Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 13.04.2022 – RO 2 S 22.138
Titel:

Nachbarantrag gegen Wohnkomplex - Änderungsantrag der Baugenehmigungsbehörde im Eilverfahren

Normenketten:
BauNVO § 12 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 7
Leitsätze:
1. Das Änderungsverfahren des § 80 Abs. 7 VwGO ist kein Rechtsmittelverfahren zur Kontrolle der formellen und materiellen Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung, sondern es setzt voraus, dass sich der Antragsteller entweder auf veränderte Umstände oder auf im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände berufen kann. Eine Neubewertung von Fakten kann einer Änderung der Sach- und Rechtslage gleich stehen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nachbarn haben die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen; besondere örtliche Verhältnisse können aber auch zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann. Dabei ist der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundentscheidung Rechnung zu tragen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Angesichts des Störpotenzials von Garagen und Stellplätzen ist im Rahmen der Anordnung der Stellplätze in rückwärtigen Grundstücksbereichen in besonderer Weise auf nachbarliche Belange Rücksicht zu nehmen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Änderungsantrag, Neubewertung von Fakten, neues Sachverständigengutachten, Stellplätze, Parkplatzlärm, Gebot der Rücksichtnahme, Böschungssicherung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 01.07.2022 – 15 CS 22.1152
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34902

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14.1.2022 (Az. RO 2 S 21.2198) wird in Ziffer I. abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die mit Bescheid vom 8.10.2020 der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29.9.2021 und vom 9.12.2021 wird mit Ausnahme der Errichtung der Wände und Decken und der Hinterfüllung des Tiefgaragengeschosses angeordnet. Insoweit wird der Antrag der Antragstellerin abgelehnt.
II. Der Antrag der Beigeladenen, die Fertigstellung und Hinterfüllung der untersten Ebene des Bauvorhabens anzuordnen, wird abgelehnt.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner 2/5, die Beigeladene 3/5.
IV. Der Streitwert wird auf 10.000,-- € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Nachbarklage um die Vollziehbarkeit einer vom Antragsgegner der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für einen Wohnkomplex mit 20 Wohneinheiten.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 1393/20 der Gemarkung N* … Es hat eine Fläche von ca. 1.580 m², ist mit einem Wohnhaus bebaut und wird über eine im Süden vorbeiführende Straße erschlossen.
3
Nördlich angrenzend an das Grundstück der Antragstellerin befindet sich das Baugrundstück FlNr. 1394 der Gemarkung N* … Es hat eine Fläche von 1.854 m² und wird über eine im Norden dieses Grundstücks befindliche Straße erschlossen. Auf dem Grundstück befand sich bisher eine ehemalige Gaststätte (* …*), die zuletzt als Asylbewerberwohnheim genutzt wurde. Das Baugrundstück weist nach Aktenlage zwischen Nord- und Südgrenze einen deutlichen Höhenunterschied von mehr als 5 m auf (Hanglage in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin fallend). Das Grundstück der Antragstellerin liegt gegenüber dem Baugrundstück an seiner Südgrenze nochmals tiefer, an der Grundstücksgrenze befindet sich ein Geländesprung mit einer Stützmauer (Höhe in etwa 2 m).
4
Am 27.5.2020 beantragte die frühere Eigentümerin des Baugrundstücks die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Neubebauung des Grundstücks FlNr. 1394 der Gemarkung N* … Gegenstand der Planunterlagen vom 20.4.2020 ist eine Bebauung des Grundstücks mit einem Gebäudekomplex, der aus drei Gebäudeteilen besteht, die jeweils mit Firstrichtung in Nord-Süd-Richtung errichtet werden sollen und jeweils über eine Grundfläche von 17,27 m x 10,99 m verfügen. Die der Antragstellerin zugewandten Giebelseiten dieser Gebäudeteile haben jeweils eine Breite (ohne Dachüberstand) von ca. 11 m. Die drei Gebäudeteile sind im nördlichen Bereich, entlang der Erschließungsstraße im Norden, mit Zwischenbauten verbunden, die jeweils ca. 11 m lang sind. In jedem der Gebäudeteile mit Firstrichtung Nord-Süd waren unter Einbeziehung der Zwischenbauten in der ersten Genehmigungsplanung sechs Wohneinheiten vorgesehen, die sich über insgesamt drei Geschosse (Terrassen-, Erd- und Dachgeschoss) verteilen, demnach insgesamt 18 Wohneinheiten. Unterhalb des Terrassengeschosses befindet sich ein Garagengeschoss, das von Süden her (d.h. von Antragstellerseite her betrachtet) frei liegt. Im Garagengeschoss waren nach der Erstplanung insgesamt 27 Stellplätze vorgesehen. Die Zufahrt zu den Stellplätzen im Garagengeschoss erfolgt von der im Norden liegenden R* …straße über eine im Osten des Vorhabens nach Süden verlaufende Zufahrt mit einer Neigung von ca. 8° bzw. 9°, die Ein- und Ausfahrt des Garagengeschosses befindet sich im Süden des Gebäudes auf der der Antragstellerin zugewandten Seite. Direkt an der Grundstücksgrenze sind weitere 10 Stellplätze entlang der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin vorgesehen.
5
Mit Bescheid vom 8.10.2020 erteilte das Landratsamt Regensburg antragsgemäß die Baugenehmigung, die dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 12.10.2020 zugestellt wurde.
6
Am 4.11.2020 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten hiergegen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben, über die bislang nicht entschieden ist (Az. RO 2 K 20.2712).
7
Am 15.6.2021 wurden geänderte Planunterlagen als Tekturantrag eingereicht. Gegenstand dieses Tekturantrags war insbesondere die Errichtung einer Lärmschutzwand. Es ist vorgesehen, eine hochabsorbierende Lärmschutzwand aus Holz in einem Abstand von 0,65 m zur Grundstücksgrenze zur Antragstellerin hin zu errichten. Die Höhe der Lärmschutzwand beträgt ab Höhe des herzustellenden Geländes auf dem Baugrundstück (Parken/Rasengittersteine) 1,60 m. Nach der Detailzeichnung in den Plänen (Plan Garagengeschoss/Ergänzung Lärmschutzwand aus Holz vom 7.5.2021 - Bl. 21 der Tekturakte) ist direkt an der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin hin eine „bestehende Natursteinwand“ dargestellt. Die vorgesehene Lärmschutzwand überragt diese bestehende Natursteinwand ebenfalls um ca. 1,60 m.
8
Mit Änderungsbescheid vom 29.9.2021 erteilte das Landratsamt Regensburg der Beigeladenen die Nachtrags- (Tektur-) Genehmigung zum Bescheid vom 8.10.2020. Mit Schreiben vom 29.10.2021 wurde der Änderungsbescheid vom 29.9.2020 von der Antragstellerin in die Klage einbezogen.
9
Am 4.11.2021 ließ die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen, weil der Baubeginn unmittelbar bevorstünde.
10
Mit Schreiben vom 7.12.2021 teilte das Landratsamt mit, dass die Beigeladene als neue Bauherrin nunmehr eine weitere Tektur beantragt habe. Gegenstand des Tekturantrages sei die Erhöhung der Anzahl der Wohneinheiten von zunächst 18 Wohneinheiten auf nun 20 Wohneinheiten. Es sei im Bereich der Zwischenbauten zu Grundrissänderungen im Terrassen- und Erdgeschossbereich gekommen. Die auf Grund der gemeindlichen Stellplatzsatzung erforderlichen vier weiteren Stellplätze würden durch eine Grundrissänderung im Garagengeschoss (drei weitere Stellplätze) sowie östlich des streitgegenständlichen Bauvorhabens (ein weiterer Stellplatz) nachgewiesen. Im Hinblick auf die äußere Wirkung des Bauvorhabens und dessen Kubatur würden sich keinerlei Änderungen ergeben.
11
Mit Bescheid vom 9.12.2021 hat das Landratsamt die Tektur für die Errichtung zweier zusätzlicher Wohneinheiten baurechtlich genehmigt. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23.12.2021 hat die Antragstellerin ihre Klage erweitert und beantragt im Klageverfahren neben der Aufhebung der Bescheide vom 8.10.2020 und des Änderungsbescheides vom 29.9.2021 auch die Aufhebung des Bescheides vom 9.12.2021.
12
Die Beigeladene hat im Anschluss mit den Bauarbeiten zur Errichtung des Vorhabens begonnen.
13
Mit Beschluss vom 14.1.2022 (Az. RO 2 S 21.2198) hat die Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 8.10.2020 erteilte Baugenehmigung in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29.9.2021 und vom 9.12.2021 angeordnet. Das Bauvorhaben verletze nicht den Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin oder einen sog. „Gebietsprägungsanspruch“, soweit ein solcher überhaupt anzuerkennen sei. Bestimmungen zum Maß der baulichen Nutzung vermittelten grundsätzlichen keinen Drittschutz, nach summarischer Prüfung würden auch die Regelungen über die Einhaltung von Abstandsflächen nicht verletzt. Dies gelte zum einen für das geplante Wohngebäude für 20 Wohneinheiten, zum anderen für die mit Änderungsbescheid vom 29.9.2021 zum Gegenstand des Bauvorhabens gemachte Lärmschutzwand in einem Abstand von 0,65 m zur südlichen Grundstücksgrenze. Es spreche aber im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes einiges dafür, dass sich das streitgegenständliche Vorhaben gegenüber der Antragstellerin nach derzeitigem Kenntnisstand als rücksichtslos erweise. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ergebe sich zwar nicht aus einer „abriegelnden“ oder „erdrückenden“ Wirkung des Vorhabens bzw. der Lärmschutzwand gegenüber der Antragstellerin oder aus zusätzlichen Einsichtnahmemöglichkeiten auf das Grundstück der Antragstellerin. Rechtliche Bedenken bestünden allerdings im Hinblick darauf, ob der Antragstellerin die Anordnung von 10 Stellplätzen an ihrer nördlichen Grundstücksgrenze, die auf der der Antragstellerin zugewandten Seite vorgesehene Ein- bzw. Ausfahrt zur Tiefgarage und die aus den Plänen ersichtliche Zufahrtssituation über die im Osten des Vorhabens befindliche Zufahrt und entlang ihrer Grundstücksgrenze zu den Stellplätzen zumutbar ist, insbesondere die damit verbundenen Lärmimmissionen. Bei Annahme eines allgemeinen Wohngebiets seien die für die Wohnnutzung notwendigen Stellplätze und Garagen gemäß § 34 Abs. 2 BauGB, § 12 Abs. 2 BauNVO zwar grundsätzlich zulässig. Besondere örtliche Verhältnisse könnten aber dennoch zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden könnten. Dabei seien die Zufahrt, die Stellplätze und/oder Garagen im Hinblick auf ihre Lage und Nähe zu den Nachbargrundstücken, die Art und die Empfindlichkeit der dort stattfindenden Nutzungen, etwaige Vorbelastungen sowie der Umfang der zu erwartenden Belästigungen von Bedeutung. Im konkreten Fall seien besondere Verhältnisse gegeben, die dazu führten, dass durch das Vorhaben ausgelöste unzumutbare Lärmbelästigungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Zu berücksichtigen sei die Anzahl der Stellplätze; je mehr Stellplätze realisiert werden sollen, umso mehr sei im Rahmen des Rücksichtnahmegebots darauf zu achten, ob in der konkreten Situation die damit verbundenen Immissionen für die davon betroffenen Nachbarn noch zumutbar sind und auf welche Weise diese ggf. minimiert werden können. Es sei zu berücksichtigen, dass 10 Stellplätze direkt an der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin angeordnet werden sollen und diese den rückwärtigen Ruhebereich des Grundstücks der Antragstellerin in besonderem Maße betreffen würden. Auch die Tiefgaragenein- und -ausfahrt liege an der Südseite des Gebäudes. Zudem weise die von der R* …straße abzweigende Zufahrtsstraße auf dem Baugrundstück zu den Stellplätzen bis zur Ein- bzw. Ausfahrt der Tiefgarage Richtung Osten ein Gefälle von 8% bzw. 9% auf und durch die beengten Verhältnisse im Bereich der Stellplätze und der Zufahrt zum Vorhaben sei wohl in verstärktem Maße mit Rangiervorgängen zu rechnen. Die Zufahrt sei nach den Plänen überwiegend nur 3 m oder weniger breit, ein Begegnungsverkehr auf dem Baugrundstück sei weitgehend nicht möglich ist. Ausweichmöglichkeiten seien aus den Plänen nicht ersichtlich. Die Fahrbahn entlang der Stellplätze im Süden des Vorhabens sei nach den Plänen nur ca. 3,3 m breit, ein Begegnungsverkehr hier ebenfalls nicht möglich, Ausweichmöglichkeiten ergäben sich auch hier nicht. Problematisch erscheine, dass eine Wendemöglichkeit am Ende der Zufahrt zu den Stellplätzen entlang der südlichen Grundstücksgrenze im Westen nicht vorgesehen ist; es stelle sich die Frage, wie die Fahrzeuge, die die parallel zur Fahrbahn angeordneten Stellplätze entlang der südlichen Grundstücksgrenze anfahren bzw. nutzen, dann wieder ausfahren können. Überhaupt erscheine vor allem die Nutzung der westlichen Parkplätze an der südlichen Grundstücksgrenze nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Die geplante Länge der Parkplätze von nur 5 m erscheine bei der hier vorliegenden Anordnung der Stellplätze parallel zur Zufahrtstraße knapp bemessen zu sein, was beim Einparken parallel zur Straße aufwändige Rangiervorgänge auslösen könne. Aufgrund der engen Platzverhältnisse, der fehlenden Wendemöglichkeiten und mangels Ausweich- und Wendemöglichkeiten im Falle von Begegnungsverkehr sei zu erwarten, dass zumindest umständliche Rangiervorgänge in größerem Umfang stattfinden, was zu zusätzlichen Lärmbelästigungen führe. Vor diesem Hintergrund könne nicht abschließend beurteilt werden, ob die gemäß Änderungsbescheid vom 29.9.2021 vorgesehene Lärmschutzwand ausreiche, um unzumutbare Lärmbelästigungen für die Antragstellerin zu vermeiden. Eine Beurteilung oder eine nähere Stellungnahme zu den zu erwartenden Immissionen in Anbetracht der geschilderten Anfahrt- und Parksituation südlich des Bauvorhabens sei den Stellungnahmen des Umweltschutzingenieurs nicht zu entnehmen. Daher könne mangels ausreichender Ermittlung und Beurteilung der bei der Antragstellerin zu erwartenden Lärmimmissionen nach Aktenlage und der besonderen örtlichen Verhältnisse nicht abschließend beurteilt werden, ob bei der Planung ausreichend auf die schutzwürdigen Belange der Antragstellerin Rücksicht genommen wurde. Es sei deshalb sachgerecht, bis zur Klärung der angesprochenen Fragen im Hauptsacheverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur hinsichtlich eines Teils der Baugenehmigung, insbesondere nur hinsichtlich der an der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin angeordneten Stellplätze, sei nicht angezeigt.
14
Am 24.1.2022 hat das Landratsamt für den Antragsgegner Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des Beschlusses gestellt. Es wurde auf eine fachliche Stellungnahme des zuständigen Umweltschutzingenieurs vom 20.1.2022 Bezug genommen, die unter Berücksichtigung der maßgeblichen geometrischen Daten (Quellhöhe über dem Boden, Abstände der Quelle zur Wand, effektive Wandhöhe, Abstand zum Nachbarwohnhaus, Höhe der Fensteroberkanten an Nachbarwohnhaus) zu dem Ergebnis gelange, mit der genehmigten Lärmschutzwand mit einer Höhe von 1.60 m werde in Bezug auf die Antragstellerin dem Gebot der Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen. Aufgrund der Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs sei die Forderung einer qualifizierten schalltechnischen Untersuchung nicht sachgerecht. Bereits anhand einer überschlägigen Berechnung könnten unzumutbare Lärmbelästigungen bei der Antragstellerin ausgeschlossen werden. Es wurden weitere immissionsschutzfachliche Stellungnahmen des Umweltschutzingenieurs vom 22.2.2022 und vom 31.3.2022 vorgelegt. Es wurde darin nochmal darauf hingewiesen, dass auch unter Berücksichtigung der „besonderen örtlichen Verhältnisse“ die Forderung nach einer qualifizierten schalltechnischen Untersuchung ins Leere laufe. Es sei zu beachten, dass die private Wohnnutzung nicht unter den Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BImSchG falle. Folglich könnten auch die Werte der TA-Lärm nicht herangezogen werden. Eine schalltechnische Untersuchung könne nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn es eindeutige und klare Vorgaben gäbe, welche Werte im streitgegenständlichen Einzelfall zu beachten seien. Das Bauvorhaben falle auch nicht in den Anwendungsbereich anderer denkbarer Verordnungen. Dass das Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf die Antragstellerin gewahrt sei, gehe eindeutig aus den immissionsschutzfachlichen Stellungnahmen hervor. Hingewiesen wurde darauf, dass das Grundstück der Antragstellerin im Immissionsbereich der Eisenbahnlinie … - … liege und die entsprechenden Pegel durch die streitgegenständliche Parkplatzsituation nicht überschritten würden. Die Stellplatzsituation werde zu drei Viertel von Stellplätzen innerhalb der Tiefgarage geprägt. Diese hätten den Vorteil, dass die lärmintensiven Geräuschbelästigungen abgeschirmt würden.
15
Das Landratsamt beantragt für den Antragsgegner, den Beschluss vom 14.1.2022 insoweit abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin vom 4.11.2021, konkretisiert durch Antrag vom 29.12.2021, auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt wird.
16
Die Antragstellerin beantragt,
den Antrag des Antragsgegners nach § 80 Abs. 7 VwGO vom 24.1.2022 auf Abänderung des Beschlusses vom 14.1.2002 abzuweisen.
17
Die Antragstellerin lässt ausführen, angesichts der im Beschluss vom 14.1.2022 festgestellten besonderen örtlichen Verhältnisse reiche eine bloß überschlägige Berechnung nicht aus. Vielmehr bedürfe es angesichts der besonderen örtlichen Verhältnisse von vornherein einer qualifizierten schalltechnischen Untersuchung. Die vorgelegte überschlägige Berechnung berücksichtige darüber hinaus nicht die im Beschluss festgestellten Besonderheiten. Eine abschließende Beurteilung, ob bei der Planung ausreichend auf die schutzwürdigen Belange der Antragstellerin Rücksicht genommen wurde, sei nach wie vor nicht möglich. Darüber hinaus sei das Vorhaben - ungeachtet der tatsächlichen Immissionswerte - schon deswegen grob rücksichtslos, weil der gesamte Ziel- und Quellverkehr für das Bauvorhaben in den inneren Ruhebereich des Quartiers hineingetragen werde und die Zufahrt straße zusammen mit der parallel zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin verlaufenden Straße diese Ruhezone durchschneide und faktisch eine dritte Erschließungsstraße bilde, die zwischen der G* …straße und der R* …straße liege; und dies immerhin für 41 Stellplätze. Mit Schreiben vom 30.3.2022 wird ausgeführt, nach eingeholter fachlicher Beratung seien die Ansätze, die der Umweltschutzingenieur bei seiner überschlägigen Betrachtung zugrunde lege, fehlerhaft bzw. zu niedrig gegriffen, zum anderen würden typische PKW-Geräusche völlig ausgeblendet. Die Schallleistungspegel für Fahrten und Türenschließen lägen höher, der Schalleistungspegel für Heckklappenschließen sei überhaupt nicht in Ansatz gebracht worden. Die angenommene Abschirmungswirkung der Lärmschutzwand könne nicht nachvollzogen bzw. verifiziert werden. Die Annahme des Umweltschutzingenieurs, dass gemittelte Beurteilungspegel vorliegend keine Rolle spielten, sei nicht begründet und widerspreche der üblichen Praxis. Die Anzahl der angenommenen Fahrbewegungen sei nicht näher erläutert worden. Richtigerweise müsse die Parkplatzlärmstudie zugrunde gelegt werden. Die Belastung durch die Eisenbahnstrecke sei entscheidungsunerheblich. Eine Verlegung der Zufahrt oder der störenden Stellplätze sei überhaupt nicht geprüft worden.
18
Die Beigeladene beantragt,
den Beschluss vom 14.1.2022 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin vom 4.11.201, konkretisiert durch den Antrag vom 29.12.2021, auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
19
Die Beigeladene bezieht sich ebenfalls auf die fachliche Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs des Landratsamtes, in der festgestellt werde, dass die zulässigen WA-Maximalpegel nach TA-Lärm von 85 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts deutlich unterschritten würden. Aus fachlicher Sicht bestünden mit der vorgesehenen Lärmschutzwand entlang der Grundstücksgrenze im Ergebnis keine Bedenken. Die Planung erfülle die Anforderungen der Garagen- und Stellplatzverordnung. Die höchsten Schallleistungspegel lägen nach den Ausführungen des Umweltschutzingenieurs bei Startvorgängen und Türenschließen. Bezüglich der Verkehrsfläche im Freien sei eine Fahrgassenbreite für Gegenverkehr nicht erforderlich. Die Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage weise eine Breite von 5,5 m auf, nur das Tor habe eine tatsächliche Breite von 4 m. Die umständlichen Rangiervorgänge bezüglich des südwestlichsten Stellplatzes würden aufgenommen und eine anderweitige Anordnung geprüft. Östlich des Gebäudes seien sogar noch weitere Stellplätze möglich.
20
Mit Schriftsatz vom 8.4.2022 beantragt die Beigeladene darüber hinaus,
anzuordnen, dass die unterste Ebene des Bauvorhabens fertiggestellt und hinterfüllt wird.
21
Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des baubegleitenden Baugrundinstituts und den erfolgten Baubeginn wird vorgebracht, dass aufgrund der Böschungssituation mit einer Böschungshöhe von 7 m die Arbeiten unbedingt soweit fortgesetzt werden sollten, dass mindestens die untere Ebene mit Wänden und Decken fertiggestellt und hinterfüllt wird, um den Erddruck aus dem Hang sicher ableiten zu können und so die Sicherheit gegen einen Böschungsbruch zu erhöhen.
22
Einen konkreten Antrag hinsichtlich des Antrags der Beigeladenen vom 8.4.2002 stellte das Landratsamt nicht. Im Hinblick auf den Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO beantragt das Landratsamt für den Antragsgegner nunmehr hilfsweise, den Beschluss vom 14.1.2022 zumindest insoweit abzuändern, dass die Fertigstellung des Tiefgaragengeschosses von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgeschlossen ist.
23
Das Landratsamt führt dazu aus, die fachliche Einschätzung, dass die Böschung schnellstmöglich gesichert werden müsse und die einfachste, wirtschaftlichste und schnellste Lösung, um die Böschungssituation zu entschärfen, die Fertigstellung des Tiefgaragengeschosses sei, sei nachvollziehbar. Darüber hinaus werde unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit dem Bevollmächtigten der Beigeladenen mitgeteilt, dass die Beigeladene derzeit überlege, ob anstatt der im Rahmen der zweiten Tekturgenehmigung genehmigten 20 Wohneinheiten nunmehr nur noch 18 Wohneinheiten ausgeführt werden, wodurch 4 Stellplätze weniger nachgewiesen werden müssten. Dabei würde jedoch die Aufteilung des Tiefgaragengeschosses der zweiten Tekturgenehmigung zur Ausführung kommen, so dass die dem Grundstück der Antragstellerin nächstgelegenen oberirdischen Stellplätze an der Grenze entfallen könnten. Es wurde weiter eine E-Mail des von der Beigeladenen beauftragten Baugrundinstituts vom 12.4.2022 vorgelegt, wonach eine Sicherung der Böschung mit einer Spritzbetonschale und Anker oder Bohrnägel im konkreten Fall zum einen sehr zeitaufwändig und unwirtschaftlich sei, zum anderen wären Arbeiten im gefährdeten Böschungsbereich erforderlich und es würden zusätzlich durch das erforderliche Verdichten von Aufschüttungen dynamische Kräfte in die Böschung eingebracht, die die Standsicherheit weiter gefährdeten.
24
Die Antragstellerin beantragt,
den Antrag der Beigeladenen vom 8.4.2022 abzuweisen.
25
Der Antrag sei wegen Unbestimmtheit als unzulässig abzuweisen. Der Antrag nach § 123 VwGO sei auch unbegründet. Es stelle die Dinge auf den Kopf, wenn die Beigeladene in Kenntnis der Klage auf eigene Gefahr mit dem Bauvorhaben beginne, noch dazu ohne Baubeginnsanzeige und am Landratsamt vorbei, und nunmehr wegen Grundbruchgefahr verlange, die unterste Ebene des Bauvorhabens fertig zu stellen und zu hinterfüllen. Gemäß BG Bau C469 habe der Bauherr die Sicherheit der Böschung nachzuweisen. Es sei davon auszugehen, dass sich die Beigeladene vorschriftsmäßig verhalten habe. Die behauptete Grundbruchgefahr sei deshalb nur vorgeschoben. Ansonsten gäbe es alternative Hangsicherungsmaßnahmen. Es seien in derartigen Fällen Spritzbetonwände bzw. eine Spritzbetonvorsatzschale mit Rückverankerung möglich und üblich. Der Fertigstellung und Hinterfüllung der untersten Ebene bedürfe es keinesfalls. Die skizzierten übrigen Überlegungen der Beigeladenen seien ungesicherte Zukunftsmusik.
26
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und des Sachverhalts wird auf die Gründe Ziffer I. des Beschlusses vom 14.1.2022, auf die beigezogenen Behördenakten und auf die Gerichtsakten in den genannten Klage- und Eilverfahren Bezug genommen.
II.
27
1. Der Antrag des Antragsgegners nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO hat teilweise Erfolg.
28
a) Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zulässig.
29
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO können die Beteiligten die Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Der vorliegende Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO des Antragsgegners als Beteiligter im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zielt auf eine Abänderung der Entscheidung im Beschluss vom 14.1.2022 ab.
30
Das Änderungsverfahren des § 80 Abs. 7 VwGO ist allerdings kein Rechtsmittelverfahren zur Kontrolle der formellen und materiellen Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 - 6 VR 1.19 - juris Rn. 5), sondern es setzt voraus, dass sich der Antragsteller entweder auf veränderte Umstände oder auf im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände berufen kann (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2022 - 1 NE 21.2651 - juris Rn. 5; B.v. 19.7.2012 - 2 NE 12.1520 - juris Rn. 3). Als Änderung der Umstände ist dabei jede Änderung der Gesichtspunkte zu sehen, die für die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblich waren. Der Antragsgegner macht insoweit geltend, die Stellungnahmen des Umweltschutzingenieurs stellten in diesem Sinne veränderte Umstände dar. Dies erscheint nicht ganz selbstverständlich, denn es handelt sich der Sache um eine nähere Begründung der eigentlich schon im Verwaltungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs. Eine ergänzende bzw. nähere Begründung hätte zudem auch bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgelegt werden können. Andererseits hat wohl aus Sicht des Landratsamtes erst der gerichtliche Beschluss Anlass gegeben, eine eingehendere Stellungnahme zum erwartenden Fahr- und Parkplatzlärm vorzulegen. Dort hat das Gericht die Entscheidung u.a. darauf gestützt, dass eine Beurteilung oder nähere Stellungnahme zu den Immissionen in Anbetracht der geschilderten Anfahrt- und Parksituation südlich des Bauvorhabens der Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs nicht zu entnehmen sei (Beschluss S. 21 oben). Eine solche - aus Sicht des Landratsamts ausreichende - Stellungnahme hat das Landratsamt nun im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO vorgelegt. In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Neubewertung von Fakten einer Änderung der Sach- und Rechtslage gleich stehen kann (vgl. z.B. Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, Rn. 134 zu § 80 VwGO, Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung, Rn. 585 zu § 80 VwGO m.w.N.). So kommen als veränderte Umstände nach der Rechtsprechung grundsätzlich z.B. auch ein neues Sachverständigengutachten in Betracht, das dem Gericht neue Erkenntnismöglichkeiten zur Sachlage verschafft (vgl. OVG Münster, B.v. 19.12.2002 - 10 B 435/02 - juris Rn. 5 - Erläuterungen des TÜV zu einem im Genehmigungsverfahren erstellten Gutachten), oder eine Stellungnahme der Regierung, die neue, für die Beurteilung der Immissionsbelastung erhebliche Erkenntnisse enthält (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2007 - 1 CS 07.801 - juris Rn. 43). Dem folgend kann die nunmehr vorgelegte schalltechnische Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs noch als neuer Umstand im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO angesehen werden.
31
Eine Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, die voraussetzt, dass zumindest die Möglichkeit einer abändernden, günstigeren Entscheidung besteht (Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 133), ist gegeben.
32
b) Der Antrag des Antragsgegners nach § 80 Abs. 7 VwGO ist teilweise begründet.
33
Im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO hat das Gericht ebenso wie im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob das Interesse der Beigeladenen am sofortigen Gebrauch der Baugenehmigung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung überwiegt, wobei maßgeblich auch auf die Erfolgsaussichten im Klageverfahren abzustellen ist.
34
Im Beschluss vom 14.1.2022 hat die Kammer die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage maßgeblich darauf gestützt, dass rechtliche Bedenken im Hinblick darauf bestehen, ob der Antragstellerin die Anordnung von 10 Stellplätzen an ihrer nördlichen Grundstücksgrenze, die auf der der Antragstellerin zugewandten Seite vorgesehene Ein- bzw. Ausfahrt zur Tiefgarage und die aus den Plänen ersichtliche Zufahrtssituation über die im Osten des Vorhabens befindliche Zufahrt und entlang ihrer Grundstücksgrenze zu den Stellplätzen zumutbar ist, insbesondere die damit verbundenen Lärmimmissionen. Auf die oben wiedergegebenen Darlegungen des Beschlusses wird Bezug genommen.
35
Der Antrag des Antragsgegners auf Abänderung des Beschlusses vom 14.1.2022 wird nun auf die Vorlage einer fachlichen Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs des Landratsamtes vom 20.1.2022, ergänzt mit Stellungnahmen vom 22.2.2022 und vom 31.3.2022 gestützt. In diesen wird im Wesentlichen ausgeführt, durch die Lärmschutzwand würden die Fahr- und Stellplatzgeräusche gegenüber den Immissionsorten bei der Antragstellerin (Fenster-Oberkante EG und DG am Wohnhaus der Antragstellerin) nahezu vollständig abgeschirmt. Alle wohnanlagenbezogenen Vorgänge (Zufahrt mit Gefälle/Steigung von 8%, Fahrvorgänge in die Tiefgarage sowie der Fahrvorgänge und Startvorgänge auf den Seitenstellplätzen im Freien) würden nahezu vollständig durch die Lärmschutzwand abgeschirmt. Es spiele keine Rolle, ob die Stellplätze in Freien einfach angefahren werden können oder ob ggf. vor- und zurückgesetzt werden müsse. Im Rahmen einer überschlägigen Betrachtung nach der TA-Lärm würden die zulässigen Maximalpegel für ein allgemeines Wohngebiet von tags 85 dB(A) und nachts 60 dB(A) deutlich unterschritten. Die kurzeitigen Spitzenpegel lägen in einem Bereich zwischen 50 bis 54 dB(A) im Garten und EG und von 54 bis 58 dB(A) im OG. Der Beurteilungspegel, der die zeitliche Bewertung und Mittelung der Vorgänge berücksichtige (Tageszeit 16 h und Nachtzeit 1 ganze Stunde), spiele bei der Betrachtung keine Rolle. Aufgrund der geringen Anzahl der zu erwartenden Fahrbewegungen, der Abschirmwirkung durch die Lärmschutzwand sowie der Abstände sei nur mit einem irrelevanten Beurteilungspegel zu rechnen. Mit der Lärmschutzwand entlang der Grundstücksgrenze werde dem Gebot der Rücksichtnahme Rechnung getragen.
36
Es bestehen nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung der immissionsschutzfachlichen Stellungnahmen des Umweltschutzingenieurs des Landratsamts weiterhin rechtliche Bedenken, ob die verkehrliche Gesamtsituation im Süden des Baugrundstücks an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin, die den dortigen rückwärtigen Ruhebereich des Grundstücks betrifft, das Gebot der Rücksichtnahme wahrt.
37
Wie bereits im Beschluss vom 14.1.2022 angesprochen ist zusammengefasst von Folgendem auszugehen:
38
Nachbarn haben die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen; besondere örtliche Verhältnisse können aber auch zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann. Dabei ist der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundentscheidung Rechnung zu tragen. Dies entbindet das Tatsachengericht jedoch nicht von der Prüfung, ob im Einzelfall unzumutbare Beeinträchtigungen zu erwarten sind. So kann z.B. bereits der durch sieben offene Parkplätze in einem straßenfernen, durch Gärten gebildeten Ruhebereich im allgemeinen Wohngebiet verursachte Lärm wegen der zu den Parkflächen hin ausgerichteten Fenster der Wohnräume das Wohnen erheblich stören und nach § 15 BauNVO unzulässig sein (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2022 - 2 ZB 20.548 - juris Rn. 6 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 29.1.1992 - 2 CS 91.3488 - BeckRS 1992, 10693). Dabei kommt der Zufahrt eine besondere Bedeutung zu, weil - jedenfalls bei Wohnbebauung - der Zu- und Abgangsverkehr die Nachbarschaft regelmäßig am stärksten belastet. Demgemäß begegnen Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern oft rechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 - 4 B 59/02 - juris Rd.Nrn. 6, 7). Umgekehrt ist vom Grundsatz auszugehen, dass die Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen, wenn die Stellplätze oder Garagen wie üblich straßennah untergebracht werden (vgl. z.B. VG Köln, U.v. 8.12.2020 - 2 K 864/19 - juris Rn. 35). Die besonderen Umstände des Einzelfalls können es erforderlich machen, die Beeinträchtigung der Nachbarschaft auf das ihr entsprechend der Eigenart des Gebiets zumutbare Maß zu mindern. Hierfür kommen beispielsweise die bauliche Gestaltung der Stellplätze und ihrer Zufahrt, eine Anordnung, die eine Massierung vermeidet, der Verzicht auf Stellplätze zugunsten einer Tiefgarage oder Lärmschutzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze in Betracht. (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003, a.a.O.). Mit anderen Worten kann aus § 12 Abs. 2 BauNVO nicht abgeleitet werden, dass die grundsätzliche Zulässigkeit der erforderlichen Stellplätze in einem Wohngebiet es dem jeweiligen Bauherrn stets ermöglicht, diese Stellplätze auf die für ihn kostengünstigste Art und Weise ohne jeglichen Lärmschutz zugunsten der hiervon betroffenen Nachbarschaft zu errichten.
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Für die Beurteilung der Frage, ob der durch Stellplätze verursachte Lärm infolge Fahr- und Parkverkehr einem betroffenen Nachbar zumutbar ist, sind neben den örtlichen Gegebenheiten wie topographische Verhältnisse, Anordnung bzw. Lage der Stellplätze und der Zufahrt, Schutzbedürftigkeit der betroffenen Bereiche etc. auch objektivierbare Anhaltspunkte für die Beurteilung von Parklärm zu berücksichtigen. Unmittelbar geltende Regelwerke für die Beurteilung des nicht gewerblich verursachten Lärms existieren nicht, worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist. Insbesondere die TA-Lärm bietet hierfür aber wohl zumindest eine taugliche Orientierungshilfe. Diese ist allerdings nicht schematisch anzuwenden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 27.6.2002, 1 A 11669/99 - juris Rn. 34 ff., 43; VG Ansbach, B.v. 14.1.2022 - AN 3 S 21.02157 - juris Rn. 75 ff.). Vielmehr bedarf es einer weitergehenden Bewertung der Umstände des Einzelfalls. Angesichts des Störpotenzials von Garagen und Stellplätzen ist im Rahmen der Anordnung der Stellplätze in rückwärtige Grundstücksbereiche in besondere Weise auf nachbarliche Belange Rücksicht zu nehmen (vgl. z.B. VG Köln, U.v. 8.12.2020 - 2 K 864/19 - juris Rn. 37, 45 ff. m.w.N. - Unzumutbarkeit einer Tiefgaragenzufahrt, die nach einer Schallimmissionsprognose die für das Gebiet nach TA Lärm anzusetzenden Richtwerte knapp einhält). Die Richtwerte der TA-Lärm sind demnach keine zwingenden Grenzen, sondern können nur als Anhaltspunkt dafür dienen, was sich im Einzelfall als zumutbar darstellen könnte (vgl. z.B. OVG Greifswald, B.v. 16.3.2021 - 3 M 108/20 OVG - juris Rn. 19).
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Dies zugrunde legend ergibt sich nicht, dass bereits aufgrund der überschlägigen Bewertung in den immissionsschutzfachlichen Stellungnahmen des Umweltschutzingenieurs, dass die Vorgaben der TA-Lärm eingehalten werden, davon auszugehen wäre, dass vorliegend das Gebot der Rücksichtnahme gewahrt ist.
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aa) Soweit der Umweltschutzingenieur im Hinblick auf die mit Parkplatzlärm verbundenen kurzzeitigen Geräuschspitzen bzw. auf die Einhaltung der Maximalpegel ausführt, diese würden nach einer überschlägigen Betrachtung aufgrund der Abschirmwirkung der Lärmschutzwand und der geometrischen Entfernungsabnahme sicher eingehalten, erscheint dies auch dem Gericht aufgrund der Abstände zum Wohnhaus und der vorgesehenen Lärmschutzwand zunächst plausibel.
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Allerdings kann im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden, ob der Umweltschutzingenieur tatsächlich durchwegs von zutreffenden Annahmen ausgegangen ist. So bleibt z.B. im Rahmen der summarischen Prüfung offen, inwieweit berücksichtigt wurde, dass die vorgesehene Zufahrt entlang der südlichen Grundstücksgrenze bereits ab der Tiefgarage Richtung Osten auf einer Länge von ca. 25 m eine Steigung von 8 Prozent aufweist. Insofern ist unklar, ob die vorgesehene Lärmschutzwand dem Höhenverlauf der Zufahrt folgt. Für die vorgesehene Zufahrts straße ergibt sich aufgrund der in den Plänen angegebenen Steigung (bzw. Gefälle) von 8 Prozent auf einer Länge von 25 m ab Tiefgarageneinfahrt Richtung Osten rechnerisch ein Höhenunterschied von 2 m, um den die Straße bereits entlang der südlichen Grundstücksgrenze ansteigt. Die Lärmschutzwand ist im Plan „Grundriss Garagengeschoss -2 / Schnitt C-C, M 1:100“ vom 13.10.2021 dargestellt. Dort ergibt sich aus den dargestellten Geländehöhen an der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin, dass das Gelände an der südlichen Grundstücksgrenze im angesprochenen Bereich ab Höhe Tiefgarage Richtung Osten von 428,15 m auf 428,90 m ansteigt, damit nur um 0,75 m. In einem Abstand von nur 65 cm zur Grundstücksgrenze ist die Lärmschutzwand vorgesehen. Die Höhenlage der Lärmschutzwand gegenüber der Straße ist in diesem Bereich nach summarischer Prüfung zumindest unklar bzw. nicht eindeutig erkennbar. Dass die Lärmschutzwand mit der Straße ansteigt, ergibt sich aus den Plänen nicht eindeutig und würde bedeuten, dass die Lärmschutzwand vom nordöstlichen Bereich des Grundstücks der Antragstellerin aus betrachtet deutlich (etwa 1,25 m) höher wäre als im Beschluss vom 14.1.2022 im Rahmen der Diskussion der Abstandsflächenproblematik der Lärmschutzwand angenommen. Geht man aber davon aus, dass die Lärmschutzwand in etwa dem Geländeverlauf an der Grundstücksgrenze folgt und die angegebene Höhe von 1,6 m ab Gelände an der Grundstücksgrenze zutrifft, würde angesichts des Höhengewinns der Straße infolge der Steigung von ca. 2 m die Lärmschutzwand den Lärm der dortigen Parkplätze und des Zufahrtsverkehrs auf der ansteigenden Zufahrt nicht so abschirmen, wie vom Umweltschutzingenieur wohl angenommen. Die Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs geht davon aus, dass die Lärmschutzwand die Pkw - Fahr- und Stelllatzgeräusche nahezu vollständig gegenüber den Immissionsorten am Grundstück der Antragstellerin abschirmt (vgl. Stellungnahme vom 20.1.2022).
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Hinzu kommt, dass von Seiten der Antragstellerin die Ansätze bzw. Einschätzungen des Umweltschutzingenieurs substantiiert in Frage gestellt wurden und nur auf einer überschlägigen Betrachtung und nicht auf einer Begutachtung mit rechnerischen Nachweis beruhen. Es würde den Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sprengen, die strittigen Fragen ausreichend zu klären.
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bb) Der Umweltschutzingenieur hat zudem keine nähere Beurteilung der gemittelten Beurteilungspegel vorgenommen und geht davon aus, dass diese bei der Betrachtung keine Rolle spielen würden. Es sei infolge der geringen Anzahl der Fahrbewegungen nur mit irrelevanten Beurteilungspegeln zu rechnen. Auch dies wird von Antragstellerseite gerügt und darauf verwiesen, dies sei nicht weiter begründet und widerspreche der üblichen Praxis. Es bedürfe einer fachgerechten, dem Stand der Lärmschutztechnik entsprechender EDVgestützter Prognoseberechnungen. Aufgrund der mehrfach thematisierten örtlichen Verhältnisse und der Gesamtzahl der genehmigten Stellplätze erscheint auch dem Gericht eine Überschreitung der Beurteilungspegel, zumindest in der lautesten Nachstunde (vgl. Nr. 6.4 der TA-Lärm), nicht von vornherein ausgeschlossen. Ein Lärmgutachten lag im Übrigen auch einer Vielzahl der genannten einschlägigen gerichtlichen Entscheidungen zugrunde bzw. wurde in diesen Verfahren nach den Sachverhaltsangaben durch die Behörde bzw. das Gericht eingeholt. Ein Lärmgutachten mit einer fundierten Prognose, beruhend auf entsprechenden Berechnungen unter Zugrundelegung eines Geländemodells, welche Lärmauswirkungen im Hinblick auf den Zufahrt- und Parklärm durch das Vorhaben bei der Antragstellerin konkret zu erwarten sind, liegt hier nicht vor.
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cc) Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die TA-Lärm im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar ist, worauf auch der Antragsgegner hinweist. Die TA-Lärm kann für die Beurteilung der Zumutbarkeit daher nicht schematisch angewendet werden. Die prognostizierte Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA-Lärm führt nicht automatisch zur Annahme, das Vorhaben in seiner konkreten Ausgestaltung sei der Antragstellerin zumutbar.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1.04 - NVwZ 2005, 328; BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn. 16; B.v. 3.6.2016 - 1 CS 16.747 - juris Rn. 4).
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Grundsätzlich sind die betroffenen schutzwürdigen Belange der Nachbarschaft bereits im Rahmen der Planung zu berücksichtigen. Aufgrund der Hanglage des Baugrundstücks und der Höhenunterschiede dürfte hier zwar die Zufahrt zur Tiefgarage von Norden oder Osten kaum möglich sein; es erscheint aber jedenfalls nicht zwingend, die 10 oberirdisch vorgesehenen Stellplätze wie auch die Zufahrt zur Tiefgarage an der Südgrenze des Baugrundstücks anzuordnen. Denkbar wäre es wohl auch gewesen, die Stellplätze an der Nordseite des Vorhabens an der dortigen öffentlichen Straße zu situieren. Mutet man der Antragstellerin dennoch zu, die Stellplätze an der Südseite des Baugrundstücks bei der Antragstellerin hinzunehmen, erscheint es aber geboten, von Beigeladenseite darauf zu achten, die damit verbundenen Belästigungen soweit wie möglich zu reduzieren.
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Das Gericht hat im Beschluss vom 14.1.2022 - wie bereits mehrfach angesprochen - vor allem maßgeblich darauf abgestellt, dass infolge der beengten Verhältnisse zwischen dem Wohnbaukomplex und der Grundstücksgrenze zu der Antragstellerin wohl in verstärktem Maße mit Rangiervorgängen und mit geräuschintensiven Fahrbewegungen zu rechnen ist und dass die Stellplätze und die Zufahrt nicht - wie im Regelfall - an der Straße, sondern im rückwärtigen Bereich des Baugrundstückes vorgesehen sind. Betroffen ist dadurch der rückwärtige Gartenbereich des Wohngrundstücks und schutzbedürftige Räume auf der straßenabgewandten Seite am Wohnhaus der Antragstellerin. Dies wurde bislang nicht näher bestritten. Der rückwärtige Grundstücksbereich war bisher nach derzeitigem Kenntnisstand allenfalls in geringem Umfang durch Fahr- und Parkgeräusche vorbelastet. Es ist nach den vom Antragsgegner vorgelegten Lichtbildern und Plänen zum Altbestand auf dem Baugrundstück zwar nicht davon auszugehen, dass das Grundstück der Antragstellerin im Hinblick auf Verkehrs- bzw. Parklärm völlig unbelastet war. Es waren auf dem Baugrundstück früher wohl zumindest drei Garagen vorhanden, die ähnlich wie nun geplant angefahren wurden. Die nunmehrige Zufahrt zu 41 Stellplätzen und die Anordnung der 10 Stellplätze entlang der Grundstücksgrenze stellt demgegenüber aber eine neue Größenordnung dar (vgl. zu diesem Aspekt OVG Lüneburg, B.v. 19.11.2021 - 1 ME 76/20 - juris Rn. 18). Aus dem Luftbild (Bayern Atlas) ergibt sich ansonsten, dass die Grundstücke westlich der Antragstellerin entlang der G* …straße im rückwärtigen Bereich allesamt ruhige Gartenbereiche aufweisen. Eine Ausnahme bildet lediglich das östlich an das Antragstellergrundstück angrenze Anwesen, auf dem sich augenscheinlich nach dem Luftbild im rückwärtigen Bereich Garagen befinden. Dieser Bereich ist aber nach dem Luftbild gegenüber der Antragstellerin durch Gebäude vollständig abgeschirmt.
49
Durch die Tekturplanung zur Ausführung der Lärmschutzwand auf Vorschlag des Umweltschutzingenieurs des Landratsamts hat die Beigeladene Lärmschutzmaßnahmen unternommen, die zu einer erheblichen Verminderung der Belästigungen durch Lärm etc. beitragen dürfte. Soweit das Gericht allerdings im Beschluss vom 14.1.2022 ab Seite 17 die auch die thematisierte beengte Zufahrtssituation und weiterer Aspekte thematisiert hat, die vermeidbare besondere Belästigungen durch Fahr- und Parklärm befürchten lassen, ist weder die Beigeladene noch der Antragsgegner im Rahmen des vorliegenden Verfahrens näher auf die Problematik eingegangen. Es wurde weder dargelegt, dass die Bedenken im Hinblick auf die beengten räumlichen Verhältnisse und Umstände, die zu verkehrlichen Problemen bzw. vermeidbaren Rangiervorgängen der Pkw führen könnten, unbegründet sind, noch wurden substantiiert Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, die die Annahme rechtfertigen würde, es könne relativ leicht bis zum Abschluss des Klageverfahrens eine verträgliche Abhilfe geschaffen werden.
50
Vor diesem Hintergrund geht die Kammer nach wie vor davon aus, dass das Vorhaben gegenüber der Antragstellerin möglicherweise unzumutbar ist.
51
dd) Allerdings hält es die Kammer aufgrund der neu vorgebrachten Umstände für sachgerecht, die Erstellung der Wände und der Decke des Tiefgaragengeschosses sowie die Hinterfüllung der Wände von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auszunehmen, um es der Beigeladenen zu ermöglichen, der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht bezüglich durch den Baubeginn entstandenen Böschung nachzukommen. Insoweit wurde durch fachliche Stellungnahmen dargelegt, dass Handlungsbedarf besteht und anderweitige technische Lösungen aufwändig, technisch schwierig und unwirtschaftlich sind. Es obliegt letztlich der Entscheidung der Beigeladenen, welche technische Lösung sie zur Beseitigung der vorgebrachten Gefahren ergreift. Entschließt sie sich dazu, die Wände und die Decke des Tiefgaragengeschosses zu erstellen und zu hinterfüllen, um einem Böschungsbruch entgegen zu wirken, so handelt sie - wie schon mit dem Beginn der Bauarbeiten - auf eigenes Risiko. Es werden hierdurch aber keine unumkehrbaren Fakten geschaffen; durch die zugelassenen Bauarbeiten werden auch Rechte der Antragstellerin nicht verletzt. Eine entsprechende Einschränkung der aufschiebenden Wirkung der Klage und damit Zulassung dieser Arbeiten erscheint daher sachgerecht.
52
2. Der am 8.4.2022 gestellte Antrag der Beigeladenen, anzuordnen, dass die unterste Ebene des Bauvorhabens fertiggestellt und hinterfüllt wird, ist abzulehnen.
53
Es ist nicht Sache des Gerichts, gegenüber der beigeladenen Bauherrin Maßnahmen zur Böschungssicherung anzuordnen. Dies obliegt dem Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde. Neben der thematisierten Errichtung der Wände und der Decke der untersten Ebene des Vorhabens und deren Hinterfüllung kommen insoweit technisch auch andere Maßnahmen in Betracht. Soweit die Beigeladene die Errichtung und Hinterfüllung der untersten Ebene des Stockwerks anstrebt, kann dem im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 5 bzw. 7 VwGO Rechnung getragen werden (s.o.). Für einen darüber hinausgehenden Antrag auf Anordnung einer bestimmten Maßnahme gegenüber der Beigeladenen durch das Gericht ist eine Grundlage und ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich.
54
Der diesbezügliche Antrag der Beigeladenen war daher abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO hält es die Kammer für sachgerecht, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner und der Beigeladene hälftig aufzuerlegen. Die Antragstellerin war nicht an den Kosten zu beteiligen, da sie nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Hinzu kommt, dass der Grund für die nur teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage allein in der Sphäre der Beigeladenen liegt (erforderliche Sicherungsmaßnahmen durch Baubeginn und möglicherweise unzureichende Böschungssicherung). Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat und überwiegend unterlegen ist, konnten ihr Kosten auferlegt werden (§ 154 Abs. 3 VwGO). Im Hinblick auf den erfolglosen Antrag der Beigeladenen vom 8.4.2022 waren ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Kostentragungslast der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung laut Tenor beruht auf der unterschiedlich festzusetzenden Höhe der Streitwerte für die genannte Anträge.
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Gemäß §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz i.V.m. Ziff. 1.5 und 9.9.1 des Streitwertkatalogs hat das Gericht als Streitwert für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO 7.500 EUR und für den Antrag vom 8.7.2022 2.500 EUR zugrunde gelegt.