Inhalt

LG Regensburg, Beschluss v. 07.11.2022 – 42 O 182/22
Titel:

Befangenheit wegen Kenntnis von Ermittlungsverfahren?

Normenkette:
ZPO § 42
Leitsatz:
Liegt eine frühere Tätigkeit einer Richterin als Staatsanwältin länger zurück und weisen die dortigen Erkenntnisse keinen Zusammenhang mit dem Zivilverfahren auf, ist eine Befangenheit selbst dann nicht gegeben, wenn die Richterin in der mündlichen Verhandlung darauf hinweist, dass ihr eine Partei aus ihrer früheren Tätigkeit als Staatsanwältin in der Wirtschaftsabteilung bekannt ist. (Rn. 9 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zivilverfahren, Staatsanwältin, Befangenheit, dienstliche Kenntnis
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.12.2022 – 8 W 3317/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34353

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Beklagtenseite vom 13.09.2022 gegen Frau Richterin am Landgericht wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Im vorliegenden Verfahren fand am 13.09.2022 die mündliche Verhandlung statt.
2
Hierbei stellte noch im Rahmen der Güteverhandlung der Beklagienvertreter folgenden Antrag:
„Es wird beantragt, die zuständige Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Dies aus dem Grund, dass sie im Rahmen der Güteverhandlung erwähnt hat, dass ihr die Firma … sowie weitere Firmen unter ähnlichen Firmennamen aus ihrer Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft, dort in der Wirtschaftsabteilung, bekannt sind“.
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Auf die dienstliche Stellungnahme der abgelehnten Richterin vom 13.09.2022 hierzu wird Bezug genommen.
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Die Klagepartei beantragt, den Befangenheitsantrag zurückzuweisen. Auf die Stellungnahme vom 30.09.2022 wird verwiesen.
5
Beklagtenseits wurde eine weitere Stellungnahme nicht abgegeben.
II.
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Der Ablehnungsantrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen des § 42 ZPO liegen nicht vor.
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Nach dieser Vorschrift kann ein Richter/eine Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Erforderlich sind objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Befangenheit mein: eine unsachliche innere Einstellung des Richters, die sich störend auf seine Distanz, Neutralität und Unparteilichkeit gegenüber den Beteiligten des konkreten Verfahrens auswirken kann (vgl. Zöller, Vollkommer, ZPO, 34. Auflage 2022, § 42 Rn. 8 f.).
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Gemessen an diesen Voraussetzungen erweist sich der Ablehnungsantrag als unbegründet.
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1. Zwar kann grundsätzlich eine frühere Tätigkeit (Mitwirkung) eines Richters in der gleichen oder einer anderen Sache aus verständiger Sicht eines Beteiligten Zweifel an einer unvoreingenommenen Entscheidung in der vorliegenden Sache begründen. Jedoch ist keineswegs jegliche Vorbefassung hierzu geeignet (vgl. Zöller a.a.O. Rn. 15 ff.). Unterschieden werden in der Rechtsprechung insbesondere Fälle prozessrechtlich typischer Vorbefassung wie die Mitwirkung des Richters im PKH Verfahren oder einem vorangegangenen Verfügungsverfahren etc. sowie die Fälle prozessrechtlich atypischer Vorbefassung, wozu auch eine vorangegangene Ermittlungstätigkeit des jetzt zuständigen Richters als ermittelnde(r) Staatsanwalt/Staatsanwältin zählen kann (vl. Zöller a.a.O. Rn. 17).
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Entscheidend ist jedoch immer der Einzelfall und die konkrete Begründung, warum durch eine solche Vorbefassung Zweifel an einer Unvoreingenommenheit geweckt werden können. Hierfür geeignet wäre eine vorzeitige Festlegung des jetzt zuständigen Richters durch die Vorbefassung mit der Folge einer möglichen Voreingenommenheit, zu beachten ist zudem das Verbot des Entscheidens in eigener Sache, soweit ein Richter sein eigenes Verhalten im früheren Verfahren zu beurteilen hätte (vgl. Zöller a.a.O. Rn. 15).
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Beides ist hier nicht der Fall. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Kenntnis der zuständigen Richterin aus ihrer bereits Jahre zurückliegenden Tätigkeit als Staatsanwältin davon, dass gegen die Beklagte ein Ermittlungsverfahren geführt worden ist, etwas mit dem vorliegenden Zivilverfahren zu tun haben könnte; dies wird auch nicht vorgetragen. Entsprechend nimmt die Rechtsprechung einen vorgenannten Fall prozessrechtlich atypischer Vorbefassung als ermittelnde Staatsanwältin nur dann an, wenn die frühere Befassung der jetzigen Zivilrichterin sich auf den gleichen Sachverhalt bezog (vgl. Zöller, a.a.O. Rn. 17).
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2. Aber auch die Tatsache der Erwähnung einer Kenntnis von einem Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte reicht nicht aus, um objektiv begründete Zweifel an der Unparteilichkeit der Richterin zu wecken. Zwar mag eine solche Bemerkung überflüssig gewesen sein, weswegen sich die zuständige Richterin auch entschuldigte. Ein Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren ergab sich hieraus jedoch nicht, die Erwähnung erfolgte lediglich im Rahmen der Güteverhandlung und im Kontext der Ausiotung von prozessökonomischen Vergleichsmöglichkeiten. Eine darüber hinausgehende Bedeutung ist weder ersichtlich, noch wird eine solche im Befangenheitsantrag vorgetragen.