Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2022 – M 10 K 21.50715
Titel:

Dublin-Verfahren (Frankreich)

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 lit. d, Art. 19 Abs. 2, Art. 22 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5
DurchführungsVO (EU) 118/2014 Anhang II Verz. B Nr. 9
Leitsatz:
Der Nachweis, dass der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, bevor er einen neuen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, ist auch erbracht, wenn zwar keine förmlichen Beweismittel vorliegen, aber kohärente, nachprüfbare und hinreichend detaillierte Indizien, wie zB Bestätigung der Angaben durch Familienangehörige oder Mitreisende, vorliegen. (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebungsanordnung, Beweislage für Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate, Dublin-Verfahren, Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate (bejaht), Zielstaat Frankreich, unzulässiger Asylantrag, Übernahmeersuchen, Verlassen des das Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, Beweislast, Indizien
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35325

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. November 2021 (Gesch.-Z: ...) wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Beteiligte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Seite vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine Abschiebungsanordnung nach Frankreich im Rahmen des sog. „Dublin-Verfahrens“.
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Der Kläger ist ukrainischer Staatsangehöriger, dem Volke der Roma angehörig sowie christlich-orthodoxen Glaubens. Er reiste zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren drei Kindern am 14. Juli 2021 in das Bundesgebiet ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem die Beklagte durch behördliche Mitteilung am 22. Juli 2021 schriftlich Kenntnis erlangt hat. Der förmliche Asylantrag datiert vom 30. September 2021.
3
Ausweislich der EURODAC-Ergebnismitteilung vom 22. Juli 2021 hatte der Kläger bereits am 5. Februar 2020 einen Asylantrag in Frankreich gestellt (FR1 ...). Am 14. September 2021 richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen an Frankreich. In dem Übernahmeersuchen gab die Beklagte an, es würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger in der Zwischenzeit das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verlassen habe. Mit Schreiben vom 26. September 2021 erklärten sich die französischen Behörden bereit, den Kläger gem. Art. 18 Abs. 1 Buchst. d VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) wiederaufzunehmen.
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Im Rahmen des Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 30. September 2021 gab der Kläger an, zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren drei Kindern (alle ebenfalls ukrainische Staatsangehörige) am 12. Juli 2021 aus der Ukraine ausgereist und am 14. Juli 2021 über Ungarn, die Slowakei und Polen in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Er gab ferner an, bereits 2020 einen Asylantrag in Frankreich gestellt zu haben.
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Im Rahmen der Anhörung vom 26. Oktober 2021 gab der Kläger an, bereits im Januar oder Februar 2020 einen Asylantrag in Frankreich gestellt zu haben. Er sei allerdings nur zwei Wochen in Frankreich gewesen, eine Anhörung zu seinen Fluchtgründen habe nicht stattgefunden. Nachdem er zwei Wochen in Frankreich gewesen sei, sei er sofort nach Charkow in der Ukraine zurückgereist, nachdem er gehört habe, dass ein Onkel von ihm gestorben sei, um an der Beerdigung teilnehmen zu können. Weiter gab er an, nicht nach Frankreich überstellt werden zu wollen, da in Deutschland seine Lebensgefährtin, ein leibliches Kind, zwei Stiefkinder und zwei Schwestern leben würden.
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Nachdem ein Eilantrag der Lebensgefährtin und der drei Kinder zunächst abgelehnt wurde (VG München, B.v. 24.1.2022 - M 29 S 21.32409, n.v.), wurde die Beklagte mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Mai 2022 verpflichtet, ihnen den subsidiären Schutzstatus gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu gewähren (VG München, U.v. 16.5.2022 - M 29 K 21.32408, n.v.). Mit Bescheid vom 10. August 2022 erkannte die Beklagte der Lebensgefährtin sowie deren Kinder den subsidiären Schutzstatus zu.
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Mit Bescheid vom 2. November 2021, der am 7. November 2021 gem. § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 2 AsylG als zugestellt galt, lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 2). Die Abschiebung nach Frankreich wurde angeordnet (Nr. 3) sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
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Der Kläger hat am 12. November 2021 Klage gegen den Bescheid vom 2. November 2021 erhoben. Er beantragt,
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1. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. November 2021 in den Ziffern 1) bis 4) aufzuheben,
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2. die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren fortzuführen, hilfsweise, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu gewähren sowie weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 25. November 2021,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Beschluss vom 29. August 2022 hat das Gericht dem Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Abschiebungsanordnung stattgegeben (VG München, B.v. 29.8.2022 - M 10 S 21.50716 - juris). Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 wurde der Rechtsstreit gem. § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
15
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2022 wurden die Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2022 teilte die Beklagte mit, dass mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Einverständnis bestehe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Verfahren sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Nach Anhörung der Beteiligten kann das Gericht über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
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II. Soweit die Klage auf die Aufhebung des Bescheids vom 2. November 2021 gerichtet ist, ist sie zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 2. November 2021 stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) als rechtswidrig dar und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die in Nummer 1 des Bescheids ausgesprochene Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist rechtswidrig, da entgegen der Auffassung der Beklagten Frankreich für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers nicht zuständig ist. Hierzu hat das Gericht im Beschluss vom 29. August 2022 bereits ausgeführt:
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„Nach der EURODAC-Treffermeldung vom 22. Juli 2022 sowie den Schilderungen des Antragstellers in seinen Anhörungen kommt zwar im Ausgangspunkt die Zuständigkeit Frankreichs nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO in Betracht, da der Antragsteller am 5. Februar 2020 in Frankreich einen Asylantrag gestellt hat. Nach Aktenlage bestehen aber gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Angabe der Antragsgegnerin unter Nr. 13 im Übernahmeersuchen vom 14. September 2021 unrichtig ist. Der Antragsteller hat in seiner Anhörung vom 26. Oktober 2021 schlüssig ausgeführt, dass er Frankreich bereits zwei Wochen nach seiner Ankunft dort im Februar 2020 wieder verlassen hat, um der Beerdigung seines Onkels in Charkow beiwohnen zu können. Dieser Vortrag ist schlüssig, weil der Antragsteller am 14. Juli 2021 über Ungarn, die Slowakei und Polen zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren drei Kindern in das Bundesgebiet eingereist ist, sich also für einen Zeitraum von deutlich über einem Jahr jedenfalls seit März 2020 in der Ukraine aufgehalten haben muss. Anhaltspunkte für einen Aufenthalt des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zwischen März 2020 und dem 13. Juli 2021 liegen nicht vor und wurden auch von der Antragsgegnerin nicht dargelegt. Die Behauptung unter Nr. 13 im Übernahmeersuchen vom 14. September 2021, dass der Antragsteller zwischen Februar 2020 und Juli 2021 das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen habe, erscheint damit nicht haltbar.
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In rechtlicher Hinsicht liegt die von den französischen Behörden angenommene Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO aufgrund der Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nicht vor. Nach Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO erlöschen die Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller, um dessen Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Gemäß Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gilt ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.
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Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, U.v. 7.6.2016 [GK] - C-155/16, Rs. „Karim“ - juris Rn. 17 f.) erfüllt. Danach ist die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO anwendbar, wenn der Drittstaatsangehörige den Nachweis erbringt, dass er das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, bevor er einen neuen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat (EuGH, a.a.O., Rn. 18). Der dem Gericht vorliegende Akteninhalt reicht aus, um ausreichende Nachweise für eine mindestens dreimonatige Abwesenheit des Antragstellers vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten anzunehmen.
23
Unter dem Gesichtspunkt der materiellen Beweislast für die mindestens dreimonatige Abwesenheit vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten (vgl. dazu VG Ansbach, B.v. 20.12.2021 - AN 14 S 21.50254 - juris Rn. 30) ergibt sich nichts Anderes. Stellt man auf die Beweislage an sich ab (vgl. VG München, B.v. 1.3.2018 - M 1 S 17.52262 - juris Rn. 18), reicht es vorliegend aus, dass der mindestens dreimonatige Aufenthalt des Antragstellers in der Ukraine vor seiner Einreise in das Bundesgebiet durch die Angaben der Lebensgefährtin in ihrer persönlichen Anhörung belegt ist. Denn über Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche ist nach Art. 22 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 4 Dublin III-VO anhand von „Beweismitteln“ und „Indizien“ zu entscheiden. Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen (Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO).
24
Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben stellen die Angaben des Antragstellers zusammen mit den Angaben der Lebensgefährtin in den jeweiligen Anhörungen „Indizien“ i.S.v. Art. 22 Abs. 3 Buchst. b Dublin III-VO i.V.m. Verzeichnis B Nr. 9 Durchführungsverordnung (EU) 118/2014 für die mehr als 3-monatige Abwesenheit des Antragstellers vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten dar. Denn die Angaben der Lebensgefährtin, die sich in den maßgeblichen Punkten mit denen des Antragstellers decken, sind nach Aktenlage als glaubhaft einzuschätzen. Dies betrifft insbesondere die Angaben zum Reiseweg, zum Ausreisezeitpunkt als auch die gemeinsame Zeit in Slowjansk und Charkow vor der Ausreise. So hat die Lebensgefährtin des Antragstellers angegeben, dass er mit ihr und den Kindern Ende 2020 in Slowjansk gelebt habe und dann nach Charkow gezogen sei, wo sie in den letzten zwei Monaten vor der Ausreise bei Freunden gelebt hätten (BA 8482627 - 166, Bl. 184 f.; vgl. auch im Eilbeschluss: VG München, B.v. 24.1.2022 - M 29 S 21.32409 - Rn. 3, n.v.). Die vorliegenden Indizien sind daher insgesamt als „kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert“ i.S.v. Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO anzusehen. Jedenfalls für das vorliegende Eilverfahren sind die Anforderungen an das Beweiserfordernis geringer als im Hauptsacheverfahren anzusetzen, zumal die ordnungsgemäße Anwendung der Dublin III-VO damit nicht infrage gestellt wird (vgl. auch VG Berlin, B.v. 31.5.2017 - 36 L 342.17 A - juris Rn. 12).
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Der Antragsteller kann die Fehlerhaftigkeit der Zuständigkeitsbestimmung schließlich auch rügen, da Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO unter Berücksichtigung der tragenden Gründe der „Karim“-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union als drittschützend anzusehen ist (Hailbronner in Heilbronner, Ausländerrecht, 6. Individuelle Rechte auf Einhaltung der Dublin-Regeln, Rn. 129; s. auch VG Düsseldorf, B.v. 8.1.2019 - 22 L 2252/18.A - juris Rn. 17 f.; VG Aachen, B.v. 7.9.2018 - 6 L 1087/18.A. - juris Rn. 16; VG München, B.v. 1.3.2018 - M 1 S 17.52262 - juris Rn. 16; VG Düsseldorf, B.v. 21.3.2017 - 12 L 39/17.A - juris Rn. 12 ff.; VG Köln, B.v. 6.3.2017 - 14 L 36/17.A - juris Rn. 11; VG München, B.v. 29.9.2016 - M 24 S 16.50506 - juris Rn. 25). Im Ergebnis hätte die Antragsgegnerin den vom Antragsteller gestellten Antrag als neuen Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst, behandeln müssen. Die von Frankreich mitgeteilte Zustimmung zur Rückübernahme des Antragstellers nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO ändert daran nichts, zumal diese Äußerung maßgeblich auf die unrichtige Mitteilung der Antragsgegnerin in Nr. 13 ihres Aufnahmegesuchs vom 14. September 2021 zurückzuführen sein dürfte.“
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2. Im Hauptsacheverfahren haben sich keine Umstände ergeben, die eine anderweitige rechtliche Beurteilung rechtfertigen würden. Den Sachvortrag des Klägers zu seiner Abwesenheit vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für länger als 3 Monate erachtet das Gericht aus den oben dargestellten Gründen nach wie vor für als glaubhaft. Auch die Beklagte hat dies weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren in Abrede gestellt. Die nach Aktenlage unabhängig voneinander entstandenen und inhaltlich übereinstimmenden Angaben des Klägers und seiner Lebensgefährtin in den jeweiligen Anhörungen reichen daher vorliegend aus, um die mindestens 3-monatige Abwesenheit des Klägers vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu belegen.
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3. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung in Nummer 1 können auch die weiteren Bescheidsbestimmungen in den Nummern 3 und 4 keinen Bestand haben und sind aufzuheben. Ob Abschiebungsverbote zugunsten des Klägers bezüglich Frankreich festzustellen sind, kann dahinstehen, da die Entscheidung in Nummer 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids vorliegend jedenfalls verfrüht ergangen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris Rn. 21).
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III. Die weitergehenden Verpflichtungsanträge in Nummer 2 der Klageschrift sind unzulässig, da gegen eine nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ergangene Abschiebungsanordnung ausschließlich die Anfechtungsklage statthaft ist (BVerwG, U.v. 9.8.2016 - 1 C 6.16 - juris Rn. 9; BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - juris Rn. 13 f.; VG Würzburg, U.v. 5.7.2018 - W 2 K 17.50701 - juris Rn. 15; vgl. auch VG München, B.v. 29.8.2022 - M 10 S 21.50716 - juris Rn. 18). Insofern ist geklärt, dass die Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung und zur materiellen Prüfung des Asylbegehrens nicht dadurch umgangen werden darf, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung sogleich über die Begründetheit des Asylantrags entscheidet (BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - juris Rn. 14). Das Gericht ist insoweit gehindert, zum weitergehenden Verpflichtungsbegehren des Klägers auf die Gewährung internationalen Schutzes zu entscheiden, auch wenn sich vorliegend das materiell-rechtliche Ergebnis zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG mit Blick auf den internationalen bewaffneten Konflikt in der Ukraine aufdrängt.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.