Titel:
keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Bulgarien
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme systemischer Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl, Afghanistan, Dublin-Verfahren, Abschiebungsanordnung nach Bulgarien, Grundsätzlich keine systemischen Schwachstellen im Asylverfahren bei Dublin-Rückkehrern, Rückkehr nach Bulgarien für alleinstehenden Mann zumutbar, Bulgarien, Rücküberstellung, systemische Mängel
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34439
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG ).
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Anordnung der Rücküberstellung nach Bulgarien.
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Der Kläger ist seinen eigenen Angaben nach afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der A. und s. Glaubens. Er reiste am 6. Juni 2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte am 9. Juni 2022 ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am selben Tag Kenntnis erlangte. Am 1. August 2022 stellte der Kläger einen förmlichen Asylantrag.
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Nach den Erkenntnissen des Bundesamts lagen aufgrund des Fingerabdruckdatenabgleichs Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor. Das Bundesamt richtete daher am 3. August 2022 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 11. August 2022 ihre Zuständigkeit. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 3. August 2022 gab der Kläger im Wesentlichen an, dass er in Bulgarien gezwungen worden sei, seine Fingerabdrücke abzugeben. Dies sei nur aus polizeilichen Zwecken erfolgt, nicht für Asylangelegenheiten. Die bulgarischen Behörden hätten ihn sehr schlecht behandelt. Er sei geschlagen worden und nachts sei er in die Kälte rausgelassen worden, damit er gequält werde. Der Umgang mit Flüchtlingen sei unmenschlich. Flüchtlinge würden diskriminiert. Er wolle nicht nach Bulgarien zurückkehren. Er habe sich ca. einen Monat dort aufgehalten. Ca. eine Woche habe er unter einer Brücke geschlafen. Er habe in Bulgarien keine Unterstützung bekommen. Das Essen im Camp sei schlecht gewesen, viele seien davon krank geworden. Er habe in keinem Land einen Asylantrag gestellt. Körperlich gehe es ihm gut, er habe aber kleinere psychische Probleme. Er fühle sich in Deutschland sicher und besser aufgehoben als woanders. Deshalb wolle er in Deutschland sicher leben. Er habe einen Onkel in M..
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Mit Bescheid vom 12. August 2022, dem Kläger zugestellt am 30. August 2022, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien wurde angeordnet (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf elf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Am 1. September 2022 erhob der Kläger hiergegen Klage und beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. August 2022, erhalten laut Vermerk auf PZU am 30. August 2022, Geschäftszeichen, aufzuheben.
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Zur Begründung wurde Bezug genommen auf den Asylantrag.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte legte die Behördenakte vor und bezog sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
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Mit Beschluss vom 13. September 2022 hat das Gericht einen Eilantrag gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung abgelehnt.
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Mit Beschluss vom 24. Oktober 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit der Ladung übersandte das Gericht aktuelle Erkenntnismittel.
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Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte sowie des Protokolls der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2022 über die Verwaltungsstreitsache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte mit der Ladung auf diese Folge ihres Ausbleibens hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie lediglich ergänzend ausgeführt:
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1. Der Asylantrag des Klägers ist unzulässig. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft i.S.v. § 27a AsylG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO).
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a) Vorliegend ist davon auszugehen, dass für die Durchführung des Asylverfahrens nach Maßgabe der Dublin III-VO nicht die Beklagte, sondern Bulgarien zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG). Die Zuständigkeit Bulgariens für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 c) der Dublin-III VO. Die bulgarischen Behörden haben mit Schreiben vom 11. August 2022 Ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 c) Dublin III-VO erklärt. Die Überstellungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Da Bulgarien das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 3. August 2022 akzeptiert hat, ist es verpflichtet, den Kläger aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Soweit der Kläger der Sache nach angibt, in Bulgarien keinen Antrag gestellt, sondern nur seine Fingerabdrücke (zu erkennungsdienstlichen Zwecken etc.) abgegeben zu haben, so vermag die reine Behauptung nicht glaubhaft den Beweiswert des Eurodac-Treffers zu erschüttern (vgl. auch Art. 23 Abs. 4 UAbs. 1, Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO i.V.m. Anhang II Verzeichnis der VO(EG) Nr. 1560/2003). Darauf, ob der Kläger in Bulgarien einen Antrag stellen wollte oder nicht, kommt es insoweit nicht an. Insbesondere besteht kein Recht auf Wahl des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutzes zuständigen Mitgliedstaats.
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b) Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann. Die Überstellung nach Bulgarien ist indes nicht unmöglich, denn es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.
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Nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO kann es sich als unmöglich erweisen, einen Asylbewerber an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, soweit es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta - GRCh - mit sich bringen (vgl. hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011, C-411/10 u.a., juris; U.v. 14.11.2013, C-4/11, juris; U.v. 10.12.2013, C-394/12, juris). Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder Verstöße im Einzelfall gegen einschlägige EU-Richtlinien genügen somit, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln; nur soweit das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist eine Überstellung mit Art. 4 GRCh unvereinbar (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Leitsatz und Rn. 6). Ergänzend hat der Europäische Gerichtshof (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17, Abubacarr Jawo, BeckRS Leitsatz) ausgeführt, dass das Unionsrecht dahingehend auszulegen ist, dass der Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt, in einen für diese Prüfung zuständigen Mitgliedsstaat nur dann Art. 4 GRCh entgegenstehen kann, wenn die Person dort dem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, unabhängig von ihrem Willen und ihrer persönlichen Entscheidungen sich in einer Situation extremer materieller Not zu befinden. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats muss zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17 - juris Rn. 92 f.).
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Entsprechend vorstehender Ausführungen geht das Gericht im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) davon aus, dass das Asylverfahren in Bulgarien grundsätzlich unionsrechtlichen Maßstäben nicht widerspricht bzw. dort keine unzureichenden Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte führen. Bulgarien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards eines gemeinsamen Asylsystems verpflichtet und somit ein sicherer Drittstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG. In Bulgarien ist die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt, das Asylverfahren in Bulgarien ist gegenwärtig weitestgehend regelgerecht (VGH BW, B.v. 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 - juris Rn. 10). Soweit einzelne Menschenrechtsorganisationen von Push-Backs, Gewalt, Diebstählen und erniedrigenden Praktiken (an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei) berichten, ist hierzu auszuführen: Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten/ Asylbewerber sind nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/ oder herabwürdigender Behandlung durch bulgarischen Sicherheitskräfte respektive Behörden besteht indes nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird streng ausgelegt, etwaige Täter haben mit sofortiger Entlassung zu rechnen (vgl. hierzu BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Bulgarien, Gesamtaktualisierung 24. Juli 2020, S. 6; VG Aachen, U.v. 15.4.2021 - 8 K 2760/18.A - juris Rn. 242 ff.). Dessen ungeachtet ist es nicht entscheidungserheblich und demzufolge vorliegend auch nicht näher zu beleuchten, ob in Bulgarien an den Grenzen gegen europäisches Recht verstoßende Push-Backs erfolgen, wie sie u.a. in den Medien etc. aktuell berichtet werden. Wenn insoweit ein systemischer Mangel vorläge, wäre er vorliegend ohne Folge für das Verfahren, da der Kläger nunmehr keine Gefahr mehr eines Push-Backs zu befürchten hat; er ist bereits im Asylsystem Bulgariens registriert (vgl. im Einzelnen m.w.N. VG Aachen - U.v. 15.4.2021 - 8 K 2760/18.A - juris Rn. 302; VG Bremen, U.v. 4.6.2021 - 2 K 262/19 - juris Rn. 276; VG Augsburg, B.v. 1.8.2022 - Au 8 S 22.50178 - juris Rn. 22).
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Systemische Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen würden, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich (vgl. etwa VGH BW, U.v. 24.2.2022 - A 4 S 162/22 - juris; OVG NRW, B.v. 15.2.2022 - 11 A 1625/21.A - juris; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 1.7.2020 - 13 A 10424/19 - juris; OVG Sachsen, U.v. 13.11.2019 - 4 A 947/17.A - juris; VGH BW, 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 - juris; VG Aachen, U.v. 15.4.2021 - 8 K 2760/18.A - juris; VG Lüneburg, U.v. 12.12.2019 - 8 B 180/19 - juris; VG Würzburg, B.v. 27.10.2021 - W 1 S 21.50279 - juris Rn. 20; VG Kassel, B.v. 29.4.2022 - 5 L 598/22.KS.A, 8610535 - juris; VG München, B.v. 24.3.2022 - M 5 S 22.50150 - juris; B.v. 2.6.2022 - M 10 S 22.50254 - juris Rn. 22 m.w.N.). Dies gilt auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ukraine-Krise (VG Kassel, B.v. 29.4.2022 - 5 L 598/22.KS.A, 8610535 - juris; VG Münster, B.v. 5.5.2022 - 8 L 362/22.A, 8505567 - juris; VG Minden, B.v. 22.4.2022 - 12 L 350/22.A, 8672769 - juris; VG München, B.v. 2.6.2022 - M 10 S 22.50254 - juris; VG München, B.v. 9.6.2022 - M 30 S 22.50328 - juris). Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien. Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der noch nicht inhaltlich geprüft wurde, wird das Verfahren automatisch wiedereröffnet (BFA a.a.O. S. 7; vgl. auch VG Magdeburg, U.v. 19.2.2019 - 4 A 8/18 - juris Rn. 22 ff.). In der Praxis werden in S. ankommende Personen nach der Überstellung unterrichtet, dass sie verpflichtet sind, sich bei der staatlichen Asylbehörde vorzustellen, meist schon am folgenden Tag. Wenn sie dort vorstellig werden, erhalten sie die Entscheidung, dass das Verfahren wiedereröffnet wird (BFA, a.a.O. S. 8). Auch die Aufnahmebedingungen in Bulgarien entsprechen gegenwärtig im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards (BFA, a.a.O. S. 9).
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Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht substantiiert vorgebracht. Aus dem Vorbringen des Klägers lassen sich keine Rückschlüsse auf nach o.g. Maßstäben systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Bulgarien ziehen. Unabhängig davon steht seinem Vorbringen die bereits dargestellte Erkenntnismittellage entgegen. Dies gilt auch, soweit der Kläger z.T. erstmals in der mündlichen Verhandlung geschildert hat, dass er zunächst in einem „geschlossenen“ Camp untergebracht bzw. nachts im Zimmer eingesperrt worden sei sowie es keine Duschmöglichkeiten gegeben habe, in einer anderen Aufnahmeeinrichtung von dem Security-Personal grundlos geschlagen bzw. ihm nach einem freiwilligen Verlassen der zweiten Unterkunft und „Weiterreise“ nach S. dort der Zugang zu einer Aufnahmeeinrichtung verwehrt worden sei, weshalb er im Anschluss eine Woche unter einer Brücke geschlafen habe (vgl. unter eingehender Auseinandersetzung mit der Erkenntnismittellage m.w.N. VG Aachen, U.v. 15.4.2021 - 8 K 2760/18.A - juris Rn. 79 ff.). Dessen ungeachtet konnte der Kläger belastbare Erkenntnisse über die Lage der Menschenrechte in Bulgarien und deren Gewährung im Asylverfahren angesichts seiner kurzen Aufenthaltsdauer nicht gewinnen. Vorliegend kann daher dahingestellt bleiben, ob das z.T. schemenhafte Vorbringen des Klägers bezüglich der Behandlung in Bulgarien glaubhaft ist, weil jedenfalls allein im Einzelfall des Klägers etwaig erfolgte Verstöße/ Grundrechtsverletzungen nicht geeignet sind, das Vorliegen von systemischen Schwachstellen zu begründen. Soweit der Kläger ferner anführt, er habe in Bulgarien keine Unterstützung erhalten, ist dies unschlüssig, da er eine Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung sowie eine entsprechende Versorgung/ Verpflegung bzw. ein vorheriges (freiwilliges) Verlassen der Aufnahmeeinrichtung angibt. Im Übrigen wird auf die detaillierten Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid auch insoweit Bezug genommen.
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c) Auch aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückführung nach Bulgarien erhebliche Gefahren für Leib und Leben befürchten müsste, die einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen ließen, sind - wie bereits ausgeführt - nicht ersichtlich. Insbesondere gibt der Kläger selbst an, dass es ihm körperlich gut gehe. Die bloße Behauptung „kleinerer“ psychischer Probleme bleibt ohne einen Nachweis durch entsprechend qualifizierte medizinische Unterlagen bzw. Atteste. Der Kläger führt zudem aus, dass er sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde. Eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben aus gesundheitlichen Gründen läge nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung nach Bulgarien wesentlich verschlechtern würden. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Erheblich ist eine Gefahr, wenn der Umfang der Gefahrenrealisierung von bedeutendem Gewicht ist. Das ist der Fall, wenn sich durch die Abschiebung der unter dem Gesichtspunkt der Leibes- und Lebensgefahr hier allein in Betracht kommende Gesundheitszustand des Betroffenen wegen geltend gemachter unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung - vorliegend Bulgarien - in einem angemessenen Prognosezeitraum wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
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Dabei muss der Betroffene eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen und muss diese ärztliche Bescheinigung insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
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Soweit der Kläger vorbringt, dass er „kleinere“ psychische Probleme habe, fehlt es an einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung. Die gesundheitlichen Beschwerden sind lediglich behauptet; es sind auch keine ärztlichen Behandlungen angegeben. Die vorgetragenen Beschwerden sind hiervon unabhängig nicht als lebensbedrohlich bzw. schwerwiegend im o.g. Sinne einzustufen. Des Weiteren steht es nicht zu erwarten, dass beim Kläger durch eine Abschiebung nach Bulgarien eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eintreten wird. Es ist zu erwarten, dass es für ihn in Bulgarien möglich sein wird, eine u.U. notwendige medizinische Behandlung zu erhalten; in Bulgarien bestehen eine hinreichende medizinische Versorgung bzw. hinreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten (vgl. BFA, a.a.O. S. 17 f.; vgl. auch statt vieler VG München, B.v. 24.3.2022 - M 5 S 22.50150 - juris m.w.N.). Es sind schließlich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger von einer u.U. notwendigen medizinischen (Not-)Versorgung in Bulgarien ausgeschlossen wäre. Im Übrigen wird hierzu auf die detaillierten Ausführungen im Bescheid Bezug genommen.
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2. Die Feststellung im streitgegenständlichen Bescheid, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist ebenfalls rechtmäßig.
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Der Kläger kann sich auf zielstaatsbezogene - bezogen auf Bulgarien - oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 - 11 ZB 15.50050 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris; OVG Hamburg, B.v. 3.12.2010 - 4 Bs 223/10 - juris), nicht berufen.
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Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgarien sind - nach den obigen Ausführungen, auf die entsprechend Bezug genommen wird - nicht ersichtlich. Insbesondere ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist hinsichtlich Bulgarien zu verneinen. Ein solches käme nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen in Betracht, welche sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dies ist jedoch vorliegend - wie bereits dargelegt - nicht der Fall. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Reisefähigkeit des Klägers (aus gesundheitlichen Gründen) eingeschränkt wäre.
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Abschiebungsverbote bezogen auf Afghanistan sind im Dublin-Verfahren nicht zu prüfen. Eine Einreise nach Bulgarien ist - auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie - zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) tatsächlich möglich, § 34a Abs. 1 AsylG. Es bestehen keine pandemiebedingten Beschränkungen für die Einreise nach Bulgarien (www...., 16. November 2022).
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3. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) stellt sich ebenfalls als rechtmäßig dar. Nach Ansicht des Gerichts ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf elf Monate angemessen (§ 11 Abs. 2 AufenthG). Die Befristung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten gesetzlichen Rahmens von bis zu fünf Jahren und berücksichtigt die Belange des Klägers in angemessener Weise. Das nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.
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Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.