29
Zweck der Anordnung ist die Gewährleistung und Durchsetzung des gesetzlich vorgegebenen Vormischzwangs. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Durchsetzung des Vormischzwangs steht dem Beklagten ein Auswahlermessen zu. Aufgrund des Verstoßes der Klägerin gegen den Vormischzwang bei Zinkoxid ist der Beklagte zum Handeln gehalten. Ihm steht grundsätzlich kein Entschließungsermessen hinsichtlich der Frage des „Ob“ des Einschreitens zu. Lediglich bei der Frage des „Wie“ des Einschreitens steht ihm ein Ermessen zu, wobei er insoweit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und insbesondere die Erforderlichkeit und Geeignetheit der zu treffenden Maßnahmen in den Blick zu nehmen hat (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.02.2022 - W 8 K 20.1839 - beck-online, Rn. 61; VG Regensburg, B.v. 28.9.2021 - RN 5 S 21.1615 - beck-online, Rn. 32).
30
Die Ausübung des Auswahlermessens durch den Beklagten kann vom Gericht nur eingeschränkt dahingehend überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, § 114 Satz 1 VwGO. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
31
In diesem Zusammenhang ist unschädlich, dass die in Nr. 1 des Bescheides getroffene Anordnung lediglich die Gesetzeslage wiederholt. Solche sogenannten gesetzeswiederholenden Verfügungen sind nämlich nicht per se rechtswidrig. Sie werden vielmehr allgemein für zulässig angesehen, wenn sie ein unmittelbar geltendes Verbot für den Einzelfall konkretisieren und es mit Zwangsmitteln vollziehbar machen (BayVGH, Beschluss vom 18.12.1998, 7 ZS 98.2969, beck-online, Rn. 30 m.w.N.; siehe auch BayVGH, Beschluss vom 12. März 2010, 10 CS 09.1734, beck-online, Rn. 17). So liegt es hier. Die in Nr. 1 des Bescheides getroffene Verfügung konkretisiert den allgemein für bestimmte Futtermittelzusatzstoffe geltenden Vormischzwang für die Klägerin und ist gleichzeitig Grundlage für die Vollziehung mit Zwangsmitteln in Nr. 2 des Bescheides.
32
Die Anordnung in Nr. 1 des Bescheides ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie sich auf alle Futtermittelzusatzstoffe mit Vormischzwang bezieht, während bei den Betriebskontrollen bei der Klägerin Verstöße gegen den Vormischzwang beispielhaft nur bei der Zugabe von Zinkoxid dokumentiert wurden. Die Anordnung ist hierdurch immer noch ausreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn der Adressat erkennen kann, was von ihm gefordert wird und wenn der Bescheid darüber hinaus geeignet ist, Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung zu sein (BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, 8 C 18/16, beck-online, Rn. 13). Für die Klägerin als Adressaten des streitgegenständlichen Bescheides ist ohne weiteres erkennbar, dass sich der Bescheid nicht nur auf den Zusatz von Zinkoxid beschränkt, sondern auf sämtliche Futtermittelzusatzstoffe, für die nach den einschlägigen EU-Vorschriften ein Vormischzwang besteht.
33
Die Anordnung in Nr. 1 des Bescheides ist auch im Übrigen rechtmäßig. Insbesondere ist sie verhältnismäßig. Die Anordnung in Nr. 1 des Bescheides des Beklagten verfolgt das legitime Ziel, die Klägerin zur Einhaltung des europarechtlich vorgegebenen Vormischzwangs für Zinkoxid und andere vormischungspflichtige Futtermittelzusatzstoffe anzuhalten.
34
Die Anordnung des Beklagten ist zur Erreichung des Ziels geeignet. Geeignet ist dabei grundsätzlich jedes Mittel, das dazu beiträgt, den mit der Anordnung verfolgten Zweck zu erreichen. Durch die Konkretisierung des bereits unmittelbar nach den europarechtlichen Vorschriften geltenden Gebots des Vormischzwangs wird die Möglichkeit eröffnet, dieses mit Zwangsmitteln vollziehbar zu machen.
35
Sie ist auch erforderlich. Ein milderes gleich geeignetes Mittel, die Klägerin zur Einhaltung des europarechtlich vorgegebenen Vormischzwangs anzuhalten, ist angesichts der diesbezüglichen Weigerung der Klägerin nicht ersichtlich. EU-Verordnungen und auch EU-Durchführungsverordnungen sind in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar geltendes Recht und damit sowohl von der Klägerin als auch dem Beklagten umzusetzen, vgl. Art. 288 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ausweislich der Schreiben vom … Juli 2020 und … August 2020 an den Beklagten zu erkennen gegeben hatte, dass sie einen Vormischzwang für Futtermittelzusatzstoffe für obsolet halte, wenn man als Futtermittelhersteller über geeignete Mischgeräte verfüge. Die diesbezüglichen Aufklärungsversuche des Beklagten vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides waren im Ergebnis erfolglos, sodass der zuständigen Behörde zur Sicherstellung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften letztlich nur der Weg einer Anordnung bzw. Verfügung an die Klägerin blieb. Angesichts dessen, dass die Klägerin die Notwendigkeit der Umsetzung des Vormischzwangs generell bestritt, war es insbesondere auch erforderlich, die Umsetzung des Vormischzwangs nicht nur hinsichtlich Zinkoxid, sondern auch hinsichtlich aller übrigen vormischungspflichtigen Futtermittelzusatzstoffe anzuordnen.
36
Die Anordnung in Nr. 1 des Bescheides ist schließlich auch angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne. Ein Missverhältnis zwischen dem Ziel der Durchsetzung des europarechtlichen Vormischzwangs und negativen Folgen für die Klägerin ist nicht ersichtlich.
37
Die Anordnung ist auch nicht in Bezug auf den in Art. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603, Zinkoxid) auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 1 Zusatzstoff-VO für den Futtermittelzusatzstoff Zinkoxid geregelten Vormischzwang unverhältnismäßig, da rechtliche Bedenken gegen diese Vorschriften nicht bestehen.
38
Die gegen die Rechtmäßigkeit dieser Zulassungs- bzw. Durchführungsverordnung vorgebrachten Argumente der Klägerin überzeugen nicht.
39
(1) Unabhängig von der Frage, welche Rechtsfolgen ein eventueller Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Zusatzstoff-VO hätte, ist festzustellen, dass bereits kein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Zusatzstoff-VO vorliegt. Hiernach hat die Kommission im Rahmen eines Zulassungsantrags für einen Futtermittelzusatzstoff im Hinblick auf die Erteilung oder Verweigerung der Zulassung einen Entwurf einer Verordnung zu erstellen und - wenn dieser Entwurf nicht mit der Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) übereinstimmt - die Gründe für die Unterschiede zu erläutern. Die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 vom 6. Juli 2016 bzw. deren Entwurf weicht bezüglich Zinkoxid nicht von der Stellungnahme der EFSA ab. Die Kommission war daher nicht im Sinne der zitierten Vorschrift verpflichtet, die Gründe für Unterschiede zu erläutern. Die EFSA hat im Jahr 2015 eine Neubewertung des Erfordernisses eines Vormischzwangs für die Zugabe von Zinkoxid zu Futtermitteln vorgenommen und hält seitdem eine Vormischung für notwendig (EFSA Journal 2015; 13(4):4058, S. 7 Tabelle „other provisions and additional requirements fort he labelling“ und S. 18 „2.9 Conditions of use“). In dieser Stellungnahme wurde seitens der EFSA auch ausdrücklich darauf verwiesen, dass es sich bezüglich Zinkoxid in Futtermitteln um eine von den beteiligten Herstellern beantragte Neubewertung handelt (EFSA Journal 2015; 13(4):4058, S. 8 - Table 2). Hieraus ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass es sich bei der Stellungnahme der EFSA aus dem Jahr 2015 um die im Zeitpunkt des Erlasses der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 vom 6. Juli 2016 gültige Bewertung von Zinkoxid durch die EFSA handelte. Insbesondere hatte sich die frühere Bewertung der EFSA aus dem Jahr 2012 erledigt, wonach der von einem Futtermittelhersteller in seiner Bewerbung zugrunde gelegte Vormischzwang für Zinkoxid nicht notwendig gewesen sei (EFSA Journal 2012; 10(11):2970, S. 13). Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, wie diese Aussage der EFSA aus dem Jahr 2012 vor dem Hintergrund der Bewertung im Jahr 2015 noch Bestand oder Bedeutung haben kann, wenn es sich um denselben Futtermittelzusatzstoff (Zinkoxid) handelt.
40
(2) Unzutreffend ist auch die Argumentation der Klägerin, die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603) sei auch deshalb rechtswidrig, weil Herstellungsverfahren allein in der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Januar 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene geregelt seien und deshalb nicht in anderen Rechtsvorschriften wie beispielsweise der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 geregelt werden dürften. Eine solche Exklusivität der Regelungshoheit für Herstellungsverfahren ist im europäischen Regelungsgefüge für Futtermittel nicht erkennbar. Hiergegen spricht bereits Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c) Zusatzstoff-VO, wonach ein Antragsteller im Rahmen eines Antrags auf Zulassung eines Futtermittelzusatzstoffes unter anderem eine Beschreibung der Verfahren für dessen Erzeugung und industrielle Produktion vorlegen muss. Das wäre überflüssig, wenn es hierauf bei der Zulassung eines Futtermittelzusatzstoffes gar nicht ankäme bzw. wenn im Rahmen der Zulassung gar keine Vorgaben für die Erzeugung oder industrielle Produktion getroffen werden dürften. Auch aus der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 ergibt sich nicht, dass andere Rechtsvorschriften zu Herstellungsverfahren ausgeschlossen sein sollen. Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 ist gemäß ihres Art. 1 die Festlegung allgemeiner Bestimmungen über die Futtermittelhygiene, die Sicherstellung der Rückverfolgung von Futtermitteln und die Registrierung und Zulassung von Betrieben. Ansatzpunkt dieser Verordnung sind dabei eher allgemeine Vorgaben im Sinne der Futtermittelhygiene, der Rückverfolgung von Futtermitteln und der Registrierung und Zulassung von Betrieben. Spezifische Vorschriften für einzelne Futtermittelzusatzstoffe sind in ihr jedoch nicht enthalten. Hierfür verweist die Art. 3 Buchstabe c) Verordnung (EG) Nr. 183/2005 auf die Futtermittelzusatzstoff-VO bzw. das Zulassungsverfahren nach der Futtermittelzusatzstoff-VO. Die beiden Verordnungen stehen offensichtlich nicht in einem Exklusivitätsverhältnis, sondern ergänzen einander. Auch aus dem von der Klägerin zitierten Anhang II Abschnitt Einrichtungen und Ausrüstungen der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 ergibt sich nichts anderes. Die dort unter Nr. 3 b) formulierte Anforderung, dass sämtliche bei der Herstellung von Futtermitteln verwendeten Mischanlagen für die Skala der zu mischenden Gewichte oder Volumen geeignet und in der Lage sein müssen, angemessene homogene Mischungen und homogene Verdünnungen herzustellen, ist viel zu pauschal, um als alleinige abschließende Regelung des Europäischen Gesetzgebers zu Mischverfahren bei Futtermitteln verstanden werden zu können.
41
(3) Die Vorgabe eines Vormischzwangs für den Futtermittelzusatzstoff Zinkoxid in der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603) verletzt auch nicht die Grundrechte der Klägerin aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
42
Maßstab für die Feststellung eventueller Grundrechtsverstöße der Klägerin durch die der Anordnung eines Vormischzwangs für Zinkoxid in der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603) ist nicht das deutsche Grundgesetz, sondern die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Nach Art. 6 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon (Konsolidierte Fassung in Amtsblatt EU vom 30.März 2010, C 83, S. 13 ff. - EUV) erkennt die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung niedergelegt sind; die Charta und die Verträge sind rechtlich gleichrangig. Im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union hängt die Bestimmung der für deutsche Behörden und Gerichte maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen grundsätzlich davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist. Dies richtet sich in aller Regel nach den Normen, aus denen die Rechtsfolgen für den streitgegenständlichen Fall abzuleiten sind, also danach, ob das streitgegenständliche Rechtsverhältnis und die sich aus ihm konkret ergebenden Rechtsfolgen durch das Unionsrecht oder das nationale Recht festgelegt werden. Maßgeblich sind die im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext, nicht eine allgemeine Betrachtung des in Rede stehenden Regelungsbereichs (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. April 2021, 2 BvR 206/14, beck-online Rn. 35, 42, und vom 6. November 2019, 1 BvR 276/17, beck-online, Rn. 78; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2021 - 9 A 1531/16 -, juris Rn. 144; OVG NRW, Urteil vom 21.2.2022, 9 A 361/18, beck-online, Rn. 87). Die Frage nach der vollständigen unionsrechtlichen Determinierung eines Rechtsverhältnisses ist auf der Grundlage einer methodengerechten Auslegung des unionalen Sekundär- und Tertiärrechts zu entscheiden. Sie hat sich daran zu orientieren, ob die in Rede stehenden Normen des Unionsrechts auf die Ermöglichung von Vielfalt und die Geltendmachung unterschiedlicher Wertungen angelegt sind oder ob eingeräumte Spielräume nur dazu dienen sollen, besonderen Sachgegebenheiten hinreichend flexibel Rechnung zu tragen, und das unionale Fachrecht vom Ziel einer gleichförmigen Rechtsanwendung getragen ist (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2021, 2 BvR 206/14, beck-online Rn. 44). Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu entnehmen sind, weil das streitentscheidende Rechtsverhältnis (Rechtmäßigkeit der Vorgabe des Vormischzwangs in der Durchführungsverordnung) ausschließlich unionsrechtlich bestimmt ist. Bei der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603) handelt es sich um eine unmittelbar geltende Unionsvorschrift. Der streitgegenständliche Vormischzwang bzw. die Zulassungsbedingungen für die Nutzung von Zinkoxid als Futtermittelzusatzstoff sollen unionsweit gleichförmig gelten. Öffnungsklauseln oder Spielräume für einzelne Mitgliedsstaaten sind diesbezüglich nicht ersichtlich.
43
Verstöße gegen die Grundrechte der Klägerin aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) sind nicht ersichtlich. Insbesondere verletzt die Vorgabe eines Vormischzwangs nicht die Grundrechte der Klägerin aus Art. 16 (Unternehmerische Freiheit) GrCh und Art. 17 (Eigentumsrecht) GrCh.
44
Der Schutzbereich von Art. 16 GrCh wird zwar durch die Vorgabe des Vormischzwangs berührt. Gemäß Art. 16 GrCh wird die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt. Art.16 GrCh setzt ein „Unternehmen“ („business“/„entreprise“), eine unternehmerische Betätigung, also eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit voraus. Darunter fällt, ähnlich wie beim Unternehmensbegriff des Art.101 AEUV, jede Einheit, unabhängig von Rechtsform und Finanzierungsart, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, also dauerhaft, selbständig und entgeltlich Güter und Dienstleistungen auf einem Markt anbietet (vgl. Jarass GrCh, 4. Aufl. 2021, EU-Grundrechte-Charta Art. 16 Rn. 8). Geschützt werden die Aufnahme und die Beendigung der unternehmerischen Betätigung sowie alle Aspekte ihrer Durchführung (Jarass GrCh, 4. Aufl. 2021, EU-Grundrechte-Charta Art. 16 Rn. 10). Die Entwicklung und Herstellung von Futtermittelprodukten mit Zinkoxid durch die Klägerin ist eine wirtschaftliche Betätigung in diesem Sinne und unterliegt dem Schutzbereich von Art. 16 GrCh. Die Anordnung eines Vormischzwangs ist eine Erschwernis für die Herstellung von Produkten mit Zinkoxid und stellt folglich einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 16 GrCh dar.
45
Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 16 GrCh ist jedoch gerechtfertigt. Nach Art. 52 Abs. 1 GrCh muss jede Einschränkung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Die Anordnung des Vormischzwangs hält sich in diesem Rahmen.
46
Die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 i.V. m. dem Anhang (Kennnummer 3b603) ist eine gesetzliche Grundlage in diesem Sinne. Diese achtet den Wesensgehalt von Art. 16 GrCh. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes wurde zwar bisher nicht näher definiert, was den Wesensgehalt eines Grundrechts ausmacht. Neuere Entscheidungen legen jedoch nahe, dass ein absolutes Verständnis im Sinne eines schlechthin unantastbaren Kernbereichs zugrunde zu legen ist (Calliess/Ruffert/Kingreen, 6. Aufl. 2022, EU-GRCharta Art. 52 Rn. 64). Es ist nicht ersichtlich, dass der Vormischzwang für Zinkoxid den Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin missachtet. Die Klägerin kann weiterhin ihre Tätigkeit als Futtermittelproduzentin nachgehen. Lediglich für Produkte mit Zinkoxid ergibt sich eine Erschwernis für die Produktion; die Produktion dieser Produkte bleibt jedoch möglich. Selbst wenn die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - aufgrund des Vormischzwangs die Produktion von Produkten mit Zinkoxid einstellen müsste, verbliebe ihr immer noch ein nicht unwesentlicher Teil ihrer unternehmerischen Betätigung. Dass alle ihre Produkte oder der überwiegende Teil ihrer Produkte Zinkoxid enthalten und sie ihre unternehmerische Tätigkeit komplett einstellen müsste, wurde von der Klägerin jedenfalls nicht vorgetragen.
47
Die Festlegung des Vormischzwangs für Zinkoxid als Futtermittelzusatzstoff ist auch verhältnismäßig im Sinne von Art. 52 Abs. 1 GrCh. Hiernach sind staatliche Regelungen verhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung der zulässigerweise mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Calliess/Ruffert/Kingreen, 6. Aufl. 2022, EU-GRCharta Art. 52 Rn. 65 m.w.N.).
48
Die Festlegung eines Vormischzwangs für Zinkoxid in Futtermitteln verfolgt ein legitimes Ziel, nämlich insbesondere die Gewährleistung des Schutzes der Gesundheit und des Wohlergehens der Tiere durch eine Verbesserung der Mischungsqualität von Futtermitteln mit Zinkoxid. Hier ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Vorhandensein von Zink bzw. Zinkoxid für die Gesundheit und das Wohlergehen gefütterter Tiere essentiell ist (vgl. EFSA Journal 2015; 13(4):4058, S. 7), dass aber eine Überdosierung von Zink bzw. Zinkoxid zu gesundheitlichen Schäden bei den gefütterten Tieren führen kann (vgl. EFSA Journal 2015; 13(4):4058, S. 8 f.). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Verwendung von Vormischungen bzw. zweistufigen Mischungsverfahren im Vergleich zu einstufigen Mischungsverfahren zu einer höheren Mischungsqualität führt (vgl. beispielsweise Ivanov/Kokic, Twostep mixing in feed premixes production, Journal on Processing an Energy in Agriculture, Vol. 13 (2009), iss. 3, S. 280-282). Die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers, die Verwendung von Vormischungen beim Einsatz des Futtermittelzusatzstoffs Zinkoxid verbindlich vorzuschreiben, dient deshalb offensichtlich dem Ziel, die Mischungsqualität der Futtermittel bezüglich Zink bzw. Zinkoxid zu verbessern und damit Gefahren für die Gesundheit und das Wohlergehen der gefütterten Tiere zu verringern (vgl. Erwägungsgrund Nr. 4 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016). Die Mischungsqualität bzw. Homogenität einer Mischung ist eine statistische Größe und wird dadurch beschrieben, wie stark die Zusammensetzung von einzelnen entnommenen Proben aus dem Mischgut vom gewünschten Mittelwert abweicht. Üblicherweise wird die Mischgüte bzw. Mischungsqualität durch die Varianz bzw. Standardabweichung der entnommenen Proben gemessen. Je geringer die Schwankungen der Probenzusammensetzung ausfallen bzw. je kleiner die Standardabweichung der Proben ist, desto besser bzw. homogener ist die Mischung (Stieß, Mechanische Verfahrenstechnik-Partikeltechnologie 1, 3. Auflage 2009, S. 333-335; vgl. auch Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bundesamt für Verbraucherschutz und Bundesinstitut für Risikobewertung: „Leitfaden zur Überprüfung der Arbeits- und Mischgenauigkeit bei Futtermittelunternehmen“ vom 11. Juni 2018; Quelle: https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/02_Futtermittel/fm_Leitfaden_ArbeitsMischgenauigkeit.pdf, S. 3). Bezogen auf Zinkoxid bedeutet dies, dass die Qualität einer Futtermittelmischung umso besser ist, je weniger der Gehalt an Zink bzw. Zinkoxid in den einzelnen aus ihr entnommenen Proben bzw. Futtermittelportionen voneinander abweicht. Hierdurch wird nämlich verhindert, dass ein Tier mit seiner Futtermittelration eine zu geringe Dosis Zinkoxid erhält und unterversorgt wird, während ein anderes Tier mit seiner Futtermittelration eine zu hohe Dosis zu sich nimmt und damit die Gefahr einer Überdosierung besteht.
49
Die Festlegung des Vormischzwangs für Zinkoxid ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Verwendung zweistufiger Mischungsverfahren bzw. von Vormischungen im Vergleich zu einstufigen Mischungsverfahren die Standardabweichung der Mischungszusammensetzung senkt, d.h. die Mischungsqualität erhöht (vgl. beispielsweise Ivanov/Kokic, Twostep mixing in feed premixes production, Journal on Processing an Energy in Agriculture, Vol. 13 (2009), iss. 3, S. 280-282). Dies senkt die Gefahr für die gefütterten Tiere, beim Einsatz des Futtermittels mit dem hinzugemischten Futtermittelzusatzstoff unter- oder überversorgt zu werden und damit deren Gesundheit und Wohlergehen zu beeinträchtigen.
50
Die Festlegung des Vormischzwangs für Zinkoxid ist auch erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ein milderes gleich geeignetes Mittel, um eine Verbesserung der Mischungsqualität von Futtermitteln mit dem Zusatzstoff Zinkoxid zu erreichen, hat die Klägerin nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere verfängt der Einwand der Klägerin nicht, die von ihr eingesetzten Mischgeräte würden die erforderliche Mischgenauigkeit auch in einem einstufigen Mischverfahren erreichen. Der Einwand übersieht zum einen, dass der Europäische Gesetzgeber keine (technologieoffene) absolute Vorgabe für die Mischqualität von Futtermittelmischungen mit Zinkoxid getroffen hat, sondern ein technisches Verfahren verpflichtend vorgeschrieben hat, dass zu einer (relativen) Verbesserung der Mischqualität bzw. der Homogenität von Futtermittelmischungen mit Zinkoxid führt (siehe oben). Die Klägerin kann insofern nicht einwenden, dass sie eine bestimmte absolute Mischqualität erreicht, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte absolute Mischqualität gar nicht gefordert hat. Zum anderen überzeugt der Einwand der Klägerin nicht, weil es auf die von ihr angeführte Mischgenauigkeit in diesem Zusammenhang nicht allein ankommt. Die Mischgenauigkeit ist zur Beurteilung der Mischqualität bzw. der Homogenität einer Mischung nämlich nicht ausreichend (vgl. Jansen, Mischtechnik im Futtermittelbetrieb, Die Mühle + Mischfuttertechnik 1992, S. 265-270, S. 266). Insofern kann mittels der alleinigen Angabe der Mischgenauigkeit der von der Klägerin verwendeten Mischgeräte keine Aussage getroffen werden, ob und inwieweit das gesetzgeberische Ziel - nämlich die Verbesserung der Mischqualität - erreicht wird. Die Mischgenauigkeit ist über das Einmischungsverhältnis definiert und beschreibt die Fähigkeit einer Mischanlage, unterschiedliche Mengen an Einzelkomponenten in einer definierten Zeit homogen zu mischen. Beispielsweise entspricht ein Einmischungsverhältnis von 1:100.000 einer homogenen Verteilung von 10 g in einer Tonne der Mischung. In diesem Zusammenhang beschreibt Homogenität die Gleichmäßigkeit der Verteilung eines eingemischten Futtermittels innerhalb eines Gemisches von mehreren Futtermitteln (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bundesamt für Verbraucherschutz und Bundesinstitut für Risikobewertung: „Leitfaden zur Überprüfung der Arbeits- und Mischgenauigkeit bei Futtermittelunternehmen“ vom 11. Juni 2018; Quelle: https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/02_Futtermittel/fm_Leitfaden_ArbeitsMischgenauigkeit.pdf, S. 3). Hieraus ergibt sich, dass die Mischgenauigkeit eher im Sinne eines Zielwertes einer Mischung lediglich eine Aussage über den zu erwartenden Mittelwert der Zusammensetzung einzelnen Proben trifft. Bei einer Mischgenauigkeit von 1:100.000 würde also im Mittel in jeder aus der Mischung genommenen Probe ein Anteil von 1/100.000 des zugemischten Stoffes zu erwarten sein. Die Mischgenauigkeit enthält jedoch keine Aussage dazu, in welchem Ausmaß die tatsächliche Zusammensetzung der einzelnen entnommenen Proben um diesen zu erwartenden Mittelwert schwankt bzw. von diesem abweicht. Letzteres wird nämlich wie bereits dargestellt durch die Homogenität bzw. Qualität der Mischung beschrieben, welche beispielsweise mit der Standardabweichung gemessen werden kann. Mit anderen Worten kann die Qualität einer Futtermittelmischung nicht über die Mischgenauigkeit beschrieben werden, wenn nicht gleichzeitig eine Aussage über die erforderliche Homogenität der Mischung bzw. deren Standardabweichung getroffen wird.
51
Die Festlegung des Vormischzwangs für Zinkoxid ist auch angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass die auferlegten Belastungen nicht in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Die Klägerin hat zum einen nicht konkret dargelegt, worin die negativen Auswirkungen des Vormischzwangs für Zinkoxid auf ihre Geschäftstätigkeit bestehen. Insbesondere ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass sie - wie vorgetragen - bestimmte Futtermittel nicht mehr herstellen kann. Das von der Klägerin in diesem Zusammenhang beispielhaft genannte Produkt „C. … …“ ist vom hier relevanten Vormischzwang für Zinkoxid bereits deshalb nicht betroffen, weil es ausweislich der Internetseite der Klägerin überhaupt kein Zinkoxid enthält (http://www. …*). Für die streitgegenständliche Frage der Unangemessenheit des Vormischzwangs für Zinkoxid ist es deshalb irrelevant. Hiervon abgesehen, ist dieses Produkt auch deshalb nicht zur allgemeinen Illustration der negativen Wirkungen eines Vormischzwangs für Futtermittelzusatzstoffe geeignet, weil es in seiner aktuellen Zusammensetzung überhaupt keine Futtermittelzusatzstoffe enthält, für die ein Vormischzwang besteht. Insbesondere ist für die Futtermittelzusatzstoffe Vitamin E, Folsäure und Vitamin B 12 ein Vormischzwang in den entsprechenden Zulassungsverordnungen (Verordnung (EU) Nr. 26/2011 vom 14. Januar 2011, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 803/2013 vom 22. August 2013 und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2022/1249 vom 19. Juli 2022) nicht angeordnet worden. Soweit die Klägerin in der Klagebegründung auch auf den Futtermittelzusatzstoff Vitamin K3 als Zutat des Produkts „C. … …“ abstellt, unterliegt dieser zwar tatsächlich einem Vormischzwang (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/2307 vom 10. Dezember 2015). Allerdings ist dieser Futtermittelzusatzstoff ausweislich der aktuellen Zutatenliste (www. …; abgefragt am 9. November 2022) nicht in diesem Produkt enthalten und die diesbezüglichen Angaben der Klägerin widersprüchlich (vgl. die Schriftsätze der Klagepartei vom … Februar 2021 und … Juni 2022). Sofern Vitamin K3 tatsächlich einmal Zutat des Produkts „C. … …“ gewesen sein sollte - das kann hier dahingestellt bleiben - hat die Klägerin jedenfalls offensichtlich einen Weg gefunden, mit dem Vormischzwang für das Vitamin K3 umzugehen und das Produkt „C. … …“ weiterhin anzubieten. Des Weiteren ist für das Gericht auch sonst nicht erkennbar, dass der Vormischzwang für Zinkoxid eine übermäßige Behinderung der Futtermittelproduktion darstellt. Insbesondere in der vom Beklagten aufgezeigten Variante eines abgestuften Verfahrens, bei welchem im selben Mischgerät zunächst eine Vormischung mit Zinkoxid hergestellt und die weiteren Bestandteile später hinzugegeben werden dürfen, sind für die Produktion des Futtermittels keine zusätzlichen Mischgeräte notwendig, sondern kommt es lediglich zu zusätzlichen Arbeitsschritten bzw. einer zeitlichen Verlängerung des Produktionsprozesses. Warum dies für die Klägerin unzumutbar bzw. unangemessen sein soll, ist für das Gericht mangels konkreter Darlegungen der Klägerseite nicht erkennbar. Im Übrigen trifft der Vormischzwang für Zinkoxid nicht nur die Klägerin, sondern europaweit alle Hersteller von Futtermitteln gleichermaßen. Schließlich geht auch der Einwand der Klägerin, dass sich die Unangemessenheit des Vormischzwangs aus der fehlende Implementierung von Übergangsvorschriften ergäbe, ins Leere. Tatsächlich sieht die streitgegenständliche Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 der Kommission vom 6. Juli 2016 in Art. 7 Übergangsvorschriften dahingehend vor, dass für die Produktion eine Übergangsfrist von 6 Monaten und für den Vertrieb bereits produzierter Einzel- und Mischfuttermittel Übergangsfristen von einem bzw. zwei Jahren gelten. Dass diese Übergangsfristen für die Umstellung der Produktion und des Vertriebs der Klägerin nicht ausreichend gewesen sein sollen, wurde nicht vorgetragen und ist auch sonst für das Gericht nicht ersichtlich.
52
Die Festlegung des Vormischzwangs für Zinkoxid verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 17 GrCh (Eigentumsrecht). Gemäß Art. 17 Abs. 1 GrCh hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Nach Art. 17 Abs. 2 GrCh wird geistiges Eigentum geschützt.
53
Art. 17 GrCh schützt in sachlicher Hinsicht alle vermögenswerten Rechte, aus denen sich im Hinblick auf die Rechtsordnung eine gesicherte Rechtsposition ergibt, die eine selbständige Ausübung dieser Rechte durch und zugunsten ihres Inhabers ermöglicht. Existenz und Reichweite der Rechtsposition hängen damit von den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts und des nationalen Rechts ab. Art.17 ist ein normgeprägtes Grundrecht. Das betrifft auch Ansprüche, auf deren Realisierung der Anspruchsinhaber berechtigterweise vertrauen durfte. Geschützt werden nur bestehende, vorhandene Positionen. Da nur Rechtspositionen geschützt werden, die dem Inhaber in rechtlich gesicherter Weise zugeordnet sind, werden bloße kaufmännische Interessen und Aussichten, Chancen und Verdienstmöglichkeiten nicht erfasst; insoweit sind die Freiheitsgrundrechte, insb. die unternehmerische Freiheit in Art.16 GrCh, einschlägig. Gleiches gilt für den Erhalt eines Marktanteils oder von Referenzmengen. Es gibt kein wohlerworbenes Recht und auch nur berechtigtes Vertrauen auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation (Jarass GrCh, 4. Aufl. 2021, EU-Grundrechte-Charta Art. 17 Rn. 6 f. mit weiteren Nachweisen). Ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb, also ein Unternehmen in seiner Gesamtheit (über den Schutz der einzelnen Positionen des Unternehmens hinaus), als Eigentum i.S.d. Art.17 GrCh einzustufen ist, erscheint nach der Rechtsprechung des EuGH zweifelhaft. So wird ein von einem Unternehmen erarbeiteter Marktanteil nicht geschützt, auch wenn das Unternehmen seine Investitionen darauf ausgerichtet hat. Gleiches gilt für die Vermarktung eines Produkts; insoweit ist Art.16 GrCh einschlägig. Geschützt wird jedenfalls die Nutzung von Produktionsanlagen, die etwa durch Produktionsquoten beeinträchtigt wird. Insoweit geht es allerdings um das Eigentum an den Anlagen und nicht um ein Recht am Unternehmen (Jarass GrCh, 4. Aufl. 2021, EU-Grundrechte-Charta Art. 17 Rn. 13 mit weiteren Nachweisen).
54
Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass durch die Vorgabe des Vormischzwangs hinsichtlich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs der Klägerin bereits der Schutzbereich des Art. 17 GrCh nicht berührt ist. Ein Eingriff in das Grundrecht oder gar eine Verletzung desselben liegen nicht vor. Die Aussicht, weiterhin Futtermittel mit Zinkoxid ohne Vormischzwang produzieren und vertreiben zu dürfen, wird nicht von Art. 17 GrCh geschützt. Es handelt sich hierbei um bloße kaufmännische Interessen und Verdienstmöglichkeiten, die keine gesicherte Rechtsposition im Sinne von Art. 17 GrCh darstellen. Insoweit ist der bereits erörterte Art. 16 GrCh (Unternehmerische Freiheit) einschlägig.
55
Vor diesem Hintergrund erweist sich die in Nr. 1 des Bescheides vom 4. November 2020 getroffene Anordnung auch nicht in Bezug auf den Vormischzwang für Zinkoxid als unverhältnismäßig im engeren Sinne. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Anordnung vom 4. November 2022 vom Beklagten erst mehr als vier Jahre nach dem Inkrafttreten des europarechtlichen Vormischzwangs für Zinkoxid im Juli 2016 erlassen wurde, so dass der Klägerin neben der in der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1095 geregelten Übergangsfrist faktisch ein nochmals verlängerter sanktionsloser Zeitraum zur Umstellung ihrer Produktion zur Verfügung stand.
56
2.2 Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung in Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheides vom 4. November 2020 wurden keine Fehler gerügt. Das Gericht weist jedoch ergänzend darauf hin, dass die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheides aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenstandslos geworden ist und der Beklagte zur Vollstreckung das Zwangsgeld unter Setzung einer neuen Frist nochmals androhen müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.1979, Az. 1 C 20/75; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. April 2002, Az. 8 LB 47/01, juris Rn. 41; siehe auch HK-VerwR/Hanno-Dirk Lemke, 5. Aufl. 2021, VwVG § 13 Rn. 8-12 zur Problematik und zum Streitstand m.w.N.).
57
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.