Inhalt

OLG München, Beschluss v. 16.05.2022 – 11 W 200/22
Titel:

Niederschlagung der Kosten nach offensichtlich unrichtiger Sachbehandlung

Normenkette:
GKG § 21
Leitsätze:
1. Eine unrichtige Sachbehandlung iSd § 21 Abs. 1 S. 1 GKG ist nicht schon dann zu bejahen, wenn das Gericht einen Fehler gemacht hat. Vielmehr ist es erforderlich, dass das Gericht gegen eine klare gesetzliche Regelung verstoßen hat, insbesondere einen schweren Verfahrensfehler begangen hat, der offen zutage tritt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass ein eingeholtes Gutachten nach einem Richterwechsel keinen Eingang mehr in die Entscheidungen des Gerichts gefunden hat, da die Entscheidungserheblichkeit bestimmter Behauptungen und die Rechtslage anders beurteilt wurde, stellt für sich betrachtet noch keinen offensichtlich schweren Fehler des Gerichts dar. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Niederschlagung der Kosten, unrichtige Sachbehandlung
Vorinstanz:
LG Landshut, Beschluss vom 16.02.2022 – 53 O 1704/16
Fundstellen:
LSK 2022, 34699
ZEV 2023, 173
BeckRS 2022, 34699

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Klägerin machte als Tochter der verstorbenen J. H. gegen den Beklagten als Sohn der Verstorbenen und deren Alleinerbe im Zuge einer Stufenklage vor dem Landgericht Landshut (Az. 17 O 13901/16) Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
2
Mit Beweisbeschluss vom 06.03.2018 wurde durch das Landgericht ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Univ. K. K. über die Behauptung der Klagepartei zum Wert zweier Grundstücke erholt, die Gegenstand einer Schenkung der Erblasserin waren. Der Sachverständige wurde mit Beschluss vom 11.12.2018 mit der Erstellung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens zu den Fragen der Klagepartei und der Beklagtenpartei beauftragt.
3
Der gerichtliche bestellte Sachverständige rechnete mit Schreiben vom 13.09.2018 eine Vergütung in Höhe von 12.562,35 € (brutto) für das Hauptgutachten, mit Schreiben vom 22.05.2019 eine Vergütung von 1.381,59 € (brutto) für das Ergänzungsgutachten sowie für die Terminswahrnehmung am 29.05.2020 einen Betrag von 183,85 € (brutto) gegenüber der Staatskasse ab. Die geltend gemachten Beträge wurden jeweils zur Zahlung an den Sachverständigen angewiesen.
4
Nach erfolgtem Referatswechsel beim zu erkennenden Richter wurde der Beklagte mit Schlussurteil des Landgerichts Landshut vom 07.05.2021 auf der (dritten) Leistungsstufe verurteilt an die Klägerin einen Betrag von 11.075,63 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin 97% und dem Beklagten 3% auferlegt. Der Streitwert wurde auf 367.731,44 € festgesetzt. In den Urteilsgründen führt das Landgericht aus, dass entgegen der Rechtsauffassung der Klagepartei im Zusammenhang mit der Überlassung der beiden Immobilien keine fiktive Hinzurechnung zum Nachlass vorzunehmen sei. Die Erholung der Sachverständigengutachten zur Bewertung der überlassenen Grundstücke sei demnach von Anfang an nicht erforderlich gewesen, vgl. § 21 GKG.
5
Die Klägerin beantragte mit Anwaltsschriftsatz vom 18.05.2021 u.a. die Sachverständigenkosten nicht zu erheben und die von der Klägerin verauslagten Kosten in Höhe von 13.062,35 € zurück zu erstatten. Nach den Feststellungen im Schlussurteil habe entgegen der Rechtsauffassung der Klagepartei und der früheren Einschätzung des erkennenden Gerichts der Wertermittlungsanspruch hinsichtlich der streitgegenständlichen, übertragenen Immobilien hier von Anfang an nicht bestanden, so dass auch eine Wertbegutachtung nicht erforderlich gewesen sei.
6
Mit Beschluss vom 16.02.2022 wies das Landgericht Landshut den Antrag auf Nichterhebung von Sachverständigenkosten zurück.
7
Gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 16.02.2022 legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.02.2022 Beschwerde ein und verwies darauf, dass die Feststellungen im Schlussurteil im krassen Widerspruch zur vorhergehenden Sachbehandlung der zuvor beteiligten Einzelrichter stünden. Dies begründe eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 GKG.
8
Das Landgericht half der Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 21.02.2022 nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht München zur Beschwerdeentscheidung vor.
II.
9
Die entsprechend § 66 Abs. 2 GKG statthafte, nicht fristgebundene, Beschwerde der Klägerin gegen die mit isolierten Beschluss des Landgerichts Landshut vom 16.02.2022 erfolgte Zurückweisung des klägerischen Antrags auf Niederschlagung der Kosten für die gerichtlicherseits eingeholten Sachverständigengutachten ist auch im Übrigen zulässig (vgl. Mayer GKG, 17. Auflage 2020, zu § 21 GKG Rn.15; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GKG, 3. Auflage 2021, zu § 21 Rn. 21).
10
Die Beschwerde bleibt jedoch im Ergebnis ohne Erfolg.
11
1. Zu Recht hat das Landgericht eine Niederschlagung der durch die Heranziehung der Sachverständigen mittels Beweisbeschlüssen vom 06.03.2018 und vom 11.12.2018 verursachten Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 21 GKG verneint. Die Beschwerdeführerin verkennt dabei die Reichweite und den Ausnahmecharakter der Regelung des § 21 GKG.
12
a) Gemäß § 21 Abs. 1 S.1 GKG werden solche Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG ist nicht schon dann zu bejahen, wenn das Gericht einen Fehler gemacht hat. Vielmehr ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, dass das Gericht gegen eine klare gesetzliche Regelung verstoßen hat, insbesondere einen schweren Verfahrensfehler begangen hat, der offen zutage tritt (BGH, Beschluss v. 10.3.2003 Az.: IV ZR 306/00, Rn. 4; Beschluss v. 4.5.2005, Az.: XII ZR 217/04, Rn. 4; Toussaint, KostG, 51. Aufl., zu § 21 GKG, Rz. 14 m. w. N.). Denn es ist nicht Zweck des Kostenniederschlagungsverfahrens, die im Rechtsstreit vertretenen unterschiedlichen Rechtsansichten in materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Hinsicht nach Abschluss des Rechtsstreits einer weiteren Klärung oder gar obergerichtlichen Überprüfung zuzuführen. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG führt deshalb nicht zu einer Überprüfung einer richterlichen Sachentscheidung und des dabei eingeschlagenen Verfahrens.
13
Dementsprechend kann eine unrichtige Sachbehandlung auch dann nicht angenommen werden, wenn das Gericht einen einmal eingenommenen Rechtsstandpunkt im Laufe des Verfahrens ändert. Hierunter fällt auch eine vom Richter angeordnete und durchgeführte Beweisaufnahme, die sich später - wegen geänderter Rechtsauffassung - als überflüssig erweist (Senat, NJW-RR 2003, 1294; OLG Düsseldorf, JurBüro 1995, 45).
14
Der Umstand, dass die eingeholten Gutachten nach einem Richterwechsel keinen Eingang mehr in die Entscheidungen des Gerichts gefunden haben, da die Entscheidungserheblichkeit bestimmter Behauptungen und die Rechtslage anders beurteilt wurde, stellt für sich betrachtet noch keinen offensichtlich schweren Fehler des Gerichts dar (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.06.2008, 14 W 323/08).
15
Eine unrichtige Sachbehandlung i.S. von § 21 Abs. 1 S. 1 GKG liegt vielmehr nur dann vor, wenn ein Richter Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den breiten richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum verlassen (so für den wortgleichen § 20 FamGKG: OLG Koblenz, FamRZ 2002, 1644). Ein solche Überschreitung wäre zwar dann zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme nach dem Sach- und Streitstand offensichtlich überflüssig ist. Hierzu gehören Beweiserhebungen über nicht (mehr) streitige Tatsachen (Senat, NJW-RR 2003, 1294) oder wenn Beweis über erkennbar nicht beweiserhebliche Umstände erhoben wird. Vorliegend fehlt es aber an einen solch offensichtlichen Verstoß.
16
b) Das erkennende Gericht in der damaligen Besetzung erteilte mit Verfügung vom 19.04.2017 Hinweise zur Rechtslage und der konkreten Beweissituation, wobei von einem entsprechenden Wertermittlungsanspruch ausgegangen wurde. Einwendungen gegen die vorgeschlagene Sachbehandlung des Gerichts wurden durch die Parteien in diesem Zusammenhang nicht erhoben. Die Auslagenvorschüsse wurden ohne Vorbehalte entrichtet. Selbst wenn also bei den Beweisbeschlüssen des Gerichts die Rechtslage in Bezug auf das Bestehen eines Wertermittlungsanspruchs unzutreffend bewertet worden sein sollte und damit sich die Beweiserhebung nachträglich als überflüssig darstellt, handelt es sich nicht um einen offensichtlichen Fehler in der Sachbehandlung im Sinne des § 21 GKG.
17
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG.