Inhalt

VG München, Urteil v. 17.10.2022 – M 19 K 22.26
Titel:

Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht und Gewässereigenschaft bei einem Arrondierungskanal

Normenketten:
BayNatSchG Art. 1, Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, S. 4 Abs. 7
BNatSchG § 2 Abs. 2
WHG § 3 Nr. 1
BayWG Art. 2 Abs. 1 Nr. 3, Art. 63 Abs. 3 S. 1, S. 2
GG Art. 14
Leitsätze:
1. Die Gewässereigenschaft ist nicht nur auf große Seen und Fließgewässer begrenzt, sondern umfasst alle Gewässer iSd § 3 Nr. 1 WHG, die natürlicher Lebensraum sein können, auch künstlich angelegte wie Fischteiche oder Baggerseen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der wasserrechtliche terminus technicus (§ 3 Nr. 1 WHG) des „oberirdischen Gewässers“ erfordert das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser, womit ein Arrondierungskanal hier als oberirdisches Gewässer zu qualifizieren ist. (Rn. 43 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Arrondierungskanal besitzt in wasserwirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht über den Zweck der Ent- und Bewässerung der angrenzenden Grundstücke hinausgehende Funktionen und erfüllt damit die Voraussetzungen von Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG. (Rn. 52 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
4. Da das Vorkaufsrecht keine Enteignung, sondern eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG darstellt, ist seine rechtmäßige Ausübung nicht davon abhängig, dass der verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
5. Es entspricht einer allgemeinen Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren private Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten könnten. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht, Oberirdisches Gewässer, Künstlich angelegter Entwässerungsgraben mit Einzugsgebiet von 10 bis 15 km², Vorfluter anderer, quellengespeister Gräben, Ökologisch enge Verflechtung mit umgebender Landfläche, Vorkaufsrecht, Enteignung, Inhalts- und Schrankenbestimmung, Arrondierungskanal, oberirdisches Gewässer, naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht, Entwässerungsgraben
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35327

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen die Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch den Beklagten zugunsten des Beigeladenen zu 2 bezüglich einer Teilfläche des verkauften Grundstücks.
2
Die Kläger kauften am 27. April 2020 mit notariell beurkundetem Kaufvertrag zum Kaufpreis von 142.245,- EUR vom Beigeladenen zu 1 das 20.322 m² große Grundstück FlNr. 1191 Gemarkung …, das im nordöstlichen Grundstücksteil auf einer Länge von ca. 110 m an den „… Arrondierungskanal“ angrenzt. Die Fläche liegt im Wiesenbrütergebiet „D. nördlich K.“ mit Vorkommen von Kiebitz und Großem Brachvogel. Mit seinem nördlichen Grundstücksteil liegt es in einer Entfernung von ca. 16 m zum … Arrondierungskanal im FFH-Gebiet „DE 7233- … D., Z. W. und … Forst“. Zudem ist der … Arrondierungskanal in der Biotopkartierung (Flachland) Bayern mit der Nr. 7332-1014-TF 01 erfasst.
3
Das Notariat informierte mit Schreiben vom 30. April 2020 die Untere Naturschutzbehörde über diesen Verkauf. Auf Wunsch der Unteren Naturschutzbehörde übersandte es mit Eingang vom 12. Juni 2020 die vollständige Kaufvertragsurkunde.
4
Mit Schreiben vom 22. Juni 2020 teilte der Beklagte den Klägern und dem Beigeladenen zu 1 mit, dass er beabsichtige, zugunsten des Beigeladenen zu 2 das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht bezüglich eines 16-17 m breiten Uferstreifens entlang der Böschungsoberkante des Gewässers auf dem veräußerten Grundstück auszuüben, und gab diesen Gelegenheit zur Stellungnahme.
5
Mit Schreiben vom 8. Juli 2020 äußerte sich die Kläger, vertreten durch den Bayerischen Bauernverband, ablehnend gegenüber der Ausübung des Vorkaufsrechts. Das betroffene Grundstück sei eine Ackerfläche und kein schützenswerter Lebensraum. Es handele sich weder um ein festgesetztes Gebiet im Sinne des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG), noch lasse sich ein Vorkaufsrecht naturschutzrechtlich rechtfertigen. Im Übrigen ließen die Kläger den in Rede stehenden Gewässerstreifen bei der Bewirtschaftung unangetastet.
6
Am 16. Juli 2020 stimmte der Natur- und Umweltausschuss des Beigeladenen zu 2 dem Erwerb einer Teilfläche der FlNr. 1191 von ca. 1800 m² zu.
7
Mit E-Mail vom 20. Juli 2020 setzte sich der Beklagte mit dem Vertreter der Kläger in Verbindung, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, die jedoch letztlich nicht zustande kam.
8
Mit Bescheid vom 6. August 2020, den Klägern und dem Beigeladenen zu 1 mittels Postzustellungsurkunde jeweils am 7. August 2020 zugestellt, übte der Beklagte zugunsten des Beigeladenen zu 2 bezüglich des Grundstücks FlNr. 1191 Gemarkung … das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht hinsichtlich eines - in einem dem Bescheid beigefügten Lageplan näher gekennzeichneten - Uferstreifens im Umfang von ca. 1800 m² des insgesamt 20.322 m² großen Grundstücks aus.
9
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich beim … Arrondierungskanal um ein Gewässer dritter Ordnung handele. Dieser stelle zwar ein künstliches Gewässer dar. Es handele sich jedoch nicht um einen reinen Be- und Entwässerungsgraben. Das Einzugsgebiet des ganzjährig wasserführenden Kanals erstrecke sich über eine Fläche von ca. 10 km², maßgeblich im Bereich der Ortschaften E. und S. Er werde vor allem aus Gräben wie dem …- und …graben gespeist, die im tertiären Hügelland entsprängen, wo Quellen vorlägen, und nehme somit aus Quellen wild abfließendes Wasser auf. Somit handele es sich um ein Gewässer im Sinne des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG.
10
Der Erwerb des Uferstreifens ermögliche naturschutzfachlich geplante Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässers und der darin vorkommenden Arten (Kleinfische, Bachmuschel usw.), deren Lebensräume (Fließgewässer mit flutender Wasservegetation) sowie des Lebensraums für Wiesenbrüter und der im FFH-Gebiet vorkommenden Arten, insbesondere der Bachmuschel.
11
Der Beigeladene zu 2 habe von seinem Entschließungsermessen Gebrauch gemacht. Der seitens der Kläger vorgebrachten Bewirtschaftungserschwernis könne nicht gefolgt werden. Das Vorkaufsrecht erstrecke sich lediglich auf eine Teilfläche von weniger als 9% der Gesamtfläche des erworbenen Flurstücks. Die Bewirtschaftung der Restfläche sei durch die Wegführung sowie über die im Eigentum der Kläger stehende FlNr. 1190/6 der Gemarkung … weiterhin möglich. Das öffentliche Interesse an der Umsetzung der Entwicklungspläne und an der Erhaltung und Verbesserung von Lebensräumen überwiege sowohl die Nachteile des Verkäufers, gegebenenfalls durch zeitlich verschobenen Erhalt des Kaufpreises, als auch die der Kläger durch Wegfall des Erwerbs der Teilfläche.
12
Hiergegen erhoben die Kläger durch ihren Bevollmächtigten am 2. September 2020 Klage (M 19 K 20.4044) und beantragten zuletzt,
13
den Bescheid des Beklagten vom 6. August 2020 aufzuheben.
14
Zur Begründung wurde im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2020 ausgeführt, dass das streitgegenständliche Grundstück tatbestandlich nicht der Regelung des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG unterfalle. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei auch damit begründet worden, dass das Grundstück teilweise in einem FFH-Gebiet liege, solche Gebiete würden aber nicht von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG erfasst. Abgesehen davon sei der … Arrondierungskanal ein künstlich angelegter Entwässerungsgraben. Das ergebe sich aus Nr. 1 der beigelegten Bekanntmachung des Landratsamts vom 12. Juni 2019 (Amtsblatt 1 B 1308 B). Er sei für die Entwässerung des D. angelegt worden und besitze einen vollständig begradigten Lauf und nahezu keine Strömungsvarianz. Seine Gewässersohle setze sich überwiegend aus Ablagerungen von Sand und Schlamm zusammen.
15
Der Beklagte zeigte am 3. Februar 2021 seine Vertretung durch die Prozessvertretung der Regierung von Oberbayern an und beantragte mit Schriftsatz vom 9. März 2021,
16
die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung wurde insbesondere auf die Gewässereigenschaft des … Arrondierungskanals eingegangen und diesbezüglich auch auf seine Beschreibung in der Biotopkartierung Bayern vom 6. August 2007 mit der Nr. „7332- …, … Arrondierungskanal mit Begleitvegetation“ abgestellt, wonach es sich u.a. um ein kanalartiges Fließgewässer mit flutender Unterwasservegetation (TF 01) in der ausgeräumten, intensiv acker- und wiesengenutzten Niedermoor-Landschaft des … handele. Auch ein künstlich hergestelltes Gewässerbett könne zu den oberirdischen Gewässern im Sinne des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG zählen. Die Funktion des Kanals gehe über die reine Entwässerung hinaus. Das Merkmal „Mitführen von aus Quellen wild abfließendem Wasser“ sei erfüllt. Auch stelle das Gewässer einen schützenwerten Lebensraum für Fauna und Flora dar. Die Bewahrung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Abwehr von Eingriffen in Natur und Landschaft sei im Fall des … Arrondierungskanals klares naturschutzfachliches Ziel des Beigeladenen zu 2.
18
Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt führte in seinem Schreiben vom 22. Januar 2021 aus, dass der Kanal ein bedeutendes Einzugsgebiet habe und Vorfluter von Quellen und verschiedenen Gräben aus dem westlich gelegenen tertiären Hügelland sei. Er sei ständig Wasser führend und zudem Vorfluter von gereinigtem Abwasser aus der Kläranlage E. Er sei daher ein oberirdisches, fließendes Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und kein Be- oder Entwässerungsgraben von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung.
19
Hinsichtlich der von Klägerseite eingebrachten Bekanntmachung vom 12. Juni 2019 wurde angemerkt, dass die ca. 700 m östlich (kanalabwärts) des streitgegenständlichen Flurstücks verfolgte Maßnahme der Errichtung eines Sandfangs nicht nur die Sedimentfracht im Gewässer reduziere, sondern auch den Gewässerlebensraum und den Uferbereich für die gewässergebundenen Organismen verbessere. Daher stelle auch diese Maßnahme auf die Verbesserung des Lebensraums der Bachmuschel und der Gewässerstruktur des Gewässers ab.
20
Des Weiteren ergänzte der Beklagte die im Bescheid dargelegte Rechtfertigung des Vorkaufrechts.
21
Mit Schriftsatz vom 8. April 2021 trug der Klägerbevollmächtigte ergänzend vor, der Graben weise neben der Be- oder Entwässerungsfunktion keine zusätzliche Lebensraumfunktion auf. Fließgewässerbegleitende Pflanzen seien nicht zu finden. Gehölzbestand sei nicht vorhanden. Es sei nicht ermittelt, dass der Graben naturnah und mit den anliegenden Landflächen naturräumlich verflochten sei. Begehungen im Herbst 2018 und Mai 2019 zeigten vielmehr, dass die Vegetation entlang des Kanals inzwischen nicht mehr den Charakter einer artenreichen Feuchtwiese aufweise. Ein Beleg für die Annahme des Beklagten, der Kanal nehme auch aus Quellen wild abfließendes Wasser auf, sei nicht erbracht. Des Weiteren fehle es an einer naturschutzrechtlichen Rechtfertigung. Es sei nicht belegt, dass für den festgelegten Uferstreifen die für die Vorkaufsrechtsausübung notwendige Wechselwirkung zwischen Gewässer- und Uferbereich sowie den Landbereichen anzunehmen sei. Auch sei das Vorkaufsrecht ermessensfehlerhaft ausgeübt worden. Der Bescheid verhalte sich nicht zu der Frage, ob die Breite des Uferstreifens unter naturschutzfachlicher Zielsetzung angezeigt sei. Ebenso sei keine Verhältnismäßigkeitsprüfung bezüglich der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Restfläche für den Kläger vorgenommen worden.
22
Mit weiterem Schriftsatz vom 8. April 2021 übersandte der Klägerbevollmächtigte einen im Auftrag des Wasserzweckverbands erstellten Untersuchungsbericht vom 1. Februar 2020 von Frau W. mit dem Titel „Ergebnisse zur Begleitung der Arbeiten am … Arrondierungskanal aufgrund der Errichtung eines Sandfanges“. Demnach sei keine Muschelpopulation gefunden worden. Zudem sei festgestellt worden, dass der Graben im Sommer trockenfalle.
23
Darüber hinaus übersandte die Klägerseite mit Schriftsatz vom 9. April 2021 ein aktuelles Foto der Verschlammungssituation im Kanal sowie eine Bestätigung des Wasserverbandes D. vom 8. April 2021, der zufolge der Verband die Unterhaltungslast des Kanals trage. Wegen seines geringen Fließgefälles und zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses sei ein ständiges Entkrauten der Sohle und Mähen der Böschungen erforderlich.
24
In der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2021 übergab die Klägerseite weitere Fotos vom Kanal. Die Beklagtenseite legte einen Lageplan der Flurstücksnummern vor, aus der die Entfernung zu dem von Klägerseite vorgetragenen Sedimentfang ersichtlich wird. Die Aussage von Frau W. zum Trockenfallen beziehe sich auf einen Seitenkanal. Des Weiteren legte der Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 12. April 2021 vor. Der Kanal beginne südöstlich von Ehekirchen, passiere S. und D. und münde nach sechs Kilometern bei A. in die Donaumoosach. Hierbei nehme er verschiedene Quellen, Gräben und kleinere Bäche aus dem westlich gelegenen tertiären Hügelland auf und gewährleiste für diese Gewässer die wichtige Vorfluterfunktion. Im Rahmen der letzten Bachmuschelkartierung im Jahr 2016 seien im Kanal lebende Bestände der vom Aussterben bedrohten Bachmuschel (Rote Liste 1) dokumentiert worden. Der Beklagte erklärte, dass der Erwerb eines 16 m breiten Streifens damit zu begründen sei, dass das ausgewiesene FFH-Gebiet bis zu diesem 16 m-Streifen reiche. Nur durch eine 16 m breite Pufferzone seien etwaige landwirtschaftliche Beeinträchtigungen auszuschließen, die vorgesehenen Maßnahmen zu realisieren und der Gewässerschutz zu erreichen. Alternativ könne der Beklagte auch einen weniger als 16 m breiten Streifen akzeptieren, sofern dieser im Gegenzug auf den nordwestlichen Grundstücksteil der streitgegenständlichen FlNr. 1191 und das daran angrenzende, ebenfalls dem Kläger gehörende Grundstück FlNr. 1190/6 verlängert werde.
25
Die Parteien verzichteten auf weitere mündliche Verhandlung.
26
Die Beigeladenen stellten keine Anträge.
27
Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2022 teilte der Beklagte mit, dass die von den Parteien angestrebte außergerichtliche gütliche Einigung nicht zustande gekommen sei. Das Verfahren M 19 K 20.4044 wurde unter dem Aktenzeichen M 19 K 20.4044 fortgesetzt.
28
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2022 nahm die Klägerseite erneut Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass der Bescheid nicht nur wegen einer fehlenden naturschutzrechtlichen Rechtfertigung des Vorkaufsrechts rechtswidrig sei, sondern auch, weil ihm keine, nicht einmal knappe Ermessenerwägungen entnommen werden könnten. Es fehle, abgesehen davon, dass die Bewirtschaftung der übrigen Flächen der Kläger erheblich erschwert werde und zu einem nicht unerheblichen Anschneideschaden führe, an einer ausreichenden Erschließung, was im Ergebnis zu einer weiteren Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen führen werde. Eine Abwägung mit diesen privaten Interessen von Käufern und Verkäufer sei nicht erfolgt, ebenso wenig wie eine Ergänzung von Ermessenserwägungen.
29
Der Beklagte übersandte dem Verwaltungsgericht am 7. Oktober 2022 eine Stellungnahme des Landratsamts vom 27. September 2022 mit ergänzenden Ausführungen zu den Rechtfertigungsgründen und den Ermessenserwägungen bezüglich des ausgeübten Vorkaufsrechts.
30
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. April 2021 sowie die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Verwaltungsgericht ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
32
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
33
Rechtsgrundlage für die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts ist Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG. Danach steht dem Freistaat Bayern beim Verkauf von Grundstücken, auf denen sich oberirdische Gewässer befinden oder die daran angrenzen, ein Vorkaufsrecht zu. Dieses darf nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG ausgeübt werden, wenn die gegenwärtigen oder zukünftigen Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur dies rechtfertigen.
34
Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt.
35
1. Bedenken formeller Art gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts bestehen nicht.
36
Die Zwei-Monatsfrist des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wurde gewahrt. Sonstige formelle Mängel sind nicht ersichtlich, insbesondere wurden die Kläger und der Beigeladene zu 1 vor Erlass des Bescheids gemäß Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) schriftlich angehört. Die Klagepartei hat sich gegenüber dem Beklagten per E-Mail durch einen mit Vollmacht handelnden Vertreter umfassend geäußert.
37
2. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht unterliegt der streitgegenständliche Bescheid keinen Bedenken.
38
Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG für die Ausübung des Vorkaufsrechts liegen vor.
39
2.1. Der Beigeladene zu 2 ist als Landkreis nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG vorkaufsberechtigt. Auf dessen Verlangen hat der Freistaat Bayern, vertreten durch die Kreisverwaltungsbehörde - hier das Landratsamt - das Vorkaufsrecht korrekterweise ausgeübt (Art. 39 Abs. 3 Satz 1 und 4 BayNatSchG).
40
2.2. Das streitgegenständliche Grundstück ist am 27. April 2020 mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom Beigeladenen zu 1 an die Kläger verkauft worden.
41
2.3. Das Grundstück FlNr. 1191 Gemarkung … grenzt im nordöstlichen Grundstücksteil an den … Arrondierungskanal an, der als oberirdisches Gewässer im Sinne von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG zu qualifizieren ist.
42
Die Gewässereigenschaft ist dabei nicht nur auf große Seen und Fließgewässer begrenzt, sondern umfasst alle Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG, die natürlicher Lebensraum sein können, auch künstlich angelegte wie Fischteiche oder Baggerseen (vgl. Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, BayNatSchG, Stand Oktober 2020, Art. 39 Rn. 6).
43
Bei dem … Arrondierungskanal handelt sich zur Überzeugung des Gerichts um keinen bloßen Be- und Entwässerungsgraben, der gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG keine Berechtigung für die Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts vermitteln würde. Er ist sowohl im wasserrechtlichen als auch im maßgeblich naturschutzrechtlichen Sinne als oberirdisches Gewässer zu qualifizieren (vgl. ausführlich zu den unterschiedlichen Zielsetzungen des Wasserrechts einerseits und des Naturschutzrechts andererseits BayVGH, U.v. 19.1.2006 - 9 B 04.1217 - juris Rn. 23 ff.).
44
Der wasserrechtliche terminus technicus (§ 3 Nr. 1 WHG) des „oberirdischen Gewässers“ erfordert das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser. Den Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadt vom 22. Januar 2021 und vom 12. April 2021 zufolge, stellt sich der streitgegenständliche Kanal wasserrechtlich als ein Gewässer dritter Ordnung (Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Bayerisches Wassergesetz - BayWG) dar. Er hat ein Einzugsgebiet von fast 10 bis 15 km², ist ständig wasserführend und Vorfluter sowohl von Quellen und verschiedenen Gräben aus dem westlich gelegenen tertiären Hügelland als auch von gereinigtem Abwasser aus der Kläranlage E. Zudem ist er Bestandteil des Gewässerpflegeplans der zuständigen Wasserverbände mit dem Ziel der Anlage von Pufferstreifen und dem Handlungsschwerpunkt „Entwickeln und Gestalten“. Das Wasserwirtschaftsamt qualifiziert daher den … Arrondierungskanal als ein oberirdisches, fließendes Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG und nicht als Be- oder Entwässerungsgraben von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung. Amtlichen Auskünften und Gutachten der Wasserwirtschaftsämter kommt entsprechend ihrer Stellung als wasserwirtschaftliche Fachbehörde nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWG eine besondere Bedeutung zu (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 17.11.2016 - 8 ZB 14.543 - juris Rn. 13); das Gericht hat daher keinen Anlass, an der Richtigkeit der Einschätzung dieser fachkundigen Stelle zu zweifeln.
45
Bereits diese wasserrechtliche Qualifizierung, insbesondere der Umstand, dass das Wasser des etwa 6 km langen … Kanals unmittelbar aus quellenge-speisten anderen Gräben - dem …- und …graben - stammt, er einen größeren Einzugsbereich aufweist als dies bei reinen Entwässerungsgräben der Fall ist und seine Vorfluterfunktion, deutet daraufhin, dass der Graben über die reine Entwässerungsfunktion hinaus geht (vgl. Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, BayNatSchG, Stand Oktober 2020, Art. 39 Rn. 6a; VG Augsburg, U.v. 1.12.2016 - Au 2 K 16.324 - juris Rn. 31; VG Regensburg, U.v. 17.12.2013 - RO 4 K 11.1548 - Rn. 95).
46
Vor allem aber weist der … Arrondisierungskanal eine zusätzliche Biotop- und Lebensraumfunktion auf. Denn für die naturschutzrechtliche Qualifizierung eines oberirdischen Gewässers kommt es entscheidend auf seine Verbindung zur Natur an. Der Begriff des oberirdischen Gewässers in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG ist unter dem Blickwinkel der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wie sie in §§ 1 und 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und Art. 1 BayNatSchG definiert sind, zu verstehen. Hierbei sind neben dem Gewässer selbst auch die Ufer, der Zwischenbereich zwischen „feucht“ und „trocken“, der für das Leben von besonderer Bedeutung ist, und der für ein oberirdisches Gewässer wichtige Austausch mit der Luft zu betrachten (BayVGH, U.v. 19.1.2006 - 9 B 04.1217 - juris Rn. 25).
47
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist vom Vorliegen eines oberirdischen Gewässers auszugehen. Die naturschutzrechtliche Bedeutung des … Kanals erschließt sich bereits aus seinen verschiedenen naturschutzrechtlichen Qualifizierungen (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 16.8.2012 - Au 2 K 11.1347 - juris Rn. 25). So ist er vollständig vom FFH-Gebiet „DE 7233- … D., Z. W. und … Forst“ und zudem in der Biotopkartierung (Flachland) Bayern mit der Nr. 7332-1014-TF 01 erfasst. Auch wenn der Kanal der Beschreibung der Biotopkartierung zufolge ein „wenig naturnahes Erscheinungsbild“ aufweist, ist „lebensraumtypisches Arteninventar“ in geringen Teilen vorhanden. Sämtliche von Klägerseite eingewandten Negativkriterien, wie beispielsweise überwiegende Ablagerungen von Sand und Schlamm, flossen in die naturschutzrechtliche Bewertung ein. Trotz stark verändertem Umlagerungs- und Sedimentationsverhalten sowie einem hohen Anteil an Nährstoffzeigern im Uferraum zeigen sich am Ufer des Kanals stellenweise schmale Röhrichtstreifen aus Rohrglanzgras, Schilf oder Brunnenkresse sowie Bestände aus dominanter Sumpf-Segge, sodass der Kanal im Ergebnis dennoch im Gesamten als „kanalartiges Fließgewässer mit flutender Unterwasservegetation“ biotopkartiert wurde.
48
Das FFH-Gebiet umfasst neben der reinen Kanalfläche noch jeweils beidseitige, ca. 16 m breite Uferstreifen, woraus deutlich wird, dass der Schutz der Flora und Fauna nicht allein den Wasserbereich, sondern auch die anliegenden Ufer betrifft. Dies impliziert eine enge ökologische Verflechtung mit der umgebenden Landfläche. Die Argumentation des Beklagten, dass die Vorkaufsrechtsfläche im FFH-Gebiet liegt, ist daher durchaus von Bedeutung und diente nicht dazu, wie von Klägerseite eingewandt, ein tatbestandlich nicht von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG festgesetztes Gebiet zu begründen.
49
Zudem liegt der Uferteilstreifen, für den das Vorkaufsrecht ausgeübt werden soll, im „Wiesenbrütergebiet nördlich K.“. Gemäß den naturschutzfachlichen Ausführungen beherbergen der Kanal wie auch der Uferbereich die den qualifizierten Gebieten tatsächlich entsprechenden Arten (Bachmuschel, Kleinfische, Kiebitz, Großer Brachvogel, Wiesenpiper und Wiesen-Schafstelze usw.) und Lebensräume (Fließgewässer mit flutender Wasservegetation). Selbst auf einem von Klägerseite vorgelegten Foto der Uferfläche in trockenem, unbegrüntem Zustand ist ein Nest mit vier Eiern zu verzeichnen. In der im Zuge der Errichtung eines Sandfangs am … Arrondierungskanal auf der FlNr. 1190/12 erlassenen Bekanntmachung (Nr. 1 der Bekanntmachung des Landratsamts vom 12.6.2019, Amtsblatt 1 B 1308 B) heißt es bezüglich verschiedener Qualitätskriterien zum Kanal, dass dieser eine große Bedeutung als Lebensraum für bedrohte Arten wie die Bachmuschel besitze.
50
Nicht von Bedeutung ist, ob der Kanal künstlich geschaffen wurde, einen vollständig begradigten Lauf oder nahezu keine Strömungsvarianz besitzt und/oder auch von Quellen gespeist wird (wovon hier im Übrigen ausgegangen wird) bzw. wer für die Bewirtschaftung des Grabens zuständig ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 1.12.2016 - Au 2 K 16.324 - juris Rn. 33). Diese allenfalls indizielle Bedeutung besitzenden Aspekte werden dadurch überlagert, dass der Kanal nach seinem gesamten Erscheinungsbild und den fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamts sowie der Fachkraft für Naturschutz und Landschaftspflege ein für den Naturhaushalt relevantes oberirdisches Gewässer und nicht lediglich einen Entwässerungsgraben darstellt.
51
Der von den Klägern vorgelegte Untersuchungsbericht vom 1. Februar 2020 von Frau W. mit dem Titel „Ergebnisse zur Begleitung der Arbeiten am … Arrondierungskanal aufgrund der Errichtung eines Sandfanges“ belegt, anders als von Klägerseite vorgetragen, weder das Fehlen einer Muschelpopulation im Graben noch ein Trockenfallen des Grabens im Sommer. Vielmehr wird im Bericht ausgeführt, dass die Bachmuschel in der Donaumoosach noch einen relativ großen Bestand hat und in deren Seitengräben, wozu auch der … Arrondierungskanal zählt, kleinere Vorkommen zu verzeichnen sind. Allein in dem untersuchten Abschnitt im näheren Umgriff des auf Höhe von S. zu errichtenden Sandfangs der FlNr. 1190/12 wurden bei einer vorgehenden Untersuchung nur vereinzelt Bachmuscheln gefunden. Der Umstand, dass sodann bei den Räumungsarbeiten zur Errichtung des Sandfangs am 26. Januar 2021 keine lebenden Bachmuscheln oder andere Großmuschelarten festgestellt werden konnten, war Voraussetzung für die Baumaßnahme (keine Gefährdung der geschützten FFH-Art Bachmuschel), belegt aber keinesfalls, dass auch am streitgegenständlichen, ca. 800 m westlich kanalaufwärts liegenden Kanalabschnitt keine Bachmuschelpopulation zu verzeichnen wäre. Vielmehr stellt der Bericht als Fazit fest, dass der Sandfang mit seiner zu bewirkenden Entschlammung des Gewässersubstrates als positive Maßnahme hinsichtlich des Muschelschutzes zu bewerten ist und somit die Grundannahme einer vorhandenen Muschelpopulation im Kanal bestätigt. Dies entspricht der im Jahr 2016 im Rahmen der letzten Bachmuschelkartierung erfolgten Dokumentation von lebenden Beständen der bayern- und deutschlandweit vom Aussterben bedrohten Bachmuschel (Rote Liste 1).
52
Die im Untersuchungsbericht vom 1. Februar 2020 geäußerte Vermutung für ein wahrscheinliches Trockenfallen bezieht sich nicht auf den … Arrondierungskanal, sondern einen im Bereich des Sandfangs befindlichen Seitengraben. Im Übrigen stünde der Umstand, dass ein Gewässer zeitweise trockenfallen kann, seiner Einstufung als oberirdisches Gewässer im Sinne von § 3 Nr. 1 WHG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 BayWG nicht entgegen (vgl. VG Augsburg, U.v. 1.12.2016 - Au 2 K 16.324 - juris Rn. 32).
53
Somit besitzt der … Arrondierungskanal in wasserwirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht über den Zweck der Ent- und Bewässerung der angrenzenden Grundstücke hinausgehende Funktionen und erfüllt damit die Voraussetzungen von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG.
54
2.4. Ebenso lagen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG vor. Zukünftige Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigten die Ausübung des Vorkaufsrechts.
55
Nach der Rechtsprechung kann die Ausübung des Vorkaufsrechts schon dann gerechtfertigt sein, wenn der Erwerb eines Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf die in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Belange hat (BayVGH, B.v. 9.3.2015 - 14 ZB 13.2250 - juris Rn. 6). Da das Vorkaufsrecht keine Enteignung, sondern eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Grundgesetz (GG) darstellt, ist seine rechtmäßige Ausübung nicht davon abhängig, dass der verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann (Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, BayNatSchG, Stand April 2016, Art. 39 Rn. 18). Für die rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts genügt es, wenn der Vorkaufsrechtsberechtigte eine ökologische Aufwertung eines Grundstücks im Sinne der von ihm benannten Zielrichtung durchführen will (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2016 - 14 B 15.205 - juris Rn. 53); einer bereits konkretisierten Planung über durchzuführende Optimierungsmaßnahmen bedarf es hingegen nicht (BayVGH, U.v. 22.5.1995 - 9 B 92.1183 u.a. - NuR 1995, 554).
56
Ausweislich des Bescheids vom 6. August 2020 beabsichtigt der Beigeladene zu 2, auf dem Uferstreifen dringend erforderliche Verbesserungsmaßnahmen am Gewässer und den darin vorkommenden Arten und Lebensräumen, sowie im Wiesenbrüterlebensraum und hinsichtlich der wiesenbrütenden Vogelarten durchzuführen. Hierzu soll eine ganze Reihe von Zielen und Maßnahmen umgesetzt werden. Dies sind im Einzelnen die Umsetzung des Managementplans für das FFH-Gebiet mit einer Erhöhung des Strukturreichtums im Gewässerbett und an den Ufern durch Verbreiterung und Gestaltung der Ufer. Geplant sind ebenso die Verbesserung des Wiesenbrütergebiets durch die Abflachung der Uferböschung, die Anlage von Mulden und Seigen sowie die Ansaat der derzeitigen Ackerfläche mit einer artenreichen Wiesenmischung. Diese Verbesserungsmaßnahmen genügen, um eine naturschutzfachliche Rechtfertigung zu tragen. Die Zielsetzung entspricht den in Art. 1 BayNatSchG i.V.m. § 1 und § 2 Abs. 2 BNatSchG normierten Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2001 - 9 ZB 01.1937 - juris Rn. 7).
57
Es wird ausreichend deutlich, dass der Beklagte eine ökologische Aufwertung des Gewässers und des angrenzenden Uferstreifens durchführen will.
58
2.5. Die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglich der oben genannten Grundstücke weist keine Ermessensfehler auf (§ 114 Satz 1 und 2 VwGO).
59
Der Beklagte hat insbesondere die in der Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vorgetragenen Belange in seinem Bescheid gewürdigt und mit den öffentlichen Interessen am Erwerb der Teilfläche durch die öffentliche Hand abgewogen. Hinsichtlich der vorgetragenen Bewirtschaftungserschwernis wurde in nicht zu beanstandender Weise auf die im Verhältnis zur Gesamtgröße des Grundstücks kleine, vom Vorkaufsrecht erfasste Teilfläche von 1800 m² (ca. 9%) abgestellt und dargelegt, dass die Bewirtschaftung der Restfläche über die Wegführung (FlNr. 1169/4 und 1169/5) sowie über die schmale, in nordwestlicher Richtung zum Kanal angrenzende im Eigentum der Kläger stehende FlNr. 1190/6 bewerkstelligt werden kann. Eine Bewirtschaftungserschwernis wurde auch mit klägerischem Schreiben vom 29. Juli 2022 nicht glaubhaft gemacht, insbesondere blieb unklar, inwieweit ein sog. „Anschneideschaden“ entstehen könne. Der Beklagte hat die ihm zur Verfügung stehenden Informationen in seinen Ermessenserwägungen in ausreichender Weise gewürdigt. Im Übrigen hängen Umfang und Tiefe der erforderlichen Ermessensbegründung vom rechtlichen Gewicht der jeweils im Raum stehenden privaten Belange ab, weshalb an die Argumentationstiefe der Ermessensentscheidung ohne rechtliche Besonderheiten regelmäßig geringere Anforderungen zu stellen sein dürften (BayVGH, U.v. 9.7.2020 - 14 B.19.96 - juris Rn. 35; Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, BayNatSchG, Stand Oktober 2020, Art. 39 Rn. 22b).
60
Der Einwand der Klägerseite, man würde den betroffenen Grundstücksstreifen bei seiner Bewirtschaftung außen vorlassen, sodass den naturschutzrechtlichen Zielen Genüge getan würde, schlägt im Rahmen der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nicht durch. Der Beklagte beruft sich dabei auf das Erfordernis der dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt, die neben der Pflege auch die Entwicklung und Wiederherstellung von Natur und Landschaft beinhaltet. Es entspricht einer allgemeinen Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren private Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten könnten. Dies ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2006 - 9 ZB 05.1233 - juris Rn. 20; U.v. 11.8.1989 - 9 B 86.02748 - BayVBl 1990, 277).
61
Bezüglich der Frage, ob die Breite von 16 m des das Vorkaufsrecht betreffenden Uferstreifens unter naturschutzfachlicher Zielsetzung angezeigt ist, hat der Beklagte seine Ermessenserwägung in zulässiger Weise ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO). Seine Erklärung, die Festlegung auf einen 16 m breiten Streifen hänge damit zusammen, dass das ausgewiesene FFH-Gebiet bis zu diesem 16 m-Streifen reiche, genügt aus Sicht des Gerichts für die vorgenommene Begrenzung der Teilfläche.
62
Sonstige Umstände des Einzelfalls, die eine Ausübung des Vorkaufsrechts ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor.
63
Die Kläger haben als unterliegende Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben, entspricht der Billigkeit; sie haben keinen Sachantrag gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko ausgesetzt (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
64
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).