Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 29.11.2022 – 101 AR 75/22
Titel:

Sachliche Zuständigkeit für Räumungsklage bei Zwischenvermietung zur Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten

Normenketten:
GVG § 23 Nr. 2 lit. a
BGB § 549 Abs. 1, § 565, § 578 Abs. 3
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Leitsatz:
Vermietet ein Eigentümer seine Wohnung an eine Gemeinde, die die Wohnung zur Erfüllung ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen zu Wohnzwecken weitervermietet, ist für eine Räumungsklage nicht gem. § 23 Nr. 2 lit. a GVG eine sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet, da zwischen dem Eigentümer und der Gemeinde weder ein Wohnraummietverhältnis noch ein gewerbliches Zwischenmietverhältnis besteht. (Rn. 15 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gewerbliche Zwischenvermietung, Weitervermietung zur Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten, öffentlich-rechtliche Körperschaft, Wohnraummietverhältnis, Wohnzweck, sachliche Zuständigkeit, Untervermietung, negativer Zuständigkeitsstreit
Vorinstanzen:
AG Landshut vom -- – 3 C 283/22
AG Landshut vom -- – 3 C 613/22
LG Landshut vom -- – 54 O 1387/22
Fundstellen:
NZM 2023, 326
BeckRS 2022, 34615
LSK 2022, 34615

Tenor

Sachlich zuständig ist das Landgericht Landshut.

Gründe

I.
1
Die Kläger nehmen die Beklagten samtverbindlich auf Räumung und Herausgabe der im 6. Stock des Anwesens …, …, gelegenen Wohnung Nr. ... in Anspruch.
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Die Beklagte zu 1), eine Gemeinde, hatte mit „Wohnungs-Mietvertrag“ vom 25. März 2014 die vorgenannte, im gemeinschaftlichen Eigentum der Kläger stehende Wohnung mit Wirkung zum 1. April 2014 angemietet und - wie von Anfang an beabsichtigt - an die Beklagte zu 2) zu Wohnzwecken weitervermietet. Mit Schreiben vom 19. August 2021 kündigten die Kläger das zwischen ihnen und der Beklagten zu 1) bestehende Mietverhältnis mit Wirkung zum 1. März 2022 wegen Eigenbedarfs. Die Beklagte zu 1) bestätigte mit Schreiben vom 27. August 2021 die Kündigung und kündigte ihrerseits das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 2).
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Da die Beklagte zu 2) die Wohnung nicht räumte, erhoben die Kläger gegen die Beklagten Räumungsklage vor dem Amtsgericht Landshut. Das Amtsgericht forderte die Parteien mit Verfügung vom 8. April 2022 unter anderem dazu auf, sich innerhalb von zwei Wochen darüber zu erklären, ob seitens der Beklagten zu 1) eine gewerbliche Zwischenvermietung vorliege, was zur Folge hätte, dass keine Zuständigkeit des Wohnraummietgerichts bestünde.
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Die Beklagte zu 1) teilte daraufhin mit, dass von einer gewerblichen Zwischenvermietung auszugehen sei; denn § 578 Abs. 3 BGB finde auf das vor dem 1. Januar 2019 begründete Mietverhältnis zwischen ihr und den Klägern keine Anwendung. Gegen den Räumungsanspruch der Kläger habe sie daher keine Verteidigungsmöglichkeit.
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Die Kläger, die bereits in der Klageschrift den Streitwert des Rechtsstreits mit 5.040,00 € beziffert hatten, beantragten mit Schriftsatz vom 27. April 2022 vorsorglich, den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Landgericht Landshut zu verweisen. Innerhalb der ihnen vom Amtsgericht eingeräumten Stellungnahmefrist schloss sich die Beklagte zu 1) dem Verweisungsantrag an, die Beklagte zu 2) erklärte, dass sie sich einer Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Landshut nicht widersetzen werde.
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Mit formlos bekannt gegebenem Beschluss vom 18. Mai 2022 (Az.: 3 C 283/22) setzte das Amtsgericht den Streitwert auf 5.040,00 € fest, erklärte sich für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das Landgericht Landshut. Zur Begründung seiner sachlichen Unzuständigkeit führte es aus, dass kein Wohnraummietverhältnis, sondern ein gewerbliches Mietverhältnis vorliege.
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Das Landgericht Landshut lehnte mit formlos bekannt gegebenem Beschluss vom 31. Mai 2022 (Az.: 54 O 1387/22) die Übernahme des Verfahrens ab. Zur Begründung führte es aus, ein Verweisungsbeschluss sei ausnahmsweise nicht bindend, wenn ein zuständiges Gericht unter Übergehung eindeutiger Zuständigkeitsvorschriften das Verfahren weiterverweise. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt, weil das Amtsgericht zu Unrecht von einer Gewerberaummiete ausgehe. Der unstreitige Umstand, dass die Beklagte zu 1) als juristische Person des öffentlichen Rechts die Wohnung nicht selbst zu Wohnzwecken nutze, mache das streitgegenständliche Mietverhältnis nicht zu einer Gewerberaummiete, weil es sich nicht um Räume zur gewerblichen Nutzung handele. Wie sich aus dem „aufschlussreichen Schreiben der Beklagten zu 2)“ - gemeint sind deren eigenhändige unverständliche Ausführungen (Bl. 13/16 d.A.), die keinerlei Fallbezug erkennen lassen - sowie der Tatsache, dass die Beklagte zu 2) unter Betreuung stehe, ergebe, habe die Beklagte zu 1) die Wohnung nicht in Gewinnerzielungsabsicht angemietet, sondern zur Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten. Eine „Gewerbetätigkeit“ der Beklagten zu 1) sei deshalb nicht anzunehmen, weshalb es bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts für den „zweifellos zu Wohnzwecken abgeschlossenen Mietvertrag“ verbleibe.
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Nach Rückleitung der Akten durch das Landgericht hat das Amtsgericht Landshut mit Beschluss vom 9. Juni 2022 (unter dem neu vergebenen Aktenzeichen 3 C 613/22) die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es ist der Ansicht, dass der Verweisungsbeschluss vom 18. Mai 2022 für das Landgericht Landshut gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend sei. Zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1) bestehe keine Wohnraummietstreitigkeit; die Beklagte zu 1) habe die Wohnung nicht „zum Wohnen“, sondern zur Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten angemietet. Auf die zulässige Vorlage des Amtsgerichts Landshut ist auszusprechen, dass für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits das Landgericht Landshut sachlich zuständig ist.
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1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung der (sachlichen) Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
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a) Das Amtsgericht Landshut hat sich nach Rechtshängigkeit der Streitsache durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 18. Mai 2022 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das Landgericht Landshut verwiesen. Dieses Gericht hat mit Beschluss vom 31. Mai 2022 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt. Die jeweils ausdrücklich ausgesprochene verbindliche Leugnung der eigenen sachlichen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12 m. w. N.; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 34 f. m. w. N.).
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b) Die Bestimmung des zuständigen Gerichts obliegt gemäß § 36 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 9 EGZPO dem Bayerischen Obersten Landesgericht, weil das für die am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist und das mit der Rechtssache zuerst befasste Gericht in Bayern liegt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris Rn. 7).
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2. Sachlich zuständig ist das Landgericht Landshut. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Landshut vom 18. Mai 2022 ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Landgericht bindend. Unabhängig davon entspricht er auch der Sach- und Rechtslage.
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a) Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich unanfechtbar und für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, bindend. Auch ein sachlich zu Unrecht oder verfahrensfehlerhaft ergangener Verweisungsbeschluss entzieht sich im Regelfall der Nachprüfung, was im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten ist. Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022, X ARZ 3/22, NJW 2022, 2936 Rn. 39). Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen worden ist oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; Beschluss vom 10. September 2002, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634 [juris Rn. 13 f.]; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16).
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Für die Bewertung als willkürlich genügt es nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, welche die Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 m. w. N; Beschluss vom 26. März 2015, IX ZB 38/14, juris Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18; Beschluss vom 18. November 2021, 102 AR 151/21, juris Rn. 24). Willkür ist regelmäßig zu bejahen, wenn ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht sich über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, weil es eine klare Zuständigkeitsnorm nicht zur Kenntnis nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2011, X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18; Beschluss vom 18. November 2021, 102 AR 151/21, juris Rn. 24; Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 23/20, juris Rn. 24).
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b) Ein solcher Fall liegt entgegen der Ansicht des Landgerichts Landshut nicht vor. Der nach Anhörung der Beklagten ergangene Verweisungsbeschluss ist vielmehr inhaltlich richtig, weil der Rechtsstreit kein Mietverhältnis über Wohnraum im Sinne von § 23 Nr. 2 Buchst. a GVG zum Gegenstand hat und angesichts des Streitwerts von 5.040,00 € für die Entscheidung das Landgericht sachlich zuständig ist (§ 71 Abs. 1 i. V. m. § 23 Nr. 1 GVG).
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aa) Wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, ist das Mietverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1) nicht als Wohnraummietverhältnis im Sinne des § 549 Abs. 1 BGB zu qualifizieren.
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Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Zweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Wohnraums vertragsgemäß verfolgt. Wohnraummiete setzt voraus, dass die Räume dem Mieter vertragsgemäß zur Befriedigung eigener Wohnbedürfnisse oder der seiner Familie dienen sollen (vgl. BGH, Urt. v. 23. Oktober 2019, XII ZR 125/18, BGHZ 223, 290 Rn. 21; Urt. v. 9. Juli 2014, VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 [juris Rn. 28]). Kein Wohnraummietverhältnis liegt dagegen vor, wenn der Mieter die Räume anmietet, um sie seinerseits an einen Dritten zu Wohnzwecken weiterzuvermieten; in einem solchen Fall wird ein Wohnraummietvertrag nur zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossen. Der Vertrag zwischen dem Eigentümer und dem Mieter ist dagegen kein Wohnraummietvertrag, weil der vertragsmäßige Gebrauch der Mietsache in diesem Verhältnis gerade nicht im Wohnen, sondern im Weitervermieten besteht. Auf das Motiv für den Vertragsschluss - das Ziel, das der Mieter mit der Bereitstellung des angemieteten Wohnraums für den Dritten verfolgt - kommt es für die rechtliche Einordnung des Mietverhältnisses nicht entscheidend an (vgl. BGH, Urt. v. 13. Februar 1985, VIII ZR 36/84, BGHZ 94, 11 [juris Rn. 12]).
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Das Mietverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1) ist demnach kein Wohnraummietverhältnis, weil die Beklagte zu 1) als juristische Person des öffentlichen Rechts mit der Anmietung der Wohnung offensichtlich keine eigenen Wohnbedürfnisse befriedigt hat. An dieser Stelle kann offen bleiben, ob dieses Mietverhältnis als „gewerblich“ zu qualifizieren ist, wie das Amtsgericht angenommen hat, oder ob die Beklagte zu 1) mit der Beschaffung von Wohnraum für die Beklagte zu 2) eine ihr obliegende sozialrechtliche Aufgabe erfüllt hat.
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bb) Gemäß § 578 Abs. 3 BGB finden auf Verträge über die Anmietung von Räumen durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder einen anerkannten privaten Träger der Wohlfahrtspflege, die geschlossen werden, um die Räume Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zum Wohnen zu überlassen, allerdings zahlreiche dem Mieterschutz dienende Vorschriften für Mietverhältnisse über Wohnraum entsprechende Anwendung. Angesichts der weitgehenden inhaltlichen Angleichung solcher Verträge an ein Wohnraummietverhältnis stellt sich die Frage, ob auf Streitigkeiten über Ansprüche aus einem derartigen Vertrag nicht die Vorschrift des § 23 Nr. 2 Buchst. a GVG entsprechend anzuwenden ist. Im vorliegenden Fall kann dies aber dahinstehen, weil § 578 Abs. 3 BGB nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 49 Abs. 3 EGBGB auf ein bis einschließlich 31. Dezember 2018 entstandenes Mietverhältnis keine Anwendung findet. Der Mietvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1) wurde bereits am 25. März 2014 geschlossen.
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cc) Zwischen den Klägern und der Beklagten zu 2) bestand niemals eine Vertragsbeziehung und damit auch kein Wohnraummietverhältnis. Die Kläger sind insbesondere nicht mit der Kündigung des Mietverhältnisses zwischen ihnen und der Beklagten zu 1) gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in deren Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis mit der Beklagten zu 2) eingetreten; denn entgegen der Ansicht des Amtsgerichts fehlt es bereits an dem Erfordernis einer gewerblichen Zwischenvermietung.
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(1) Eine gewerbliche Zwischenvermietung im Sinne von § 565 BGB setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Zwischenmieter nach dem Zweck des mit dem Vermieter abgeschlossenen Vertrags die Weitervermietung der angemieteten Räume zu Wohnzwecken mit der Absicht der Gewinnerzielung oder jedenfalls im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausüben soll (BGH, Urt. v. 20. Januar 2016, VIII ZR 311/14, NJW 2016, 1086 Leitsatz 1, Rn. 22; noch zu § 549a BGB a. F.: Urt. v. 3. Juni 1996, VIII ZR 278/95, BGHZ 133, 142 [juris Rn. 22]). Das ergibt sich aus dem Regelungszweck der Norm, der nicht darauf abzielt, den Schutz des Mieters generell für alle Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter auszudehnen, sondern nur für bestimmte Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Eigentümer im eigenen Interesse einen Zwischenmieter einschaltet, der mit der Weitervermietung wiederum eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt (BGH NJW 2016, 1086 Rn. 24).
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Bei der gewerblichen Zwischenvermietung stellt der Eigentümer den Wohnraum einem Zwischenvermieter zur Verfügung, von dem er erwarten kann, dass dieser die Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt anbieten und zu marktgerechten Bedingungen weitervermieten wird. Die Einschaltung des Zwischenmieters beruht in diesen Fällen regelmäßig primär auf Interessen des Eigentümers, der dadurch etwa seine Steuerlast oder seinen Verwaltungsaufwand reduzieren will (vgl. BGH NJW 2016, 1086 Rn. 34 unter Verweis auf BayObLG, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 28. Juli 1995, RE-Miet 4/94, BayObLGZ 1995, 256 [juris Rn. 23]). In solchen Fällen ist kein Grund ersichtlich, warum der Endmieter nicht in gleicher Weise Kündigungsschutz genießen sollte, als wenn er direkt vom Eigentümer gemietet hätte. Entgegenstehende Interessen des Eigentümers, etwa mit Rücksicht darauf, dass das Endmietverhältnis zu nicht marktgerechten Bedingungen abgeschlossen worden ist, sind regelmäßig nicht zu besorgen (vgl. BGH, a. a. O.).
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Im Gegensatz dazu besteht eine grundlegend andere Interessenlage, wenn der Zwischenmieter mit der Weitervermietung gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke verfolgt und die Zwischenvermietung deshalb vor allem in seinem Interesse liegt. In diesem Fall dient die Zwischenvermietung gerade nicht dazu, die Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen anzubieten, weshalb ein gewichtiges Interesse des Eigentümers daran besteht, die Wohnung nach Beendigung des Hauptmietvertrags zurückzuerhalten (vgl. BGH NJW 2016, 1086 Rn. 25). Vielmehr handelt der Zwischenmieter in derartigen Fällen typischerweise vorrangig im Interesse der Endmieter. Die von ihm verfolgten besonderen Interessen werden sich in der Regel auf die Auswahl der Endmieter sowie die Ausgestaltung und Durchführung der mit ihnen abzuschließenden Mietverträge auswirken, etwa hinsichtlich der Höhe der Miete oder der Belastungen, die sich aus der Person des Endmieters während des Mietverhältnisses ergeben können. Aus diesem Grund kann in derartigen Fällen nicht unterstellt werden, dass der Eigentümer ohne Einschaltung des Zwischenmieters ein Mietverhältnis mit dem Endmieter zu den vom Zwischenmieter vereinbarten Konditionen abgeschlossen hätte (BGH, a. a. O., Rn. 35). Das enge Verhältnis zwischen dem Endmieter und dem gemeinnützig oder karitativ handelnden Zwischenmieter spricht dafür, diese Fälle eher mit der klassischen Untermiete zu vergleichen, in denen der Untermieter bei Beendigung des Hauptmietverhältnisses keinen Kündigungsschutz genießt (BGH a. a. O., Rn. 36 m. w. N.).
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(2) Im vorliegenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Einschaltung der Beklagten zu 1) als Zwischenvermieterin im Interesse der Kläger erfolgt war oder die Beklagte zu 1) mit der Weitervermietung der Wohnung eigene wirtschaftliche Zwecke verfolgt hat.
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Die Kläger tragen unwidersprochen vor, dass die Beklagte zu 1) die Wohnung nur deshalb angemietet hat, um sie der Beklagten zu 2) zu überlassen (Schriftsatz v. 27. April 2022, S. 2 = Bl. 23 d. A.). Die Beklagte zu 2) steht unter Betreuung; ausweislich des in Kopie vorliegenden Betreuerausweises vom 9. August 2021 (nach Bl. 23 d. A.) ist die Betreuung unter anderem für den Aufgabenkreis „Wohnungsangelegenheiten“ angeordnet. Die Ausführungen der Beklagten zu 1) zur Unanwendbarkeit von § 578 Abs. 3 BGB auf das bereits vor dem gesetzlichen Stichtag begründete Mietverhältnis lassen mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass sie die Wohnung zu dem Zweck angemietet hat, in Erfüllung einer sozialrechtlichen Aufgabe der Beklagten zu 2) als Person mit dringendem Wohnungsbedarf im Sinne der genannten Vorschrift Wohnraum zu verschaffen.