Titel:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Zusammenhang mit der sogenannten Reichsbürgerbewegung
Normenketten:
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3, § 39, § 47 Abs. 1 S. 1
BayDG Art. 3, Art. 11, Art. 14, Art. 19 Abs. 1 S. 1, Art. 24 Abs. 3, Art. 25 Abs. 2, Art. 32, Art. 53 Abs. 1, Art. 66
VwGO § 102 Abs. 2
StGB § 22, § 23, § 253 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
GG Art. 18, Art. 21
Leitsätze:
1. Ein Beamter wird seiner beamtenrechtlichen Kernpflicht der Verfassungstreue nicht gerecht, wenn er als Anhänger der "Reichsbürgerbewegung" die Geltung des GG und die verfassungsmäßige Struktur der BRD infrage stellt; nichts anderes gilt, wenn ein Beamter als Einzelner und ohne Anhänger dieser Bewegung zu sein, durch reichsbürgertypische Äußerungen die Geltung des GG und die verfassungsmäßige Struktur der BRD infrage stellt und ein entsprechendes Verhalten nach außen bewusst an den Tag legt. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, ihrem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten der Beamtin ist regelmäßig die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten, da es die Grundlagen des Beamtenverhältnisses nicht zulassen, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung ablehnen oder offensichtlich infrage stellen (ebenso VGH München BeckRS 2021, 30890). (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erschwerend ist zu berücksichtigen, wenn sich die Beamtin bei der Begehung des Dienstvergehens im Wege der versuchten Erpressung strafbar gemacht hat. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Landes) Disziplinarrecht, Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, „Reichsbürgerbewegung“, Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, Vertrauensstellung als Lehrkraft, Reichsbürgerbewegung, versuchte Erpressung, Steuerbescheid, Steuernachzahlung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35329
Tenor
I. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Gegenstand des Verfahrens ist eine Disziplinarklage des Klägers auf Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis wegen des Vorwurfs nachhaltiger Verstöße - sogar in Verbindung mit strafbarem Verhalten - gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur Verfassungstreue im Zusammenhang mit der sog. „Reichsbürgerbewegung“.
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1. Die am … … 1959 geborene Beklagte ist nach zwei erfolgreichen Staatsexamen für das Lehramt an Grundschulen seit 12. März 1991 als Lehrerin beim Freistaat Bayern Beamtin auf Lebenszeit. Nach zwischenzeitlicher Ruhestandsversetzung zum
1. Juni 2009 gemäß Art. 66 Bayerisches Beamtengesetz wurde sie mit Wirkung vom 12. September 2012 erneut zur Lehrerin ernannt. Bis zu einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) am 22. September 2020 war die Beklagte als mobile Reserve eingesetzt. Seit dem 10. Juni 2022 ist die Beklagte gemäß Art. 39 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) vorläufig des Dienstes enthoben und werden 50% ihrer Bezüge aus A12 einbehalten.
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Mit Ausnahme der im Disziplinarverfahren gegenständlichen Vorwürfe ist die Beklagte strafrechtlich und disziplinarrechtlich bislang nicht vorbelastet.
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Hinsichtlich der Einzelheiten ihres Werdegangs sowie der Beurteilungen und Persönlichkeit der Beamtin wird auf die Ausführungen in der Disziplinarklage vom 13. Juni 2022 mit einem Persönlichkeitsbild vom 1. Juli 2019 sowie die beigezogene Personalakte Bezug genommen.
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2. Nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayDG am 18. Juni 2019 mit Bekanntgabe an die Beklagte am 21. Juni 2019 gemäß Art. 22 BayDG äußerte sich die Beklagte mit am 16. Juli 2019 eingegangenem Schreiben. Mit Verfügung vom 16. Juli 2019 setzte die Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde das Verfahren gemäß Art. 24 Abs. 3 BayDG aufgrund eines Strafverfahrens gegen die Beklagte aus. Gegen die Beklagte wurde am 21. Januar 2020 durch das Amtsgericht München ein Strafbefehl wegen versuchter Erpressung erlassen - Cs 117 … …, dessen Einspruch hiergegen mit Urteil des Amtsgerichts München vom 17. März 2021 verworfen wurde. Daraufhin setzte die Disziplinarbehörde das Verfahren gemäß Art. 24 Abs. 3 BayDG fort und dehnte es gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayDG auf weitere Handlungen aus. Nach weiterer Aussetzung des Verfahrens vom 24. Juni 2021 bis 9. Februar 2022 aufgrund polizeilicher Ermittlungen holte die Landesanwaltschaft Bayern umfangreich dienstliche Auskünfte gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayDG über die Beklagte ein. Unter dem 4. Mai 2022 wurde sodann das Ergebnis der Ermittlungen i.S.v. Art. 32 BayDG vermerkt und der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der sie keinen Gebrauch machte.
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Hinsichtlich der Einzelheiten zum Disziplinarverfahren wird auf die Disziplinarklage sowie die vorliegende Behördenakte über das Disziplinarverfahren Bezug genommen.
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3. Am 13. Juni 2022 hat der Kläger gegen die Beklagte Disziplinarklage erhoben, auf die gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Bezug genommen wird, und in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2022 beantragt,
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die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Die Beklagte hat sich im Klageverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt. Ausweislich Postzustellungsurkunde wurde die Disziplinarklage am 20. Juni 2022 und die Ladung zur mündlichen Verhandlung, der sie fernblieb, am 26. Juli 2022 zugestellt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Akten der Disziplinarbehörde einschließlich der Personalakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird gegen die Beklagte auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG erkannt.
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Trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2022 konnte entschieden werden, da die Beklagte ordnungsgemäß gemäß Postzustellungsurkunde am 26. Juli 2022 geladen und auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen wurde, Art. 3 BayDG i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO.
13
I. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG geltend gemacht noch von Amts wegen ersichtlich. Insbesondere ist der Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.
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II. Der Beklagten wird in der Disziplinarklage Folgendes zur Last gelegt:
1. „Am 21.01.2020 erließ das Amtsgericht München unter dem Az. 118 Cs 117 Js … einen Strafbefehl gegen die Beklagte wegen versuchter Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu jeweils 30,00 Euro. Den hiergegen durch die Beklagte mit Schreiben vom 03.02.2020 eingelegten Einspruch verwarf das Amtsgericht München mit Urteil vom 17.03.2021 gemäß §§ 412, 329 StPO, nachdem die Beklagte im Termin zur Hauptverhandlung am 17.03.2021 unentschuldigt nicht erschienen war. Das Urteil und damit auch der Strafbefehl des Amtsgerichts München sind seit 27.03.2021 rechtskräftig.
Der Beklagte wurde im Strafverfahren laut Strafbefehl vom 21.02.2020 folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt erhielten Sie - vermutlich adressiert an Ihre Wohnanschrift in München - von Seiten des Finanzamtes, D. … in München, einen Steuerbescheid für das Jahr 2017 (Nr. …), in dem eine Steuernachzahlung in Höhe von 3.013,14 EUR zu Ihrem Nachteil festgesetzt wurde.
Als Antwort auf den Steuerbescheid vom 24.01.2019 (Nr. …) übersandten Sie an das Finanzamt München ein - vermutlich an Ihrer Wohnadresse in der …straße 8 in München erstelltes - Schreiben, datiert auf den 25.01.2019, mit dem Sie unter Anderem folgendes ausführten:
„Ich habe Ihr oben genanntes Schreiben erhalten und nach rechtlicher Würdigung des Absenders und des Inhalts als Angebot erkannt. Dieses nehme ich hiermit unter folgender Voraussetzung an, erbringen Sie ihre amtliche Legitimation, Sie weisen damit in notariell beglaubigter Form nach, wofür, wie, wodurch, von wem Sie die Rechte zu hoheitlichen Handlungen übertragen wurden. Gleichzeitig weisen Sie in notarieller Form nach, auf welchen Staat Sie vereidigt worden sind. Sie erbringen eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland und Sie erbringen eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde des Bundeslandes, in der sich derjenige befindet.
Ich gebe Ihnen hiermit eine angemessene Frist von 72 Stunden + Postzustellung zuzüglich 2 Tagen Postlaufzeit unter Eid und unbeschränkter Haftung zu erbringen. Sollte dies nicht erfolgen, gehe ich davon aus, dass Sie selbst privatrechtlich und Ihre Behörde nach Firmen- und Vertragsrecht als Unternehmen im Handelsrecht oder für solche im Auftrag zu handeln, da Sie oder übergeordnete Identitäten in internationalen Verzeichnissen gewerblich gelistet sind.
Nutzen Sie diese Frist nicht und erbringen Sie nicht die erforderlichen Beweise und widerlegen Sie die letzteren Tatsachen u. die Annahme nicht rechtskräftig oder unvollständig oder nicht in der gesetzten Frist, gilt dies sowohl als Ihre unwiderrufliche Tatsache und Annahme mit allen daraus folgenden Konsequenzen als Ihre unwiderrufliche absolute Zustimmung zu einem privatrechtlichen kommerziellen Pfandrecht in Höhe von 10000 € als auch Ihrer Behörde gegenüber in Höhe von 1 Million Euro, als auch Ihre unwiderrufliche Hinterlegung in einem von mir freiwählbaren Schuldnerverzeichnis, als auch Ihr unwiderruflicher absoluter Verzicht auf rechtl. und andere Mittel.“
Durch Ihr Verhalten wollten Sie den Sachbearbeiter des Finanzamts München, … …, … München, dazu bewegen, von der Geltendmachung der Steuerforderung abzusehen und sich selbst die Bezahlung der Forderung aus dem Steuerbescheid ersparen.“
Das Schreiben der Beklagten vom 25.01.2019 ist handschriftlich verfasst und liegt im Disziplinarverfahren zweifach in Kopie vor (DA Bl. 10, 39).
Die tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 21.02.2020 entfalten für das Disziplinarverfahren eine Indizwirkung und können gemäß Art. 25 Abs. 2 BayDG ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden. Da das Urteil des Amtsgerichts München insoweit keine eigenen tatsächlichen Feststellungen enthält, kommt ihm keine Bindungswirkung nach Art. 25 Abs. 1 BayDG zu. Von der Beklagten wurde im Übrigen weder im Straf- noch im Disziplinarverfahren bestritten, dieses Schreiben verfasst und an das Finanzamt München geschickt zu haben.
2. Wie aus der beigezogenen Strafakte (Az. 117 Js …) hervorgeht, hat die Beklagte im Strafverfahren mit Schreiben vom 03.02.2020 „für den Fall, dass Sie mir die Rechtsgültigkeit nachweisen, (…) vorsorglich Einspruch“ gegen den am 21.01.2020 vom Amtsgericht München erlassenen Strafbefehl eingelegt. In diesem Zusammenhang hat sie u.a. ausgeführt, „dass ihr Anschreiben keine Rechtswirksamkeit und damit Rechtskraft erhalten kann, weil durch das Gesetz vorgeschrieben ist, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet sein muss. (-vgl. § 126 BGB) (Stempel mit gez. Fuchs genügt dem nicht)“.
Im weiteren Verlauf des Schreibens begründet die Beklagte ihren vorsorglich eingelegten Einspruch u.a. wie folgt:
„Als Steuer- und Abgabenzahler, Bürger, bayrischer Staatsbeamter habe ich das Recht auf eine rechtsgültige Behandlung beim FINANZAMT durch Finanzbeamte. Es sind nur Finanzbeamte befugt die vom Staat hoheitliche Aufgaben übertragen bekommen haben Steuern und Abgaben festzusetzen und einzuziehen. Die Bezeichnung Sachbearbeiter oder Servicemitarbeiter lässt keinen hoheitlichen Auftrag erkennen. Auch hier verweise ich auf meine Remonstrationspflicht. Diese Festsetzung der Steuerbescheide müssen von Finanzbeamten durchgeführt werden, die berechtigt sind solche hoheitlichen Aufgaben wahrzunehmen. Dazu gehört selbstverständlich auch die erlassenen Bescheide mit vollem Namen zu unterschreiben.“
Gegen Ende des Schreibens führt die Beklagte aus:
„Es ist nicht nachvollziehbar, welche juristische Person, welcher Finanzbeamte meinen Bescheid 2017 erlassen hat? In diesem Konstrukt FINANZAMT MÜNCHEN fehlen die Unterschriften der verantwortlichen Finanzbeamten oder anderer juristischer Personen.“
In einem weiteren, dem Schreiben vom 03.02.2020 als Anlage beigefügten Schreiben an das „FINANZAMT MÜNCHEN“ vom 31.01.2020 führt die Beklagte u.a. aus:
„Ich weise Sie höflich an mir den rechtsgültigen Steuerbescheid 2017 mit der vollständigen Unterschrift der verantwortlichen juristischen Person zukommen zu lassen.“
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Unterlagen.
3. Die Beklagte hat sich in mehreren Schreiben an den Ersten Bürgermeister des Marktes W. und die geschäftsleitende Beamtin gewandt, um Einwände gegen die Aufstellung eines Mobilfunkmastes vorzubringen.
3.1. Die Beklagte hat unter dem 07.05.2021 einen handschriftlich verfassten Brief an den Bürgermeister des Marktes W., Herrn … B., geschickt, in dem sie Einwände gegen die geplante bzw. beabsichtigte Aufstellung eines Mobilfunkmastes geltend macht und in diesem Zusammenhang u.a. Folgendes ausführt:
„Sollten Sie und der Gemeinderat trotz der gesundheitl. Gefährdung von Mensch, Tier und Pflanzenwelt den Vertrag bezüglich des Handymasten in R. schließen, so erkläre ich hiermit, dass Sie und gegebenenfalls alle Gemeinderatsmitglieder in persönlicher Haftung stehen. Meine Ansprüche gegen Sie persönlich werde ich gegebenenfalls einfordern. (…) Noch eine Anmerkung zur Anrede: „Sehr geehrte Damen und Herren“ - wir sind Bürger von R. und bayr. Staatsbürger und wollen nicht - ich will auch nicht - als jur. Person(en) angesprochen und behandelt werden.“ (vgl. Beiakte 6a A8)
3.2. Ein weiteres handschriftliches Schreiben der Beklagten vom 07.06.2021 ist gerichtet an die geschäftsleitende Beamtin des Marktes W., Frau Verwaltungsrätin … W., und weist als Absender die Beklagte wie folgt aus: „G., H. aus der Familie W., R., natürl. Person § 1 BBG bayr. u. deutsche Staatsangehörige RuStAG 1913“. Die Beklagte führt in ihrem Schreiben u.a. Folgendes aus:
„Vorsorglich weise ich Sie bereits jetzt daraufhin, dass ich Sie als Geschäftsführerin in die pers. Haftung nehme, falls weder Gemeinde noch Betreiber als welchen Gründen auch immer, nicht in die Haftung genommen werden können.“ (vgl. Beiakte 6a A12)
Auf dem dazugehörigen Briefkuvert ist die Absenderangabe „… W.“ in eckige Klammern [ ] gesetzt.
In einem weiteren handschriftlichen Schreiben vom 13.06.2021 an „… W. als Geschäftsführerin Markt W. Rathaus“ mahnt die Beklagte mit den Absenderangaben „H. (Familienname) G. aus dem Hause W., R., Staatsangehörigkeit Bayern RuStaG 4.1 1913, c/o R. [1], [ … W.]“ die Beantwortung ihres Schreibens vom 07.06.2021 „umgehend (Frist acht Tage)“ an. Das Schreiben ist unterzeichnet mit „H., G. aus dem Hause … R.“ und trägt den Vermerk „Alle Rechte vorbehalten!“ (vgl. Beiakte 6a A13). Auf dem dazugehörigen Briefkuvert finden sich die Absenderangaben „H., G. aus dem Hause W.“, „c/o R. [1]“ und „[ … W.]“ sowie der Zustellvermerk „per Zeugen eingeworfen“.
3.3. Ein weiteres handschriftliches Schreiben der Beklagten vom 13.06.2021 ist adressiert an „M. B. in der Funktion als Bürgermeister Markt W.“ und weist als Absender die Beklagte wie folgt aus: „G.: H. (Familienname) aus der Familie W., R., natürl. Person § 1 BBG bayr. und deutsche Staatsangehörige nach RuStAG 1913“. Darin wirft die Beklagte die Frage nach der Haftung für die Aufstellung des Mobilfunkmastes und die Frage nach der Zuständigkeit für die Vertragsunterzeichnung auf und führt in diesem Zusammenhang u.a. Folgendes aus:
„Warum ging die Befragung nur an jurist. Personen und nicht an die natürl. Personen in R.? Wie Sie wissen leben in R. seit Generationen Staatsbürger, Staatsangehörige, Menschen mit schützenswerten Rechten.“ (vgl. Beiakte 6a A10)
Das Schreiben ist unterzeichnet mit „G., H. aus der Familie W., R.“ und mit einem rot getränkten Fingerabdruck signiert. Auf dem dazugehörigen Briefkuvert sind die Absenderangaben „R. 34“ und „… W.“ in eckige Klammern [ ] gesetzt.
3.4. Ein weiteres handschriftliches Schreiben der Beklagten vom 13.07.2021 ist adressiert an „M. B. (Familienname) in der Funktion als Bürgermeister“ und weist als Absender die Beklagte wie folgt aus: „:G.: H. (Familienname) aus dem Hause W., R. /Opf., c/o R. 1 [92726 W.], bayr. Staatsangehörige nach RuStAG 4.1 1913“. Darin mahnt sie die Erledigung ihrer vorangegangenen Schreiben an und führt in diesem Zusammenhang u.a. Folgendes aus:
„Werter B., M., als bayr. Staatsangehörige und als menschl. Beseelter Wesen erinnere ich Sie an meine Schreiben bezüglich des Funkmastens. Ich erwarte eine detailierte Antwort an mich als bayr. Staatsangehörige und menschliches Wesen, die Sorge um eine gesundheitliche Gefährdung hat. (…) Persönlich sind Sie verantwortlich für die Aufstellung und Vermietung des Sendemastens.“ (vgl. Beiakte 6a A11)
Das Schreiben ist unterzeichnet mit „H., G. aus dem Hause W.“ und versehen mit dem Zusatz „Alle Rechte vorbehalten“. Auf dem dazugehörigen Briefkuvert finden sich die Absenderangaben „H., G. aus dem Hause W., R.“, „c/o R. [1]“ und „[ … W.]“ sowie der Zustellvermerk „per Zeugen eingeworfen“.
Die Beklagte verwendet in ihren Schreiben eine ganze Reihe von Merkmalen, wie sie in Kreisen der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ typischerweise Verwendung finden. Insbesondere zu nennen sind hier ihre Absenderangaben, die Setzung eckiger Klammern, die Verwendung von Doppelpunkten in Verbindung mit der Namensnennung, die Androhung der persönlichen Haftungsnahme, der Vorbehalt aller Rechte, das Bezeichnen des Amtes als Funktion, die Unterscheidung der juristischen von der natürlichen Person, die Bezugnahme auf das RuStAG auf dem Rechtsstand von 1913, den Zustellvermerk „per Zeugen eingeworfen“ bis hin zur Signierung ihres Schreibens mit einem in roter Tinte getränkten Fingerabdruck.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Unterlagen.
4. Die Beklagte hat sich auch in anderen Zusammenhängen in mehreren handschriftlichen Schreiben an den Markt W. gewandt und ist dabei regelmäßig unter der Bezeichnung „H. (Familienname) G. aus der Familie bzw. aus dem Hause W.“ aufgetreten. Zum Teil wird der Familienname auch gesperrt geschrieben „H.“. In manchen Schreiben hat sie auch Absender- und/oder Adressangaben wie die Hausnummer oder die Postleitzahl in eckige Klammern [ ] gesetzt oder vermerkt „per Zeugen eingeworfen“.
Zu nennen sind hier ihre Schreiben
- vom 03.07.2021 an den Bürgermeister des Marktes W. bzw. die Jagdbehörde wegen der Jagdverlängerung (Beiakte 6b B3),
- vom 03.07.2021 an den Markt W. - Standesamt - wegen der Übersendung einer beglaubigten Abschrift aus dem Familienbuch ihres Großvaters J. Baptist W. (Beiakte 6b B5),
- vom 15.07.2021 an den Markt W. wegen der Feststellung der Staatsangehörigkeit ihres Vaters J. W. (Beiakte 6b B7),
- vom 22.07.2021 an den Markt W. wegen der Übersendung beglaubigter Abschriften von Geburtsurkunden (Beiakte 6b B10)
- vom 06.10.2021 an den Markt W., Frau M. M. „in der Funktion als Standesbeamte“, in dem sie die Dokumentation der Staatsangehörigkeit ihres Vaters J. B. W. (geb. 01.05.1935) anmahnt und eine Frist zur Erledigung bzw. Beantwortung innerhalb einer Woche „anordnet“ (Beiakte 6d D1) und
- vom 25.10.2021 an das Standesamt W., in dem sie erneut die dokumentierte Staatsangehörigkeit ihres Vaters aufgrund der Abstammung von dessen Vater J. B. W. (geb. 15.09.1900) und Großvater J. B. W. (geb. 14.08.1844) einfordert und in diesem Zusammenhang die Weiterleitung der Ableitung der Staatsangehörigkeit ihrer Abkömmlinge und von sich selbst an alle amtlichen Stellen verlangt (Beiakte 6d D4); ergänzend zu den oben genannten Angaben hat die Beklagte bei den Absenderangaben dieses Schreibens noch auf ihre „Bayr. Staatsangehörigkeit nach RustaG 4.1 vor 1914“ und die Abstammung durch Heirat verwiesen und sich selbst als Bauerntochter bezeichnet.
Die Beklagte verwendet in ihren Schreiben eine ganze Reihe von Merkmalen, wie sie in Kreisen der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ typischerweise Verwendung finden. Insbesondere zu nennen sind hier ihre Absenderangaben, die Setzung eckiger Klammern, der Vorbehalt aller Rechte, das Bezeichnen des Amtes als Funktion, die Unterscheidung der juristischen von der natürlichen Person, die Bezugnahme auf das RuStAG auf den Rechtsstand von 1913 sowie den Zustellvermerk „per Zeugen eingeworfen“.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Unterlagen.
5. Die Beklagte hat weitere Schreiben an den Bürgermeister des Marktes W., Herrn M. B., im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Archivnutzung geschickt.
5.1. Unter dem 06.10.2021 hat die Beklagte mit den Absenderangaben „H. (Familienname), G. aus dem Hause W. zu R., Bauerntochter „K.“, R.[34] / [ …] W.“ ein Schreiben adressiert an „B., M. in der Funktion als Bürgermeister Gemeinde W. Rathaus“ und wollte zur Abklärung verschiedener Angelegenheiten einen Termin zur Archivnutzung vereinbaren (Beiakte 6e E1).
5.2. Obwohl ihr der erste Bürgermeister M. B. mit Schreiben vom 15.10.2021 hierauf geantwortet und ihr einen konkreten Terminvorschlag unterbreitet hatte (Beiakte 6e E2), wandte sich die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 25.10.2021 erneut an ihn und mahnte die angeblich nicht erfolgte Erledigung an. Das Schreiben der Beklagten hat folgenden Wortlaut:
Bauerntochter, G. aus dem Hause W., J. B. „K.“ zu R. [1] und [34]
Familienname: H., G., natürliche Person, Staatsangehörigkeit nach RustaG 4.1 v. 1913 vom Großvater und Urgroßvater beide W., J. B. und Vater W., J. B. (Ableitung von dem Vater, da alle ehelich geboren)
Sendungs-DokumentenNr. RJ …
B., M. in vollem Umfang haftend für die Person M. B. in der Funktion Bürgermeister Gemeinde W. tätig als Bürgermeister Rathaus W. / Obpf.
M. B. auf mein Schreiben vom [6.10.21] hat die natürl Person H., G. keine Antwort erhalten. Die natürl Person H. G. vertritt den Menschen G. Weisen Sie die Sachbearbeiterin Frau W. D. an, den Rechtsstand korrekt, richtige Anschreiben zu verfassen oder schreiben Sie selbst.
Die Auswahltermine erwarte ich in der zweiten Woche des Monats November Hochachtungsvoll
Anlage: Ihr unterschriebenes Schreiben mit falschem Personenstand! Alle Rechte vorbehalten (Beiakte 6e E3)
In den Absenderangaben des Schreibens findet sich noch im Zusammenhang mit der Benennung des Großvaters und des Urgroßvaters der Hinweis Königreich
Bayern. Die Absender- und Adressangaben auf dem dazugehörigen Kuvert lauten im Wesentlichen entsprechend.
Die Beklagte verwendet in ihren Schreiben eine ganze Reihe von Merkmalen, wie sie in Kreisen der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ typischerweise Verwendung finden. Insbesondere zu nennen sind hier ihre Absenderangaben, die Setzung eckiger Klammern, der Vorbehalt aller Rechte, das Bezeichnen des Amtes als Funktion, die Unterscheidung der juristischen von der natürlichen Person sowie die Bezugnahme auf das RuStAG auf den Rechtsstand von 1913.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Unterlagen.
6. Die Beklagte hat in mehreren Schreiben versucht, Behördenmitarbeiter zu einem bestimmten Handeln anzuweisen bzw. Anordnungen zu treffen.
6.1. Das Schreiben vom 06.10.2021 an die Standesbeamtin des Marktes W., Frau M. M., endet wie folgt: Hiermit ordne ich an innerhalb einer Woche zu antworten bzw. Dokument zukommen zu lassen (Beiakte 6d D1).
6.2. Im Schreiben vom 25.10.2021 an die Standesbeamtin des Marktes W., Frau M. M., führt die Beklagte u.a. aus: Eine Ableitung der Staatsangehörigkeit d. Abstammung meiner Abkömmlinge und mir ist an alle amtl. Stellen weiter zu leiten (Beiakte 6d D4).
6.3. Das Schreiben vom 06.10.2021 an den ersten Bürgermeister M. B. endet wie folgt: Antwort innerhalb 1 Woche! (Beiakte 6e E1)
6.4. Bereits im Schreiben vom 10.10.2020 an das Landratsamt N. schließt die Beklagte mit den Worten: Ich ordne hiermit die Feststellung und Eintragung des Personenstandes in den amtlichen Stellen an (DA Bl. 196R).
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Unterlagen.
7. Mit nachstehendem Schreiben vom 26.09.2021 (Beiakte 6c C6) hat die Beklagte ihre Wahlbenachrichtigung als „Fundsache“ an den Markt W. zurückgesandt.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Unterlagen.
8. Nach Mitteilungen des Landesamts für Finanzen liegen im Hinblick auf die Beklagte mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vor.
8.1. Es liegen folgende Pfändungsverfügungen des Finanzamts München vor:
- Pfändungsverfügung des Finanzamts München vom 21.10.2019 über eine Forderung in Höhe von 5.578,16 EUR (DA Bl. 62);
- Pfändungsverfügung des Finanzamts München vom 08.01.2020 über eine Forderung in Höhe von 866,26 EUR (DA Bl. 73);
- Pfändungsverfügung des Finanzamts München vom 03.11.2020 über eine Forderung in Höhe von 2.244,19 EUR (DA Bl. 106);
- Pfändungsverfügung des Finanzamts München vom 02.12.2020 über eine Forderung in Höhe von 3.776,50 EUR (DA Bl. 108);
- Pfändungsverfügung des Finanzamts München vom 18.01.2021 über eine Forderung in Höhe von 826,26 EUR (DA Bl. 111);
- Pfändungsverfügung des Finanzamts München vom 07.04.2021 über eine Forderung in Höhe von 551,31 EUR (DA Bl. 121).
8.2. Es liegen darüber hinaus zwei Pfändungsverfügungen des Finanzamts Weiden i.d.OPf. vom 06.08.2021 über eine Forderung in Höhe von 510,11 EUR (DA Bl. 166) und vom 17.02.2022 über eine Forderung in Höhe von 540,86 EUR (DA Bl. 209) vor.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Unterlagen. Die unter Ziffer 8.1. und 8.2. mitgeteilten Forderungsbeträge enthalten keine Kosten und Zinsen. Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 14.893,65 EUR.
Von der Einbeziehung bzw. Ausdehnung auf einen zuletzt mit Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 30.05.2022 (DA Bl. 271) während der abschließenden Anhörung mitgeteilten weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Finanzamts Weiden i.d.Opf. vom 06.05.2022 über einen Betrag in Höhe von 569,86 EUR (DA Bl. 272) wurde mit Blick auf Art. 4 BayDG abgesehen.
9. Die Beklagte hat am 13.10.2020 beim Markt W. ihren bis 15.01.2022 gültigen Personalausweis (LF.) zurückgegeben (Beiakte 6a A7). Der Personalausweis war in zwei Teile zerschnitten, das Lichtbild der Beklagten war herausgeschnitten und nicht mehr vorhanden (Beiakte 6a A6). Sie hat dazu angegeben, dass ihr Enkelkind den Personalausweis zerschnitten hat. Die Ausstellung eines neuen Personalausweises hat die Beklagte unter Hinweis darauf, sie sei noch im Besitz eines gültigen Reisepasses nicht beantragt. Das gegen die Beklagte wegen Sachbeschädigung eingeleitete Strafermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft Weiden i.d.Opf. durch Verfügung vom 15.10.2021 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Az. 217 Js …, DA Bl. 201).
Die Beklagte ist seit 15.01.2022 nicht mehr im Besitz eines gültigen Ausweisdokumentes, nachdem auch ihr Reisepass nicht mehr gültig ist und die Beklagte auch dessen Verlängerung bzw. Neuausstellung nicht beantragt hat. Bei der KPI Weiden i.d.Opf. wird deshalb gegen die Beklagte unter dem polizeilichen Kennzeichen BY 34. wegen einer Ordnungswidrigkeit ermittelt (DA Bl. 214).“
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(Auszug aus der Disziplinarklage vom 13. Juni 2022)
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III. Der der Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der beigezogenen Akten fest. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl besteht gemäß Art. 25 Abs. 2 BayDG eine Indizwirkung. Auf die jeweiligen vorstehenden Ausführungen der Landesanwaltschaft Bayern wird Bezug genommen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen. Die Beklagte ist dem Sachverhalt im Übrigen im Klageverfahren nicht entgegengetreten.
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IV. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten ein einheitliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Sie hat dabei nicht nur außerdienstlich gegen ihre Pflicht zur achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen, sondern auch innerdienstlich gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue bzw. politischen Treuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Diese verlangt, dass Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. In dem unter Nr. III.1. zur Last gelegten Verhalten liegt zudem ein außerdienstlicher Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) im Hinblick auf §§ 253 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB vor.
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In seiner Entscheidung vom 28. Juli 2021 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zur beamtenrechtlichen Kernpflicht der Verfassungstreue ausgeführt:
19
„Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird in Art. 18 und Art. 21 GG erwähnt und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich ausgefüllt. Darunter wird eine Ordnung verstanden, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (BVerfG, U.v. 23.10.1952 - 1 BvB 1/51 - juris Ls. 2; BVerfG, U.v. 17.1.2017 - 2 BvB 1/13 - juris Ls. 3 und Rn. 535 ff.; v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 21. Update Juli 2021, 2. Freiheitliche demokratische Grundordnung, § 7 VII.2. Rn. 117; Metzler-Müller in PdK Bund C-17, 8. Fassung 2020, § 33 BeamtStG 4.1). Die dem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar und erfasst deshalb das gesamte Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb seines Dienstes (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2020, MatR/II Rn. 106 m.w.N.). § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten muss. Damit einher geht nicht nur das Verbot einer gegen die Verfassung gerichteten Verhaltensweise, sondern eine Pflicht zum aktiven Handeln. Bekenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhaltung der demokratischen Grundordnung ermöglicht. Es muss zumindest erwartet werden, dass sich ein Beamter eindeutig von allen Bestrebungen distanziert, die den Staat und seine freiheitlich-demokratische Grundordnung angreift und diffamiert (BVerwG, U.v. 17.11.2017 - 2 C 25.17 - juris Rn. 14 bis 17; BayVGH, U.v. 16.1.2019 - 16a D 15.2672 - juris 25; Zängl, a.a.O. MatR/II Rn. 102 m.w.N.). Allerdings können Disziplinarmaßnahmen in einem bestehenden Beamtenverhältnis nur dann ergriffen werden, wenn ein konkretes Dienstvergehen vorliegt. Hierfür reicht allein die „mangelnde Gewähr“ für ein jederzeitiges Eintreten des Beamten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht aus; erforderlich ist der Nachweis einer Verletzung dieser Dienstpflicht (BVerwG, U.v. 17.11.2017 a.a.O. Rn. 20 f.). Das bloße Haben einer Überzeugung oder die bloße Mitteilung, man habe eine solche, ist für die Annahme einer Verletzung der Treuepflicht grundsätzlich nicht ausreichend; vielmehr bedarf es einer Äußerung der verfassungsfeindlichen Gesinnung durch eine verfassungsfeindliche Handlung (Zängl, a.a.O. MatR/II Rn. 108). Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, B.v. 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 - juris Rn. 45; B.v. 6.5.2008 - 2 BvR 337/08 - juris Rn. 31; BVerwG, U.v. 17.11.2017 - a.a.O. Rn. 21), die entsprechende politische Überzeugung also bewusst und erkennbar nach außen betätigt.“
20
(BayVGH, U.v. 28.7.2021 - 16a D 19.989 - beck-online Rn. 58).
21
Dem wird ein Beamter nicht gerecht, wenn er als Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt (vgl. nur VG Regensburg, U.v. 26.11.2018 - RN 10 B DK 17.1988 - n.v. S. 17; VG Trier, U.v. 14.8.2018 - 3 K 2486/18.TR - juris Rn. 53 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 - 10 L 9/17 - juris Rn. 56 ff.;
VG München, U.v. 8.2.2018 - M 19L DK 17.5914 - n.v.). Nichts Anderes gilt, wenn ein Beamter als Einzelner und ohne Anhänger dieser Bewegung zu sein, durch reichsbürgertypische Äußerungen die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt und ein entsprechendes Verhalten nach außen bewusst an den Tag legt.
22
Der Kläger hat in der Disziplinarklage ausführlich und in zutreffender Weise dargelegt, dass sich die Beklagte durch das ihr zur Last gelegte Verhalten und der daraus deutlich zu Tage tretenden Zugehörigkeit zur sog. „Reichsbürgerbewegung“ gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt hat.
23
Das Gericht macht sich insoweit die nachfolgend zitierten Ausführungen aus der Disziplinarklage zu eigen:
24
„Mit ihren in Abschnitt III vorgeworfenen Handlungen, Aussagen und Ausführungen hat sich die Beklagte die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ inhaltlich zu eigen gemacht und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass sie die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere deren Existenz als souveräner Staat, nicht anerkennt. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu jüngst unter Bezugnahme auf den Verfassungsschutzbericht 2020 des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (S. 115) ausgeführt, ungeachtet der Unterschiede der sehr heterogenen Gruppierung im Detail sei ein gemeinsames Charakteristikum dieses Personenkreises, dass er das Bestehen der Bundesrepublik Deutschland leugnet. Unter dem Begriff „Reichsbürger“ werden demnach Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengefasst, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und gegenüber denen deshalb die begründete Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland (BVerwG, U.v. 02.12.2021 - 2 A 7.21 - juris Rn. 33). Der Verfassungsschutzbericht des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration für das Jahr 2021 geht von einer entsprechenden Beschreibung aus (S. 231). Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz betrachtet die Reichsbürger- und Selbstverwalterszene in Bayern als sicherheitsgefährdende Bestrebung (Verfassungsschutzbericht Bayern 2021 S. 232). Eine Identifizierung der Beklagten mit der Bundesrepublik ohne innere Distanz, wie es die Treuepflicht erfordert, ist bei der Beklagten nicht (mehr) zu erkennen.
25
Die Beklagte hat sich insbesondere durch folgende Handlungen und Äußerungen als Vertreterin der „Reichsbürgerbewegung und Selbstverwalter“ zu erkennen gegeben:
26
1.1. Die Beklagte tritt unter einer Absender- und Adressierungskonvention auf, die von „Reichsbürgern“ gepflegt wird. Sie bezeichnet sich selbst als „aus dem Hause“ bzw. „aus der Familie“ W. stammend. Sie setzt Postleitzahlen und Hausnummern in eckige Klammern, um deren Verbindlichkeit damit nicht anzuerkennen. Die Verwendung von Zahlen oder Postleitzahlen in eckigen Klammern soll belegen, dass es sich hier um „Verwaltungsnummern“ handelt, welche keinen hoheitlichen, sondern lediglich erklärenden Charakter entfalten. Diese Einstellung hat ihren Ursprung im sog. Weltpostvertrag aus dem Jahr 1874, in dem Kriegsgefangene nach der Haager Landkriegsordnung (HLKO) nach dem Jahr 1907 zu Sonderkonditionen Briefe verschicken durften. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die formale Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt und die Beklagte „als sich noch im Krieg befindlich“ gesehen wird.
27
1.2. Die Beklagte stellt ihre eigenen Schreiben mit dem Zusatz „per Zeugen eingeworfen“ zu. Der Hinweis „Alle Rechte vorbehalten“ ist ebenso wie die Signatur ihres Schreibens mittels eines in roter Tinte ausgeführten Fingerabdrucks Ausdruck reichsbürgerlicher Gepflogenheiten.
28
1.3. Die Beklagte spricht von sich als „natürlicher Person nach § 1 BGB“, die zu trennen sei von ihrer „juristischen Person“, die ihr seitens des Staates zugeschrieben wurde. In ihrer Eigenschaft als „natürliche Person“ bzw. „Bürgerin“ und „menschliches (beseeltes) Wesen“ wird sie tätig für ihre „juristische Person“ und reklamiert staatsbürgerliche Rechte für sich, die ihr als „juristischer Person“ staatlicherseits angeblich verwehrt werden. Diesen Umstand bringt sie auch durch das Setzen eines Doppelpunkts vor dem Familiennamen bzw. dessen Wiedergabe in gesperrter Schreibweise zum Ausdruck. Dies stellt ein eindeutiges Indiz für eine auf Naturgesetzen (Geburt) basierende „Selbstverwaltung“ dar. In gleicher Weise sieht sie in den Bediensteten der Behörden juristische Personen tätig werden. Sie adressiert deshalb ihre Schreiben an Amtsträger wie den Ersten Bürgermeister mit dem Zusatz „in der Funktion als“.
29
1.4. Die Beklagte tritt als deutsche und - in den meisten Fällen - „bayrische“ Staatsangehörige auf und bezieht sich dabei auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz nach dem Stand von 1913. Mit dieser Bezugnahme negiert sie die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerwG, U.v. 02.12.2021 - 2 A 7.21 - juris Rn. 35).
30
1.5. Die Beklagte bezeichnet das Finanzamt München als „Konstrukt“ und erkennt es damit nicht als staatliche Behörde an.
31
1.6. Die Beklagte fordert vom Finanzamt München den Nachweis für die Legitimation staatlichen Tätigwerdens, indem sie die Vorlage einer Gründungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland sowie notariell beglaubigter Urkunden für das Bundesland verlangt. Behördlichen und gerichtlichen Schreiben spricht sie die Legitimität ab, solange diese nicht von einem verbeamteten Bediensteten oder Richter eigenhändig unterschrieben sind. Damit stellt die Beklagte deren Tätigwerden und somit eine der Grundlagen der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Frage.
32
1.7. Die Beklagte hat mehrfach versucht, persönlichen Druck auf staatliche oder kommunale Bedienstete auszuüben, indem sie diesen mit persönlicher Haftung gedroht hat.
33
1.8. Die Beklagte hat mehrfach versucht, gegenüber Behörden Anordnungen zu treffen. Dadurch zeigt sie ein Verhalten, welches im Zusammenhang mit „reichsbürgerlichem Verhalten“ insbesondere bei sogenannten „Selbstverwaltern“ anzutreffen ist.
34
1.9. Die Beklagte erfüllt staatliche Zahlungsansprüche nicht, was in einer eheblichen Anzahl von Fällen zu Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen und einer ausstehenden Schuldensumme von fast 15.000 Euro geführt hat. Auch dadurch bringt sie in einer für „Reichsbürger“ typischen Art ihr Nichtachtung bzw. Nichtanerkennung gegenüber dem Staat zum Ausdruck.
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1.10. Die Beklagte ist nicht mehr im Besitz gültiger Ausweispapiere. „Reichsbürger“ lehnen den Personalausweis ab, weil er in ihren Augen ein Ausdruck dafür ist, sie zum „Personal“ der Bundesrepublik Deutschland zu erklären, woraus sich für sie ergibt, dass die Bundesrepublik Deutschland als Firma und nicht als Staat anzusehen ist.
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2. Die Beklagte hat im Hinblick auf den in Abschnitt III Ziffer 1 vorgeworfenen Sachverhalt zudem gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen, indem sie sich wegen versuchter Erpressung nach §§ 253 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat. Dieser Pflichtenverstoß ist als außerdienstlich zu werten. Ein außerdienstliches Verhalten ist nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Dies ist nach der Rechtsprechung regelmäßig dann der Fall, wenn es sich um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren reicht, und der darin gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt (BVerwG, U.v. 19.08.2010, Az. 2 C 13/10 - juris Rn. 17f, U.v. 16.06.2020, Az. 2 C 12.19 - juris Rn. 16 und BayVGH, U.v. 15.02.2012, Az. 16a D 10.1974 - juris Rn. 48). Durch eine Bewertung eines Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten in hohem Maße als verwerflich ansieht. Dies lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass das Fehlverhalten das Ansehen des Berufsbeamtentums in einer Weise beeinträchtigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann (BayVGH, U.v. 06.12.2013, Az. 16a D 12.1815, juris Rn. 52). Davon ist vorliegend auszugehen. Der Strafrahmen des § 253 Abs. 1 StGB reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Auch wenn vorliegend (nur) von einem - nach § 253 Abs. 3 StGB strafbewehrten - Versuch auszugehen ist, bei dem nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB der Strafrahmen einer Freiheitsstrafe um ein Viertel zu reduzieren ist, verbleibt es bei einem Strafrahmen von bis zu 3 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe.
37
3. Die Beklagte hat durch die ihr in Abschnitt III vorgeworfenen Handlungen, Ausführungen und Aussagen außerdem gegen die beamtenrechtliche Pflicht, sich achtungs- und vertrauensgerecht zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F. bzw. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG in der seit 06.07.2021 geltenden Fassung) verstoßen. Dieser Pflichtenverstoß ist als außerdienstlich zu werten, weil die Beklagte insoweit nicht im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit als Lehrkraft in Erscheinung getreten ist. Auch wenn diesem Pflichtenverstoß im Rahmen der Maßnahmenbemessung vorliegend keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 02.12.2021 - 2 A 7.21 - juris Rn. 50), ist die disziplinarische Relevanz des außerdienstlichen Pflichtenverstoßes zu bejahen, weil angesichts der Schwere des Pflichtenverstoßes ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte ihrem dienstlichen Auftrag als Sachwalterin einer an Gesetz und Recht gebundenen Verwaltung weiterhin gerecht werden wird (vgl. BVerwG, U.v. 02.12.2021 - 2 A 7.21 - juris Rn. 44).
38
4. Durch die Nichtbegleichung der staatlichen Forderungen des Finanzamts München (vgl. Abschnitt III. Ziffer 8), die zum Erlass zahlreicher Pfändungsbeschlüsse geführt haben, hat die Beklagte zudem außerdienstlich gegen ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauensschädigendem Verhalten gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG a.F. bzw. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG in der seit 06.07.2021 geltenden Fassung verstoßen. Ein „unwürdiges“ Verhalten kann nicht nur im Zusammenhang mit der Aufnahme von Schulden, sondern auch mit der Abwicklung von Schulden stehen (vgl Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 34 BeamtStG Rn. 229). Disziplinarrechtliche Relevanz ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Beamter seine Schulden nicht mit der ihm möglichen, gebotenen und zumutbaren Sorgfalt tilgt (BVerwG, U.v. 22.4.1991 - 1 D 62/90 - juris Rn. 111). Vorliegend ist die Schwelle zur disziplinarrechtlichen Relevanz überschritten, da es sich um eine Vielzahl von Pfändungsbeschlüssen gegen die Beklagte mit einer Forderungshöhe von insgesamt fast 15.000 Euro handelt. Dieses außerdienstliche Verhalten beeinträchtigt das Ansehen des Beamtentums in erheblicher Weise. Zudem ist das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer gesetzestreuen Verwaltung sowie das Vertrauen in die Integrität der Beamtin beeinträchtigt.
39
5. Aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte seit 15.01.2022 nicht mehr im Besitz eines gültigen Ausweisdokumentes ist (Abschnitt III Ziffer 9), hat sie dadurch zudem gegen ihre Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 PAuswG verstoßen. Vor dem Hintergrund der reichsbürgertypischen Motivation der Beklagten kommt diesem außerdienstlichen Pflichtenverstoß disziplinarische Relevanz zu.“
40
Die Beklagte handelte jeweils vorsätzlich. Rechtfertigungsgründe bzw. schuldausschließende Gründe sind nicht ersichtlich.
41
V. Das einheitlich zu betrachtende Dienstvergehen wiegt derart schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG, dass ein endgültiger und vollständiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Beklagte eingetreten ist. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, ihrem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten der Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist daher die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis i.S.v. Art. 11 BayDG geboten.
42
1. Dem liegt zugrunde, dass es die Grundlagen des Beamtenverhältnisses nicht zulassen, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung ablehnen oder offensichtlich in Frage stellen (BVerwG, U.v. 17.11.2017 - 2 C 25.17 - juris Rn. 91). Die verfassungsrechtliche Konstituierung einer wehrhaften Demokratie schließt es aus, dass der Staat, dessen verfassungsmäßiges Funktionieren auch von der freien inneren Bindung seiner Amtsträger an die geltende Verfassung abhängt, zur Ausübung staatlicher Gewalt Amtsträger im Dienst belässt, die die freiheitliche demokratische Grundordnung in grundsätzlicher Weise ablehnen oder jedenfalls offenkundig in Frage stellen (vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2008 - 2 BvR 337.08 - juris Rn. 18 und 22). Diese Kernaufgabe kann nicht erfüllen, wer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und damit auch seinen eigenen Beamtenstatus leugnet oder in Frage stellt (vgl. VG Trier, U.v. 14.8.2018 - 3 K 2486/18.TR - juris Rn. 102 f.). So hat es das Bundesverwaltungsgericht bereits als schwerwiegenden Fall der Verletzung der Verfassungstreuepflicht mit der Folge der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erachtet, dass in einem Antrag auf Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises die Angabe „Königreich Bayern“ gemacht und sich auf die Rechtslage des „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913“ berufen wurde (BVerwG, U.v. 2.12.2021 - 2 A 7.21 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit deutlich gemacht, dass die Verfassungstreue ein unverzichtbares Eignungsmerkmal für Beamte darstellt. Personen, die sich nicht zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und nicht für deren Erhaltung eintreten, kann von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, U.v. 2.12.2021 - 2 A 7.21 - juris Rn. 51 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 18.6.2015- 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 11 ff. und vom 17.11.2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 18 m.w.N.).
43
Dabei begegnen Dienstherr, Kollegen, Bürger und insbesondere die Eltern einer Lehrkraft, die der „Reichsbürgerszene“ oder auch nur ihrem Gedankengut nahesteht und dies auch nach außen hin kundtut, mit großem Unverständnis und bringen ihr nicht mehr das erforderliche Vertrauen entgegen, was letztlich zu einem erheblichen Ansehensschaden der Lehrerschaft führt. Die Beklagte hat als Lehrerin eine besondere Verantwortung für die ihr anvertrauten Kinder. Eine Lehrkraft muss dabei die verfassungsrechtlichen Grundwerte glaubhaft vermitteln (Art. 59 Abs. 2 Satz 3 BayEUG n.F. / Satz 2 a.F.). Sie hat mit der Vorbildfunktion des eigenen Verhaltens den in Art. 131 der Bayerischen Verfassung und in Art. 1 und 2 BayEUG festgelegten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen und zu vermitteln, vgl. § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Dienstordnung für Lehrkräfte. Lehrer sollen die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten der heranwachsenden jugendlichen Menschen fördern und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Diesen Erziehungsauftrag können sie glaubwürdig und überzeugend jedoch nur erfüllen, wenn sie auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen und hieran keinerlei Zweifel aufkommen lassen. Dies ist auch Gegenstand des - schulgesetzlich besonders geschützten - Vertrauens der Eltern, welches bei Zweifeln an der Verfassungstreue eines Lehrers in erheblicher Weise das Ausmaß des Vertrauensverlustes mitbestimmt.
44
Insoweit folgt das Gericht ausdrücklich nicht den Erwägungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 20. Juli 2022 unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. September 1995 (7/1994/454/535 „Vogt“ - NJW 1996, 375), aus dem konkret-funktionellen Amt als Lehrerin ergebe sich ein minderer Gefährdungsgrad für die freiheitliche demokratische Grundordnung (BayVGH, U.v. 20.7.2022 - 16a D 20.1464 - beck-online Rn 32-35), mit der Folge der Zurückstufung als angemessene Reaktion statt der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im dort vorliegenden Einzelfall.
45
2. Erschwerend ist vorliegend zudem zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte sogar bei der Begehung des Dienstvergehens im Wege der versuchten Erpressung strafbar gemacht hat (s.o.).
46
3. Der erheblichen Schwere des Dienstvergehens stehen keine Milderungsgründe von derartigem Gewicht gegenüber, dass nicht von einem vollständigen Vertrauensverlust ausgegangen und von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.
47
Über die bislang in der Rechtsprechung anerkannten typisierten Milderungsgründe hinaus bedarf es auch hier einer Würdigung der jeweiligen be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls und würde eine allein typisierende Betrachtungsweise zu kurz greifen. Vielmehr dürfen entlastende Gesichtspunkte nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines „anerkannten“ Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen - im Zusammenwirken mit anderen Umständen - zu erfüllen (BVerwG, B.v. 20.12.2013 - 2 B 35.13 - beck-online Ls.1 sowie Rn. 21). Das Bundesverwaltungsgericht führt insoweit aus, die Verwaltungsgerichte müssten bei der Gesamtwürdigung dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten („klassischen“) Milderungsgrundes nicht ausreichen. Auch solche Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden. Sie dürfen nicht in einer nicht nachvollziehbaren Weise „abgetan“ werden.
48
Nach der Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts müssen die Milderungsgründe jedoch umso gewichtiger sein, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2018 - 2 WD 10.18 - beck-online Rn. 44 m.w.N.).
49
a) Insbesondere bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für eine verminderte Steuerungsfähigkeit i.S.v. § 21 StGB, zumal es sich bei der verletzten Pflicht um eine einerseits sehr gewichtige, andererseits leicht einsehbare, gar offensichtliche Pflicht eines Beamten handelt. Eine Veranlassung, ohne Anhaltspunkte „ins Blaue hinein“ die verschlossenen Gesundheitsakten der Beklagten zu öffnen, hat das Gericht dabei nicht gesehen.
50
b) Bei der Maßnahmebemessung ist auch das Persönlichkeitsbild der Beamtin einzubeziehen. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 14).
51
Aus dem von der Regierung von Oberbayern vorgelegten positiven Persönlichkeitsbild, welches von der Rektorin der Grundschule, an der die Beklagte eingesetzt war, am 1. Juli 2019 erstellt wurde und den Zeitraum ab dem 21. Oktober 2016 umfasst, geht hervor, dass es sich bei der Beklagten um eine verlässliche Lehrkraft handelte, die als leidenschaftliche und warmherzige Pädagogin erlebt wurde. Die Beklagte wird als erfahrene, verantwortliche und starke Persönlichkeit geschildert, die zuverlässig ihre Klasse führt und sich am gemeinsamen Schulleben kreativ beteiligt.
52
Hierbei handelt es sich jedoch um keine hinreichend gewichtigen Aspekte, die vorliegend einem vollständigen Vertrauensverlust entgegenstehen würden. Eine langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist - selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen - für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derartige Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 12.2.2019 - 2 B 6.19 - beck-online Rn. 4; BayVGH, U.v. 18.3.2015 - 16a D 09. 3029 - juris Rn. 96).
53
Das Persönlichkeitsbild steht gerade auch nicht derart im Widerspruch zum der Beklagten zur Last gelegten Verhalten, dass von einem persönlichkeitsfremden Verhalten auszugehen ist.
54
Zu Beginn des Schuljahres 2020 stellte sich die Beklagte vielmehr als Kritikerin der durch die Corona-Pandemie an den Schulen veranlassten Maßnahmen dar (vgl. insoweit den im Rahmen der abschließenden Anhörung unter Nr.
IV. beschränkten Vorwurf, Disziplinarakte Bl. 238), was zur Anordnung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Abs. 1 BeamtStG führte. Auf die näheren Ausführungen hierzu in der Disziplinarklage wird Bezug genommen.
55
VI. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Höchstmaßnahme ist im Übrigen auch verhältnismäßig. Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht einer Lehrkraft hat erhebliches Gewicht und stellt ein Versagen im Kernpflichtbereich dar. In der vorliegenden Weise hat sich die Beklagte derart schwerwiegend pflichtwidrig verhalten, dass eine mildere Maßnahme als die Höchstmaßnahme nicht mehr in Betracht kommt. Schließlich verfolgte die Beklagte die reichbürgerliche Ideologie über Jahre in einer beharrlichen und ausdrucksstarken, teilweise gar strafbaren Weise. Dass sie mit Ausnahme des ihr zur Last gelegten Verhaltens darüber hinaus weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getreten ist, fällt insoweit nicht beachtlich ins Gewicht.
56
Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Klageschrift verwiesen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen.
57
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.