Inhalt

VG München, Beschluss v. 05.12.2022 – M 19L DA 22.4516
Titel:

Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen

Normenkette:
BayDG Art. 39, Art. 61
Leitsatz:
Eine vorläufige Dienstenthebung kann keinen Bestand haben, wenn die Prognose einer voraussichtlichen Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst nicht getroffen werden kann, weil das erkennende Gericht (lediglich) die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge ausgesprochen hat (vgl. VG München BeckRS 2022, 35334, BeckRS 2022, 35334). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen, Beleidigende und unangemessene Äußerungen sowie Anzeigen gegen Vorgesetzte bei anderen Behörden wegen vermeintlicher Brandschutzmängel durch technischen Museumsmitarbeiter, Stattgabe, weil mit Urteil vom selben Tag lediglich Kürzung der Dienstbezüge ausgesprochen wurde, vorläufige Dienstenthebung, Einbehaltung von Dienstbezügen, Aussetzung, Prognose, Disziplinarmaßnahme, Kürzung der Dienstbezüge, Urteil
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35330

Tenor

I. Die mit Verfügung des Antragsgegners vom 16. August 2022 ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von 30 v.H. der monatlichen Dienstbezüge wird ausgesetzt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, ein technischer Museumsmitarbeiter, begehrt die Aussetzung der mit Verfügung des Antragsgegners vom 16. August 2022 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen. Ihm werden beleidigende und unangemessene Äußerungen gegenüber Vorgesetzten sowie Anzeigen gegen diese bei anderen Behörden vorgeworfen.
2
Mit Verfügung vom 16. August 2022 enthob der Antragsgegner den Antragsteller mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes (Nr. 1) und ordnete die Einbehaltung von 30 v.H. seiner monatlichen Dienstbezüge an (Nr. 2). Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung beruhe auf Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) und sei auszusprechen, weil im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde. Der Antragsgegner sei nicht bereit für einen achtungs- und vertrauensvollen Umgang mit seinen Vorgesetzten und ignoriere dienstliche Weisungen. Es gehe ihm nicht um die Beseitigung von Brandschutzmängeln, sondern um Ansehensschädigung seiner Vorgesetzten und des Deutschen Museums. Hierzu arbeite er mit Beleidigungen, Drohungen und Flucht an die Öffentlichkeit. Das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig gestört und könne nicht wiederhergestellt werden. Die Einbehaltung der Dienstbezüge beruhe auf Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Der Antragsteller sei auch unter dem Einbehalt in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
3
Dieser beantragte am 14. September 2022 beim Verwaltungsgericht München,
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Die mit Verfügung des Antragsgegners vom 16. August 2022 ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von 30 v.H. der monatlichen Dienstbezüge auszusetzen.
5
Der Antragsgegner beantragte,
6
den Antrag abzulehnen.
7
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrags der Parteien wird auf das Urteil des erkennenden Gerichts vom heutigen Tag (M 19L DK 22.3481) verwiesen, mit dem gegen den Antragsteller die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge i.H.v. 5 v.H. für die Dauer von 21 Monaten ausgesprochen wurde. Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
8
Der Antrag hat Erfolg.
9
1. Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG kann die Disziplinarbehörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG kann sie gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50 v.H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden. Nach Art. 61 Abs. 1 BayDG kann der Beamte bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen beantragen. Über den Antrag ist durch Beschluss zu entscheiden (vgl. Art. 61 Abs. 3 BayDG).
10
Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind nach Art. 61 Abs. 2 BayDG ganz oder zum Teil auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, was dann der Fall ist, wenn nach dem Kenntnisstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind insoweit ernstliche Zweifel im Sinne des Art. 61 Abs. 2 BayDG zu bejahen. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist. Da im gerichtlichen Verfahren nach Art. 61 BayDG für eigene Beweiserhebungen im Regelfall kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur kursorisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der gerade aktuellen Entscheidungsgrundlage entscheiden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 16a DS 13.706 - juris Rn. 18).
11
2. Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen kann die vorläufige Dienstenthebung keinen Bestand haben, weil die Prognose einer voraussichtlichen Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst nicht getroffen werden kann. Das erkennende Gericht hat gegen den Antragsteller mit Urteil vom heutigen Tag (lediglich) die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge i.H.v. 5 v.H. für die Dauer von 21 Monaten ausgesprochen. Den mit der Disziplinarklage gestellten Antrag des Antragsgegners auf Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis hat es dagegen nicht als gerechtfertigt angesehen. Auf die ausführliche Darstellung in dem Urteil wird Bezug genommen.
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Dem Antrag war daher stattzugeben. Die Aussetzung erfolgt mit Rückwirkung zum Erlasszeitpunkt der Verfügung.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verfahren ist nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gerichtsgebührenfrei.