Inhalt

VGH München, Urteil v. 20.07.2022 – 12 B 21.3169
Titel:

Online-Antrag ohne qualifizierte elektronische Signatur ist fristwahrend – Bayerische Eigenheimzulage

Normenketten:
GG Art. 3
EMRK Art. 6
BayVwVfG Art. 3a, Art. 25, Art. 32
BayHO Art. 44
EHZR Ziff. 9.2. S. 1, Ziff. 10
BV Art. 118 Abs. 1
Leitsätze:
Nach Art. 10 Satz 1 BayVwVfG gilt im Verwaltungsverfahren der Grundsatz der Nichtförmlichkeit. Soweit daher keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen, ist auch die Antragstellung an eine bestimmte Form nicht gebunden mit der Folge, dass hierfür die Verwendung elektronischer Kommunikation ohne qualifizierte elektronische Signatur zulässig ist und gegebenenfalls fristwahrend wirken kann. (Rn. 34)
Ausgangspunkt für die Frage, ob auf der Basis einer Förderrichtlinie und auf der Grundlage von Art. 3 GG ein Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht, bildet die ständige Verwaltungspraxis der zuständigen Behörde in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt; die Handhabung der Förderrichtlinie muss stets Raum für die Berücksichtigung atypischer Besonderheiten eines Einzelfalles lassen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bayerische Eigenheimzulage, Schriftformerfordernis bei Antragstellung, Fristwahrung durch Online-Antragstellung, Faires Verfahren, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Fehlerhafte Auskunft über Verfahrensstand, Schriftformerfordernis, Antragstellung, Online-Antragstellung, qualifizierte Signatur
Vorinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 21.12.2021 – 12 ZB 20.2694
VG Augsburg, Urteil vom 30.09.2020 – Au 4 K 20.655
Fundstellen:
BayVBl 2022, 823
BeckRS 2022, 34418
LSK 2022, 34418

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. September 2020 (Az.: Au 4 K 20.655) und der Bescheid der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom 11. März 2020 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger nach der Richtlinie für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau oder Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken (Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinie - EHZR) vom 7. August 2018 die Eigenheimzulage zu gewähren.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf 10.000,- € festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung der Bayerischen Eigenheimzulage nach der Richtlinie für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau oder Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken (Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinie - EHZR) vom 7. August 2018 (Az. 31-4740.7-2).
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1. Der Kläger erwarb gemeinsam mit seiner Ehefrau mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Oktober 2018 eine Doppelhaushälfte in der T.-Straße 2a in A.. Ausweislich der erweiterten Meldebescheinigung der Verwaltungsgemeinschaft A. bezog das Ehepaar die Doppelhaushälfte am 10. Dezember 2018. In der Folge stellte der vom Kläger beauftragte Steuerberater am 15. Mai 2019 unter Nutzung der seitens der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt (BayernLabo) im Internet bereitgestellten Antragsformulare zunächst online einen Antrag auf Gewährung der Bayerischen Eigenheimzulage unter der Abrechnungsnummer 502834114513713 und der Referenznummer 9500080536. Nach Angaben des Klägers übergab ihm die Steuerfachangestellte S. der beauftragten Steuerkanzlei noch am gleichen Tag den ausgedruckten Antrag sowie die erforderlichen Anlagen zur Versendung an die BayernLabo. Daraufhin habe er, ebenfalls noch am gleichen Tag, diese Unterlagen auf die Poststelle Illertissen, Filiale 526, im R.- Markt Illertissen zur Post gebracht. Dabei sei im Zuge des erforderlichen Legitimationsverfahrens auch sein Ausweis gescannt worden. Eine Bestätigung dieses Vorgangs werde ihm von der Poststelle Illertissen jedoch verweigert.
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Nach Aussage der Steuerfachangestellten S. der Steuerkanzlei M. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hatte sie sich im Juni 2019 aber auch schon vorher mehrfach bei der BayernLabo nach dem Stand des Verfahrens des Klägers erkundigt und dabei die Auskunft erhalten, dass der Antrag bearbeitet würde und man sich gedulden müsse. Bei einem weiteren Telefonat am 14. November 2019 habe dann ein Mitarbeiter der BayernLabo, Herr O., ihr gegenüber erklärt, dass zwar ein am 15. Mai 2019 gestellter Online-Antrag des Klägers vorliege, aber noch kein Posteingang hierzu zu verzeichnen gewesen sei. Daraufhin versandte der Kläger unter dem Datum 15. November 2019 die Unterlagen für die Gewährung der Eigenheimzulage - nach seinen Angaben zum zweiten Mal - an die BayernLabo. Der dortige Posteingang erfolgte gemäß Eingangsstempel am 18. November 2019.
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2. Mit Bescheid vom 11. März 2020 lehnte die BayernLabo den Antrag auf Gewährung der Eigenheimzulage nach Ziffer 9.2 der Eigenheimzulagen-Richtlinie ab, da die Antragstellung später als sechs Monate nach dem Bezug der Immobilie erfolgt sei. Hiergegen ließ der Kläger zunächst durch seinen Steuerberater am 26. März 2020 „Widerspruch“ einlegen. Der Antrag auf Gewährung der Eigenheimzulage sei am 15. Mai 2019 elektronisch bei der BayernLabo gestellt worden. Zeitgleich habe der Kläger die Unterlagen mit entsprechender Legitimation bei der Post eingereicht. Die Antragstellung sei fristgerecht erfolgt, da der Kläger die Doppelhaushälfte am 10. Dezember 2018 bezogen habe. Trotz mehrerer Nachfragen bei der BayernLabo hätte er keine Auskunft erhalten, ob alles ordnungsgemäß eingegangen sei. Stattdessen sei nur die allgemeine Aussage erfolgt, dass die Bearbeitung dauere. Erst bei einem Telefonat am 14. November 2019 sei von Herrn H. (richtigerweise Herrn O.) mitgeteilt worden, dass der elektronische Antrag bei der BayernLabo eingegangen sei, jedoch die schriftlichen Unterlagen fehlten. Ob diese auf dem Postweg oder bei der BayernLabo untergegangen seien, könne nicht mehr festgestellt werden. Daraufhin habe der Kläger die Unterlagen schnellstmöglich nochmals an die BayernLabo gesandt. Es werde daher um Prüfung der Sachlage und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten.
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Daraufhin teilte die BayernLabo dem Kläger mit Schreiben vom 31. März 2020 mit, dass nach Ziffer 9.2 und 9.3 der bayerischen Eigenheimzulage-Richtlinie die Antragstellung spätestens sechs Monate nach Bezug des Wohnraums erfolgen müsse. Als Nachweis hierfür würde das Bezugsdatum gemäß der erweiterten Meldebescheinigung in Verbindung mit dem Eingang des vollständigen und unterschriebenen Antrags bei der BayernLabo dienen. Im Mai 2019 seien jedoch keine Unterlagen des Klägers und auch keine Legitimationsinformationen seitens der Deutschen Post bei der BayernLabo eingegangen. Es werde um Verständnis dafür gebeten, dass im Zuge der Gleichbehandlung keine Ausnahme gewährt werden könne.
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3. Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 30. September 2020 als unbegründet ab.
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3.1 Der Antrag auf Gewährung der Eigenheimzulage sei nach Ziffer 9.2 Satz 1 der Eigenheimzulagen-Richtlinie vom Kläger zu spät gestellt worden, da das unterschriebene Originalformular erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist beim Beklagten eingegangen sei. Laut der erweiterten Meldebescheinigung sei der Bezug der Doppelhaushälfte am 10. Dezember 2018 erfolgt, sodass die Frist zur Antragstellung bis einschließlich 10. Juni 2019 gelaufen sei. Die insoweit unbestrittene Einreichung des Online-Antrags durch den Kläger sei am 15. Mai 2019 und damit noch innerhalb der Frist erfolgt. Jedoch komme es nach der ständigen Förderpraxis des Beklagten darauf an, wann der unterschriebene Antrag im Original beim Beklagten eingehe. Der Originalantrag sei jedoch ausweislich der Behördenakte erst am 18. November 2019 und damit zu spät eingegangen. Das Schriftformerfordernis ergebe sich zwar nicht aus der Förderrichtlinie selbst, da diese keine entsprechenden Vorgaben für die Antragstellung enthalte. Die Förderpraxis des Beklagten folge jedoch aus einem Merkblatt, in dem es heiße:
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„Damit ihr Antrag rechtsgültig gestellt wird, benötigen wir ein von Ihnen unterzeichnetes Exemplar des ausgedruckten Antragsformulars.“
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Die gleiche Information erhalte ein Antragsteller auch beim Ausfüllen des Onlineantrags selbst. Ein nicht „rechtsgültig“ gestellter Antrag könne folglich auch nicht fristwahrend gestellt werden. Soweit bei Abgabe des Online-Antrags weiter darauf hingewiesen werde, dass der Antrag erst dann vollständig bearbeitet werde, „sobald das ausgedruckte und unterzeichnete Antragsformular zusammen mit allen Antragsunterlagen und ihre Legitimation“ vorliege, sei dies nicht widersprüchlich, sondern weise darauf hin, dass eine Bearbeitung erst dann erfolgen könne, wenn sämtliche Anlagen zusammen mit dem Originalantrag eingegangen seien. Daraus ergebe sich, dass zumindest der unterschriebene Antrag, wenn auch ohne Anlagen, vor Fristablauf beim Beklagten vorgelegt werden müsse. Zudem habe der Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen, dass er regelmäßig Anträge wegen Verfristung ablehnen würde, wenn diese nicht innerhalb der Frist in Papierform eingehen würden, was der Kläger nicht bestritten habe. Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG liege daher nicht vor. Die Förderpraxis widerspreche auch nicht dem in der Richtlinie festgelegten Förderzweck, da es sich hier lediglich um eine Festlegung des Verwaltungsverfahrens handle, die die materiellen Voraussetzungen der Zulagengewährung jedoch unberührt lasse.
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3.2 Dass der Kläger die Unterlagen bereits am 15. Mai 2019 zur Post gebracht habe, ändere an der Verfristung des Antrags nichts, da es nicht auf die Abgabe des Antrags, sondern auf den Zugang beim Beklagten ankomme. Das Übermittlungsrisiko der Postbeförderung trage der Kläger, sofern er diesen Übersendungsweg beschreite. Er hätte eine Zustellungsart mit Nachweis wählen, zum Beispiel die Versendung als Einschreiben mit Rückschein, und so durch die Versendungsform Vorsorge für den rechtzeitigen Zugang treffen müssen. Hierauf weise der Beklagte bei der Online-Antragstellung hin.
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3.3 Weiter habe der Beklagte auch nicht gegen seine Beratungspflicht aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG bzw. Ziffer 9.3 der Eigenheimzulagen-Richtlinie verstoßen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass sich eine Behörde nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidende oder die Anspruchsberechtigung vernichtende Ausschlussfrist berufen könne, wenn die Versäumung der Frist auf ein staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen sei, ohne deren konkrete Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren könne, und wenn durch die Berücksichtigung der verspäteten Handlung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde. Ein derartiges behördliches Fehlverhalten sei nach der Beweisaufnahme nicht zu erkennen. Die Online-Antragstellung des Klägers sei am 15. Mai 2019 und damit knapp vier Wochen vor Ablauf der Frist erfolgt. Eine gesonderte, konkret individuelle Aufforderung zur Übermittlung des Antrags in Papierform könne vom Beklagten angesichts der geringen Zeitspanne nicht gefordert werden, da es sich bei der Gewährung der Eigenheimzulage um ein Massenverfahren handle. Insoweit habe der Beklagte seiner Informationspflicht dadurch genügt, dass er sowohl durch Merkblätter wie auch direkt bei der elektronischen Antragstellung auf das Erfordernis der Antragstellung in Papierform hingewiesen habe. Im Übrigen werde auch bei der elektronischen Antragstellung darüber informiert, dass eine Eingangsbestätigung nach Erhalt des im Original unterzeichneten Online-Antrags versandt werde. Es wäre deshalb Sache des Klägers gewesen, den Antrag nochmals in Schriftform abzusenden, nachdem ihm zwei bis drei Wochen nach Übermittlung noch keine Eingangsbestätigung des Beklagten vorgelegen habe.
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Zwar habe die für den Steuerberater des Klägers tätige Zeugin glaubhaft bestätigt, ab Juni 2019 mehrfach mit dem Beklagten telefoniert und sich nach dem Stand der Bearbeitung erkundigt zu haben. Nachdem sie jedoch nur die Auskunft erhalten habe, dass der Antrag bearbeitet würde und sie sich gedulden müsse, sie ferner den Eindruck gewonnen hatte, nur eine generelle Auskunft zu erhalten und nicht mit dem konkreten Sachbearbeiter verbunden gewesen zu sein, habe der Beklagte auch im Rahmen der telefonischen Anfragen keine seinen abstrakt generellen Hinweisen und Merkblättern widersprechende Auskünfte erteilt. Die Zeugin habe sich ferner nicht explizit danach erkundigt, ob der Antrag in Papierform mittlerweile beim Beklagten eingegangen sei, sodass der Beklagte hierüber keine unzutreffenden Informationen habe erteilen können.
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4. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 (Az.: 12 ZB 20.2694) hat der Senat die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen. Auf die Beschlussgründe wird verwiesen. Der Anregung des Senats, den Kläger klaglos zu stellen, ist der Beklagte nicht nachgekommen.
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5. Zur Begründung der zugelassenen Berufung lässt der Kläger vortragen, das Verwaltungsgericht sei im Hinblick auf Ziffer 9.2. EHZR zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Antragstellung durch den online übermittelten Antrag nicht fristgerecht erfolgt sei. Die Auffassung der BayernLabo, dass der Antrag ohne Anlagen als nicht eingegangen zu gelten habe, werde durch die gesetzliche Regelung nicht gedeckt. Ferner fehle im Online-Formular der BayernLabo jeglicher Hinweis darauf, dass ein Antrag nur dann als rechtzeitig eingereicht gelte, sofern dieser mit Anlagen versehen worden sei, die wiederum auf dem Postweg eingereicht werden müssten. Unstreitig habe der Kläger alle erforderlichen Unterlagen schriftlich eingereicht. Selbst wenn man davon ausginge, die Unterlagen seien außerhalb der hierfür gesetzten Frist bei der BayernLabo eingegangen, könne dies keine Verspätung des fristgemäß eingegangenen Online-Antrags begründen. Ferner sei evident, dass die BayernLabo ihre Pflicht, den Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung zu unterstützen, verletzt habe. Spätestens im Rahmen der telefonischen Nachfrage hätte dem Kläger die Auskunft erteilt werden müssen, dass die (schriftlichen) Unterlagen noch nicht vorliegen würden. Soweit das Verwaltungsgericht ferner auf eine bestehende Verwaltungspraxis der BayernLabo dahingehend, dass online gestellte Anträge zur Fristwahrung nicht ausreichten, sofern die dazugehörigen Schriftstücke nicht innerhalb der entsprechenden Frist übermittelt würden, abgestellt habe, sei dies unzulässig. Von einer derartigen Verwaltungspraxis könne der Kläger keine Kenntnis besitzen. Selbst wenn es diese Verwaltungspraxis gegeben hätte, wäre die BayernLabo im Rahmen der Sachstandsanfrage des Steuerberaters des Klägers verpflichtet gewesen, hierauf hinzuweisen. Dass dies nicht geschehen sei, verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 6 EMRK sowie gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Schließlich habe die BayernLabo auch gegen die Auskunfts- und Beratungspflicht aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG verstoßen. Sie hätte sich bei der Sachstandsanfrage des Steuerberaters des Klägers nicht mit der Antwort begnügen dürfen, dass der Antrag sich in Bearbeitung befinde. Der Bescheid der BayernLabo vom 11. März 2020 erweise sich daher als rechtswidrig mit der Folge, dass der Klage stattzugeben sei.
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Der Kläger beantragt daher,
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1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. September 2020, Az.: Au 4 K 20.655, den Ablehnungsbescheid des Beklagten durch die Bewilligungsstelle Bayerische Landesbodenkreditanstalt vom 11. März 2020, Antragsnummer 80206986 / 9181 aufzuheben und
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2. den Beklagten zu verurteilen, dem Antrag des Klägers auf eine Eigenheimzulage nach der Richtlinie für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau und Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 7. August 2018 stattzugeben und dem Kläger die Eigenheimzulage zu bewilligen.
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6. Demgegenüber beantragt der Beklagte,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht habe die Klage zutreffend abgewiesen.
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6.1 So sei bereits der Antrag des Klägers nicht fristgerecht eingegangen. Die Eigenheimzulagen-Richtlinie enthalte zwar unmittelbar in ihrem Text keine näheren Vorgaben zur Form der Antragstellung. Ziffer 10 EHZR gebe lediglich an, dass die zu verwendenden Formblätter sowie weitere Unterlagen in elektronischer Form bereitgestellt würden und im Internet unter www.bayernlabo.de erhältlich seien. Dementsprechend könnte die auf der Website ausfüllbaren Formblätter heruntergeladen, versendet und ausgedruckt, nicht hingegen signiert werden. Die Erforderlichkeit eines schriftlichen Antrags ergebe sich jedoch aus Satz 2 der Präambel zur Eigenheimzulagen-Richtlinie, der auf die Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO verweise. Nr. 3.1 Art. 44 VVBayHO lege fest, dass es für die Bewilligung einer Zuwendung grundsätzlich eines schriftlichen oder elektronischen Antrags bedürfe. Die Bewilligungsbehörde habe nach Maßgabe der Förderrichtlinien, sonstiger für die Bewilligung geltender Verwaltungsanweisungen und nach den Verhältnissen im Einzelfall den Nachweis der im Antrag enthaltenen Angaben durch geeignete Unterlagen zu verlangen. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangte Veröffentlichung in einer Rechtsvorschrift sei vorliegend gegeben. Hierfür genüge ein Verweis auf die Verwaltungsvorschriften zur Haushaltsordnung, die von jedermann einsehbar seien. Weiter würde eine elektronische Antragstellung nach Art. 3a BayVwVfG erfordern, den ausgefüllten Antrag mit einer elektronischen Signatur zu versehen, was bei der Beantragung der Eigenheimzulage nicht möglich sei. Die Übermittlung eines ausgefüllten pdf-Dokuments ohne qualifizierte elektronische Signatur stelle keinen elektronischen Antrag dar, sofern keine Eingabe eines elektronischen Identitätsnachweises erfolge. Auf die Erforderlichkeit, den Antrag auszudrucken und postalisch mit entsprechender Legitimation zu versenden, sei der Antragsteller mehrfach ausdrücklich hingewiesen worden. Dieses Verfahren sei üblich und werde zum Beispiel auch bei der Vergabe von Studienplätzen über „hochschulstart.de“ angewandt. Im Übrigen sei „dies“ der vom Kläger beauftragten Steuerberaterkanzlei bekannt gewesen, da die dortige Sachbearbeiterin nach eigenen Angaben die Unterlagen ausgedruckt und dem Antragsteller zur Versendung an die BayernLabo übergeben habe. Ferner verdeutliche die Anzahl von insgesamt mehr als 50.000 bei der BayernLabo postalisch eingegangenen Anträge, dass „dieser Hinweis“ regelmäßig verstanden und beachtet werde. Es seien lediglich „einige wenige Fälle“ bekannt, in denen der Antragsteller vorgetragen habe, von „dem Erfordernis“ keine Kenntnis gehabt zu haben. In bislang keinem dieser Verfahren habe die BayernLabo gerichtlich wie außergerichtlich auf das Schriftformerfordernis verzichtet.
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Weiter werde nicht bestritten, dass ein online gestellter Antrag geeignet sei, die Verwaltung über die mögliche Anzahl der Empfänger einer Subvention in Kenntnis zu setzen. Es stelle jedoch das ureigene Recht des „Gesetzgebers“ dar, die Voraussetzungen für freiwillige Leistungen an Dritte festzulegen. Wenn „der Gesetzgeber“ vorschreibe, indem er auf die Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO verweise, dass keine Ausnahmen von der Schriftlichkeit eines Antrags vorzusehen seien, müsse dies von „der Verwaltung“ beachtet werden. Daher verlange die Eigenheimzulagen-Richtlinie einen schriftlichen Antrag. Dieser habe nicht fristgerecht vorgelegen.
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Mit dem Online-Antrag würden weiterhin auch nicht alle wesentlichen Daten übermittelt, die die BayernLabo für die Entscheidung über die Gewähr der Eigenheimzulage benötige. So seien die erweiterte Meldebescheinigung, die Einkommensteuerbescheide, der Kaufvertrag oder die Baugenehmigung dem Online-Antrag nicht beigefügt. Von der Vorlage der genannten Unterlagen, sei die Bewilligung jedoch abhängig. Eine weitere unabdingbare Voraussetzung bilde die Legitimation des Antragstellers.
Diese könne mangels eines qualifizierten elektronischen Antrags regelmäßig nur über die Post erfolgen. Angesichts des „gesetzlich festgelegten“ Schriftformerfordernisses besitze die Verwaltungspraxis nur insofern Bedeutung, als regelmäßig keine Ausnahmen von der Erforderlichkeit eines schriftlichen Antrags zugelassen würden. Die BayernLabo habe Anträge stets abgelehnt, wenn der schriftliche Antrag nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt worden sei. Hiervon zeugten mehrere Gerichtsverfahren. Ferner gebe es auch keinen Beweis des ersten Anscheins dahingehend, dass ein Brief nach der Aufgabe bei der Post auch tatsächlich beim Empfänger zugegangen sei. Aus Sicht des Beklagten sei daher der Antrag des Klägers nicht fristgerecht eingegangen.
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6.2 Ferner besitze der Kläger auch keinen Anspruch, dass sein Antrag trotz Fristversäumnis als rechtzeitig eingegangen behandelt werde. Versäumnisse, Fehl- oder Falschinformationen zur erforderlichen Schriftform lägen nicht vor. Eine Behörde sei trotz Art. 25 BayVwVfG und Ziffer 9.3 EHZR nicht verpflichtet, ungefragt auf die in der Richtlinie bzw. im Gesetz niedergelegten Anspruchsvoraussetzungen hinzuweisen, insbesondere dann nicht, wenn sich der Antragsteller zur Einreichung seines Antrags eines „in Finanzfragen Rechtskundigen“ bediene. Zudem sei ein Hinweis vor Antragsbearbeitung nicht möglich, da erst nach Aufnahme der Bearbeitung der Sachbearbeiter feststellen könne, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien oder ob Unterlagen nachgereicht werden können bzw. müssen.
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Weiter besäßen die Mitarbeiter der Telefonhotline der BayernLabo keine Möglichkeit zur Auskunftserteilung zu konkreten Anträgen. Aufgabe der Telefonhotline sei die Erteilung allgemeiner Auskünfte. Wolle ein Anrufer einen Sachbearbeiter sprechen, übermittle der Mitarbeiter der Hotline Rückrufwünsche an den Sachbearbeiter, der dann in der Regel innerhalb von 24 Stunden zurückrufe. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Mitarbeiter der Hotline die Auskunft erteilt habe, der Antrag des Anrufenden werde noch bearbeitet. Regelmäßig würden nur Auskünfte zur aktuellen Bearbeitungsdauer gegeben. Weiter habe die Mitarbeiterin der Steuerkanzlei auch nicht ausgesagt, sie hätte der Hotline mitgeteilt, dass sie lediglich den Online-Antrag versendet habe. Vielmehr habe die Zeugin zugestanden, dass ihr lediglich die allgemeine Auskunft erteilt worden sei, dass die Bearbeitung des Antrags noch dauere. Ohne einen Hinweis auf den noch ausstehenden Papierantrag hätten die Mitarbeiter der Hotline keinen Anlass gesehen, nach dem Versanddatum des Papierantrags zu fragen. Zudem werde bei der elektronischen Antragstellung darüber informiert, dass nach Erhalt des unterzeichneten Papierantrags eine Eingangsbestätigung versandt werde. Nachdem der Kläger innerhalb von zwei bis drei Wochen nach dem Versand der Antragsunterlagen noch keine Eingangsbestätigung erhalten hatte, hätte er sich nach einer Eingangsbestätigung erkundigen müssen und nicht lediglich allgemein nach dem Verfahrensstand. Ferner sei den Mitarbeitern der Hotline ab dem 27. Januar 2020 eine Liste mit den tatsächlich eingegangenen Anträgen zur Verfügung gestellt worden, weil diese es als unbefriedigend empfunden hätten, keine genauen Auskünfte zum Eingang des Papierantrags erteilen zu können. Es liege fern jeder Lebenserfahrung, dass ein Mitarbeiter der Hotline im Jahr 2019 Auskünfte erteilt haben solle, die er aus tatsächlichen Gründen nicht habe erteilen können. Angesichts dessen habe die BayernLabo nicht gegen Art. 6 EMRK in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG verstoßen, da sie keinen Fehler begangen habe, der zum Nachteil des Antragstellers geführt habe. Es werde nochmals klargestellt, dass seitens des Beklagten nicht davon ausgegangen werde, dass bei der Hotline eine konkrete Sachstandsanfrage erfolgt sei. Ein Telefonat mit einem Sachbearbeiter der BayernLabo (Herrn O.) habe nach eigenen Angaben des Klägers erst am 14. November 2019 und somit weit nach Fristablauf stattgefunden.
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Selbst wenn die Mitarbeiter der Hotline dem vom Kläger beauftragten Steuerbüro eine falsche Auskunft erteilt hätten, sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich. Wiedereinsetzung sei grundsätzlich dann nicht zu gewähren, wenn eine materielle Ausschlussfrist versäumt wurde. Bei der Pflicht zur Antragstellung innerhalb von sechs Monaten nach dem Bezug der zu fördernden Immobilie handle es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Dem Kläger stehe auch kein Folgenbeseitigungsanspruch analog § 1004 BGB bzw. aus dem Rechtsstaatsprinzip zu, da sich die BayernLabo nicht rechtswidrig auf die Einhaltung der Antragsfrist berufe. Ausschlussfristen erwiesen sich als verbindlich und stünden nicht zur Disposition der Verwaltung. Ferner besitze der Kläger auch keinen Folgenbeseitigungsanspruch, wenn unterstellt werde, die Steuerfachangestellte hätte eine falsche Auskunft dahingehend erhalten, der Antrag des Klägers werde bearbeitet. Der öffentlichrechtliche Folgenbeseitigungsanspruch diene nicht der Geltendmachung eines Schadensersatzes in Geld. Er sei vielmehr darauf gerichtet, die Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Handelns rückgängig zu machen. Es handle sich folglich um einen Wiederherstellungsanspruch, nicht hingegen um einen allgemeinen Wiedergutmachungsanspruch. Der Anspruch richte sich nicht auf die Wiederherstellung des Zustands, wie er ohne den Eingriff bestehen würde, sondern nur auf Wiederherstellung des Zustands, der vor dem Eingriff bestanden habe. Allenfalls könnte der Kläger daher in den Stand versetzt werden, dass noch nicht abschließend über seinen Antrag entschieden worden wäre. Mit einer neuen Entscheidung müsste der Antrag indes erneut wegen Verfristung abgelehnt werden.
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Ferner habe der Kläger bei der Absendung des Antrags mit einfachem Brief - sofern diese tatsächlich erfolgt sei - gegen Sorgfaltsanforderungen verstoßen, die ein vernünftig Denkender wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen beachten würde. Infolge der Online-Antragstellung „nach“ dem 15. Mai 2019 sei offensichtlich gewesen, dass die Antragsfrist lediglich noch rund drei Wochen gelaufen sei. Die BayernLabo habe auf ihrer Website darauf hingewiesen, dass zur Rechtssicherheit die Antragstellung mittels Einschreibens oder Verfolgungsnachweises erfolgen solle. Der Kläger hätte daher den Antrag nebst den ergänzenden Unterlagen „besser nicht“ mit einfachem Brief versenden oder aber gezielt nach dem Eingang des Papierantrags bei der Hotline nachfragen sollen. Sofern er eine entsprechende Bestätigung nicht bis einschließlich 10. Juni 2019 erhalten hätte, hätte er den ausgedruckten Antrag eigenhändig in den Briefkasten der BayernLabo einwerfen müssen.
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7. Mit Schriftsätzen vom 4. März 2022 und 8. März 2022 haben die Verfahrensbeteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichtsund Behördenakten, ferner auf den Zulassungsbeschluss vom 21. Dezember 2021 (Az. 12 ZB 20.2694) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung der Bayerischen Eigenheimzulage nach der Richtlinie für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau und Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken (Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinie - EHZR) vom 7.8.2018 zu.
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Rechtsgrundlage des Anspruchs bildet dabei die EigenheimzulagenRichtlinie in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG (1.). Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der Kläger mit der Einreichung des Online-Antrags bei der BayernLabo am 15. Mai 2019 bereits einen formwirksamen Antrag gestellt und damit dem Fristerfordernis von Ziffer 9.2. Satz 1 EHZR genügt (2.). Selbst wenn man dem Online-Antrag keine fristwahrende Wirkung zuschriebe, wäre der Kläger angesichts der unklaren, wenn nicht gar irreführenden Angaben des Beklagten zur Fristwahrung durch Einreichung eines Online-Antrags bei der BayernLabo nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK und dem Rechtsstaatsprinzip im Falle eines Fristversäumnisses jedenfalls so zu stellen, dass die Frist eingehalten wurde (3.). Dieser Anspruch kommt ihm auch aufgrund des unterbliebenen Hinweises auf den fehlenden Eingang des Antrags in Papierform im Rahmen der Sachstandsanfragen der Mitarbeiterin der vom Kläger beauftragten Steuerkanzlei nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG zu (4.). Ob dem Kläger darüber hinaus durch den Beklagten auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren gewesen wäre, kann offenbleiben (5.).
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1. Dem Grundsatz nach gewährt alleine die Bereitstellung von Fördermitteln im Haus haltsplan in Verbindung mit der entsprechenden Förderrichtlinie in Form einer Verwaltungsvorschrift - im vorliegenden Fall die Richtlinie für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau und Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken (Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinie - EHZR) vom 7.8.2018 (AllMBl. S. 554) - einem Antragsteller keinen Rechtsanspruch auf Gewährung der Förderung (so auch Satz 3 der Präambel der Eigenheimzulagen-Richtlinie; vgl. BayVGH, U.v. 16.6.2021 - 4 B 20.3008 - BeckRS 2021, 22557 Rn. 17). Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, müssen diese jedoch von der zuständigen Bewilligungsbehörde unter Beachtung von Art. 3 GG und Art. 118 Abs. 1 BV gleichmäßig, im Einklang mit Art. 23 und Art. 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in der jeweiligen Richtlinie zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich bei der Kontrolle der Förderentscheidung auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der Förderrichtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Als entscheidend erweist sich insoweit, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine Förderrichtlinie nicht, wie Gesetze oder Rechtsverordnungen, gerichtlich ausgelegt werden; die Richtlinie dient vielmehr allein dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung vgl. aus neuerer Zeit etwa BayVGH, B.v. 7.4.2020 - 6 ZB 19.1647 - BeckRS 2020, 9635 - Rn. 6; B.v. 17.9.2020 - 6 ZB 20.1652 - BeckRS 2020, 24803 Rn. 9). Auch die Ausgestaltung des zu beachtenden Förderverfahrens obliegt allein dem Zuwendungsgeber; ihm kommt auch insoweit die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften zu (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 - W 8 K 21.861 - BeckRS 2021, 41789 Rn. 30). Ausgangspunkt für die Frage, ob auf der Basis der entsprechenden Förderrichtlinie und auf der Grundlage von Art. 3 GG ein Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht, bildet daher die ständige Verwaltungspraxis der zuständigen Behörde in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Die Handhabung der Förderrichtlinie muss stets Raum für die Berücksichtigung atypischer Besonderheiten eines Einzelfalles lassen (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 40 Rn. 54 ff, 59; Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 114 Rn. 42; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 122a). Verstößt die Verwaltungspraxis des Zuwendungsgebers - auch im Hinblick auf das anzuwendende Verfahren - gegen einschlägiges Recht, ist sie außer Betracht zu lassen.
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2. Gemessen an dem vorstehend Dargelegten erfüllt der Kläger im vorliegenden Fall, bei dem die materiellen Fördervoraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage nach der Eigenheimzulagenrichtlinie nicht in Frage stehen, entgegen der Ansicht des Beklagten auch die formalen (Verfahrens-)Anforderungen für die Gewährung der Eigenheimzulage. Bereits mit der Einreichung des Online-Antrags bei der BayernLabo am 15. Mai 2019, der zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist, obwohl der Beklagte aus „technischen Gründen“ sich nicht mehr in der Lage sieht, die Verwaltungsvorgänge darzustellen, wahrt der Kläger die Ausschlussfrist nach Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR, ungeachtet des Umstands, dass sein „schriftlicher Antrag“ einschließlich der Legitimation durch das Post-Ident-Verfahren jedenfalls nach Ansicht des Beklagten erstmals am 18. November 2019 bei der BayernLabo eingegangen ist.
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2.1 Nach Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR ist „die Antragstellung“ für die Gewährung der Eigenheimzulage ab Bezug des geförderten Wohnraums und bis spätestens sechs Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig. Der entsprechende „Antrag“ ist nach Ziffer 9.3 Satz 1 EHZR bei der BayernLabo zu stellen. Die zu verwendenden Formblätter sowie weitere Unterlagen werden nach Ziffer 10 EHZR in elektronischer Form bereitgestellt und sind unter der Internetadresse www.bayernlabo.de erhältlich. Weitere Regelungen zur Form der Antragstellung enthält die Eigenheimzulagen-Richtlinie nicht (zu der praktischen Ausgestaltung der „Online-Antragstellung vgl. VG Augsburg, U.v. 29.9.2021 - Au 4 K 21.1449 - BeckRS 2021, 35399 Rn. 11 bis 13). Sie verweist indes, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, in Satz 2 der Präambel auf die allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO). Nach Ziffer 3.1 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO (VV-BayHO) bedarf es für die Bewilligung einer Zuwendung „grundsätzlich“ eines schriftlichen oder elektronischen Antrags. Richtet sich die Zuwendung hingegen an Betriebe, Unternehmen oder Kommunen, bedarf es nach Ziffer 3.4.1 VV zu Art. 44 BayHO hingegen „stets“ eines schriftlichen oder elektronischen Antrags. Art. 44 BayHO enthält zur Form der Antragstellung bei Zuwendungen keine gesetzliche Regelung.
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2.2 Weiter gilt nach Art. 10 Satz 1 BayVwVfG für die Einreichung eines Antrags der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, 22. Aufl. 2021, § 10 Rn. 10). Danach ist auch die Antragstellung an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Im Bereich des formfreien Verwaltungshandelns ist daher auch beispielsweise die Verwendung elektronischer Kommunikation ohne qualifizierte Signatur zulässig (so ausdrücklich Tegethoff in Harrer/Kugele, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand Februar 2021, Art. 10 BayVwVfG Rn: 2). Rechtsvorschriften, die die Schriftform anordnen, umfassen dabei förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen (Tegethoff, a.a.O,). Keine „Rechtsvorschriften“ im vorgenannten Sinne sind hingegen bloße Verwaltungsvorschriften. Folglich begründet Satz 2 der Präambel zur Eigenheimzulagen-Richtlinie in Verbindung mit den Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO schon kraft seiner Rechtnatur kein Schriftformerfordernis durch eine „Rechtsvorschrift“. Die einzige in diesem Kontext in Betracht kommende Rechtsnorm, nämlich Art. 44 BayHO, enthält, wie bereits ausgeführt, kein Schriftformerfordernis. Hinzu kommt weiter, dass - wie der Vergleich zwischen Ziffer 3.4.1 und Ziffer 3.1 VV zu Art. 44 BayHO zeigt - für die Antragstellung von Privaten lediglich „grundsätzlich“ eine schriftliche oder elektronische Antragstellung erforderlich sein soll, nicht hingegen „stets“ wie bei Unternehmen oder Kommunen als Zuwendungsempfänger. Folglich statuiert Ziffer 3.1. VV zu Art. 44 BayHO entgegen der Auffassung des Beklagten auch der Sache nach keinen Schriftformzwang.
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2.3 Weiter gilt für den Beklagten, worauf er selbst im Rahmen seiner Berufungsbegründung hinweist, Art. 3a des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes hinsichtlich der Möglichkeiten elektronischer Kommunikation. Dabei ist nach Art. 3a Abs. 1 BayVwVfG die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat. Weiter kann eine „durch Rechtsvorschriften angeordnete Schriftform“ nach Art. 3a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG durch die „elektronische Form“ ersetzt werden, der in der Regel ein „elektronisches Dokument“ genügt, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, Art. 3a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Darüber hinaus sieht Art. 3a Abs. 2 Satz 4 Nrn. 1 bis 4 BayVwVfG weitere Möglichkeiten der Ersetzung einer durch Rechtsvorschriften angeordneten Schriftform vor.
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Nachdem es im vorliegenden Fall bei der Antragstellung für die Gewähr der Eigenheimzulage bereits am Erfordernis einer „durch Rechtsvorschriften angeordneten Schriftform“ fehlt, unterliegt die Antragstellung entgegen der Auffassung des Beklagten nicht der „elektronischen Form“ im Sinne von Art. 3a Abs. 2 Satz 1, 2 BayVwVfG, bedarf folglich ein „elektronisches Dokument“ (das nicht identisch mit der Einhaltung der „elektronischen Form“ ist) keiner qualifizierten elektronischen Signatur (vgl. hierzu Tegethoff in Harrer/Kugele, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand November 2021, Art. 3a BayVwVfG Rn. 3.1; Käß in Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Februar 2019, Art. 3a BayVwVfG, Rn. 75 ff, insb. 77). Folglich konnte im vorliegenden Fall der Kläger der BayernLabo als zuständiger Behörde den Antrag auf Gewähr der Eigenheimzulage zulässigerweise nach Art. 3a Abs. 1 BayVwVfG als einfaches „elektronisches Dokument“, beispielsweise als pdf-Datei, wirksam übermitteln, da die BayernLabo für den Empfang elektronischer Dokumente offenkundig einen Zugang eröffnet hatte. Von letzterem Umstand, nämlich dass der „Online-Antrag“ des Klägers ohne Anlagen unter einer entsprechenden Vorgangs- bzw. Referenznummer am 15. Mai 2019 bei der BayernLabo „eingegangen“ ist, gehen alle Verfahrensbeteiligten übereinstimmend aus, wenngleich sich dies vorgeblich aus technischen Gründen von Seiten des Beklagten aktuell nicht mehr nachvollziehen lässt. Damit steht fest, dass der Beklagte bzw. die BayernLabo einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente im Sinne von Art. 3a BayVwVfG eröffnet hatte (zur Zugangseröffnung durch Behörden vgl. Tegethoff in Harrer/Kugele, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand November 2021, Art. 3a BayVwVfG Rn. 2; Käß in Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Februar 2019, Art. 3a BayVwVfG Rn. 55 ff.). Eventuelle wirksame Widmungseinschränkungen dieses Zugangs sind nicht ersichtlich, sodass der Kläger nach Art. 3a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Satz 1 BayVwVfG zulässig und wirksam einen „Online-Antrag“ stellen konnte, der, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, die Frist von Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR wahrt.
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Dem Beklagten bleibt es trotz der Möglichkeit einer wirksamen, elektronischen Antragstellung gleichwohl unbenommen, im Nachgang hierzu einen der Authentifizierungsfunktion genügenden schriftlichen Antrag einschließlich der Durchführung des PostIdent-Verfahrens sowie die Vorlage weiterer Unterlagen (Kaufvertrag, Einkommensteuerbescheid, erweiterte Meldebescheinigung, etc.) zu verlangen. Indes beseitigen derartige Erfordernisse die bereits eingetretene Fristwahrung durch die wirksame Online-Antragstellung nicht.
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Fehl geht in diesem Zusammenhang der Hinweis des Beklagten auf das angeblich vergleichbare Verfahren der Bewerbung um einen Studienplatz über das Online-Portal „hochschulstart.de“. Denn auch bei der Bewerbung über „hochschulstart.de“ wahrt bereits die Online-Antragstellung die Bewerbungsfrist für die Studienplatzvergabe. Sie wird insoweit allerdings durch eine weitere Frist für Stellung des schriftlichen Antrags sowie für die Nachreichung von Unterlagen ergänzt. An einer derartigen Frist fehlt es hingegen in der Eigenheimzulagen-Richtlinie.
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2.4. Angesichts der dargestellten normativen Vorgaben für die Einreichung eines Antrags auf Gewährung der Eigenheimzulage verstößt die behauptete Verwaltungspraxis des Beklagten, als maßgeblich für die Antragstellung im Sinne von Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR allein die schriftliche Antragstellung ausreichen zu lassen, gegen die gesetzlichen Regelungen des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Sie ist daher nach den unter 1. dargelegten Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfung von Subventionsentscheidungen im vorliegenden Fall außer Betracht zu lassen. Dem Kläger kommt folglich über den Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch auf Gewähr der Eigenheimzulage zu.
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Lediglich ergänzend merkt der Senat im vorliegenden Kontext an, dass der Beklagte sich durch das behauptete Abstellen allein auf den Eingang des schriftlichen Antrags zur Fristwahrung bei gleichzeitiger ausschließlicher Bereitstellung der Antragsformulare über das Internetportal www.bayernlabo.de sowie die Ermöglichung der OnlineEinreichung der ausgefüllten Antragsformulare bei der BayernLabo widersprüchlich verhält. Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb einem von einer Behörde zur Verfügung gestellten Möglichkeit der Online-Antragstellung angesichts des Bestrebens um eine Digitalisierung der Verwaltung keine fristwahrende Wirkung zukommen soll, zumal die notwendige Identifikation des Antragstellers sich im Nachgang über das Post-Ident-Verfahren erreichen lässt.
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3. Selbst wann man mit dem Beklagten davon ausginge, dass die Online-Antragstellung des Klägers vom 15. Mai 2019 die Frist von Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR nicht wahrt, müsste man den Kläger nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens, die ihm Art. 6 EMRK und Art. 20 Abs. 3 GG garantieren, gleichwohl so stellen, wie wenn er die Frist eingehalten hätte.
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3.1 Der Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK beinhaltet für das Verwaltungsverfahren, dass eine Behörde aus eigenen oder ihr zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableiten darf (vgl. Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 20). Ebenso fordert das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Gebot einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung und der sich daraus ergebende Grundsatz von Treu und Glauben gerade in Fristfragen, dass für den Rechtssuchenden klar erkennbar sein muss, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. Dabei sind die Grenzen des Zumutbaren dann überschritten, wenn auf den Bürger die Verantwortung für Risiken und Unsicherheiten abgewälzt wird, die Ursache hierfür indes allein in der Sphäre der öffentlichen Gewalt zu finden ist. Unklare Formulierungen gehen stets zu Lasten der Behörde (vgl. zu Erstattung von Schülerbeförderungskosten ausdrücklich BVerwG, U.v. 22.10.1993 - 6 C 10/92 - NVwZ 1994, 575, 577). Resultiert aus den Unklarheiten der kommunizierten Fristenregelung eine Fristversäumnis des Bürgers, darf ihm diese nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht entgegengehalten werden.
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3.2 Im vorliegenden Fall erweist sich die Fristenregelung nach Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR aus der Perspektive des Antragstellers jedenfalls als unklar, wenn nicht sogar irreführend (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 29.9.2021 - Au 4 K 21.1449 - BeckRS 2021, 35399 Rn. 11 ff.). Sofern eine Verwaltungspraxis des Beklagten bestanden hat, unter „Antragstellung“ lediglich die schriftliche, nicht hingegen die Online-Antragstellung zu verstehen, war dies für außenstehende Dritte nicht eindeutig erkennbar. Worin die vom Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angeführte „allgemeingültige Veröffentlichung“ des bei der Antragstellung zu beachtenden Verfahrens zu sehen sein soll, bleibt unerfindlich. Dies folgt zunächst aus der Eigenheimzulagen-Richtlinie selbst, die allein von „Antragstellung“ bzw. Einreichung „des Antrags“ spricht, ohne dies näher zu erläutern. Soweit das Verwaltungsgericht in dem im Merkblatt des Beklagten gegebenen Hinweis „Damit ihr Antrag rechtsgültig gestellt wird, benötigen wir ein von Ihnen unterzeichnetes Exemplar des ausgedruckten Antragsformulars.“ eine für den Bürger nachvollziehbare Erklärung dahingehend erkennen will, dass ein Online-Antrag die Frist der Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR nicht wahrt, ist dem nicht zu folgen. Auch der Schluss, dass lediglich eine „rechtsgültige“ Antragstellung die Frist wahrt, wie ihn das Verwaltungsgericht zieht, lässt sich angesichts der Unbestimmtheit dessen, was als „rechtsgültig“ anzusehen ist, nicht ziehen. Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn der entsprechende Hinweis lauten würde „Damit ihr Antrag fristgemäß gestellt wird, …“. Einen derartigen Hinweis hat der Beklagte im Zuge des Antragsverfahrens hingegen nicht gegeben. Auch der weitere Hinweis, den das Verwaltungsgericht in Bezug nimmt, nämlich dass der Antrag erst dann vollständig bearbeitet wird, „sobald das ausgedruckte und unterzeichnete Antragsformular zusammen mit allen Antragsunterlagen und ihre Legitimation“ vorliegt, trägt zur Klärung der Frage, ob die Fristwahrung bereits durch Einreichung des Online-Antrags eintritt, nichts bei. Folglich bleibt sowohl unter Heranziehung der Eigenheimzulagen-Richtlinie wie auch der vom Beklagten gegebenen Hinweise unklar, was konkret „Antragstellung“ in Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR meint.
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Gerade aufgrund der Ausgestaltung der Antragsfrist als Ausschlussfrist müssen daher im vorliegenden Fall die evidenten „Unklarheiten“ im Zusammenhang mit der Fristwahrung - die im Übrigen auch das Verwaltungsgericht Augsburg in einem Parallelverfahren im Ansatz konzediert (VG Augsburg, U.v. 29.9.2021 - Au 4 K 21.1449 - BeckRS 2021, 35399 Rn. 20: „Auch wenn dort einige Formulierungen zur Antragstellung nicht ganz eindeutig sind …“) - nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung zu Lasten des Beklagten gewertet werden. Er darf insoweit aus der Versäumung der unklar kommunizierten Frist für den Antragsteller keine Verfahrensnachteile ableiten und muss ihn daher nach dem Grundsatz von Treu und Glauben so stellen, wie wenn er die Ausschlussfrist nicht versäumt hätte.
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Demzufolge könnte der Beklagte dem Kläger im vorliegenden Verfahren eine Fristversäumnis durch die „verspätete“ schriftliche Antragstellung bei gleichzeitig „fristgemäßer“ Online-Antragstellung nicht entgegenhalten. Eine entsprechende Verwaltungspraxis wäre auch in diesem Fall wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens außer Betracht zu lassen.
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4. Der Beklagte könnte dem Kläger eine Versäumung der Antragsfrist nach Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR ferner auch deshalb nicht entgegenhalten, weil er, wie vom Kläger geltend gemacht, gegen die ihm nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG (bzw. Ziffer 9.3 der Eigenheimzulagen-Richtlinie) obliegende Auskunfts- und Beratungspflicht verstoßen hat.
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Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten am Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten, Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG. Art und Umfang der von der Behörde einem Verfahrensbeteiligten zu leistenden Beratung sind nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Zwar erfasst die Auskunfts- und Beratungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG keine generelle Pflicht dahingehend, einen Antragsteller ohne gegebenen Anlass über den drohenden Ablauf einer Frist aufgrund fehlender Unterlagen hinzuweisen bzw. die Abgabe entsprechender Unterlagen anzuregen (vgl. hierzu Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 39). Soweit das Verwaltungsgericht und der Beklagte in diesem Sinne darauf abstellen, dass die BayernLabo bei der gegebenen Fallkonstellation nicht von sich aus verpflichtet war, den Kläger - ungefragt - auf den noch ausstehenden Papierantrag hinzuweisen, trifft dies zwar zu, erweist sich jedoch nicht als entscheidungserheblich, da der Kläger auf eine derartige ungefragte Beratungspflicht der Behörde überhaupt nicht abgestellt hat.
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Denn anders verhält es sich dann, wenn ein Antragsteller sich - wie hier - explizit bei der Behörde nach dem Stand des Verfahrens erkundigt und so einen konkreten Anlass für eine entsprechende Beratung und Auskunftserteilung der Behörde setzt (vgl. Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 12). In diesem Fall obliegt es dem um Auskunft ersuchten Bediensteten, sollten Unterlagen fehlen und der Ablauf einer Frist drohen, dem Antragsteller einen entsprechenden Hinweis zu erteilen und ihn damit bei der fristgerechten Antragstellung zu unterstützen (vgl. Hermann in BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2021 § 25 Rn. 31; OVG Bautzen, B.v. 12.7.2018 - 2 B 15/18 - BeckRS 2018, 18105 Rn. 10; OVG Bremen, U.v. 24.10.2019 - 2 B 282/19 - BeckRS 2019, 25695 Rn. 15). Der antragstellende Bürger soll gerade nicht „sehenden Auges“ seines Rechtes verlustig gehen (Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 5). Führt die unvollständige oder unzutreffende Auskunft der Behörde auf eine Sachstandsanfrage zur Fristversäumnis, ist dem Antragsteller nach Art. 32 BayVwVfG gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 20, 45) bzw. der Antragsteller im Wege des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs so zu stellen, als hätte er den verspäteten Antrag rechtzeitig gestellt (Hermann in BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2021, § 25 Rn. 33).
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Nach der Aussage der Angestellte S. des Steuerberaters des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, hat sie sich unter Angabe der entsprechenden Vorgangs- bzw. Referenznummer vor Ablauf der Sechsmonatsfrist mehrfach bei der BayernLabo nach dem Stand des Verfahrens erkundigt und dabei lediglich die „allgemeine“ Auskunft erhalten, der Antrag würde bearbeitet und man müsse sich gedulden. Ausgehend von einer derart konkretisierten Anfrage hätte es den Bediensteten der BayernLabo oblegen, sich angesichts der Angabe eines bestimmten Vorgangs hinsichtlich des konkreten Sachstands kundig zu machen und eine entsprechend fundierte Aussage zum Verfahrensstand und damit insbesondere zum noch ausstehenden schriftlichen Antrag zu geben oder aber gegenüber der Angestellten S. zu konzedieren, dass mangels entsprechender Kenntnis keine Auskunft möglich ist. Demgegenüber erweist sich eine Auskunft dahingehend, dass der Antrag bearbeitet werde und man sich noch gedulden müsse, als irreführend, da nach den einschlägigen „Hinweisen“ des Beklagten die Bearbeitung des Antrags den Eingang aller erforderlichen Unterlagen bei der BayernLabo vorausgesetzt hat. Durch den unterbliebenen Hinweis auf noch ausstehende Unterlagen bzw. eine nur „generalisierende“ Auskunft hat der Beklagte damit eine Ursache für die Versäumung der Antragsfrist gesetzt, sodass diese dem Kläger auch aus diesem Grund nicht entgegengehalten werden kann.
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Soweit der Beklagte entgegen der Aussage der Zeugin S. darüber spekuliert, mit welchem Typus Mitarbeiter diese gesprochen hat - Sachbearbeiter oder Hotline-Mitarbeiter - und was welcher Mitarbeiter wohl in welcher Situation mutmaßlich gesagt haben würde, besitzt dieses Vorbringen keine Substanz. Dass das Auskunftsverhalten der Mitarbeiter der BayernLabo bei telefonischen Sachstandsanfragen von diesen offenbar selbst als defizitär empfunden wurde, belegt der Umstand, dass man nach Angaben der Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt eine Liste mit den Verfahrensnummern und Antragstellern erstellt und der Hotline zur Verfügung gestellt hat.
51
5. Auch im Übrigen wäre dem Kläger voraussichtlich nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG Wiedereinsetzung in die Antragsfrist nach Ziffer 9.2 der EigenheimzulagenRichtlinie zu gewähren gewesen, wie von seinem Steuerberater im „Widerspruch“ vom 26. März 2019 beantragt.
52
Zwar bezieht sich die Regelung des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zunächst nur auf gesetzliche Fristen; sie ist aber als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auch auf Fristen in Verwaltungsvorschriften, an die die bearbeitende Behörde gebunden ist, entsprechend anzuwenden (vgl. hierzu Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 8). Handelt es sich bei einer versäumten Antragsfrist der Sache nach um eine materielle Ausschlussfrist, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwar grundsätzlich nach Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG nicht in Betracht (Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 10). Allerdings gilt dies dann nicht, wenn die Fristversäumung auf einer falschen Auskunft durch die Behörde beruht oder wenn die Behörde zu einer Ausschlussfrist fehlerhaft eine Fristverlängerung gewährt hat, auf die der Betroffene vertraut hat (Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 9).
53
Jedenfalls von einer fehlerhaften bzw. unklaren Information durch die BayernLabo ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der Wahrung der Antragsfrist nach Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR bei der Einreichung des Online-Antrags auszugehen. Dass diese vom Beklagten ausdrücklich angebotene Form der Antragstellung nicht fristwahrend sein soll, ergibt sich, wie bereits dargelegt, weder aus der Richtlinie noch den sonstigen Begleitmaterialien. Von daher spricht viel für die Annahme, dass eine verspätete Übermittlung der Originaldokumente wie auch die Legitimation über das PostIdent-Verfahren - läge sie denn vor - nach fristgemäßer Einreichung des Online-Antrags jedenfalls im Sinne von Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG als unverschuldet anzusehen wäre, mit der Folge, dass dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zugebilligt werden müsste. Dies bedarf indes vorliegend keiner Entscheidung.
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6. Da dem Kläger unter Außerachtlassung der rechtswidrigen Verwaltungspraxis des Beklagten im Hinblick auf die Frist der Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR durch die wirksame Online-Antragstellung keine Fristversäumnis vorgehalten werden kann und auch im Übrigen die Voraussetzungen nach der Eigenheimzulagen-Richtlinie gegeben sind, steht im nach Art. 3 GG bzw. Art. 118 Abs. 1 BV in Verbindung mit der Eigenheimzulagen-Richtlinie ein Anspruch auf Gewährung der Eigenheimzulage zu. Der entgegenstehende Bescheid der BayernLabo sowie das klageabweisende verwaltungsgerichtliche Urteil waren daher aufzuheben und der Beklagte zur Gewährung der Zulage zu verpflichten.
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7. Der Beklagte trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 704, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO. Der Streitwert bemisst sich in beiden Rechtszügen nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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8. Gründe, nach § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.