Titel:
Trotz schwerer Verletzung eines Polizisten keine Inhaftierungsgefahr in Gambia
Normenketten:
AsylG § 4, § 38 Abs. 1 S. 2
EMRK Art. 3
Anerkennungs-RL Art. 4 Abs. 4
Rückführungs-RL Art. 3 Nr. 4, Nr. 6, Art. 7
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 92 Abs. 3, § 113 Abs. 5
Leitsatz:
Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass ein gambischer Asylantragsteller bei einer Rückkehr nach Gambia eine Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen zu befürchten hat, auch wenn er zuvor bei einer Auseinandersetzung einen Polizisten schwer verletzt hat, wenn dies bereits acht Jahre zurückliegt und keine objektiven Umstände dafür sprechen, dass der Kläger polizeilich gesucht wird. (Rn. 23 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Gambia), Auseinandersetzung mit schwerer Verletzung eines Polizisten am Kopf im Jahr 2014, Beachtliche Wahrscheinlichkeit der Inhaftierung (verneint), Problematische Haftbedingungen in Gambia unterhalb menschenrechtlicher Mindeststandards, Teilklagerücknahme, Asyl, Gambia, Verletzung eines Polizisten, Inhaftierung, menschenunwürdige Bedingungen, Haftbedingungen, subsidiärer Schutz, stichhaltige Gründe
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35304
Tenor
I.Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger ist gambischer Staatsangehöriger und wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags durch Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2017.
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Der Kläger reiste am 5. Februar 2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am 8. August 2016 einen Asylantrag. Die persönliche Anhörung des Klägers bei der Beklagten erfolgte am 2. Juni 2017.
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Der Kläger trug in der Anhörung im Wesentlichen vor, dass er in … als Schweißer Autos repariert habe. Eines Abends habe ein Kunde sein Auto zur Reparatur zum Kläger gebracht. Bei diesem PKW sei am nächsten Morgen die Frontscheibe von einem Stein eingeschlagen gewesen. Nachdem er den Autobesitzer telefonisch über den Schaden informiert habe, sei dieser mit einem Polizisten zum Kläger gekommen. Der Polizist habe ihn aufgefordert, den Schaden zu bezahlen. Im anschließenden Wortgefecht habe er den Polizisten beleidigt, worauf dieser ihn auch beleidigt und geschlagen habe. Als er zurückgeschlagen habe, sei der Polizist mit dem Kopf auf eine Bahnschiene gefallen. Nachdem der verletzte Polizist zum Revier gebracht worden sei, habe sein Mitarbeiter ihn angerufen und ihm gesagt, dass er sofort das Land verlassen solle. Er habe dann seine Kleidung gewechselt, den Geldbeutel genommen und sei gegangen. Auf der Flucht im Niger habe er seinen Bruder angerufen; dieser habe ihm mitgeteilt, dass die Polizei zuhause nach ihm gesucht habe. Auch die Schwester habe ihn später angerufen und ihm mitgeteilt, dass die Polizei seinen Vater verhaftet und ihn nur wieder habe gehen lassen, weil er blind sei. Der Vorfall habe sich im Jahr 2014 ereignet. Über eine Rückkehr ins Heimatland denke er noch nicht einmal nach.
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Mit Bescheid vom 23. Juni 2017, der als Einschreiben am 26. Juni 2017 zur Post gegeben wurde, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nr. 1). Der Antrag auf Asylanerkennung wurde abgelehnt (Nr. 2) und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Nr. 3). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Gambia angedroht, wobei die Abschiebung auch in einen anderen Staat erfolgen könne, in den der Kläger einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Der Kläger hat am 11. Juli 2017 gegen den Bescheid vom 23. Juni 2017 Klage erhoben und ursprünglich beantragt, erstens den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Juni 2017 aufzuheben, zweitens die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise drittens, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren, weiter hilfsweise viertens, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Zur Begründung wird mit Schriftsätzen vom 27. Juli 2017 und vom 18. Februar 2021 im Wesentlichen vorgetragen, dass dem Kläger wegen des von ihm erlebten Vorfalls kein faires Gerichtsverfahren drohe, da Korruption in Justiz und Polizei in Gambia weit verbreitet sei. In Gambia seien Bürger willkürlicher Polizeigewalt ausgesetzt. Es sei bekannt, dass die Anwendung von Folter durch die Polizei und Geheimdienste regelmäßig stattfänden. Der Kläger sei in seinem Heimatland der Gefahr der Vergeltung des Polizisten ausgesetzt. Die persönliche Betroffenheit des Polizisten relativiere die seit dem betagten Vorfall verstrichene Zeit. Es sei davon auszugehen, dass sich sowohl der am Kopf verletzte Polizist, als auch dessen Arbeitskollegen an die Geschehnisse und die Person des Klägers bis zum heutigen Tage erinnerten. Die Einflussnahme der Exekutive und die korrupte Justiz ließen befürchten, dass der Kläger ohne eine Möglichkeit rechtlichen Schutzes staatlicher Gewalt auf unbestimmte Zeit ausgeliefert sei. Darüber hinaus seien die Haftbedingungen in Gambia selbst im regionalen Vergleich untragbar. Eine interne Schutzmöglichkeit gem. § 3e AsylG bestehe aufgrund der geringen Größe und der geringen Einwohnerzahl Gambias nicht. Es sei praktisch unmöglich, dass sich der Kläger dem Zugriff der Polizei dauerhaft entziehe. Inwieweit Menschenrechte unter dem neuen Präsidenten geachtet und geschützt würden, könne aufgrund des kurzen Zeitraums seit der Neuordnung der Machtverhältnisse noch nicht abschließend und mit Sicherheit beurteilt werden. Die neue Regierung habe bisher überwiegend Ankündigungen verlautbaren lassen. Tatsächliche Änderungen des Justizsystems und ein Wandel bestehender Werte erforderten jedoch Zeit und würden sich nicht durch eine einzige Präsidentschaftswahl vollziehen.
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Die Beklagte legte die Behördenakte vor, äußerte sich aber nicht inhaltlich zum Verfahren und stellte keinen Antrag.
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In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger informatorisch zu seinen Fluchtgründen angehört. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die in Nummer 2 und 4 der Klageschrift gestellten Anträge auf Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, sowie die Verpflichtung der Feststellung von Abschiebungsverboten, zurückgenommen.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Soweit noch über die Klage zu entscheiden ist, ist die zulässige Klage unbegründet.
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1. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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2. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2022 die in der Klage vom 10. Juli 2017 in den Nummern 2 und 4 gestellten Anträge zurückgenommen hat, war das Verfahren insoweit gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Entscheidung darüber ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
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1. Im Übrigen ist der Bescheid vom 23. Juni 2017 im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er im Ergebnis die Verpflichtung der Beklagten, ihm den subsidiären Schutz zu gewähren, nicht beanspruchen kann (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ihm droht in seinem Herkunftsland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 AsylG.
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2. Die Voraussetzungen der Zuerkennung des subsidiären Schutzes liegen nicht vor, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 AsylG nicht gegeben sind.
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a) Dass die Tatbestände des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (Verhängung der Todesstrafe) und Nr. 3 AsylG (internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt) vorliegend nicht in Betracht kommen, wurde auch von der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung angenommen.
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b) Ebenso liegen im Ergebnis für die drohende Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG keine „stichhaltigen Gründe“ vor. Vorliegend erscheint es nach dem Vortrag des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er bei einer Rückkehr nach Gambia eine Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen zu befürchten hat.
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aa) Die Gewährung subsidiären Schutzes setzt voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG droht (NdsOVG, U.v. 6.9.2022 - 11 LB 198/20 - juris Rn. 146; OVG NW, 10.5.2021 - 9 A 1489/20.A - juris Rn. 222 ff.; NdsOVG, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 - juris Rn. 31; VG Freiburg, U.v. 24.4.2018 - A 1 K 4712/16 - juris Rn. 23 f.; Kluth in BeckOK AuslR, Stand 1.10.2022, § 4 AsylG Rn. 32). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab korrespondiert - wie schon bei der Flüchtlingsanerkennung - mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“). Das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U.v. 21.4.2022 - 1 C 10.21 - juris Rn. 13 m.w.N.). Hat ein Antragsteller bereits einen ernsthaften Schaden erlitten oder war er von einem solchen unmittelbar bedroht, kommt ihm auch hier - wie bei der Flüchtlingsanerkennung - die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU zugute (NdsOVG, U.v. 14.3.2022 - 4 LB 20/19 - juris Rn. 72; BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 23). Danach ist dies ein ernsthafter Hinweis darauf, dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht wird. In solchen Fällen besteht somit für einen Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht ist (BVerwG, U.v. 18.2.2021 - 1 C 4.20 - juris Rn. 15; NdsOVG, 11.3.2021 - 9 LB 129/19 - juris Rn. 90). Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrundeliegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 21). Ob die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL/2011/95 EU im konkreten Fall greift, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Tatrichters (BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 15 m.w.N.; BayVGH, U.v. 16.7.2019 - 11 B 18.32129 - juris Rn. 23).
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bb) Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Art. 3 EMRKwidrige Behandlung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Ein gewisser Grad an Mutmaßung ist dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent, sodass ein eindeutiger, über alle Zweifel erhabener Beweis dafür, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre, nicht verlangt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 - 1 C 10.21 - juris Rn. 14 m.w.N.).
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Der Antragsteller muss damit die Umstände und Tatsachen, die für die von ihm geltend gemachte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung maßgebend sind, von sich aus konkret, in sich stimmig und erschöpfend vortragen (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU). Anders als beim Flüchtlingsschutz kommt es aber auf den nach objektiven Grundsätzen zu ermittelnden ernsthaften Schaden und nicht auf eine „begründete Furcht“ (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) vor einer derartigen Gefahr an (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Bei der Entscheidung darüber, ob die Gefahr von Misshandlungen besteht, sind die absehbaren Folgen einer Abschiebung im Zielstaat unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Lage und der besonderen Umstände des Betroffenen zu prüfen (vgl. zum Ganzen: VG Freiburg, U.v. 24.4.2018 - A 1 K 4712/16 - juris Rn. 23 m.w.N.).
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cc) Unter Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend nicht von der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Gambia eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Inhaftierung droht.
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(1) Dem Kläger kommt vorliegend die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nicht zugute, da der Kläger in Gambia weder bereits einen ernsthaften Schaden erlitten (vgl. insofern anders etwa die Fälle bei VG Sigmaringen, U.v. 27.5.2021 - A 1 K 4693/17 - juris UA S. 9 ff.; VG Freiburg, U.v. 24.4.2018 - A 1 K 4712/16 - juris Rn. 26 ff. [beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens nach Vorschadenskonstellation und Annahme unmenschlicher Haftbedingungen in Gambia]; anders aber VG Freiburg, U.v. 23.2.2021 - A 14 K 743/18 - juris Rn. 42 ff.; VG München, GB v. 2.8.2019 - M 10 K 17.46332 - Rn. 27, n.v. [dort jeweils keine Annahme der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens trotz Vorschadenskonstellation]) oder ihm ein solcher unmittelbar gedroht hat. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe ihn sein Freund/Kollege angerufen und ihm gesagt, er müsse fliehen; er habe erst nur geantwortet „Warum?“. Diese Ausführungen genügen nicht für die Darlegung eines unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens. Das Gericht hält zwar die Angaben des Klägers zu dem geschilderten Vorfall bzw. der körperlichen Auseinandersetzung mit dem Polizisten im Jahr 2014 trotz anfänglicher Skepsis in der mündlichen Verhandlung für glaubhaft. Auch wenn vor allem zu Beginn der mündlichen Verhandlung der Vortrag des Klägers (etwas) oberflächlich gewirkt hat, konnte er - teilweise auf Nachfrage des Gerichts - im weiteren Verlauf detailliertere Angaben zum Geschehen und auch zur Szenerie des Vorfalls machen, die insoweit mit seinen Angaben beim Bundesamt übereinstimmen. Der Vortrag des Klägers zur Auseinandersetzung mit dem Polizisten war insofern durchaus von Realkennzeichen geprägt. Das Gericht geht insofern davon aus, dass die körperliche Auseinandersetzung mit dem Polizisten bzw. das Vorgeschehen zu diesem Vorfall auf einem realen Erlebnishintergrund beruht. Die Ausführungen zum Telefonat mit dem Freund/Kollegen (der den verletzten Polizisten im Krankenhaus oder auf der Polizeiwache gesehen haben will) nach der körperlichen Auseinandersetzung sind allerdings zu vage und unkonkret geblieben, um die unmittelbar drohende Gefahr eines ernsthaften Schadens für den Kläger belegen zu können. Danach liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise bereits konkret und unmittelbar in den Fokus der Polizei geraten war, geschweige von einer Inhaftierung unter menschenrechtswidrigen Bedingungen i.S.v Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ohne weitere wesentliche Zwischenakte (wie etwa ein strafgerichtliches Verfahren) „unmittelbar bedroht“ war. Letztendlich ist zu sehen, dass der Kläger (offenbar) unbehelligt aus Gambia ausreisen konnte, wobei zu berücksichtigen ist, dass Ausreisekontrollen bzw. Identitätsprüfungen bei der Ausreise geschehen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand Dezember 2021, S. 16).
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(2) Das vom Kläger geschilderte Sachverhaltsgeschehen in der Anhörung bei der Beklagten sowie in der mündlichen Verhandlung im Gericht reicht im Ergebnis nicht aus, „stichhaltige Gründe“ für die Annahme der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ einer Inhaftierung in Gambia unter menschenunwürdigen Bedingungen darzulegen. Richtig ist zwar, dass es - wie auch der Bevollmächtigte des Klägers umfangreich vorgetragen hat - jedenfalls gewichtige Anhaltspunkte dafür gibt, dass die derzeitigen Haftbedingungen in Gambia nach wie vor (d.h. auch unter neuen Regierung Barrow) menschenrechtlichen Mindeststandards nicht genügen bzw. als menschenunwürdig einzustufen sind (vgl. US Department of State, The Gambia 2021 Human Rights Report: „harsh and live-threatening prison conditions“ [S. 1]; vgl. auch aktuell die Briefing Notes der Beklagten vom 10. Oktober 2022, S. 6, mit Verweis auf den Vorsitzenden des Menschenrechtausschusses der Nationalversammlung, Madi Ceesay, dass die Haftbedingungen trotz einiger Verbesserungen weiterhin gegen geltende Menschenrechtsstandards verstoßen würden). Dies wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch teilweise so angenommen (VG Sigmaringen, U.v. 27.5.2021 - A 1 K 4693/17 - juris UA S. 14 ff.; VG Freiburg, U.v. 23.2.2021 - A 14 K 743/18 - juris Rn. 42 f.; VG Freiburg, U.v. 24.4.2018 - A 1 K 4712/16 - juris Rn. 32 f.; Bewertung als erniedrigende oder unmenschliche Behandlung aber offengelassen in VG München, GB v. 2.8.2019 - M 10 K 17.46332 - Rn. 26, n.v.; VG München, GB v. 24.6.2019 - M 10 K 17.42564 - Rn. 21, n.v.; VG München, GB v. 21.6.2019 - M 10 K 17.40500 - Rn. 21, n.v.). Auch wenn menschenunwürdige Haftbedingungen grundsätzlich ein Grund für die Annahme eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG sein können, führen die Haftbedingungen in Gambia im konkreten Fall nicht zur Annahme eines ernsthaften Schadens beim Kläger, weil ihm bei einer Rückkehr nach Gambia eine Inhaftierung (unter diesen Bedingungen) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
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In die qualifizierende Betrachtungsweise im Rahmen der Prüfung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ist der objektive Umstand einzustellen, dass der vom Kläger geschilderte Vorfall nunmehr acht Jahre zurückliegt und insoweit erheblich gegen die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines ernsthaften Schadens spricht (vgl. auch VG München, GB v. 2.8.2019 - M 10 K 17.46332 - Rn. 27 a.E., n.v.). Angesichts der verstrichenen Zeit von acht Jahren erscheint es grundsätzlich unwahrscheinlich, dass der Kläger wegen dieser Angelegenheit immer noch polizeilich gesucht wird (vgl. auch VG München, GB v. 24.6.2019 - M 10 K 17.42564 - Rn. 23, n.v.). Entgegen dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten kommt es insoweit nicht so sehr auf das individuelle Erinnerungsvermögen des betroffenen Polizisten an (ob der Polizist den Kläger nach dem verstrichenen langjährigen Zeitraum wiederkennen würde, darf wohl eher bezweifelt werden). Maßgeblich ist vielmehr, ob objektive Umstände für die beachtliche Wahrscheinlichkeit sprechen, dass der Kläger auch acht Jahre nach dem geschilderten Vorfall noch polizeilich gesucht wird.
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Im Rahmen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit sind weiter folgende objektive Umstände gewichtig zu berücksichtigen: Nach der aktuellen Erkenntnismittellage gibt es in Gambia kein nationales Fahndungssystem nach europäischen Vorstellungen (was das Gericht in der mündlichen Verhandlung bereits angedeutet hatte; vgl. Auswärtiges Amt, Allgemeine Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 30.12.2020, zu Frage 4) und auch kein funktionierendes Meldewesen bzw. keine Meldepflicht (Auswärtiges Amt, Allgemeine Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 30.12.2020, zu Frage 3). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach der Erkenntnismittellage nach Gambia zurückgeführte gambische Staatsangehörige keiner besonderen Behandlung unterliegen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand Dezember 2021) bzw. (lediglich) von der Einwanderungsbehörde in Empfang genommen, kurz vernommen bzw. deren Daten aufgenommen werden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gambia, Stand 24.6.2020, S. 27). Diese Tatsachen, die das Gericht zu berücksichtigen hat (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a RL 2011/95/EU), sprechen erheblich gegen die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung des Klägers unter menschenunwürdigen Bedingungen.
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Soweit der Kläger bei seiner Anhörung bei der Beklagten und auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ihm sei von seiner Schwester bzw. seinem Vater (vor 3 Jahren) telefonisch mitgeteilt worden, die Polizei suche nach wie vor nach ihm, stellt das Gericht dies (mangels näherer Überprüfbarkeit) nicht prinzipiell in Abrede. Letztendlich bleibt aber die Gewichtung dieser Ausführung im Rahmen des anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs begrenzt, da - wie oben dargelegt -, im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG hauptsächlich auf objektive Kriterien abzustellen ist (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Dies gilt insbesondere auch im vorliegenden Fall, da die Angaben des Klägers zu den von ihm behaupteten Telefongesprächen bzw. deren Inhalten wenig substantiiert sind und insofern einen geringeren Wert (als objektiv verwertbare Tatsachen aus Erkenntnismitteln) für die vorzunehmende Gefahrenprognose haben. Nicht zuletzt erscheint auch die Angabe, die gambische Polizei habe den Vater des Klägers zur Befragung mitgenommen und ihn nur wegen seines gesundheitlichen Zustandes wieder freigelassen, fraglich, da dies der gambischen Polizei sinngemäß Sittenhaftpraxis unterstellt, was mit der Erkenntnismittellage nicht in Einklang zu bringen ist (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand Dezember 2021, S. 7). Gerade wenn aber in diesem Punkt die Aussage des Klägers in Widerspruch zur Erkenntnismittellage steht, bedarf es zur weiteren Untermauerung des Vorbringens eines entsprechenden Nachweises (vgl. Art. 4 Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU), den der Kläger hier aber nicht erbracht hat.
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Im Ergebnis kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die in die qualifizierende Betrachtungsweise einzustellenden Umstände zur Annahme der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Inhaftierung des Klägers in Gambia unter menschenunwürdigen Bedingung führen. Den zu berücksichtigenden Umständen nach der Erkenntnismittellage, die gegen die Gefahr eines ernsthaften Schadens für den Kläger sprechen, kommt das größere Gewicht zu. Das Gericht übersieht dabei nicht, dass eine solche in die Zukunft gerichtete Prognose stets von gewissen Unsicherheiten geprägt ist - diese müssen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings hingenommen werden (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 22). Dem Gericht ist es insofern verwehrt, den Grundsatz des „benefit of doubt“ zugunsten des Klägers anzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 19).
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1. Die Abschiebungsandrohung in Nummer 5 des angegriffenen Bescheids steht jedoch nicht mit unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang, soweit die gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen - wie hier - mit der Bekanntgabe des Bescheids in Lauf gesetzt worden ist. Diese ursprüngliche, objektiv unionsrechtswidrige Fristsetzung ist jedoch aufgrund der Klage gegen den Bescheid durch eine unionsrechtskonforme Fristsetzung ersetzt worden (BVerwG, U.v. 20.2.2020 - 1 C 1.19 - juris Rn. 28; NdsOVG, U.v. 6.9.2022 - 11 LB 198/20 - juris Rn. 208).
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a) Die in Art. 7 der RL 2008/115/EG vorgesehene Frist für die freiwillige Ausreise darf nicht zu laufen beginnen, solange ein Betroffener ein Bleiberecht hat (EuGH, U.v. 19.6.2018 - C-181/16 - juris Rn. 62). Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit sind dabei während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen (vgl. EuGH, U.v. 19.6.2018 - C-181/16 - juris Rn. 61). Das Fristlaufverbot und das Bleiberecht erfassen mithin auch den Zeitraum, in dem ein Rechtsmittel noch nicht eingelegt ist, und stehen für diesen dem Lauf der behördlich zu setzenden Ausreisefrist entgegen; Rechtsmittelfrist und Ausreisefrist dürfen nicht gleichzeitig laufen. Damit nicht vereinbar ist § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG, der für den Lauf der zu setzenden Ausreisefrist von 30 Tagen erkennbar an die Entscheidung der Bekanntgabe des Bundesamts anknüpft (so BVerwG, U.v. 20.2.2020 - 1 C 1.19 - juris Rn. 27; NdsOVG, U.v. 6.9.2022 - 11 LB 198/20 - juris Rn. 209).
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b) Der Kläger ist indes durch diese anfänglich objektive Unionsrechtswidrigkeit des Bescheides aufgrund seiner Klage wegen des Eintritts der im Gesetz in § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylG und im Bescheid benannten außerprozessualen Bedingung („im Falle einer Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens“) nicht mehr beschwert. Die ursprüngliche, objektiv unionsrechtswidrige Fristsetzung ist aufgrund der Klage durch eine unionsrechtskonforme Fristsetzung ersetzt worden, da die Ausreisefrist nunmehr 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 - 1 C 1.19 - juris Rn. 28; NdsOVG, U.v. 6.9.2022 - 11 LB 198/20 - juris Rn. 210).
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2. Die nach Nummer 6 des angegriffenen Bescheids erfolgte Befristung „des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots“ auf 30 Monate ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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a) Die Beklagte hat das nach § 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung für den Fall der Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Ausländers gesetzlich entstehende Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. § 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 gültigen Fassung ist mit der RL 2008/115/EG jedoch nicht vereinbar, da nach Art. 11 Abs. 2 RL 2008/115/EG das mit einer Rückkehrentscheidung (Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG) einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot (Art. 3 Nr. 6 RL 2008/115/EG) stets einer behördlichen oder richterlichen Einzelfallentscheidung bedarf, die auch seine Dauer festlegen muss (BVerwG, U.v. 21.8.2018 - 1 C 21.17 - juris Rn. 21). Die behördlich erfolgte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung ist jedoch unionsrechtskonform regelmäßig als konstitutiver Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer auszulegen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 - 1 C 46.20 - juris Rn. 10; U.v. 21.8.2018 - 1 C 21.17 - juris Rn. 25 und 28; U.v. 27.7.2017 - 1 C 28.16 - juris Rn. 42 und B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 72). Damit handelt es sich um einen einheitlichen, auch in sich nicht teilbaren belastenden Verwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist. Ein Ermessensfehler bei der Befristung führt zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots insgesamt, das dann im Regelfall ermessensfehlerfrei neu erlassen werden darf (BVerwG, U.v. 7.9.2021 - 1 C 46.20 - juris Rn. 10 m.w.N.).
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Der in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamts damit konstitutiv vorgenommene Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots und dessen Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu beanstanden. Die Befristung eines unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung des Ausländers erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbots vollzieht sich in zwei Schritten: In einem ersten Schritt bedarf es der prognostischen Einschätzung des Bundesamts, wie lange das Verhalten des Betroffenen, welches der die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots veranlassenden Abschiebung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr durch Fernhaltung des Ausländers von dem Bundesgebiet zu tragen vermag. Sind in dem zu beurteilenden Einzelfall Umstände, die das gefahrenabwehrrechtlich geprägte Interesse an einem Fernhalten des Ausländers vom Bundesgebiet erhöhen, ebenso wenig erkennbar wie Umstände, die geeignet sind, das Gewicht dieses öffentlichen Interesses zu mindern, so begegnet es in einer Situation, die keine Besonderheiten gegenüber gleichgelagerten Fällen aufweist, keinen Bedenken, das abschiebungsbedingte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von 30 Monaten zu befristen und damit den durch Art. 11 Abs. 2 Satz 1 RL 2008/115/EG und § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmen zur Hälfte auszuschöpfen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 - 1 C 47.20 - juris Rn. 18 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 7.9.2022 - 11 LB 198/20 - juris Rn. 213). Dem gefahrenabwehrrechtlich geprägten öffentlichen Interesse sind in einem zweiten Schritt die Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die private Lebensführung des Ausländers gegenüberzustellen. Die Schutzwürdigkeit des Interesses des Ausländers an einer angemessenen Rückkehrperspektive wird insbesondere durch Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 GRCh sowie durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprägt (BVerwG, U.v. 7.9.2021 - 1 C 47.20 - juris Rn. 15 ff. und Rn. 19).
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b) Gemessen an diesen Vorgaben begegnet die vorgenommene Befristung keinen Bedenken. Die Ausführungen im Bescheid, dass Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung weder ausreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich seien, sind nicht zu beanstanden. Insbesondere verfügt der Kläger über keine wesentlichen Bindungen im Bundesgebiet, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.