Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 26.08.2022 – Au 5 K 21.2601
Titel:

Erfolglose Nachbarklage eines Landwirts gegen Vorbescheid für Einfamilienhaus

Normenketten:
BauGB § 31 Abs. 2, § 35
BayBO Art. 71
VwGO § 101 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im jeweiligen Baugebiet liegt, hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen in einem angrenzenden Baugebiet. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine heranrückende Wohnbebauung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen Auflagen rechnen muss. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Landwirt kann nach Maßgabe der zum Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze ein Abwehrrecht haben, wenn die von seinem (bestehenden) Betrieb ausgehenden Immissionen eine geplante Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigen würden. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorbescheid, Drittanfechtungsklage, Landwirtschaftlicher Betrieb im Außenbereich, Heranrückende Wohnbebauung, Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans in Aussicht gestellt, Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme (verneint), Gebietserhaltungsanspruch, GIRL
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34433

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen den Beigeladenen erteilten Vorbescheid für das Vorhaben „Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage“ auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung ... .
2
Die Klägerin ist Eigentümerin der nördlich des Baugrundstücks gelegenen Grundstücke Fl.Nrn. ... und, Gemarkung, und betreibt dort einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Rinderhaltung sowie mobilen Hühnerställen.
3
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... „...“, ...“. Für das Baugrundstück ist hinsichtlich der Art der Nutzung die Festsetzung „private Grünfläche“ mit der Zweckbestimmung „Grabeland“ getroffen.
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Mit Formblattantrag vom 11. Februar 2021, eingegangen bei der Beklagten am 19. Februar 2021, beantragten die Beigeladenen die Erteilung eines Vorbescheids für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben, u.a. zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung, dem Maß der baulichen Nutzung, der Lage auf dem Grundstück, der Dachform und der Erschließung. Mit den Antragsunterlagen wurden ein Geruchsimmissionsgutachten des Büros, zuletzt i.d.F. vom 13. Oktober 2021 (Bericht-Nr.: ...) sowie eine schalltechnische Untersuchung des Büros ... vom 14. September 2021 (Bericht-Nr.: ...) vorgelegt. Die schalltechnische Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer Beurteilung der zu erwartenden Schallpegel nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) lediglich auf der Nordseite Überschreitungen zu erwarten seien. Zudem würden in der Nacht die Richtwerte für kurzzeitige Geräuschspitzen ebenfalls in diesem Bereich überschritten. Nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Betriebe seien zwar von der Anwendung der TA Lärm ausgeschlossen, die Immissionsrichtwerte der TA Lärm könnten jedoch zur Orientierung herangezogen werden. Aufgrund der Überschreitungen der Richtwerte und um die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des geplanten Einfamilienhauses zu gewährleisten, werde eine Festverglasung für schutzbedürftige Räume auf der Nordseite empfohlen. Der Orientierungswert der DIN 18005 für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) am Tag in 2 m Höhe werde im Bereich des Gartens und der Terrasse eingehalten. Das Geruchsimmissionsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass im Bereich des geplanten Einfamilienhauses sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten Obergeschoss in allen Bereichen der Grenzwert nach der Geruchs-Immissionsrichtlinie (GIRL) für ein Wohngebiet von 10% relativen Häufigkeiten der Geruchsstunden pro Jahr sicher eingehalten werde. Der Schutz der zukünftigen Bewohner vor unzulässigen Geruchsemissionen durch den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb sei gewährleistet.
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Die Beklagte erließ am 9. Dezember 2021 einen Vorbescheid (Gz...). Darin wurde ausgeführt, dass eine Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... widerspreche und somit aus planungsrechtlicher Sicht gemäß § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) nicht zulässig sei (zu Frage 1). Es könne jedoch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in Aussicht gestellt werden, wenn das Gebäude so umgeplant werde, dass sich an der Nordfassade keine öffenbaren Fenster befänden und die beiden betroffenen Aufenthaltsräume jeweils über Fenster, die um 90° versetzt, also zur West- bzw. Ostseite orientiert seien, belüftet würden (zu Frage 3). Die Erschließung sei aus planungsrechtlicher und verkehrsplanerischer Sicht gesichert (zu Frage 2). Auch eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Geschossfläche, hinsichtlich der geplanten Lage des Gebäudes auf dem Baugrundstück und hinsichtlich der Dachgestaltung werde in Aussicht gestellt (zu Fragen 4, 6, 8). Die offene Bauweise entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans (zu Frage 5). Die geplante Erschließung sei bauordnungsrechtlich zulässig (zu Frage 7).
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Am 30. Dezember 2021 ließ die Klägerin Klage gegen den Vorbescheid erheben und beantragen,
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den Vorbescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2021 zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und, Gemarkung, aufzuheben.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 8. März 2022 ausgeführt, dass der streitgegenständliche Vorbescheid der Beklagten rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Klägerin werde durch die beabsichtigte heranrückende Wohnbebauung in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb unzumutbar beeinträchtigt. Das beabsichtigte Vorhaben verstoße insoweit gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... hinsichtlich der Art der Nutzung komme aus diesem Grund nicht in Betracht. Sowohl die Geruchsemissionen als auch die vom Betrieb der Klägerin ausgehenden Lärmemissionen seien bei der Genehmigungserteilung nicht angemessen berücksichtigt worden. Die im Verfahren eingeholten Gutachten (zuletzt Geruchsimmissionsgutachten vom 13. Oktober 2021) gingen teilweise von einem unzutreffenden Sachverhalt aus und kämen daher im Ergebnis zu einer deutlich zu geringen Immissionsbelastung für das Baugrundstück. So seien die angegebenen Tierzahlen nicht korrekt, fehlerhaft sei die Größe des Festmistlagers mit 50 m² sowie die Annahme, dass der Mist gleich abgefahren werde. Zutreffenderweise handle es sich um 160 m² auf der Ostseite und 96 m² auf der Nordseite. Entgegen der Annahme im Gutachten, in welchem nur zwei Stallgebäude erwähnt seien, handle es sich insgesamt um drei Stallgebäude, die in den Jahren 1978, 2005 und 2020 errichtet worden seien. Bei den Lüftungen seien keine Fenster und Türen berücksichtigt worden, die sich in unmittelbarer Nähe des Baugrundstücks befänden. Bei der Maissilage seien 12 m² berechnet, richtigerweise handle es sich um 47,25 m². Hinsichtlich der Legehennenhaltung liege seit 18. September 2020 ein positiver Bescheid vor. Zu beachten sei auch, dass die Grundstücke Fl.Nrn. ... und ... seien als „Grabeland“ ausgewiesen, um den landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin zu schützen. Dieser habe sich seit der Ausweisung als „Grabeland“ bis zum heutigen Zeitpunkt stark vergrößert. Die Festsetzung als „Grabeland“ beabsichtige gerade den Schutz des landwirtschaftlichen Betriebs der Klägerin.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 12. Januar 2022,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 13. April 2022 ausgeführt, dass die Klägerin keine Verletzung drittschützender Rechte erfolgreich geltend machen könne. Das klägerische Grundstück befinde sich außerhalb des Umgriffs des Bebauungsplans Nr. .... Einen planübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch habe die Klägerin nicht. Die Festsetzung des Baugrundstücks als „Grabeland“ sei aus städtebaulichen Gründen erfolgt. Daraus ergebe sich aber kein subjektives Recht der Klägerin, die Nutzung des entsprechenden Grundstücks entsprechend der Festsetzung einzufordern. Unabhängig sei davon auszugehen, dass die erteilte Befreiung von den Festsetzungen als „Grabeland“ ohnehin rechtmäßig erfolgt sei. Auch das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt. Die geplante Wohnbebauung rücke nicht näher als bereits bestehende Wohngebäude an den klägerischen Betrieb heran. Bereits auf den Anwesen ... und ... befänden sich Wohngebäude, die annähernd gleich weit vom Betriebsgebäude der Klägerin entfernt seien. In diese Richtung habe bereits bisher nicht ungehindert emittiert werden können. Die zugrundeliegenden Gutachten zu den vom Betrieb ausgehenden Geruchs- und Lärmimmissionen halte man für mängelfrei. Die klägerseits aufgeworfenen Mängel in der Sachverhaltserfassung seien durch das aktuelle Geruchsimmissionsgutachten vom 13. Oktober 2021 ausgeräumt worden. Ein positiver Bescheid für die Erweiterung der Legehennenhaltung vom 18. September 2020 liege nicht vor, geschweige denn ein entsprechender Bauantrag.
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Mit Beschluss vom 25. Januar 2022 wurden die Bauherren zum Verfahren notwendig beigeladen. Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragte mit Schriftsatz vom 11. März 2022, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 28. März 2022 (Gz. ...) den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Der Antrag der Klägerin vom 4. Mai 2022 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 28. März 2022 (Az. Au 5 K 22.925) wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Mai 2022 abgelehnt (Az. Au 5 S 22.1081). Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Juli 2022 zurückgewiesen (Az. 15 CS 22.1467).
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Mit Schriftsatz vom 16. August 2022 führte der Bevollmächtigte der Klägerin ergänzend aus, dass die Klägerin bislang innerhalb eines 3-Jahres-Zeitraumes einen durchschnittlichen GV-Bestand von 57,52 gemeldet habe. Sie sei mit dem AELF in Verbindung, um die erhöhten 150 GV umzusetzen. Die an der Ostseite befindliche Güllegrube, die am 15. Juni 1977 genehmigt worden sei, sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Die Situation des Wohngebäudes ... sei mit dem geplanten Bauvorhaben nicht vergleichbar, weil sich dieses Gebäude nicht direkt an der Einfahrt des Betriebes der Klägerin befinde.
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Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 18. August 2022 und führte ergänzend aus, dass die immissionsschutzrechtlichen Gutachten zu Geruchs- und Lärmbelastung von einem „Worst-Case“-Szenario ausgegangen seien, so dass es nicht darauf ankomme, dass die Stallungen der Klägerin tatsächlich nicht mit 150 Tieren ausgelastet seien. Die Güllegrube im Osten des südlichsten Gebäudes des Grundstücks der Klägerin sei im Jahr 1977 genehmigt worden. Sie befinde sich im mittleren Bereich dieses Gebäudes und nicht direkt an der Einfahrt. Zudem sei sie mit einer befahrbaren Betonabdeckung versehen, so dass es nur bei der Entleerung zu Geruchsimmissionen kommen könne. Allein schon durch die fehlende Häufigkeit der Geruchsbelastung trete keine nennenswerte Erhöhung der berechneten Werte ein. Zusätzliche immissionsschutzrechtliche Auflagen würden sich für die Klägerin nicht ergeben.
16
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen trug zur Begründung des Klageabweisungsantrags mit Schriftsatz vom 24. August 2022 vor, dass sich die von der Klägerin angesprochene Güllegrube nicht direkt an der Einfahrt des Bauvorhabens befinde. Sie liege mittig vor dem vorderen Stallgebäude auf dem Grundstück der Klägerin und damit fast 60 m vom streitgegenständlichen Bauvorhaben entfernt. Die volle Auslastung von max. 150 Tieren sei bereits in den immissionsschutzrechtlichen Gutachten zur Geruchs- und Lärmbelästigung berücksichtigt worden. Die Ausführungen der Klägerin zum Wohngebäude ... seien irrelevant. Maßgeblich sei der Abstand der bestehenden Nachbargebäude zum Betrieb der Klägerin. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass z.B. das Bestandsgebäude im ... laut dem immissionsschutzrechtlichen Gutachten zum Teil höheren Emissionen ausgesetzt sei als das streitgegenständliche Bauvorhaben und die gleiche Entfernung zur Emissionsquelle aufweise.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 5. August 2022, die Beklagte mit Schreiben vom 18. August 2022 und der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit Schreiben vom 24. August 2022 einer Übertragung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin und einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
18
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 24. August 2022 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
19
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage bleibt ohne Erfolg, denn sie ist, sofern sie zulässig ist, jedenfalls unbegründet. Der den Beigeladenen erteilte Vorbescheid vom 9. Dezember 2021 verletzt die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21
Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der streitgegenständliche, noch nicht bestandskräftige Vorbescheid mit Erlass der Baugenehmigung vom 28. März 2022 erledigt hat oder nicht (zum Meinungsstand s. Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2022, Art. 71 Rn. 116 ff). Im ersteren Fall wäre die Anfechtungsklage wegen Unstatthaftigkeit unzulässig (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 86). Eine Umstellung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht erfolgt. Falls man davon ausgehen wollte, dass sich der Vorbescheid durch die nachfolgende Baugenehmigung nicht erledigt hat, ist die Klage jedenfalls unbegründet.
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1. Die Klage ist nicht begründet.
24
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung des Bauantrages auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen.
25
Eine Baunachbarklage gegen einen solchen Vorbescheid kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Vorbescheides nur dann Erfolg haben, wenn der erteilte Bescheid gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind und dieser dadurch in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommen kann.
26
Ob der angefochtene Vorbescheid den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Nur nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind zu berücksichtigen. Änderungen zu seinen Lasten haben außer Betracht zu bleiben (BVerwG, B.v. 8.11.2010 - 4 B 43/10 - BVerwGE 130, 113 Rn. 13).
27
Gegenstand des Vorbescheides sind nur die im Tenor des Vorbescheides ausdrücklich getroffenen Feststellungen zu den gestellten Fragen im Vorbescheidsantrag.
28
a) Die Antwort zu Frage 1 des Vorbescheidsantrags (planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens) verletzt die Klägerin nicht in nachbarlichen Rechten.
29
Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens wird im Vorbescheid verneint, so dass sich daraus keine Rechtsverletzung der Klägerin ergeben kann.
30
b) Die Antwort zu Frage 3 des Vorbescheidsantrags (Zulässigkeit der geplanten Art der Nutzung - Wohnnutzung) verletzt die Klägerin nicht in nachbarlichen Rechten.
31
Die Klägerin wird durch die mit dem angefochtenen Vorbescheid in Aussicht gestellte Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der geplanten Art der baulichen Nutzung als Wohnnutzung nicht in drittschützenden Rechten verletzt.
32
aa) Die Klägerin kann insoweit keine Verletzung eines Gebietserhaltungsanspruchs geltend machen.
33
Das Grundstück der Klägerin liegt nicht, wie das Baugrundstück, im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr., sondern nördlich an den ... angrenzend im planungsrechtlichen Außenbereich. Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im jeweiligen Baugebiet liegt, hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen in einem angrenzenden Baugebiet (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2016 - 9 ZB 13.2048 - UPR 2016, 317 Rn. 14; B.v. 19.11.2015 - 1 CS 15.2108 - juris Rn. 4). Die Klägerin kann sich daher nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, da dieser auf einer - für den Fall der gemeinsamen Lage im Bebauungsplangebiet gegebenen - wechselseitigen Eigentumsbindung durch die Baugebietsfestsetzung beruht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 2.5.2016 - 9 ZB 13.2048 - juris Rn. 13), an der es hier gerade fehlt. Zudem zielt der Gebietserhaltungsanspruch auf die Art der baulichen Nutzung, wie sie in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 BauNVO geregelt ist, ab (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, Vorb §§ 29 - 38, Rn. 36). Der Bebauungsplan Nr. ... trifft für das Plangebiet Festsetzungen für ein reines Wohngebiet sowie für ein allgemeines Wohngebiet (s. Planzeichnung i.V.m. Ziff. A.1.2. der Textlichen Festsetzungen). Der Umstand, dass der streitgegenständliche Vorbescheid eine Befreiung von der Festsetzung „Grabeland“ zugunsten einer Wohnnutzung in Aussicht stellt, spielt für die Frage des Gebietserhaltungsanspruchs keine Rolle.
34
bb) Es kann dahingestellt bleiben, ob der zeichnerischen Festsetzung des Baugrundstücks im Bebauungsplan Nr. ... als „Grabeland“ nach dem Willen der Plangeberin drittschützende Wirkung zugunsten der Klägerin zukommen sollte. Weder aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... noch aus den Festsetzungen ergeben sich konkrete Hinweise darauf, dass der Bebauungsplan insoweit außerhalb des Plangebiets liegenden Dritten Nachbarschutz vermitteln wollte. Vielmehr ergibt sich aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... (Ziff. ...), dass die von den nördlich des ... gelegenen landwirtschaftlichen Betrieben (darunter der Betrieb der Klägerin) ausgehenden Emissionen, insbesondere die Geruchsschwellenwerte, bei der Planung des Wohngebiets berücksichtigt werden sollten. Vorrangiges Ziel war demnach der Schutz der geplanten Wohngebiete vor Emissionen, die von den dem Plangebiet benachbarten landwirtschaftlichen Betrieben ausgehen. Dies ergibt sich auch aus der Begründung zu den Belangen des Immissionsschutzes (Ziffer ...). Die Ausweisung als „Grabeland“ erfolgte deshalb auch nicht dauerhaft. Vielmehr sollte dem Eigentümer der betroffenen Grundstücke ein Zugriff auf die Grundstücke für den Fall, dass die Belange der Landwirtschaft einer baulichen Nutzung als Wohnbauland nicht mehr entgegenstehen sollten, gesichert werden. Diese Überlegungen zielen nicht in erster Linie auf einen Schutzanspruch der benachbarten Landwirtschaft, sondern auf einen Schutzanspruch der im Plangebiet gelegenen Grundstücke. Soweit die landwirtschaftlichen Betriebe mittelbar in einer Art Rechtsreflex von der Festsetzung des „Grabelands“ profitieren, ist offen, ob dies den nachbarschützenden Charakter dieser Festsetzung zugunsten außerhalb des Plangebiets gelegener landwirtschaftlicher Betriebe zu vermitteln vermag. Selbst wenn man jedoch von einem drittschützenden Charakter der Festsetzung „Grabeland“ zugunsten des Betriebs der Klägerin ausgehen wollte, zeigen unter anderem die Baugenehmigungen für die Anwesen ... und, dass den Belangen der Landwirtschaft auch mit planerischen Mitteln Rechnung getragen werden kann. Die Festsetzung als „Grabeland“ steht demnach einer Bebauung der betroffenen Grundstücke zu Wohnzwecken, wie auch der Wortlaut der Festsetzung zeigt, nicht dauerhaft und grundsätzlich entgegen.
35
cc) Die im Vorbescheid in Aussicht gestellte Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung verletzt auch nicht das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.
36
Eine heranrückende Wohnbebauung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen Auflagen rechnen muss (st. Rspr., vgl. BayVGH, B. v. 21.1.2022 - 1 CS 21.2866 - juris Rn. 14). Dies ist vorliegend unter Berücksichtigung der von den Beigeladenen vorgelegten immissionsschutzrechtlichen Gutachten nicht der Fall.
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(1) Der Abwehranspruch der Klägerin scheitert vorliegend bereits daran, dass das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen nicht stärkeren Belastungen ausgesetzt wäre, als die bereits vorhandene Wohnbebauung (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 5.3.1984 - 4 B 171/83 - BauR 1985, 172/173; BayVGH, U.v. 22.1.1993 - 2 B 91.3575 - juris Rn. 21). Damit wird aber dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin gegenüber der hinzukommenden Wohnnutzung nicht mehr an Rücksichtnahme abverlangt, als sie gegenüber der bereits vorhandenen Wohnnutzung üben muss.
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Unmittelbar westlich an das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen schließen sich die baurechtlich genehmigten Wohngebäude ... und ... an. Das Wohngebäude ... liegt, ebenso wie das Vorhaben der Beigeladenen, dem landwirtschaftlichen Grundstück der Klägerin direkt gegenüber, nur getrennt durch den .... Damit ist davon auszugehen, dass das Wohngebäude ... sowohl den Geruchs- als auch den Lärmimmissionen, die vom Betrieb der Klägerin ausgehen, in gleicher Weise ausgesetzt ist, wie dies beim streitgegenständlichen Vorhaben der Fall sein wird. Im Hinblick auf diese Immissionssituation waren im Bebauungsplan Nr. ... in § 10 der Textlichen Festsetzungen Vorgaben zum Immissionsschutz aufgenommen worden. Angesichts der nur geringfügigen Lageverschiebung der jeweiligen Wohngebäude in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass sich hinsichtlich der Immissionen durch die verschiedenen, auf dem Betriebsgelände ausgeübten Tätigkeiten, messbare Unterschiede beim Wohngebäude der Beigeladenen einerseits und beim Wohnhaus ... ... andererseits ergeben könnten. Dies gilt unabhängig davon, ob die täglichen Arbeiten auf dem Hof im Wesentlichen auf der Ostseite stattfinden und unabhängig davon, ob der tatsächliche Betrieb, wie die Klägerin vorträgt, von den zugrunde gelegten Annahmen der Geruchs- und Lärmgutachten abweicht. Damit muss aber die Klägerin für ihren Betrieb allein wegen der neu hinzutretenden Bebauung keine nachträglichen Auflagen befürchten.
39
(2) Zudem liegt eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht vor, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb der Klägerin arbeitet, gegenüber der vorher gegebenen Lage nicht verschlechtert. Insbesondere muss die Klägerin durch die hinzutretende Bebauung nicht mit nachträglichen Auflagen rechnen (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2020 - 15 CS 20.901 - juris Rn. 27; NdsOVG, U.v. 12.6.2018 - 1 LB 141/16 - juris Rn. 23).
40
Ein Landwirt kann nach Maßgabe der zum Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze ein Abwehrrecht haben, wenn die von seinem (bestehenden) Betrieb ausgehenden Immissionen die geplante Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigen würden (vgl. VG München, U.v. 19.1.2011 - M 9 K 10.2023 - juris Rn. 31). Zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen ist grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (§ 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)) und auf dessen materiell-rechtliche Maßstäbe (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) zurückzugreifen (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2016 - 2 B 16.231 - juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 21.1.2022 - 1 CS 21.2866 - juris Rn. 14). Durch höchstrichterliche Rechtsprechung ist zudem geklärt, dass für das Rücksichtnahmegebot grundsätzlich von dem legal genutzten vorhandenen Bestand auszugehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.1.1993 - 4 C 19/90 Rn. 20). Denn nur die Beeinträchtigungen, die eine legale Nutzung mit sich bringt, können im Rahmen des vom Gebot der Rücksichtnahme geforderten Interessenausgleichs als Vorbelastung in Ansatz gebracht werden, die der Rücksichtnahmeverpflichtete - hier die Beigeladenen - hinzunehmen hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.1.1993 - 4 C 19/90 Rn. 27). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots erkennbar.
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Aus dem Geruchsimmissionsgutachten vom 13. Oktober 2021 ergibt sich, dass sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss des geplanten Einfamilienhauses der Grenzwert nach der GIRL für ein Wohn- und Mischgebiet von 10% relativen Häufigkeiten der Geruchsstunden pro Jahr sicher eingehalten werden kann. Dem Gutachten lagen die Baugenehmigung vom 18. Dezember 2001 für den Neubau einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle und eines Jungviehstalles sowie vom 23. Mai 2017 für den Neubau eines Viehunterstandes und einer landwirtschaftlichen Lagerhalle zu Grunde. Das Geruchsimmissionsgutachten vom 13. Oktober 2021 geht von einem Rinderbestand von 152 Rindern (60 Rinder bereits im Jahr 2000 im Bestand, 92 Rinder in der Planung) aus. Damit geht das Gutachten von einem „Worst-Case“-Szenario aus. Auf den aktuellen Tierbestand kommt es demnach nicht an. Zudem wurde der Viehunterstand für 66 Rinder im nördlichen Bereich berücksichtigt. Dass die tatsächlich geplante Anzahl an Rindern von den im Gutachten zugrunde gelegten Zahlen in immissionsschutzrechtlich relevanter Weise abweicht, legt die Klägerin nicht substantiiert dar. Allein das Vorbringen, bei konventioneller Haltung könnten im Viehunterstand mehr als 66 Rinder gehalten werden, entspricht jedenfalls nicht der aktuellen Genehmigungslage. Weiter ergibt sich aus den genehmigten Planunterlagen die Lage eines Güllebehälters sowie eines Festmistlagers an der östlichen Grundstücksgrenze, nördlich an das Wohnhaus anschließend. Beide Anlagen wurden im Geruchsimmissionsgutachten gemäß den in den Planunterlagen dargestellten Größen berücksichtigt. Der in den Planunterlagen dargestellte, geplante Güllebehälter mit Mistplatte nördlich des Jungviehstalles ist schon aufgrund seiner Entfernung voraussichtlich nicht geeignet, einen nennenswerten Beitrag zu den Geruchsimmissionen am Bauvorhaben der Beigeladenen zu leisten. Beim Fahrsilo ging das Geruchsimmissionsgutachten zugunsten der Klägerin von einem Besatz mit Grassilage aus, da diese die höchsten Emissionen aufweise. Die von der Klägerin betriebene Hühnerhaltung mit einem mobilen Hühnerstall ist nicht baugenehmigungspflichtig. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass sich aus der Hühnerhaltung in dem von der Klägerin praktizierten Umfang relevante Gesichtspunkte für die Beurteilung der Geruchs- und Lärmimmissionen ergeben könnten. Im Übrigen ist selbst für den Fall, dass eine größere Anzahl von Hühnern den Auslauf auch im westlichen und östlichen Grundstücksbereich nutzen würde, nicht ersichtlich, dass dies zu einer Überschreitung der von den Beigeladenen hinzunehmenden Geruchsstundenhäufigkeiten führen würde. Im Übergang zum Außenbereich, wie hier, können nämlich auch Zwischenwerte bis maximal 0,15 herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2012 - 1 ZB 12.1021, 1 ZB 12.1022 - juris Rn. 20). Nachdem das Geruchsimmissionsgutachten mit einem konservativen Ansatz von einem Wert von max. 0,10 ausgeht, ist nicht zu erwarten, dass selbst bei Einbeziehung aller von der Klägerin vorgetragenen Faktoren der Wert von 0,15 überschritten würde. Dies gilt auch im Hinblick auf die am 15. Juni 1977 genehmigte Güllegrube im südöstlichen Grundstücksbereich. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass diese zu einer Überschreitung des Faktors 0,15 führen könnte. Nach den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 18. August 2022 handelt es sich dabei um eine Güllegrube mit einer befahrbaren Betonabdeckung. Daraus ergibt sich, dass sie nur zur Leerung geöffnet werden muss. Wahrnehmbare Immissionen sind daher nur in einem äußerst geringen, zeitlich begrenzten Umfang zu erwarten.
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Die dem streitgegenständlichen Vorbescheid zugrunde gelegte schalltechnische Untersuchung vom 14. September 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer Beurteilung der zu erwartenden Schallpegel nach der TA Lärm lediglich auf der Nordseite Überschreitungen zu erwarten seien. Die TA Lärm könne, obwohl nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Betriebe von deren Anwendung ausgeschlossen seien, zur Orientierung herangezogen werden. Aufgrund der Überschreitungen der Richtwerte und, um die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des geplanten Einfamilienhauses zu gewährleisten, werde eine Festverglasung für schutzbedürftige Räume auf der Nordseite empfohlen. Die Belüftung der betroffenen Aufenthaltsräume solle jeweils über die dargestellten Fenster, die um 90° versetzt, also zur West- bzw. Ostfassade orientiert seien, ermöglicht werden. Der schalltechnischen Untersuchung lagen der genehmigte Bestand der landwirtschaftlichen Gebäude auf dem Grundstück der Klägerin sowie die geplanten Anlagen, soweit sie durch entsprechende Bauanträge dokumentiert waren, zugrunde. Unter Zugrundelegung der Erkenntnisse der schalltechnischen Untersuchung und den darin ausgesprochenen Empfehlungen, die in der Antwort zu Frage 3 aufgegriffen werden, erscheint es ausgeschlossen, dass die als Orientierungshilfe heranzuziehenden Immissionsrichtwerte der TA Lärm durch den Betrieb der Klägerin am Bauvorhaben der Beigeladenen überschritten werden könnten und damit das Rücksichtnahmegebot verletzt würde. Dies gilt umso mehr, als der Bescheid vom 18. Dezember 2001 (Gz. ...), mit dem der Klägerin der Neubau einer landwirtschaftlichen Maschinen-, Getreide-, Heu und Strohbergehalle und eines Jungviehstalles genehmigt worden war, unter Ziff. ... die Auflage enthält, dass der Beurteilungspegel des beim Betrieb entstehenden Lärms der Lüfter zusammen mit allen anderen Anlagen auf dem Betriebsgelände und mit dem Lärm anderer Betriebe, unabhängig davon, ob der Lärm durch Menschen, Maschinen, Fahrzeuge, Anlagen oder Einrichtungen entsteht, im südlich gelegenen allgemeinen Wohngebiet tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) nicht überschreiten darf. An der West- und Ostseite des Bauvorhabens werden die Immissionsrichtwerte durch die ermittelten Beurteilungspegel weit unterschritten (vgl. Tab. 3 der schalltechnischen Untersuchung vom 14. September 2021, Seite 14). Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten von grundsätzlich falschen Voraussetzungen ausgehen würde und sich höhere als die errechneten Beurteilungspegel ergeben würden, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beurteilungspegel an West- und Ostfassade weit unter den zulässigen Immissionsrichtwerten liegen und damit selbst bei Unschärfen des Gutachtens nicht von einer Überschreitung der Richtwerte ausgegangen werden kann. Damit hat die Klägerin jedoch keine zusätzlichen Auflagen für ihren Betrieb bei Verwirklichung des Vorhabens zu befürchten.
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(3) Auch unter dem Gesichtspunkt des Erweiterungsinteresses liegt kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.
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Zwar sind künftige Erweiterungsabsichten zu berücksichtigen. Dabei können aber nur entweder bereits konkret geplante oder bei realistischer Betrachtung naheliegende Entwicklungsmöglichkeiten in den Blick genommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 31.01.2013 - 9 CS 12.1507 - juris Rn. 15). Die Klägerin hat keine konkreten Erweiterungsinteressen vorgetragen, die Anlass geben könnten, die Geruchs- und Lärmsituation anders zu beurteilen, als dies in den genannten Gutachten zum Schall und zum Geruch der Fall war (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 31. Mai 2022 - 15 CS 22.1467 - Rn. 8).
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(4) Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass sich das Vorhaben als rücksichtslos erweisen würde, sind nicht ersichtlich.
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Die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sind eingehalten. Werden die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten, sind die Hauptkriterien bei der Beurteilung, ob gleichwohl ausnahmsweise von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück auszugehen ist, die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Das Vorhaben des Beigeladenen hat, gemessen an diesen Kriterien, keine erdrückende oder abriegelnde Wirkung auf den baulichen Bestand der Klägerin.
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c) Die Antworten im Vorbescheid zu Frage 2 (Sicherung der Erschließung planungsrechtlich und aus verkehrsrechtlicher Sicht), Frage 4 (Maß der Nutzung), Frage 5 (Bauweise), Frage 6 (geplante Lage auf dem Baugrundstück), Frage 7 (bauordnungsrechtliche Zulässigkeit der Erschließung), Frage 8 (geplante Dachform) des Vorbescheidsantrags verletzen die Klägerin nicht in nachbarlichen Rechten.
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Diese Fragen betreffen durchwegs öffentlich-rechtliche Vorschriften, die grundsätzlich nicht geeignet sind, Drittschutz zu verleihen (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3; B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9). Anhaltspunkte dafür, dass, soweit Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... in Aussicht gestellt wurden, diesen Festsetzungen ausnahmsweise Drittschutz zukommen sollte sowie dafür, dass in diesen Schutz auch außerhalb des Plangebiets gelegene Grundstücke oder bauliche Anlagen mit einbezogen werden sollten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Weder aus den Textlichen Festsetzungen noch aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... ergeben sich hierfür Anhaltspunkte.
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Die Fragen 9, 10 und 11 des Vorbescheidsantrags blieben im Vorbescheid unbeantwortet, eine Rechtsverletzung der Klägerin kann sich deshalb insoweit nicht ergeben.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladenen einen eigenen Antrag gestellt und sich mithin auch dem Prozessrisiko ausgesetzt haben, entspricht es billigem Ermessen, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.