Titel:
Nachbarklage gegen Baugenehmigung wegen an landwirtschaftlichen Betrieb heranrückende Wohnbebauung
Normenketten:
VwGO § 42
BauGB § 31 Abs. 2, § 34, § 35
Leitsatz:
Eine heranrückende Wohnbebauung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden (hier landwirtschaftlichen) Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen Auflagen rechnen muss (hier verneint wegen bereits bestehender Wohnbebauung). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Drittanfechtungsklage, Landwirtschaftlicher Betrieb im Außenbereich, Heranrückende Wohnbebauung, Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans, Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme (verneint), Anfechtungsklage, Baugenehmigung, Nachbarklage, landwirtschaftlicher Betrieb, Emissionen, heranrückende Wohnbebauung, Rücksichtnahmegebot, bereits bestehende Wohnbebauung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34434
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für das Vorhaben „Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage“ auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung ....
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Die Klägerin ist Eigentümerin der nördlich des Baugrundstücks gelegenen Grundstücke Fl.Nrn. ... und, Gemarkung, und betreibt dort einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Rinderhaltung sowie mobilen Hühnerställen.
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Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... „...weg, östlich des ...weges“. Für das Baugrundstück ist hinsichtlich der Art der Nutzung die Festsetzung „private Grünfläche“ mit der Zweckbestimmung „Grabeland“ getroffen.
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Mit Formblattantrag vom 11. Februar 2021, eingegangen bei der Beklagten am 19. Februar 2021, beantragten die Beigeladenen zunächst die Erteilung eines Vorbescheids für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben, unter anderem zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung. Mit den Antragsunterlagen wurden ein Geruchsimmissionsgutachten des Büros, zuletzt i.d.F. vom 13. Oktober 2021 (Bericht-Nr.: ...) sowie eine schalltechnische Untersuchung des Büros ... vom 14. September 2021 (Bericht-Nr.: ...) vorgelegt. Die schalltechnische Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer Beurteilung der zu erwartenden Schallpegel nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) lediglich auf der Nordseite Überschreitungen zu erwarten seien. Zudem würden in der Nacht die Richtwerte für kurzzeitige Geräuschspitzen ebenfalls in diesem Bereich überschritten. Nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Betriebe seien zwar von der Anwendung der TA Lärm ausgeschlossen, die Immissionsrichtwerte der TA Lärm könnten jedoch zur Orientierung herangezogen werden. Aufgrund der Überschreitungen der Richtwerte und um die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des geplanten Einfamilienhauses zu gewährleisten, werde eine Festverglasung für schutzbedürftige Räume auf der Nordseite empfohlen. Der Orientierungswert der DIN 18005 für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) am Tag in 2 m Höhe werde im Bereich des Gartens und der Terrasse eingehalten. Das Geruchsimmissionsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass im Bereich des geplanten Einfamilienhauses sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten Obergeschoss in allen Bereichen der Grenzwert nach der Geruchs-Immissionsrichtlinie (GIRL) für ein Wohngebiet von 10% relativen Häufigkeiten der Geruchsstunden pro Jahr sicher eingehalten werde. Der Schutz der zukünftigen Bewohner vor unzulässigen Geruchsemissionen durch den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb sei gewährleistet.
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Die Beklagte erließ am 9. Dezember 2021 einen Vorbescheid (Gz. ...). Hiergegen erhob die Klägerin am 30. Dezember 2021 Klage, die mit Urteil vom 26. August 2022 abgewiesen wurde (Az. Au 5 K 21.2601).
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Mit Formblattantrag vom 26. Januar 2022, eingegangen bei der Beklagten am 7. Februar 2022, beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben. Mit dem Bauantrag wurden mehrere Befreiungen nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) beantragt.
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Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 28. März 2022 (Gz. ...) die beantragte Baugenehmigung nach Maßgabe des Bescheids und der beiliegenden, geprüften Bauvorlagen. Der Prüfung wurden die Vorgaben des Art. 59 Bayerische Bauordnung (BayBO) für das vereinfachte Genehmigungsverfahren zugrundegelegt. Dabei wurden Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von der Art der Nutzung (Ziff. II.1.), vom Maß der Nutzung hinsichtlich Grundflächenzahl (Ziff. II.2.) und Geschossflächenzahl (Ziff. II.3.), wegen der Lage auf dem Baugrundstück (Ziff. II.4.), wegen der Dachneigung (Ziff. II.5.), wegen der festgesetzten Dachziegelfarbe (Ziff. II.6.) sowie wegen der Gestaltung der Fensteröffnungen (Ziff. II.7.) erteilt. Der Bescheid enthält die Auflage, an der Nordfassade keine öffenbaren Fenster anzuordnen (Ziff. IV.D.1.). Zur Begründung wurde u.a. auf bereits vorhandene Bezugsfälle in der näheren Umgebung verwiesen. Das Baugrundstück sei im Bebauungsplan Nr. ... aus immissionsschutzrechtlichen Gründen als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Grabeland“ festgesetzt worden. Damit sollte dem landwirtschaftlichen Betrieb in unmittelbarer Nähe zum Plangebiet Rechnung getragen werden. Das Vorhaben sei jedoch in der in den Plänen dargestellten Art und Weise unter Berücksichtigung der beiliegenden schalltechnischen Untersuchung sowie des Immissionsgutachtens mit den immissionsschutzrechtlichen Zielen des Bebauungsplans Nr. ... vereinbar. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt. Die geplante Wohnbebauung sei vergleichbar mit der direkt westlich gelegenen Bebauung, welche ebenfalls in einem Bereich entstanden sei, für den der Bebauungsplan eine private Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Grabeland“ festgesetzt habe. Der Bereich der betreffenden Flurstücke sei mit dem Bebauungsplan Nr. ... mit Datum vom 18. April 2004 in allgemeines Wohnen umgewandelt worden. Das antragsgegenständliche Bauvorhaben mit Wohnnutzung schließe damit eine Lücke in der beinahe durchgehenden Wohnbebauung südlich des ...wegs, welche einzig noch durch den vom antragsgegenständlichen Flurstück östlich gelegenen Gärtnereibetrieb unterbrochen werde. Das Vorhaben füge sich auch unter Berücksichtigung der erteilten Befreiungen in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
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Am 11. April 2022 ließ die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 28. März 2022 erheben und beantragen,
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den Bescheid der Beklagten vom 28. März 2022 zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und, Gemarkung, aufzuheben.
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Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Rahmen des parallelen Eilverfahrens (Az. Au 5 S 22.1081) verwiesen. Darin wurde mit Schriftsatz vom 4. Mai 2022 ausgeführt, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung der Beklagten rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Klägerin werde durch die beabsichtigte heranrückende Wohnbebauung in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb unzumutbar beeinträchtigt. Das beabsichtigte Vorhaben verstoße insoweit gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... hinsichtlich der Art der Nutzung komme aus diesem Grund nicht in Betracht. Sowohl die Geruchsemissionen als auch die vom Betrieb der Klägerin ausgehenden Lärmemissionen seien bei der Genehmigungserteilung nicht angemessen berücksichtigt worden. Die im Verfahren eingeholten Gutachten (zuletzt Geruchsimmissionsgutachten vom 13. Oktober 2021) gingen teilweise von einem unzutreffenden Sachverhalt aus und kämen daher im Ergebnis zu einer deutlich zu geringen Immissionsbelastung für das Baugrundstück. Die Grundstücke Fl.Nrn. ... und ... seien als „Grabeland“ ausgewiesen, um den landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin zu schützen. Dieser habe sich seit der Ausweisung als „Grabeland“ bis zum heutigen Zeitpunkt stark vergrößert. Insgesamt seien nun drei Stallgebäude vorhanden. Im Rahmen des Gutachtens sei nicht berücksichtigt worden, dass sich direkt an der Einfahrt am ...weg die Güllegruben befänden mit laufender Entleerung, Mistlagerplatz, Fütterung, Einstreu sowie den Futtermischungsanlagen. Weiter finde in diesem Bereich und damit direkt gegenüber dem geplanten Bauvorhaben die Anlieferung der Futtermittel sowie die Verladung der Tiere statt. Auch die im Gutachten angegebene Größe des Mistlagerplatzes mit 105 m² sei unzutreffend. Tatsächlich betrage diese 256 m². Weiter sei nicht berücksichtigt, dass im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs der Klägerin auch Kälber zugekauft würden. Darüber hinaus würden in mobilen Ställen Legehennen gehalten. Die im Gutachten angegebenen Tierzahlen seien insoweit insgesamt nicht korrekt. Auf den Genehmigungsbescheid vom 18. September 2020 werde verwiesen. Nicht zutreffend sei auch, dass sich der vorhandene Hühnerauslauf (lediglich) auf der Westseite des Grundstücks der Klägerin befinde. Vielmehr diene das gesamte Betriebsgelände als Auslauffläche. Entgegen der Darstellung im Gutachten werde der im Jahr 2005 erbaute Rinderstall mit bestehender Güllegrube komplett als Stall genutzt. Unzutreffend wiedergegeben worden seien auch die tatsächlich vorhandenen mechanischen Lüftungen des Stalles. In unmittelbarer Nähe des Bauvorhabens befänden sich weiter die Lüftungstüre sowie die Ein- und Ausstalltüre, die Gerüche und Lärm verursachen würden. Unzutreffend wiedergegeben seien darüber hinaus die angegebenen Höhen der Stallgebäude sowie der Abluftkamine. Es bestünden daher erhebliche Bedenken an der Richtigkeit des erstellten Gutachtens sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen als auch der hierdurch erstellten Beurteilung. Entgegen der Auffassung im Gutachten sei sehr wohl mit einer Verschärfung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an den landwirtschaftlichen Betrieb mit der Folge zusätzlicher Rücksichtnahmepflichten für die Klägerin zu rechnen.
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Mit Beschluss vom 13. April 2022 wurden die Bauherren zum Verfahren notwendig beigeladen. Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragte mit Schriftsatz vom 28. April 2022, die Klage abzuweisen.
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Der Antrag der Klägerin vom 4. Mai 2022 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28. März 2022 wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Mai 2022 abgelehnt (Az. Au 5 S 22.1081). Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Juli 2022 zurückgewiesen (Az. 15 CS 22.1467).
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Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2022 trug der Bevollmächtigte der Klägerin ergänzend vor, die Beklagte habe der Klägerin mit Schreiben vom 18. September 2020 mitgeteilt, dass die von ihr betriebene Hühnerhaltung in einem mobilen Stall genehmigungsfrei sei. Weiter handle es sich vorliegend nicht um eine „Baulücke“. Vielmehr liege „Grabeland“ vor, dessen Festsetzung gerade den Zweck gehabt habe, den Betrieb der Klägerin zu schützen. Im Übrigen könnten bei konventioneller Haltung mehr als 66 Rinder im Viehunterstand gehalten werden. Die Größe des Festmistlagers sei mit 256 m² zutreffend angegeben worden und bestehe seit 1978. Die täglichen Arbeiten würden über die Ostseite durchgeführt. Bei Umsetzung des Bauvorhabens könne sich der Betrieb der Klägerin auch nicht angemessen erweitern, z.B. durch die Errichtung eines Kälberstalles.
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Mit Schriftsatz vom 16. August 2022 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass diese bislang innerhalb eines 3-Jahres-Zeitraumes einen durchschnittlichen GV-Bestand von 57,52 gemeldet habe. Man sei mit dem AELF in Verbindung, um die erhöhten 150 GV umzusetzen. Die an der Ostseite befindliche Güllegrube, die am 15. Juni 1977 genehmigt worden sei, sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Die Situation des Wohngebäudes ...weg ... sei mit dem geplanten Bauvorhaben nicht vergleichbar, weil sich dieses Gebäude nicht direkt an der Einfahrt des Betriebes der Klägerin befinde.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 18. August 2022,
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Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Antragserwiderungsschriftsatz vom 12. Mai 2022 im gerichtlichen Eilverfahren (Az. Au 5 S 22.1081) verwiesen. Darin ist ausgeführt, dass die Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids und speziell gegen das Geruchsgutachten vom 13. Oktober 2021 nicht überzeugen könnten. Es sei schon zweifelhaft, ob es überhaupt auf das Gutachten ankomme, wenn bereits jetzt aufgrund bestehender Wohnbebauung im Süden nicht ungehindert emittiert werden dürfe und das jetzt geplante Wohnbauvorhaben nicht näher an den Betrieb heranrücke. Das geplante Vorhaben schließe die einzige bestehende Baulücke in diesem Straßenabschnitt. Bereits aufgrund dieser Umstände sei eine Rücksichtslosigkeit ausgeschlossen. Die Ausführungen zum Gutachten vom 13. Oktober 2021 könnten dessen Fehlerhaftigkeit nicht begründen. Das Gutachten berücksichtige sämtliche, den Baugenehmigungen entsprechenden Tierzahlen. Der angesprochene Genehmigungsbescheid vom 18. September 2020 liege nicht vor, aus diesem Grund sei nicht ersichtlich, was Inhalt des Bescheids sei. Dass sich die Güllegruben angeblich direkt an der Einfahrt am ...weg befänden, könne nicht nachvollzogen werden. Laut den genehmigten Plänen von 2001 befinde sich ein Festmistlager bzw. eine Güllegrube etwa an der Stelle, wie sie das Gutachten in der Abb. 1, S. 13 darstelle. Dies ergebe sich auch aus dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan im Verfahren von 2001. Auf dem Plan sei die gesamte überbaute Fläche der gegenständlichen Grundstücke mit Freiflächengestaltung dargestellt. Hier sei im südlichen Bereich des Grundstücks keine Güllegrube eingezeichnet. Die Größe des Festmistlagers sei im Gutachten mit 105 m² angenommen. Dies sei etwa die doppelte Größe, wie sie im oben besagten genehmigten Plan dargestellt sei. Die von der Klägerin genannten Flächengrößen könnten zum einen nur bei einem Vor-Ort-Termin tatsächlich nachgeprüft werden. Zum anderen würden diese in immensem Maß den genehmigten Stand überschreiten. Ob zusätzliche Tätigkeiten wie Fütterung, Einstreu, Futtermischungslagen, Anlieferung der Futtermittel oder Verladung der Tiere tatsächlich wie beschrieben stattfänden, könne nicht nachvollzogen werden. Es würden hier relativ unsubstantiiert Behauptungen aufgestellt, um das Gutachten in Zweifel zu ziehen. Inwieweit ein Gutachten darüber hinaus jede einzelne Betriebstätigkeit im Detail berücksichtigen könne und müsse, sei ebenso zweifelhaft. Denn maßgeblich komme es hier auf die Haltung der Tiere in den Ställen an sich an, die für sich gesehen den größten Anteil der Geruchsund Lärmemissionen ausmachen würden. Zu berücksichtigen gälte es schließlich, dass nach den Ausführungen im Gutachten unter Bezugnahme auf die Geruchsimmissionen-Richtlinie (GIRL) im Einzelfall auch höhere Geruchswahrnehmungshäufigkeiten zumutbar seien. Grundsätzlich gelte bei Wohngebieten der Schwellenwert von 0,10 (10% der Jahresstunden). Im Übergang zum Außenbereich könnten auch Zwischenwerte bis maximal 0,15 herangezogen werden. Das Gutachten errechne für das geplante Wohnbauvorhaben einen Wert von maximal 0,09. Im hiesigen Fall sei die Situation der angrenzenden Wohnnutzung an den Außenbereich gegeben, sodass auch höhere Werte als zumutbar angesehen werden könnten. Dies gelte umso mehr, als die eingereichten Pläne keine zu öffnenden Fenster auf der Nordfassade vorgesehen hätten. Mit der Auflage D.1. des Bescheids sei diese bauliche Maßnahme verpflichtend umzusetzen.
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Mit Schriftsatz vom 18. August 2022 wurde ergänzend ausgeführt, dass die immissionsschutzrechtlichen Gutachten zu Geruchs- und Lärmbelastung von einem „worst-case“-Szenario ausgegangen seien, so dass es nicht darauf ankomme, dass die Stallungen der Klägerin tatsächlich nicht mit 150 Tieren ausgelastet seien. Die Güllegrube im Osten des südlichsten Gebäudes des Grundstücks der Klägerin sei im Jahr 1977 genehmigt worden. Sie befinde sich im mittleren Bereich dieses Gebäudes und nicht direkt an der Einfahrt. Zudem sei sie mit einer befahrbaren Betonabdeckung versehen, so dass es nur bei der Entleerung zu Geruchsimmissionen kommen könne. Allein schon durch die fehlende Häufigkeit der Geruchsbelastung trete keine nennenswerte Erhöhung der berechneten Werte ein. Zusätzliche immissionsschutzrechtliche Auflagen würden sich für die Klägerin nicht ergeben.
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Der Bevollmächtigte der Beigeladenen trug zur Begründung des Klageabweisungsantrags mit Schriftsatz vom 24. August 2022 vor, dass sich die von der Klägerin angesprochene Güllegrube nicht direkt an der Einfahrt des Bauvorhabens befinde. Sie liege mittig vor dem vorderen Stallgebäude auf dem Grundstück der Klägerin und damit fast 60 m vom streitgegenständlichen Bauvorhaben entfernt. Die volle Auslastung von max. 150 Tieren sei bereits in den immissionsschutzrechtlichen Gutachten zur Geruchs- und Lärmbelästigung berücksichtigt worden. Die Ausführungen der Klägerin zum Wohngebäude ...weg ... seien irrelevant. Maßgeblich sei der Abstand der bestehenden Nachbargebäude zum Betrieb der Klägerin. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass z.B. das Bestandsgebäude im ... laut dem immissionsschutzrechtlichen Gutachten zum Teil höheren Emissionen ausgesetzt sei als das streitgegenständliche Bauvorhaben und die gleiche Entfernung zur Emissionsquelle aufweise.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 5. August 2022, die Beklagte mit Schreiben vom 18. August 2022 und der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit Schreiben vom 24. August 2022 einer Übertragung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin und einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 24. August 2022 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin wird durch die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 28. März 2022 nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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1. Die Klage ist nicht begründet.
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Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung hat der anfechtende Nachbar nur, wenn das Bauvorhaben den im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden, öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 55 ff. BayBO) und die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, ihr also drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 - 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343). Da es sich vorliegend um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 ff. BauGB, den Vorschriften über die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO, beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.
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a) Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegt nicht vor.
28
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens wurde einschließlich der Erteilung der beantragten Befreiungen zum Gegenstand der vorliegend angefochtenen Baugenehmigung gemacht.
29
aa) Der Klägerin steht kein Abwehranspruch gegen das Bauvorhaben in Form eines Gebietserhaltungsanspruchs zu.
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Das Grundstück der Klägerin liegt nicht, wie das Baugrundstück, im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr., sondern nördlich an den ...weg angrenzend im planungsrechtlichen Außenbereich. Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im jeweiligen Baugebiet liegt, hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen in einem angrenzenden Baugebiet (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2016 - 9 ZB 13.2048 - UPR 2016, 317 Rn. 14; B.v. 19.11.2015 - 1 CS 15.2108 - juris Rn. 4). Die Klägerin kann sich daher nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, da dieser auf einer - für den Fall der gemeinsamen Lage im Bebauungsplangebiet gegebenen - wechselseitigen Eigentumsbindung durch die Baugebietsfestsetzung beruht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 2.5.2016 - 9 ZB 13.2048 - juris Rn. 13), an der es hier gerade fehlt. Zudem zielt der Gebietserhaltungsanspruch auf die Art der baulichen Nutzung, wie sie in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 BauNVO geregelt ist, ab (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, Vorb §§ 29 - 38, Rn. 36). Der Bebauungsplan Nr. ... trifft für das Plangebiet Festsetzungen für ein reines Wohngebiet sowie für ein allgemeines Wohngebiet (s. Planzeichnung i.V.m. Ziff. A.1.2. der Textlichen Festsetzungen). Der Umstand, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung für das Bauvorhaben eine Befreiung von der Festsetzung „Grabeland“ zugunsten einer Wohnnutzung erteilt hat, spielt für die Frage des Gebietserhaltungsanspruchs keine Rolle.
31
bb) Die Klägerin wird durch die mit der angefochtenen Baugenehmigung erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht in nachbarlichen Rechten verletzt.
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(1) Die unter Ziff. II.1. erteilte Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, wonach das Baugrundstück entgegen der zeichnerischen Festsetzung im Bebauungsplan als „Grabeland“ zu Wohnzwecken genutzt werden darf, verletzt die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Festsetzung nach dem Willen der Plangeberin drittschützende Wirkung zugunsten der Klägerin zukommen sollte. Weder aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... noch aus den Festsetzungen ergeben sich konkrete Hinweise darauf, dass der Bebauungsplan insoweit außerhalb des Plangebiets liegenden Dritten Nachbarschutz vermitteln wollte. Vielmehr ergibt sich aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... (Ziff. C.1.3), dass die von den nördlich des ...wegs gelegenen landwirtschaftlichen Betrieben (darunter der Betrieb der Klägerin) ausgehenden Emissionen, insbesondere die Geruchsschwellenwerte, bei der Planung des Wohngebiets berücksichtigt werden sollten. Vorrangiges Ziel war demnach der Schutz der geplanten Wohngebiete vor Emissionen, die von den dem Plangebiet benachbarten landwirtschaftlichen Betrieben ausgehen. Dies ergibt sich auch aus der Begründung zu den Belangen des Immissionsschutzes (Ziffer C 7.1). Die Ausweisung als „Grabeland“ erfolgte deshalb auch nicht dauerhaft. Vielmehr sollte dem Eigentümer der betroffenen Grundstücke ein Zugriff auf die Grundstücke für den Fall, dass die Belange der Landwirtschaft einer baulichen Nutzung als Wohnbauland nicht mehr entgegenstehen sollten, gesichert werden. Diese Überlegungen zielen nicht in erster Linie auf einen Schutzanspruch der benachbarten Landwirtschaft, sondern auf einen Schutzanspruch der im Plangebiet gelegenen Grundstücke. Soweit die landwirtschaftlichen Betriebe mittelbar in einer Art Rechtsreflex von der Festsetzung des „Grabelands“ profitieren, ist offen, ob dies den nachbarschützenden Charakter dieser Festsetzung zugunsten außerhalb des Plangebiets gelegener landwirtschaftlicher Betriebe zu vermitteln vermag. Selbst wenn man jedoch von einem drittschützenden Charakter der Festsetzung „Grabeland“ zugunsten des Betriebs der Klägerin ausgehen wollte, zeigen unter anderem die Baugenehmigungen für die Anwesen ...weg ... und ...weg, dass den Belangen der Landwirtschaft auch mit planerischen Mitteln Rechnung getragen werden kann. Die Festsetzung als „Grabeland“ steht demnach einer Bebauung der betroffenen Grundstücke zu Wohnzwecken, wie auch der Wortlaut der Festsetzung zeigt, nicht dauerhaft und grundsätzlich entgegen.
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(2) Die Befreiungen unter Ziff. II.2. - 7. betreffen das Maß der baulichen Nutzung, die Lage auf dem Baugrundstück sowie gestalterische Fragen. Diese Regelungen sind grundsätzlich nicht geeignet, Drittschutz zu verleihen (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3; B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9). Anhaltspunkte dafür, dass den entsprechenden Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. ... ausnahmsweise Drittschutz zukommen sollte sowie dafür, dass in diesen Schutz auch außerhalb des Plangebiets gelegene Grundstücke oder bauliche Anlagen mit einbezogen werden sollten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Weder aus den Textlichen Festsetzungen noch aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... ergeben sich hierfür Anhaltspunkte.
34
cc) Die angefochtene Baugenehmigung verletzt vorliegend auch nicht das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.
35
Eine heranrückende Wohnbebauung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen Auflagen rechnen muss (st. Rspr., vgl. BayVGH, B. v. 21.1.2022 - 1 CS 21.2866 - juris Rn. 14). Dies ist vorliegend unter Berücksichtigung der im Baugenehmigungsverfahren von den Beigeladenen vorgelegten immissionsschutzrechtlichen Gutachten nicht der Fall.
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(1) Der Abwehranspruch der Klägerin scheitert vorliegend bereits daran, dass das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen nicht stärkeren Belastungen ausgesetzt wäre, als die bereits vorhandene Wohnbebauung (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 5.3.1984 - 4 B 171/83 - BauR 1985, 172/173; BayVGH, U.v. 22.1.1993 - 2 B 91.3575 - juris Rn. 21). Damit wird aber dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin gegenüber der hinzukommenden Wohnnutzung nicht mehr an Rücksichtnahme abverlangt, als sie gegenüber der bereits vorhandenen Wohnnutzung üben muss.
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Unmittelbar westlich an das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen schließen sich die baurechtlich genehmigten Wohngebäude ...weg ... und ...weg ... an. Das Wohngebäude ...weg ... liegt, ebenso wie das Vorhaben der Beigeladenen, dem landwirtschaftlichen Grundstück der Klägerin direkt gegenüber, nur getrennt durch den ...weg. Damit ist davon auszugehen, dass das Wohngebäude ...weg ... sowohl den Geruchs- als auch den Lärmimmissionen, die vom Betrieb der Klägerin ausgehen, in gleicher Weise ausgesetzt ist, wie dies beim streitgegenständlichen Vorhaben der Fall sein wird. Im Hinblick auf diese Immissionssituation waren im Bebauungsplan Nr. ... in § 10 der Textlichen Festsetzungen Vorgaben zum Immissionsschutz aufgenommen worden. Angesichts der nur geringfügigen Lageverschiebung der jeweiligen Wohngebäude in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass sich hinsichtlich der Immissionen durch die verschiedenen, auf dem Betriebsgelände ausgeübten Tätigkeiten, messbare Unterschiede beim Wohngebäude der Beigeladenen einerseits und beim Wohnhaus ...weg ... andererseits ergeben könnten. Dies gilt unabhängig davon, ob die täglichen Arbeiten auf dem Hof im Wesentlichen auf der Ostseite stattfinden und unabhängig davon, ob der tatsächliche Betrieb, wie die Klägerin vorträgt, von den zugrunde gelegten Annahmen der Geruchs- und Lärmgutachten abweicht. Damit muss aber die Klägerin für ihren Betrieb allein wegen der neu hinzutretenden Bebauung keine nachträglichen Auflagen befürchten.
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(2) Zudem liegt eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht vor, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb der Klägerin arbeitet, gegenüber der vorher gegebenen Lage nicht verschlechtert. Insbesondere muss die Klägerin durch die hinzutretende Bebauung nicht mit nachträglichen Auflagen rechnen (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2020 - 15 CS 20.901 - juris Rn. 27; NdsOVG, U.v. 12.6.2018 - 1 LB 141/16 - juris Rn. 23).
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Ein Landwirt kann nach Maßgabe der zum Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze ein Abwehrrecht haben, wenn die von seinem (bestehenden) Betrieb ausgehenden Immissionen die geplante Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigen würden (vgl. VG München, U.v. 19.1.2011 - M 9 K 10.2023 - juris Rn. 31). Zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen ist grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (§ 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)) und auf dessen materiell-rechtliche Maßstäbe (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) zurückzugreifen (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2016 - 2 B 16.231 - juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 21.1.2022 - 1 CS 21.2866 - juris Rn. 14). Durch höchstrichterliche Rechtsprechung ist zudem geklärt, dass für das Rücksichtnahmegebot grundsätzlich von dem legal genutzten vorhandenen Bestand auszugehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.1.1993 - 4 C 19/90 Rn. 20). Denn nur die Beeinträchtigungen, die eine legale Nutzung mit sich bringt, können im Rahmen des vom Gebot der Rücksichtnahme geforderten Interessenausgleichs als Vorbelastung in Ansatz gebracht werden, die der Rücksichtnahmeverpflichtete - hier die Beigeladenen - hinzunehmen hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.1.1993 - 4 C 19/90 Rn. 27). Unter Anwendung dieser Grundsätze stellt sich das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben nicht als ein das Rücksichtnahmegebot verletzendes Vorhaben dar.
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Aus dem Geruchsimmissionsgutachten vom 13. Oktober 2021 ergibt sich, dass sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss des geplanten Einfamilienhauses der Grenzwert nach der GIRL für ein Wohn- und Mischgebiet von 10% relativen Häufigkeiten der Geruchsstunden pro Jahr sicher eingehalten werden kann. Dem Gutachten lagen die Baugenehmigung vom 18. Dezember 2001 für den Neubau einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle und eines Jungviehstalles sowie vom 23. Mai 2017 für den Neubau eines Viehunterstandes und einer landwirtschaftlichen Lagerhalle zu Grunde. Das Geruchsimmissionsgutachten vom 13. Oktober 2021 geht von einem Rinderbestand von 152 Rindern (60 Rinder bereits im Jahr 2000 im Bestand, 92 Rinder in der Planung) aus. Damit geht das Gutachten von einem „worst-case“-Szenario aus. Auf den aktuellen Tierbestand kommt es demnach nicht an. Zudem wurde der Viehunterstand für 66 Rinder im nördlichen Bereich berücksichtigt. Dass die tatsächlich geplante Anzahl an Rindern von den im Gutachten zugrunde gelegten Zahlen in immissionsschutzrechtlich relevanter Weise abweicht, legt die Klägerin nicht substantiiert dar. Allein das Vorbringen, bei konventioneller Haltung könnten im Viehunterstand mehr als 66 Rinder gehalten werden, entspricht jedenfalls nicht der aktuellen Genehmigungslage. Weiter ergibt sich aus den genehmigten Planunterlagen die Lage eines Güllebehälters sowie eines Festmistlagers an der östlichen Grundstücksgrenze, nördlich an das Wohnhaus anschließend. Beide Anlagen wurden im Geruchsimmissionsgutachten gemäß den in den Planunterlagen dargestellten Größen berücksichtigt. Der in den Planunterlagen dargestellte, geplante Güllebehälter mit Mistplatte nördlich des Jungviehstalles ist schon aufgrund seiner Entfernung voraussichtlich nicht geeignet, einen nennenswerten Beitrag zu den Geruchsimmissionen am Bauvorhaben der Beigeladenen zu leisten. Beim Fahrsilo ging das Geruchsimmissionsgutachten zugunsten der Klägerin von einem Besatz mit Grassilage aus, da diese die höchsten Emissionen aufweise. Die von der Klägerin betriebene Hühnerhaltung mit einem mobilen Hühnerstall ist nicht baugenehmigungspflichtig. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass sich aus der Hühnerhaltung in dem von der Klägerin praktizierten Umfang relevante Gesichtspunkte für die Beurteilung der Geruchs- und Lärmimmissionen ergeben könnten. Im Übrigen ist selbst für den Fall, dass eine größere Anzahl von Hühnern den Auslauf auch im westlichen und östlichen Grundstücksbereich nutzen würde, nicht ersichtlich, dass dies zu einer Überschreitung der von den Beigeladenen hinzunehmenden Geruchsstundenhäufigkeiten führen würde. Im Übergang zum Außenbereich, wie hier, können nämlich auch Zwischenwerte bis maximal 0,15 herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2012 - 1 ZB 12.1021, 1 ZB 12.1022 - juris Rn. 20). Nachdem das Geruchsimmissionsgutachten mit einem konservativen Ansatz von einem Wert von max. 0,10 ausgeht, ist nicht zu erwarten, dass selbst bei Einbeziehung aller von der Klägerin vorgetragenen Faktoren der Wert von 0,15 überschritten würde. Dies gilt auch im Hinblick auf die am 15. Juni 1977 genehmigte Güllegrube im südöstlichen Grundstücksbereich. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass diese zu einer Überschreitung des Faktors 0,15 führen könnte. Nach den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 18. August 2022 handelt es sich dabei um eine Güllegrube mit einer befahrbaren Betonabdeckung. Daraus ergibt sich, dass sie nur zur Leerung geöffnet werden muss. Wahrnehmbare Immissionen sind daher nur in einem äußerst geringen, zeitlich begrenzten Umfang zu erwarten.
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Die der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrunde gelegte schalltechnische Untersuchung vom 14. September 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer Beurteilung der zu erwartenden Schallpegel nach der TA Lärm lediglich auf der Nordseite Überschreitungen zu erwarten seien. Die TA Lärm könne, obwohl nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Betriebe von deren Anwendung ausgeschlossen seien, zur Orientierung herangezogen werden. Aufgrund der Überschreitungen der Richtwerte und, um die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des geplanten Einfamilienhauses zu gewährleisten, werde eine Festverglasung für schutzbedürftige Räume auf der Nordseite empfohlen. Der schalltechnischen Untersuchung lagen der genehmigte Bestand der landwirtschaftlichen Gebäude auf dem Grundstück der Klägerin sowie die geplanten Anlagen, soweit sie durch entsprechende Bauanträge dokumentiert waren, zugrunde. Gemäß den Vorgaben des Gutachtens enthält der angefochtene Bescheid unter Ziff. IV.D.1 die Auflage, dass an der Nordfassade keine Fenster angeordnet sein dürfen, die geöffnet werden könnten. Die Belüftung der betroffenen Aufenthaltsräume sei jeweils über die dargestellten Fenster, die um 90° versetzt, also zur West- bzw. Ostfassade orientiert seien, möglich. Das Gutachten zur schalltechnischen Untersuchung wurde zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht (Ziff. IV.D.2.). Nachdem auf der maßgeblichen Nordseite der Fassade des Bauvorhabens der Beigeladenen keine öffenbaren Fenster angebracht werden dürfen, erscheint es unter Zugrundelegung der Erkenntnisse der schalltechnischen Untersuchung ausgeschlossen, dass die als Orientierungshilfe heranzuziehenden Immissionsrichtwerte der TA Lärm durch den Betrieb der Klägerin am Bauvorhaben der Beigeladenen überschritten werden könnten und damit das Rücksichtnahmegebot verletzt würde. Dies gilt umso mehr, als der Bescheid vom 18. Dezember 2001 (Gz. ...), mit dem der Klägerin der Neubau einer landwirtschaftlichen Maschinen-, Getreide-, Heu und Strohbergehalle und eines Jungviehstalles genehmigt worden war, unter Ziff. III.D.3. die Auflage enthält, dass der Beurteilungspegel des beim Betrieb entstehenden Lärms der Lüfter zusammen mit allen anderen Anlagen auf dem Betriebsgelände und mit dem Lärm anderer Betriebe, unabhängig davon, ob der Lärm durch Menschen, Maschinen, Fahrzeuge, Anlagen oder Einrichtungen entsteht, im südlich gelegenen allgemeinen Wohngebiet tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) nicht überschreiten darf. An der West- und Ostseite des Bauvorhabens werden diese Immissionsrichtwerte durch die ermittelten Beurteilungspegel weit unterschritten (vgl. Tab. 3 der schalltechnischen Untersuchung vom 14. September 2021, Seite 14). Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten von grundsätzlich falschen Voraussetzungen ausgehen würde und sich höhere als die errechneten Beurteilungspegel ergeben würden, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beurteilungspegel an West- und Ostfassade weit unter den zulässigen Immissionsrichtwerten liegen und damit selbst bei Unschärfen des Gutachtens nicht von einer Überschreitung der Richtwerte ausgegangen werden kann. Damit hat die Klägerin jedoch keine zusätzlichen Auflagen für ihren Betrieb bei Verwirklichung des Vorhabens zu befürchten.
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(3) Auch unter dem Gesichtspunkt des Erweiterungsinteresses liegt kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.
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Zwar sind künftige Erweiterungsabsichten zu berücksichtigen. Dabei können aber nur entweder bereits konkret geplante oder bei realistischer Betrachtung naheliegende Entwicklungsmöglichkeiten in den Blick genommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 31.01.2013 - 9 CS 12.1507 - juris Rn. 15). Die Klägerin hat keine konkreten Erweiterungsinteressen vorgetragen, die Anlass geben könnten, die Geruchs- und Lärmsituation anders zu beurteilen, als dies in den genannten Gutachten zum Schall und zum Geruch der Fall war (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 31. Mai 2022 - 15 CS 22.1467 - Rn. 8).
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(4) Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass sich das Vorhaben als rücksichtslos erweisen würde, sind nicht ersichtlich.
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Die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sind eingehalten. Werden die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten, sind die Hauptkriterien bei der Beurteilung, ob gleichwohl ausnahmsweise von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück auszugehen ist, die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Das Vorhaben des Beigeladenen hat, gemessen an diesen Kriterien, keine erdrückende oder abriegelnde Wirkung auf den baulichen Bestand der Klägerin.
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b) Eine Verletzung der Klägerin in nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts ist weder vorgetragen noch erkennbar. Insbesondere ist kein Verstoß gegen Abstandsflächenrecht ersichtlich, welches nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO zum Prüfprogramm im vereinfachten Genehmigungsverfahren gehört.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladenen einen eigenen Antrag gestellt und sich mithin auch dem Prozessrisiko ausgesetzt haben, entspricht es billigem Ermessen, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.