Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 15.09.2022 – Au 8 E 22.1757
Titel:

Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs bei ermittlungsrichterlichen Maßnahmen

Normenketten:
GVG § 17, § 17a
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 123
StPO § 98, § 105, § 162, § 304, § 306
OWiG § 46
Leitsätze:
1. Wird ein Eilantrag bei einem unzuständigen Gericht gestellt, bringt es für die Beschleunigung nichts, wenn der Antrag nicht an das zuständige Gericht verwiesen, sondern als unzulässig abgelehnt wird mit der Folge, dass er beim zuständigen Gericht neu gestellt werden muss. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Unzulässigkeit des Rechtswegs steht dem angerufen Verwaltungsgericht im Grundsatz nicht die Befugnis zu, über die Zulässigkeit des Antrags im Übrigen zu entscheiden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs, Verweisung an das zuständige Gericht, ermittlungsrichterliche Maßnahmen des Amtsgerichts, Zulässigkeit, Zuständigkeit, Verwaltungsrechtsweg, ermittlungsrichterliche Maßnahmen, Verweisung, Amtsgericht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34435

Tenor

I. Der beschrittene Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Amtsgericht ... verwiesen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutz gegen befürchtete (weitere) Zwangsmaßnahmen der Antragsgegnerin gegenüber seiner Hündin.
2
Der Antragsteller, wohnhaft in der N-Straße in A., ist seit dem 22. März 2018 Halter der streitgegenständlichen Hündin „...“, Wurftag ... Dezember 2017, die bei der Antragsgegnerin zum 1. Mai 2018, der „Moderasse“ nach als „American Bully“, zur Hundesteuer angemeldet wurde. Die Beteiligten stehen hinsichtlich der Frage über die Einordnung dieser Hündin als Kampfhund i.S.d. Art. 37 Abs. 1 LStVG i.V.m. der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit bzw. der vom Antragsteller bei der Antragsgegnerin beantragten Erteilung eines Negativzeugnisses in Streit. Ein u.a. vom Antragsteller vorgelegtes Gengutachten der Hündin bzw. ein Gutachten eines Hundesachverständigen erkannte die Antragsgegnerin nicht an. Am 18. Mai 2022 lehnte der Antragsteller eine einvernehmliche Terminvereinbarung zu einer Rassebegutachtung seiner Hündin durch die Antragsgegnerin ab, wobei dem Antragsteller durch die Antragsgegnerin eröffnet wurde, dass der nächste Schritt eine zwangsweise Begutachtung mittels Durchsuchungsbeschluss sei. Einer Begutachtung vor Ort durch die Antragsgegnerin im Rahmen eines unangekündigten Aufsuchens an seiner Wohnanschrift verweigerte der Antragsteller am 4. Juli 2022, eine eingeräumte Möglichkeit zur Terminvereinbarung innerhalb von zwei Wochen nahm er nicht wahr.
3
Am 11. August 2022 erließ das Amtsgericht ... (Gz. 64 Gs 4917/22) auf Antrag der Antragsgegnerin hin im Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts der Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG einen Beschluss, in welchem gemäß § 46 OWiG i.V.m. §§ 102, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1, 33 Abs. 2 und 4 StPO ohne vorherige Anhörung die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen, der Geschäftsräume mit Nebenräumen und der Fahrzeuge des Antragstellers nach der streitgegenständlichen Hündin des Antragstellers und Beweismittel angeordnet wurde. Die Durchsuchung wurde nach § 46 OWiG i.V.m. § 110 Abs. 3 StPO auch auf vom Durchsuchungsobjekt räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von den durchsuchten Räumlichkeiten aus zugegriffen werden kann, erstreckt. Ferner wurde die Beschlagnahme der o.g. Gegenstände gemäß § 46 OWiG i.V.m. §§ 94, 98 StPO angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden.
4
Am 23. August 2022 beabsichtigte die Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin in Begleitung von Berufsfeuerwehr, Polizeikräften und einem Hundesachverständigen eine entsprechende Durchsuchung des Anwesens des Antragstellers durchzuführen. Trotz mehrfachen Klingeln etc. wurde die Wohnungstüre nicht geöffnet. Nachdem aus dem Wohnungsinneren keine Geräusche oder Hundegebell zu vernehmen waren, und die Rollläden der zur Wohnung gehörenden Fenster nach unten gezogen waren, wurde darauf verzichtet die Wohnungstüre aufzubrechen.
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Am 28. August 2022 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage mit dem Ziel der Feststellung, dass die streitgegenständliche Hündin kein Kampfhund i.S.d. Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit ist, hilfsweise mit dem Ziel die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm für die streitgegenständliche Hündin ein Negativzeugnis zu erteilen (Au 8 K 22.1756). Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist noch nicht ergangen. Gleichzeitig begehrt er einstweiligen Rechtsschutz und beantragt,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, jegliche Zwangsmaßnahmen gegen den Antragsteller bezogen auf dessen American-Bulldog-Mix-Hündin „...“, Chipnummer, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Antragsteller eine Sicherung vor Zwangsmaßnahmen der Antragsgegnerin gegen seine Hündin begehre - insbesondere die Wegnahme. Die Befürchtung rühre daher, dass die Antragsgegnerin seine Hündin entgegen den Feststellungen eines Laborbefundes als Kampfhund der Kat. 2 einstufe, dessen gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit nicht widerlegt sei, sowie am 23. August 2022 während der Urlaubsabwesenheit des Antragstellers ein Großaufgebot von sechs Leuten, darunter zwei Polizeibeamte, mit einer großen Hundebox an der Adresse des Antragstellers vorstellig geworden seien. Die versuchte Zwangsmaßnahme der Antragsgegnerin sei rechtswidrig, sodass die beantragte einstweilige Anordnung begründet sei, was näher ausgeführt wurde.
8
Die Antragsgegnerin hat unter Vorlage der Behördenakte keinen Antrag gestellt.
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Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 2. September 2022 zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit angehört. Nach Auffassung des Antragstellers liege keine ermittlungsrichterliche Maßnahme vor. Man könnte die Maßnahme verstehen, wenn Gefahr im Verzug vorliege. Aus den Akten ergebe sich dies jedoch nicht. Auch liege keine irgendwie geartete gerichtliche Verfügung für einen Polizeieinsatz vor. Es liege ein willkürliches Verwaltungshandeln vor, für deren Bekämpfung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diese Auffassung nicht teile, bestehe jedoch Einverständnis mit einer Verweisung an das für den Rechtsweg zuständige Gericht. Die Antragsgegnerin hat sich mit der Verweisung einverstanden erklärt.
10
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, auch im Hauptsacheverfahren Au 8 K 22.1756, sowie die vorliegende Behördenakte Bezug genommen.
II.
11
Für das geltend gemachte Rechtsschutzbegehren ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gemäß § 17a Abs. 2 und 4 GVG ist der Rechtsstreit an das zur Entscheidung sachlich und örtlich zuständige Gericht des einschlägigen Rechtswegs zu verweisen - hier das Amtsgericht, § 46 OWiG i.V.m. §§ 98, 105, 162 bzw. §§ 304, 306 StPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Nr. 6 GerOrgG.
12
Hierbei sind die §§ 17 ff. GVG auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren analog anwendbar. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist damit auch vorliegend im nach § 123 VwGO begehrten einstweiligen Rechtsschutz durch das Gericht zu prüfen. Denn die Bejahung des Rechtswegs und der Zuständigkeit bildet eine derart allgemeine Voraussetzung für jede gerichtliche Entscheidung, dass eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Verfahrensarten keinen Sinn macht. Wird ein Eilantrag bei einem unzuständigen Gericht gestellt, bringt es für die Beschleunigung nichts, wenn der Antrag nicht an das zuständige Gericht verwiesen, sondern als unzulässig abgelehnt wird mit der Folge, dass er beim zuständigen Gericht neu gestellt werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2002 - 20 A 02.40066 und 20 A 02.40068 - juris Rn. 9).
13
Der Antragsteller wendet sich der Sache nach (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) gegen ermittlungsrichterliche Maßnahmen. Der Antragsteller übersieht die nach Aktenlage gegebene ermittlungsrichterliche Grundlage vom 11. August 2022. Auch aus den mit Schriftsatz vom 14. September 2022 vorgelegten eidesstaatlichen Erklärungen über einen (vermeintlich) weiteren Polizeieinsatz am 2. September 2022 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Über den diesbezüglichen Rechtsschutz entscheiden die ordentlichen Gerichte nach Maßgabe der StPO (i.V.m. § 46 OWiG). Unter Berücksichtigung von § 46 OWiG i.V.m. §§ 98, 105, 162 StPO bzw. §§ 304, 306 StPO ergibt sich vorliegend eine Zuständigkeit des Amtsgerichts .... Dorthin war die Rechtssache zur weiteren Sachbehandlung zu verweisen (vgl. VG Augsburg, B.v. 4.4.2018 - Au 4 E 18.236 - Rn. 2). Bei - wie hier gegebener - Unzulässigkeit des Rechtswegs steht dem angerufen Verwaltungsgericht im Grundsatz nicht die Befugnis zu, über die Zulässigkeit des Antrags im Übrigen zu entscheiden (vgl. dazu BayVGH, B.v. 25.9.2015 - 5 C 15.1545 - Rn. 2 m.w.N.).