Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 25.11.2022 – W 7 E 22.1793
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebung nach Georgien

Normenketten:
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
KRK Art. 3, Art. 9
Leitsätze:
1. Tatsächlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 S. 1 Alt. 1 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sie aus objektiven oder in der Person des Ausländers liegenden Gründen (aktuell) nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchführbar ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkerrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch im Falle einer Abschiebung besteht neben der Kommunikation mit Familienangehörigen auf elektronischem bzw. digitalem Weg die Möglichkeit von Besuchen der Familienangehörigen im Herkunftsland bzw. von Besuchen des Ausländers nach einer eventuellen Fristverkürzung gemäß § 11 Abs. 4 AufenthG, welche der Ausländer beantragen kann, bzw. in Einzelfällen mit einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Art. 3 Abs. 1 KRK schafft selbst keine konkreten Rechte oder Pflichten, es handelt sich vielmehr um eine Querschnittsklausel, welche auf die Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen Maßnahmen der Mitgliedstaaten zielt; ein absoluter Vorrang kommt dem Kindeswohl gegenüber anderen privaten oder öffentlichen Belangen somit nicht zu, vielmehr kann es durchaus hinter andere rechtlich geschützte Interessen - wie auch rechtliche Einwanderungsbeschränkungen - zurücktreten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, abgelehnt, Duldungsgründe, verneint, Ehefrau und minderjährige Kinder im Bundesgebiet, Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Kinderrechtskonvention, Straftaten, Wiederholungsgefahr, Abschiebung, tatsächliche Unmöglichkeit, rechtliche Unmöglichkeit, schutzwürdige familiäre Lebensgemeinschaft, Kindeswohl
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35198

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Abschiebung.
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1. Der Antragsteller ist georgischer Staatsangehöriger. Er ist mit einer georgischen Staatsangehörigen verheiratet und hat gemeinsam mit dieser zwei am ...2011 und ...2014 geborene Kinder. Die Familienangehörigen des Antragstellers leben in P… (S…). Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 25. Oktober 2016 wurde der Asylantrag des Antragstellers vom 25. Februar 2015 abgelehnt und die Abschiebung nach Georgien angedroht. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden (VG Dresden, U.v. 4.5.2018, rechtskräftig: Klageabweisung). Nach vorübergehender Ausreise reiste der Antragsteller im Dezember 2017 erneut ohne Visum oder Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet ein. Mit Bescheid vom 25. September 2018 wurde er aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Sperrwirkung der Ausweisung auf fünf Jahre befristet. Am 11. Oktober 2018 erfolgte die Abschiebung des Antragstellers. Am 13. Dezember 2018 wurde der Antragsteller erneut im Bundesgebiet angetroffen, als er in S… wegen eines Diebstahls festgenommen wurde. Es stellte sich heraus, dass er im Besitz von zwei georgischen Nationalpässen, gültig bis 10. Juni 2026 (Bl. 376 der Behördenakte) bzw. 1. Oktober 2028 (Bl. 385 der Behördenakte) war. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2019 wurde die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sieben Jahre ab der erneuten Ausreise bzw. Abschiebung verlängert, der Bescheid ist bestandskräftig geworden (VG Würzburg, B.v. 7.4.2020 - W 7 K 20.102 [ursprünglich W 7 K 19.122]: Verfahrenseinstellung wegen Rücknahmefiktion; des Weiteren B.v. 6.3.2019 - W 7 S 19.123, rechtskräftig: Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO). Eine am 25. Februar 2019 geplante Abschiebung des Antragstellers wurde storniert, da dieser nach Haftentlassung am 18. Februar 2019 untergetaucht war. Am 14. März 2022 wurde der Antragsteller erneut im Bundesgebiet polizeilich aufgegriffen und zur Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe in die JVA B… überführt, wo er sich derzeit befindet.
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Am 10. Juni 2022 beantragte der Antragsteller eine Duldung. Die Ehefrau des Antragstellers gab laut Mitteilung des Landratsamtes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge vom 7. September 2022 in einer Befragung an, dass sie bis April 2022 keine Kenntnis über den Aufenthaltsort des Antragstellers gehabt habe. Der Antragsteller habe im April wieder Kontakt zu ihr aufgenommen. Aufgrund der psychischen Probleme des älteren Kindes habe sie die Kontaktaufnahme erwidert und den Antragsteller mit den Kindern in der JVA besucht. Über seinen Aufenthaltsort in den letzten Jahren sei ihr nichts bekannt. Dem gegenüber gab der Antragsteller am 22. August 2022 gegenüber der Antragsgegnerin an, die letzten drei Jahre in P… bei seiner Ehefrau gelebt zu haben. Mit Schreiben vom 21. September 2022 übersandte der Antragsteller eine Stellungnahme seiner Ehefrau vom selben Tag, in welcher diese ausführt, sie habe zwar auf Nachfrage bei der Ausländerbehörde angegeben, in den letzten Jahren, d.h. 2019 bis 2021, keinen Kontakt zu ihrem Mann gehabt zu haben. Damit habe sie aber den persönlichen Kontakt gemeint. Da er im Gefängnis und im Ausland gewesen sei, habe er nicht bei ihnen sein können. Er habe sich aber regelmäßig gemeldet. Ihre Töchter hätten eine enge Bindung zu ihrem Vater. Sie selber sei sich ihrer Beziehung zum Antragsteller unsicher, sie sehe aber, wie wichtig er für ihre Töchter sei, und unterstütze daher den Kontakt. Sie hätten ihn auch mehrfach in der JVA B… besucht. Die aktuelle Situation sei sehr belastend, vor allem für die ältere Tochter, weil diese in letzter Zeit häufiger Panikattacken oder ähnliche Symptome habe, die oft in zeitlichem Zusammenhang mit Informationen über ihren Vater zu dessen unsicherem Aufenthalt stünden. Im Juni sei sie mit der Tochter nach dem ersten stärkeren Anfall in der Klinik gewesen, die Ärzte hätten jedoch keine körperlichen Ursachen feststellen können. Derzeit sei sie auf der Suche nach einer Kinderpsychotherapeutin. Wenn der Antragsteller abgeschoben würde und ihm eine Einreisesperre auferlegt würde, könnten ihre Töchter den Vater nicht regelmäßig sehen, obwohl sie darauf ein Recht hätten. Vorgelegt wurde ein Arztbericht des H. Klinikum P… vom 4. Juni 2022 für die ältere Tochter, geboren am 26. Januar 2011, mit der Diagnose Dyspnoe (R06.0).
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Der Antragsteller ist im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, unter anderem wie folgt:
„- Amtsgericht Böblingen, Urteil vom 22. November 2016, rechtskräftig: 20 Tagessätze wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
- Amtsgericht Aue, Urteil vom 27. Februar 2017, rechtskräftig: 40 Tagessätze wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
- Amtsgericht Hannover, Urteil vom 29. März 2017, rechtskräftig: 30 Tagessätze wegen besonders schweren Falls des Diebstahls in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen,
- Amtsgericht Dresden, Urteil vom 19. April 2017, rechtskräftig: 20 Tagessätze wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
- Amtsgericht Dresden, Urteil vom 9. Juni 2017, rechtskräftig: 80 Tagessätze wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
- Amtsgericht Heidelberg, Urteil vom 6. Juli 2017, rechtskräftig: Zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Diebstahls in vier Fällen, Bewährungszeit zwei Jahre. Des Weiteren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Kassel vom 6. November 2017 von der Erhebung der öffentlichen Klage wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß § 154 Abs. 1 StPO abgesehen. Die im vorgenannten Urteil erfolgte Strafaussetzung zur Bewährung wurde mit Beschluss des Landgerichts München I, Strafvollstreckungskammer, vom 18. Januar 2019 widerrufen.“
- Amtsgericht München, Urteil vom 1. März 2018, rechtskräftig: Acht Monate Freiheitsstrafe wegen Diebstahls. Von der Verfolgung eines Vergehens der unerlaubten Einreise wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Dresden vom 22. Mai 2018 gemäß § 154 Abs. 1 StPO abgesehen.
- Amtsgericht Heilbronn, Urteil vom 2. Juli 2018, rechtskräftig: Ein Jahr Freiheitsstrafe wegen Diebstahls.
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Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Duldung ab. Gründe für eine Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Eine aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK herrührende rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers liege nicht vor und sei auch nicht glaubhaft gemacht worden. Bezüglich eines Sorge- und Umgangsrechtes des Betroffenen lägen keine Nachweise vor. Darüber hinaus bestehe zu seiner Frau und seinen Kindern weder eine eheliche noch eine familiäre Lebensgemeinschaft. Bereits 2018 habe die Ehefrau erklärt, dass sie an einem weiteren Zusammenleben nicht interessiert sei. Dieser Umstand werde auch durch aktuelle Aussagen bekräftigt. Nach Angaben der Ehefrau sei sie bis April 2022 in Unkenntnis über den Aufenthalt des Antragstellers gewesen und habe in den letzten Jahren keinen Kontakt zu ihm gehabt. Nach erfolgter Anhörung zur Ablehnung der Duldung habe der Antragsteller ein Schreiben seiner Ehefrau vorgelegt, in welchem sie ihre Aussagen revidiert habe. Diese Aussage erscheine mehr als unglaubwürdig, da sich die Ehefrau des Antragstellers in all ihren Angaben fast vollständig widerspreche. Selbst wenn von einer engen Verbundenheit zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern auszugehen sei, habe diese aber in der Vergangenheit aufgrund der Inhaftierungen, der Abschiebung nach Georgien und den Auslandsaufenthalten naturgemäß nur sehr eingeschränkt gelebt werden können. So seien beide Kinder bereits daran gewöhnt, mit ihrem Vater - wenn überhaupt - über Fernkommunikation Kontakt zu halten. Der Antragsteller habe mehrfach Straftaten, insbesondere schwere Diebstahlsdelikte begangen, die unter anderem mit Freiheitsstrafen geahndet worden seien, und sei deshalb bestandskräftig ausgewiesen worden. Es sei ein fünfjähriges Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen worden. Aufgrund einer erneuten Einreise und Straffälligkeit knapp zwei Monate nach der Abschiebung sei die Einreisesperre im Jahr 2019 auf sieben Jahre ab der erneuten Ausreise bzw. Abschiebung verlängert worden und bestehe weiterhin. Auch dieser Bescheid sei bestandskräftig. Es seien auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass die Abschiebung des vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen oder erheblichen öffentlichen Interessen ausgesetzt werden sollte. Im Übrigen handle es sich hierbei um eine Duldung, die im Ermessen erteilt werden könne. Die vom Antragsteller angegebenen Gründe, dass seine Ehefrau und seine Kinder im Bundesgebiet wohnhaft seien, er das Sorge- und Umgangsrecht für seine Kinder habe, er nach seiner Entlassung wieder voll am Leben seiner Kinder teilnehmen wolle und seine Frau einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG gestellt habe, deren Voraussetzungen sie erfülle, führten zu keiner anderen Auffassung. An diesem Umstand ändere auch der vorgelegte Ambulanzbericht des H.-Klinikum in P… nichts. Zum einen handle es sich nicht um ein qualifiziertes ärztliches Attest nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG, zum anderen beziehe sich der Bericht auf den Zeitraum Juni 2022. Hiernach habe die ältere Tochter seit mehreren Wochen das Gefühl von Luftnot. Die Diagnose stehe jedoch in keinem erkennbaren Zusammenhang zur Inhaftierung ihres Vaters. Allenfalls finde sich am Ende eine Empfehlung, dass sie sich mit ihrem Vater treffen müsse. Jedoch habe die Mutter in ihrem Schreiben deutlich gemacht, dass die gesundheitlichen Probleme oft im Zusammenhang mit Nachrichten über den Antragsteller stünden. Von einer Stetigkeit werde bereits nicht einmal seitens der Ehefrau und Mutter ausgegangen. Überdies liege weder ein psychologisches Gutachten, welches bescheinige, dass die Dyspnoe mit der unsicheren Situation des Vaters einhergehe, noch ein aktueller Befund vor. Unabhängig davon sei der Antragsteller bereits am 11. Oktober 2018 abgeschoben und erstmals im Dezember 2018 inhaftiert worden. Knapp zwei Monate später sei er wiederum wegen eines Diebstahlsdelikts festgenommen worden, als er entgegen seines Einreise- und Aufenthaltsverbots ins Bundesgebiet eingereist sei. Nach seiner Entlassung sei er laut eigenen Angaben und den der Ehefrau in der Ukraine bzw. im Ausland aufhältig gewesen und habe keinen direkten Kontakt zu der Familie gehabt. Dass sich die Erkrankung der Tochter eben genau auf den ungewissen Aufenthalt ihres Vaters im Bundesgebiet beziehe, erscheine auch in Anbetracht der Tatsache, dass bereits vor knapp vier Jahren eine Ausweisungsverfügung samt Einreisesperre ergangen sei, mehr als unschlüssig. Auch habe laut Angaben der Mutter in den letzten Jahren zumindest kein persönlicher Kontakt zum Antragsteller bestanden. Kontaktaufnahmen, beispielsweise über Telefongespräche oder soziale Medien, seien auch trotz einer erneuten Abschiebung weiterhin wie bisher möglich und erforderten nicht die vorübergehende Anwesenheit des Betroffenen. Überdies könne die Tochter den Antragsteller jederzeit in Begleitung besuchen. Anderweitige Duldungsgründe seien weder ersichtlich, noch vorgetragen worden.
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2. Am 8. November 2022 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben (Az.: W 7 K 22.1655), über die noch nicht entschieden wurde.
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Zudem stellte er am 22. November 2022 den Antrag,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verbieten, den Antragsteller vor der rechtskräftigen Entscheidung über die beim Verwaltungsgericht Würzburg anhängige Klage wegen Duldung abzuschieben oder abschieben zu lassen.
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Zur Begründung wurde unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung der Ehefrau im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller führe eine familiäre Einstandsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen Kindern, die ihn regelmäßig, d.h. mindestens einmal monatlich sowie zusätzlich an sog. Familientagen in der Haftanstalt besuchten und auch Ausgangszeiten mit ihm verbringen würden. Die beiden Kinder hingen sehr an ihrem Vater und wünschten sich zum Weihnachtsfest, dass er bald wieder zu ihnen zurückkehre. Die Abschiebung, welche dem Antragsteller durch einen Sozialarbeiter in der JVA für die folgenden Tage angekündigt worden sei, würde den Antragsteller und seine Angehörigen in ihren Rechten aus Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzen, weshalb ein Verstoß gegen § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben wäre. Der Antragsteller und insbesondere seine Töchter könnten nicht darauf verwiesen werden, die familiäre Lebensgemeinschaft außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, etwa in Georgien, zu leben. Die Kinder besuchten in Deutschland erfolgreich die Grundschule bzw. das Gymnasium, sprächen nur schlecht Georgisch und könnten die Sprache weder lesen noch schreiben, so dass eine Übersiedlung nach Georgien sie in ihrer Entwicklung massiv behindern und deutlich zurückwerfen würde. In diesem Zusammenhang sei auf Art. 3 und Art. 9 der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) hinzuweisen, wonach bei allen Maßnahmen, welche Kinder betreffen, das Kindeswohl ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt sei, weshalb dieses auch im Zusammenhang mit der beabsichtigten Abschiebung des Antragstellers in den Blick zu nehmen sei.
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3. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und ergänzt. Es bestehe kein Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, da weder tatsächliche noch rechtliche Gründe vorlägen, die eine Abschiebung unmöglich machten. Erst nachdem der Antragsteller zur Ablehnung der Duldung angehört worden sei, sei ein Schreiben der Ehefrau eingegangen, in welchem sie ihre Aussagen revidiert habe. Diese Aussagen seien nun eidesstattlich versichert worden. Darüber hinaus habe der Antragsteller entgegen aller bisherigen Angaben mit seiner Ehefrau und beiden Kindern bis zu seiner Abschiebung im Oktober 2018 in häuslicher Lebensgemeinschaft gelebt. Selbst wenn dem spontanen Sinneswandel der Ehegattin Glauben zu schenken sei, sei der Kontakt aufgrund der Inhaftierung bzw. der Auslandsaufenthalte des Antragstellers naturgemäß nur sehr eingeschränkt möglich gewesen. Beide Kinder seien demnach bereits daran gewöhnt - wenn überhaupt - mit ihrem Vater über Fernkommunikation oder seltene Besuche Kontakt zu halten. Unabhängig davon bestehe, selbst wenn sich der Antragsteller wieder in Georgien befinde, die Möglichkeit, den erwähnten persönlichen Kontakt beispielsweise mittels einer Betretenserlaubnis oder Besuchen der Familie in Georgien während der Ferienzeiten aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus lägen auch keine humanitären oder persönlichen Gründe oder erheblichen öffentlichen Interessen vor, welche den weiteren Aufenthalt des Antragstellers erforderten. Eine Sondersituation, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheide, liege offensichtlich nicht vor. Auch der „Weihnachtswunsch“ seiner Kinder sowie die vorgebrachten psychischen Probleme der älteren Tochter führten zu keiner anderen Auffassung. Ein qualifiziertes ärztliches Attest liege bis heute nicht vor. Des Weiteren stehe die Diagnose in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Inhaftierung bzw. Trennung vom Vater. Der Kontakt habe sich auch in der Vergangenheit auf Besuche in der Haftanstalt sowie mittels Fernsprecher beschränkt. Der Antragsteller habe mehrfach Straftaten, insbesondere schwere Diebstahlsdelikte begangen, die unter anderem mit Freiheitsstrafen geahndet worden seien, und sei deshalb bestandskräftig ausgewiesen worden. Es sei ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen worden, welches aufgrund einer Verlängerung nach erneuter Einreise und Straffälligkeit weiterbestehe. Auch dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden. Die unzulässige Wiedereinreise stelle eine weitere Straftat dar. Vorliegend überwiege daher das öffentliche Interesse an der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen deutlich das persönliche Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der im Verfahren W 7 K 22.1655 beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
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Gemessen daran steht dem Antragsteller kein Anordnungsanspruch zu. Der Antragsteller ist unerlaubt eingereist und damit vollziehbar ausreisepflichtig gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AufenthG. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf die beantragte Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zum einen ist die Abschiebung des Antragstellers nicht tatsächlich unmöglich. Tatsächlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sie aus objektiven oder in der Person des Ausländers liegenden Gründen (aktuell) nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchführbar ist (Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, Stand 15.7.2022, AufenthG § 60a Rn. 23). Dafür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, insbesondere liegen für den Antragsteller gültige Nationalpässe vor, mit denen er bereits mehrmals in sein Heimatland zurückkehren konnte. Zum anderen ist die Abschiebung des Antragstellers auch nicht rechtlich unmöglich. Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkerrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, Stand 15.7.2022, AufenthG § 60a Rn. 32). Ein rechtliches Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG besteht insbesondere nicht aufgrund der Beziehung des Antragstellers zu seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK (siehe im Folgenden a)). Des Weiteren folgt ein rechtliches Abschiebungshindernis auch nicht aus Art. 3 bzw. 9 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (BGBl. 1992 II, S. 121) - Kinderrechtskonvention, KRK - (siehe im Folgenden b)).
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a) Zwar verleihen Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK einem Ausländer keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05, NVwZ 2006, 682). Die Ausländerbehörden sind aber auf der Grundlage der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, dazu verpflichtet, bei ihren aufenthaltsbeendenden Entscheidungen stets die familiären Bindungen des Ausländers an im Bundesgebiet berechtigt lebende Personen angemessen zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Die verfassungsrechtlichen Wertungen zum Schutz der Familie und des Privatlebens in Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK gewähren dem Ausländer grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, nicht von seinen weiter im Bundesgebiet lebenden Familienmitgliedern getrennt zu werden. Wenn die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind ausschließlich im Bundesgebiet geführt werden kann, drängt daher die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (BayVGH, B.v. 11.10.2017 - 19 CE 17.2007 - juris Rn. 12 m.w.N.). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor der Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (BVerfG, B.v. 30.1.2002 - 2 BvR 231/00 - NVwZ 2002, 849 m.w.N.), weil durch das nachträgliche Entstehen einer grundrechtlich geschützten familiären Lebensgemeinschaft eine neue Situation eintritt, die eine Zäsur bewirkt (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2008 - 19 CE 08.781 - juris Rn. 26 m.w.N.). Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, welches den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris, Rn. 17 m.w.N.).
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Maßgeblich für das Vorliegen einer durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten familiären Lebensgemeinschaft sind weniger die formalrechtlichen Bindungen, entscheidend ist vielmehr die persönliche Verbundenheit zwischen dem Ausländer und seinem Kind, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl. BVerfG, B.v. 1.8.1996 - 2 BvR 1119/96 - FamRZ 1996, S. 1266), zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht (vgl. BVerfG, B.v. 30.1.2002 - 2 BvR 231/00 - juris Rn. 20 ff. m.w.N.). Unerheblich ist insbesondere, ob die Familienmitglieder gemeinsam in einem Haushalt zusammenleben oder die Betreuung bereits durch einen Elternteil übernommen wird. Denn dem Erziehungsbeitrag eines jeden Elternteils kommt eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2016 - 10 CS 16.408 - juris Rn. 5 ff.). Ebenso unerheblich ist, ob die Betreuung auch von anderen Personen, beispielsweise der Mutter des Kindes, erbracht werden kann, weil der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht schon durch Betreuungsleistungen der Mutter entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 1.8.1996 - 2 BvR 1119/96 - FamRZ 1996, S. 1266; B.v. 20.3.1997 - 2 BvR 260/97 - juris; B.v. 31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 - InfAuslR 2000, S. 67/68).
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Eine in diesem Sinne schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft bzw. in vergleichbarem Maße schutzwürdige Beziehung des Antragstellers zu seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern liegt nicht vor. Zwar darf bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit einer familiären Bindung zwischen einem Ausländer und seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen keine rein schematische Einordnung als familiäre Lebens- bzw. Beistandsgemeinschaft oder als bloße Begegnungsgemeinschaft vorgenommen werden. Vielmehr ist die konkrete Schutzwürdigkeit der persönlichen Bindungen zu würdigen, wie sie sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles darstellen. Dies zugrunde gelegt, ergeben aber die vorliegenden Umstände keine derart hohe Schutzwürdigkeit der persönlichen Beziehung des Antragstellers zu seinen Familienangehörigen, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers zurücktreten müssten. Vielmehr bestand eine schutzwürdige persönliche Bindung, welche die weitere Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet rechtlich erforderte, schon in dem Zeitraum zwischen der erneuten Einreise des Antragstellers nach Abschiebung im Dezember 2018 und seiner Festnahme im März 2022 nicht (mehr), sodass die derzeitige Haft sich auch nicht als eine bloße Unterbrechung einer etwa vorhandenen familiären Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seinen Familienangehörigen darstellt, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Haftentlassung gleichsam nahtlos wiederaufgenommen würde. Der Antragsteller wurde bereits im Dezember 2018 wegen eines Diebstahls festgenommen und befand sich anschließend in Haft. Nach der Haftentlassung am 18. Februar 2019 war sein Aufenthaltsort unbekannt, bis er am 14. März 2022 bei einem erneuten Diebstahlsdelikt festgenommen wurde. In dem Zeitraum zwischen dem Untertauchen und der erneuten Festnahme des Antragstellers ergibt sich auch aus den Angaben der Ehefrau nicht, dass dieser - wie er selbst am 22. August 2022 gegenüber der Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin behauptet hat - in Pirna bei seiner Familie gelebt hätte. Zwar hat die Ehefrau des Antragstellers ihre ursprünglichen Angaben, dass sie bis April 2022 keine Kenntnis über den Aufenthaltsort des Antragstellers gehabt habe und dass dieser (erst) im April wieder Kontakt zu ihr aufgenommen habe, teilweise zurückgenommen. Unter dem 21. September 2022 hat die Ehefrau des Antragstellers jedoch die frühere Aussage bestätigt, dass sie in den letzten Jahren, d.h. 2019 bis 2021, keinen Kontakt zu ihrem Mann gehabt habe, sie hat diese Angaben aber dahingehend relativiert, dass sie den persönlichen Kontakt gemeint habe. Dies hat sie damit erläutert, dass der Antragsteller im Gefängnis und im Ausland gewesen sei, weshalb er nicht bei ihnen habe sein können, wenngleich er sich regelmäßig gemeldet habe. Unabhängig von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit dieser späteren Version der Angaben der Ehefrau bestätigen diese aber erneut, dass im fraglichen Zeitraum keine familiäre Lebensgemeinschaft bestand. Eine vergleichbar schutzwürdige Beziehung des Antragstellers zu seinen Angehörigen kann ebenfalls nicht angenommen werden. Die Ehefrau hat erklärt, sie selber sei sich ihrer Beziehung zum Antragsteller unsicher, sie sehe aber, wie wichtig er für ihre Töchter sei, und unterstütze daher den Kontakt. Damit räumt sie ein, selbst keine besonders enge persönliche Verbindung mehr zu ihrem Mann zu haben, und bestätigt somit, dass eine (zwangsweise) Aufenthaltsbeendigung nicht gravierend in ihre persönliche Lebenssituation eingreifen würde. Ein wenigstens emotionales Aufeinander-angewiesen-Sein ist in ihrem Verhältnis zum Antragsteller somit nicht zu erkennen. Was das Verhältnis des Antragstellers zu seinen Kindern angeht, hat die Mutter der Kinder zwar entgegen ihren ursprünglichen Angaben, sie habe die erneute Kontaktaufnahme des Antragstellers wegen der psychischen Probleme des älteren Kindes erwidert und den Antragsteller mit den Kindern in der JVA besucht, ihr sei aber über seinen Aufenthaltsort in den letzten Jahren nichts bekannt, am 21. September 2022 korrigiert. Sie gibt nunmehr an, dass ihre Töchter eine enge Bindung zu ihrem Vater hätten, dass er wichtig für ihre Töchter sei, dass sie ihn mehrfach in der JVA besucht hätten und dass die aktuelle Situation sehr belastend sei, vor allem für die ältere Tochter, die in letzter Zeit häufiger Panikattacken oder ähnliche Symptome erleide, und dies oft in zeitlichem Zusammenhang mit Informationen bezüglich des unsicheren Aufenthaltsstatus ihres Vaters. Unabhängig von der Glaubwürdigkeit dieser Angaben beschreibt die Ehefrau des Antragstellers aber keine besonders enge persönliche Bindung zu dessen Töchtern. Zwar finden persönliche Begegnungen im Rahmen der Besuchszeiten in der JVA statt, in deren Rahmen der Antragsteller sich mit seinen Kindern beschäftigt, wie die mit der Antragsschrift vorgelegten Bilder nahelegen. Des Weiteren mögen die Töchter dem Antragsteller emotional zugeneigt sein und sich seine Rückkehr in die Familie wünschen, wie von der Antragstellerseite vorgetragen wird. Nach den gegebenen Umständen liegt aber keine wechselseitige persönliche Bindung und Abhängigkeit von vergleichbarer Intensität wie in einer familiären Lebensgemeinschaft vor. Vielmehr wurde die persönliche Beziehung zu den Kindern des Antragstellers auch schon vor der erneuten Haft durch Telefonate und auf vergleichbaren Kommunikationswegen aufrechterhalten, welches auch im Falle einer Abschiebung des Antragstellers möglich bleibt. So besteht neben der Kommunikation auf elektronischem bzw. digitalem Weg die Möglichkeit von Besuchen der Familienangehörigen im Herkunftsland bzw. von Besuchen des Antragstellers nach einer eventuellen Fristverkürzung gemäß § 11 Abs. 4 AufenthG, welche der Antragsteller beantragen kann, bzw. in Einzelfällen mit einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG (vgl. dazu Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 35. Ed., Stand 1.10.2022, AufenthG § 11 Rn. 85; Katzer in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 11 Rn. 70). Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, inwieweit den Kindern des Antragstellers eine Rückkehr nach Georgien zugemutet werden kann, weil ihnen die Aufrechterhaltung der derzeit bestehenden persönlichen Beziehung auf anderem Wege ohne Wechsel des Aufenthaltsstaates möglich ist. Abgesehen davon ist aber eine derart starke Verwurzelung der Kinder im Bundesgebiet, dass es ihnen nicht zugemutet werden könnte, zur Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft mit dem Antragsteller nach Georgien auszureisen, trotz der offenbar guten schulischen und gesellschaftlichen Integration nicht erkennbar. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Eltern der Kinder georgische Staatsangehörige sind, die georgische Sprache beherrschen und mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in Georgien vertraut sind, sodass auch die Kinder sich dort innerhalb eines zumutbaren Zeitraumes einleben könnten. Des Weiteren ist zu erwarten, dass die Kinder die georgische Sprache - sollten sie diese trotz des Georgisch sprechenden familiären Umfeldes bisher nur defizitär beherrschen - in kurzer Zeit lernen werden. Der Verweis auf ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG geht insoweit fehl, da Gegenstand der vorliegenden Betrachtung bezüglich möglicher Duldungsgründe nicht die zielstaatsbezogenen Verhältnisse sind, welche die Kinder in Georgien vorfinden würden. Bei der Prüfung von Duldungsgründen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist vielmehr die Belastung, die mit einer Beendigung des Aufenthaltes im Bundesgebiet notwendigerweise einhergeht, als inlandsbezogener Gesichtspunkt der Gegenstand der rechtlichen Betrachtung. § 60 Abs. 5 AufenthG erfasst jedoch lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, über die das Bundesamt zu befinden hat (vgl. § 42 AsylG). Im Hinblick auf die gesundheitlichen Probleme der älteren Tochter ergeben sich keine Änderungen an dieser Bewertung, weil weder die aktuelle Ausprägung der Erkrankung, noch ihre Beeinflussung durch die Aufenthaltssituation des Vaters - wie von Antragstellerseite behauptet wird - durch ein qualifiziertes fachärztliches Attest im Sinne des § 60a Abs. 2c Satz 2, 3 AufenthG glaubhaft gemacht wurden. Des Weiteren ergibt sich keine andere Bewertung aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Antragstellers möglicherweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG erteilt werden könnte. Es mag nachvollziehbar sein, dass diese sich angesichts der damit einhergehenden rechtlichen Verfestigung ihres Aufenthaltsstatus umso mehr an das Bundesgebiet gebunden fühlt und umso weniger geneigt ist, mit ihren Kindern dem Antragsteller nach Georgien zu folgen. Dies ist aber Ausdruck ihrer autonom getroffenen persönlichen Entscheidung und steht einer freiwilligen Ausreise zur Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft mit dem Vater ihrer Kinder nicht entgegen.
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Des Weiteren hat das Interesse eines Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet umso eher zurückzustehen, je gewichtiger das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Ausländers im Bundesgebiet ist. Diesem Aspekt kommt umso größere Bedeutung zu, je mehr das öffentliche Interesse nicht allein auf einwanderungspolitische Erwägungen, sondern darüber hinaus auf das Sicherheitsinteresse des Staates zurückzuführen ist (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK). Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen der betreffende Ausländer im Bundesgebiet in erheblichem Umfang Straftaten begangen hat und gleichzeitig eine erhebliche Gefahr erneuter Straffälligkeit besteht (BayVGH, B.v. 19.7.2021 - 10 CE 21.1834 - juris Rn. 9; B.v. 11.11.2021 - 10 CE 21.2580 - juris Rn. 26 f.). Familiäre Belange setzen sich also nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung eines Ausländers durch (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 23). Es gibt keinen unbedingten Vorrang des Kindeswohls vor entgegenstehenden öffentlichen Interessen (vgl. zu Art. 8 EMRK u. Art. 24 Abs. 2 EU-GR-Charta: BVerwG, B.v. 21.1.2020 - 1 B 65.19 - juris Rn. 7). Ob die Abschiebung vor diesem Hintergrund zu einer unzumutbaren Familientrennung und damit einem unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG beziehungsweise Art. 8 Abs. 1 EMRK führen würde, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16; B.v. 11.11.2021 - 10 CE 21.2580 - juris Rn. 26 f.). Im vorliegenden Falle besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine erneute Straffälligkeit des Antragstellers. Er wurde seit November 2016 achtmal wegen verschiedener Delikte - neben Vermögensdelikten auch wegen Verkehrsdelikten - strafrechtlich verurteilt, wobei drei Haftstrafen mit einer Gesamtdauer von einem Jahr und 18 Monaten verhängt wurden, die entweder nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden oder deren Aussetzung zur Bewährung nachträglich wegen erneuter Straftaten widerrufen wurde. Die vorangegangenen, zum Teil hohen Geldstrafen sowie die erste Verurteilung zu einer Haftstrafe (auf Bewährung) haben den Antragsteller so wenig beeindruckt, dass sie ihn nicht davon abhalten konnten, wenige Monate später erneut einen Diebstahl zu begehen. Auch die erstmals nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von acht Monaten hat den Antragsteller nicht davon abgehalten, ein weiteres Diebstahlsdelikt zu begehen, welches mit der erneuten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nunmehr einem Jahr ohne Bewährung geahndet wurde. Weitere Delikte wurden nach § 154 Abs. 1 StPO nicht verfolgt, weil sie neben den abgeurteilten Delikten nicht ins Gewicht gefallen wären. Aus der Steigerung der verhängten Strafen ist auch die Einschätzung der Strafgerichte erkennbar, dass der Antragsteller notorisch gegen Strafgesetze verstößt. Alle diese Gesichtspunkte ergeben eine konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Antragsteller und damit ein erhebliches öffentliches Interesse an seiner (zwangsweisen) Aufenthaltsbeendigung. Dem gegenüber müssen die persönlichen Beziehungen des Antragstellers zu seinen in Deutschland lebenden Angehörigen, denen - wie dargelegt - eine vergleichsweise geringe Schutzwürdigkeit zukommt, im Ergebnis zurückstehen.
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b) Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung ergibt sich des Weiteren nicht aus den von der Antragstellerseite angesprochenen Art. 3, 9 KRK. Die Normen dieses Übereinkommens sind im deutschen Rechtsraum anzuwenden, da der Rechtsanwendungsbefehl mit dem vorgenannten Transformationsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG erteilt wurde. Gemäß Art. 3 Abs. 1 KRK ist bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Diese Norm ist aufgrund ihres self-executing-Charakters unmittelbar anwendbar (vgl. Schmahl, KRK, 2. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 4) und entfaltet damit, ohne dass weitere Umsetzungsmaßnahmen erforderlich wären, unmittelbare Bindungswirkung gegenüber den innerstaatlichen Behörden und Gerichten. Wie bereits aus dem Wortlaut „vorrangig … zu berücksichtigen“ folgt, schafft Art. 3 Abs. 1 KRK jedoch selbst keine konkreten Rechte oder Pflichten, es handelt sich vielmehr um eine Querschnittsklausel, welche auf die Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen Maßnahmen der Mitgliedstaaten zielt (Schmahl, KRK, 2. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 1). Dem Kindeswohl wird mit Art. 3 KRK eine herausragende Bedeutung für alle Entscheidungen über Maßnahmen zugesprochen, die Kinder betreffen, es ist jedoch nicht absolut zu setzen (Schmahl, KRK, 2. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 2). Vielmehr stellt das Kindeswohlprinzip im Rahmen des staatlichen Entscheidungsprozesses eine wesentliche Leitlinie dar (Schmahl, KRK, 2. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 4) und unterliegt somit der Abwägung mit anderen Belangen von vergleichbar hohem Gewicht. Ein absoluter Vorrang kommt dem Kindeswohl gegenüber anderen privaten oder öffentlichen Belangen somit nicht zu, vielmehr kann es durchaus hinter andere rechtlich geschützte Interessen - wie auch rechtliche Einwanderungsbeschränkungen - zurücktreten (Schmahl, KRK, 2. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 7, 8). Auch unter Berücksichtigung des hohen Gewichtes des Kindeswohls der Töchter des Antragstellers, zu welchem gemäß Art. 9 KRK der Umgang mit beiden Elternteilen gehört, überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Antragstellers, auch und vor allem weil bei ihm - wie ausgeführt - eine hohe Wahrscheinlichkeit für die erneute Begehung von Straftaten besteht. Der Eingriff in die Rechte der betroffenen Kinder ist insoweit auch nicht unangemessen, weil ihnen - wie ausgeführt - die Möglichkeit bleibt, wie auch schon in der Zeit vor der erneuten Inhaftierung ihres Vaters mit diesem auf elektronischen bzw. digitalen Kommunikationswegen zu verkehren und den persönlichen Kontakt durch wechselseitige Besuche aufrecht zu erhalten. Dasselbe Ergebnis ergibt die Einbeziehung der Regelung des Art. 9 Abs. 1 KRK. Danach stellen die Vertragsstaaten sicher, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, es sei denn, dass die zuständigen Behörden in einer gerichtlich nachprüfbaren Entscheidung nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften und Verfahren bestimmen, dass diese Trennung zum Wohl des Kindes notwendig ist. Die Trennung infolge einer Ausreisepflicht der Kinder oder eines Elternteiles fällt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 9 KRK, vielmehr gilt insoweit Art. 10 KRK (Schmahl, KRK, 2. Aufl. 2017, Art. 9 Rn. 1). Nach Art. 10 Abs. 2 KRK hat ein Kind, dessen Eltern ihren Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben, das Recht, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen. Zu diesem Zweck achten die Vertragsstaaten nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 KRK entsprechend ihrer Verpflichtung nach Art. 9 Abs. 1 KRK das Recht des Kindes und seiner Eltern, aus jedem Land einschließlich ihres eigenen auszureisen und in ihr eigenes Land einzureisen. Das somit auch völkerrechtlich geschützte Umgangsrecht der Kinder des Antragstellers kann - wie ausgeführt - für die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots einerseits durch Besuche der Mutter mit den Kindern im Herkunftsland, andererseits aber auch durch eine Verkürzung der Sperrfrist nach § 11 Abs. 4 AufenthG bzw. unter Umständen durch die Erteilung von Betretenserlaubnissen nach § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG (vgl. dazu Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 35. Ed., Stand 1.10.2022, AufenthG § 11 Rn. 85; Katzer in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed., Stand 15.10.2022, AufenthG § 11 Rn. 70) gewahrt werden, wobei Art. 10 Abs. 2 Satz 1 KRK zu beachten sein wird.
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c) Des Weiteren sind keine humanitären bzw. persönlichen Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG ersichtlich. Danach kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Bei den in § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG genannten Gründen kann es somit nur um solche gehen, die nur eine weitere vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern (BVerwG, U.v. 7.9.1999 - 1 C 6.99 - juris Rn. 18; SächsOVG, B.v. 10.1.2022 - 3 B 412/21 - juris Rn. 28 m.w.N.), wofür vorliegend nichts ersichtlich oder vorgetragen ist. Vielmehr zielt das Begehren des Antragstellers auf die Anerkennung von dauerhaften rechtlichen Duldungsgründen ab.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 8.3 des Streitwertkatalogs, Stand Juli 2013.