Titel:
Informationszugang nach dem BayUIG, Bau der Zweiten, S-Bahn-Stammstrecke in München, Verzögerungen und Kostensteigerungen, Eilantrag eines Presseorgans auf nähere Auskünfte, Unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, Kein Anordnungsgrund, Unzulässig nachträglich geltend gemachter presserechtlicher Anspruch
Normenketten:
VwGO § 123
BayUIG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 91
Leitsätze:
1. Ein auf presserechtliche Auskunft gerichtetes Eilbegehren ist zu einem auf Informationszugang nach dem BayUIG gerichteten Eilbegehren gegenstandsverschieden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das BayUIG ist kein Instrument der Verfolgung presserechtlicher Interessen, sondern allein der Förderung des Umweltschutzes. Die Maßstäbe des presserechtlichen Auskunftsanspruchs können auf den Informationszugangsanspruch nach dem BayUIG nicht übertragen werden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bearbeitungsfristen für die informationspflichtige Stelle in Art. 3 II RL 2003/4/EG, die in Art. 3 III BayUIG und Art. 6 I BayUIG umgesetzt sind, geben für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Durchsetzung von Informationsansprüchen nichts her. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Informationszugang nach dem BayUIG, Bau der Zweiten, S-Bahn-Stammstrecke in München, Verzögerungen und Kostensteigerungen, Eilantrag eines Presseorgans auf nähere Auskünfte, Unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, Kein Anordnungsgrund, Unzulässig nachträglich geltend gemachter presserechtlicher Anspruch, Zwangsgeld
Fundstellen:
ZGI 2023, 103
LSK 2022, 34343
BeckRS 2022, 34343
Tenor
I. Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin ist Herausgeberin einer überregionalen deutschen Tageszeitung und begehrt auf der Grundlage des Art. 3 des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes (BayUIG) im Eilverfahren nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nähere Auskünfte zum Bau der Zweiten S-Bahn-Stammstrecke in M..
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Hintergrund sind Meldungen, wonach es bei dem Projekt zu erheblichen Verzögerungen und Kostensteigerungen kommen solle. Vorhabenträger sind Unternehmen der D1. B. AG. Die Förderung wird maßgeblich vom Bund getragen, die Komplementärfinanzierung vom Freistaat Bayern (Antragsgegner). Der Antragsgegner hat mit den Vorhabenträgern einen Bau- und Finanzierungsvertrag geschlossen und zum Zweck der Information über den Projektstand im Mai 2019 fünf Fachexperten mit der sog. Baubegleitung beauftragt.
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Am 21. Juli 2022 stellte ein Redakteur für die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Antrag gemäß Art. 3 BayUIG auf Einsichtnahme in eine Reihe von Unterlagen im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau der Zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Am 26. Juli 2022 wurde dieser Antrag um einen Nachtrag erweitert. Mit Bescheid vom 19. August 2022 lehnte der Antragsgegner die Anträge vollumfänglich ab.
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Mit Schriftsatz vom 16. September 2022, eingegangen am selben Tag, stellten die Bevollmächtigten der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO wegen eines Informationsanspruches nach dem BayUIG und beantragten, den Antragsgegner zu verpflichten,
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der Antragstellerin die folgenden Informationen zugänglich zu machen:
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1. Präsentationen der vom Antragsgegner im Mai 2019 beauftragten Baubegleitung für die zweite Stammstrecke der S-Bahn in M., insbesondere die dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr bei diesen sieben Terminen (8. November 2019, 10. März 2020, 28. April 2020, 28. Oktober 2020, 24. März 2021, 11. November 2021 und 7. April 2022) präsentierten Sachstände inklusive Niederschriften, Vor- und Nachbereitung der Termine und entsprechendem Schriftverkehr mit der Baubegleitung sowie hierzu erfolgte Informationen an die Hausspitze des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr und anderen Ministerien sowie die Bayerische Staatskanzlei;
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2. Unterlagen zum Lenkungskreis des Antragsgegners und der D2. B. AG, insbesondere Niederschriften von und Präsentationen bei den Sitzungen des Lenkungskreises am 12. September 2017, 10. Januar 2018, 17. April 2018, 17. Januar 2019, 12. März 2020, 19. Januar 2021, 20. Mai 2021, 17. November 2021 sowie am 18. Mai 2022; inklusive Vor- und Nachbereitung der Termine und entsprechendem Schriftverkehr mit der Baubegleitung sowie hierzu erfolgte Informationen an die Hausspitze des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr und anderen Ministerien sowie die Bayerische Staatskanzlei;
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3. Schreiben des damaligen Vorstands der D2. B. AG, Herrn R2. P., vom 13. Oktober 2020 an die damalige Hausspitze des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr, in dem Herr P. die Aussagen der D2. B. AG über eine sechsjährige Verzögerung der zweiten Stammstrecke wieder zurücknahm und entsprechende vorherige Informationen der D2. B. AG lediglich als „erste Diskussionsbasis“ bezeichnete - inklusive (bis zu drei Monate) vorangegangener und nachfolgender Korrespondenz mit Herrn P. und der D2. B. AG; eventueller Vermerke dazu im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr und eventueller Information dazu an die Bayerische Staatskanzlei;
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4. Sämtliche Unterlagen (einschließlich der betreffenden Korrespondenz mit der Bayerischen Staatskanzlei) zu dem in einer Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr auf eine Landtagsanfrage hin wie folgt geschilderten Vorgang:
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„Im Ressortkontakt zwischen dem Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr und der Staatskanzlei wurde am 23. Dezember 2020 informiert, dass die dem Spitzengespräch von 2019 zugrunde gelegten Zeit- und Kostenpläne der Bahn in Frage zu stellen seien und sich die Inbetriebnahme des Projekts 2. S-Bahn-Stammstrecke nach internen Einschätzungen der D B auf Ende 2034 verschieben könnten. Gleichzeitig wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zu den Kosten keine konsolidierte Datengrundlage vorliege und dass nach Auskunft des D B Vorstands belastbare Aussagen erst ab Ende 2021 möglich seien. Es wurde auf eine Grobschätzung der Baubegleitung des Freistaats zu mutmaßlichen Kosten hingewiesen, wonach die Kosten von 3,8 Mrd. € auf 5,2 Mrd. € steigen könnten“ (Kursivschrift im Original).
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In der Antragsbegründung wird auf Seite 6 ausgeführt, dass sich ein erhebliches Eilbedürfnis für eine einstweilige Anordnung ergebe, da die streitgegenständlichen Informationen für die Antragstellerin nach der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens aller Voraussicht nach „wertlos“ seien. Die geplante Berichterstattung der Antragstellerin geschehe aus aktuellem Anlass. Seitdem Mitte Juni 2022 bekannt geworden sei, dass sich die zweite Stammstrecke der S-Bahn in München um mehrere Milliarden Euro verteuern und etliche Jahre später fertig gestellt werde als zuletzt geplant, gebe es für die Öffentlichkeit eine erhebliche Informationslücke, die es zeitnah zu schließen gelte, so dass dem Antrag ein Anordnungsgrund zur Seite stehe. Der Bayerische Landtag werde am 10. Oktober 2022 zu einer Sondersitzung seines Verkehrsausschusses zur zweiten Stammstrecke der S-Bahn in München zusammenkommen. Eine Berichterstattung im Vorfeld dazu sei - auch auf Grund der enormen Umweltaspekte - dringend erforderlich. Auf Seite 21 ff. der Antragsbegründung wird vertiefend ausgeführt, dass im Hinblick auf die Sondersitzung des Verkehrsausschusses am 10. Oktober 2022 eine fundierte und umfassende Information der Bevölkerung „durch ein seriöses Medium wie die Antragstellerin unerlässlich“ sei. Es müsse - maßgeblich auch unter Umweltaspekten - dringend aufgeklärt werden, warum der Bau der zweiten Stammstrecke umweltpolitisch so teuer werde und so spät fertig werden solle. Der Bayerische Ministerpräsident habe selbst erklärt, dass man „jetzt Transparenz“ brauche und dass alle Fakten auf den Tisch kommen müssten. Es sei der Antragstellerin auch nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Die Aufklärung der Bevölkerung sei „jetzt, noch vor der Landtagssitzung am 10. Oktober 2022 erforderlich“ (Kursivschreibung im Original). Die Dringlichkeit der Zugänglichmachung ergebe sich aus dem BayUIG selbst, denn in Art. 3 Abs. 3 BayUIG sei vorgeschrieben, dass begehrte Informationen mit Ablauf eines Monats zugänglich zu machen seien. In entsprechender Hinsicht sei es zwischenzeitlich in allen Bundesländern anerkannt, dass der - artverwandte - presserechtliche Auskunftsanspruch auf der Grundlage von § 123 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden könne und an die Zulässigkeit der Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürften. Insbesondere dürfe ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliere und allenfalls nur noch von historischem Interesse sei. Exakt so lägen die Dinge hier.
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Ebenfalls am 16. September 2022 erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 19. August 2022 Klage (Az. M 32 K 22.4568), über die noch nicht entschieden ist.
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Das Gericht gab dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Mit Schriftsatz vom 26. September 2022 beantragten die Bevollmächtigten des Antraggegners,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung führten die Bevollmächtigten im Wesentlichen aus, dass der Antrag in seinen Ziffern 1, 2 und 3 bereits unzulässig sei, da der Antragstellerin diese Informationen ausweislich der eigenen Berichterstattung bereits bekannt seien. Im Übrigen sei der Antrag nicht auf eine vorläufige Regelung, sondern auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Die Antragstellerin strebe die faktisch endgültige Stattgabe ihres Akteneinsichtsgesuchs an. Die Antragstellerin wolle die Informationen in ihrer Tageszeitung veröffentlichen. Eine solche Veröffentlichung sowie die daraus resultierenden Folgen könnten in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden. Eine derartige irreversible Entscheidung könne nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise getroffen werden, dann nämlich, wenn ein Abwarten in der Hauptsache für die Antragstellerin schwere und unzumutbare, nachträglich nicht zu beseitigende Nachteile bringen würde. Diese besonderen Voraussetzungen habe die Antragstellerin bei Weitem nicht dargelegt. Der Hinweis auf die unmittelbar bevorstehende Sondersitzung des Verkehrsausschusses des Bayerischen Landtages genüge nicht. Die Antragstellerin verkenne, dass diese Sitzung gerade dem öffentlichen Informationsinteresse diene. Die Sitzung sei öffentlich und werde auch zusätzlich per Livestream übertragen. Gegenstand der Sitzung sei die aktuelle Entwicklung des Projekts sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf Kosten und Termine. Auch ein hochrangiger Vertreter der D B solle dem Ausschuss Rede und Antwort stehen. Die Behauptung der Antragstellerin, ein Informationszugang erst nach Durchführung eines Hauptsacheverfahrens sei „wertlos“, wie auch ihre Behauptung, die Information der Bevölkerung durch die Antragstellerin sei bereits vor der Sondersitzung des Ausschusses „unerlässlich“, seien nicht belegt und nicht nachvollziehbar. Bei dieser Sachlage habe die Antragstellerin auch keinen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit ihres Begehrens, glaubhaft gemacht. Im Übrigen habe die Antragstellerin auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dem Informationsbegehren fehle es schon im weiten Umfang am erforderlichen Bezug zu Umweltinformationen. Jedenfalls stünden dem Begehren gesetzliche Ablehnungsgründe nach Art. 7 BayUIG, insbesondere der Ablehnungsgrund nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayUIG zum Schutz interner Mitteilungen, entgegen. Die presserechtlichen Ausführungen der Antragstellerin führten zu keiner anderen Bewertung. Bei den Informationsansprüchen nach dem BayUIG gehe es nicht um Pressefreiheit oder eine hinreichend aktuelle Berichterstattung.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 27. September 2022 wiesen die Bevollmächtigten des Antraggegners auf einen Zeitungsartikel der Antragstellerin hin, aus dem hervorgehe, dass diese bereits in Kenntnis der von ihr in Ziffer 3 ihres Antrags begehrten Information sei.
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Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2022 teilten die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit, dass an dem Antrag nach § 123 VwGO festgehalten werde und auf den Schriftsatz des Antraggegners vom 26. September 2022 und den Schriftsatz vom 27. September 2022 Stellung genommen werde. Wegen der mitgeteilten Öffentlichkeit der Sitzung des Verkehrsausschusses am 10. Oktober 2022 wolle man diese Sitzung und die dort mitgeteilten Informationen aber noch abwarten und den gestellten Antrag gegebenenfalls modifizieren. Das Gericht räumte der Antragstellerin eine Schriftsatzfrist ein.
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Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2022 erklärte die Antragstellerin den Rechtsstreit für erledigt, sofern dieser
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- die Präsentation der vom Antragsgegner im Mai 2019 beauftragten Baubegleitung für die zweite Stammstrecke der S-Bahn in München vom 28. April 2020 (Antrag zu Ziffer I., Unterstreichung im Original),
21
- das Schreiben des damaligen Vorstands der D2. B. AG, Herrn R2. P., vom 13. Oktober 2020 an die damalige Hausspitze des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr (Antrag zu Ziffer I.3),
22
- das diesem vorangegangene Schreiben der damaligen Bayerischen Verkehrsministerin, Frau … S., an Herrn P. (Antrag zu Ziffer I.3.),
23
- den Briefwechsel (per E-Mail) zwischen der Bayerischen Staatskanzlei und dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr vom Dezember 2020 inklusive eines beigefügten Sachstandsberichts des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr an die Bayerische Staatskanzlei (Antrag zu Ziffer I.4.),
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- den seitens der DB N. AG am 25. September 2020 dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr präsentierten Sachstandsbericht zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke inklusive eines anschließenden diesbezüglichen Schreibens von der damaligen Bayerischen Verkehrsministerin, Frau … S., an den damaligen Bundesverkehrsminister Herrn A. S.
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betreffe. Im Übrigen werde der Antrag aufrechterhalten.
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Im Schriftsatz wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache wegen eines „gesteigerten, geradezu überragenden öffentliches Interesses“, wegen eines starken Gegenwartsbezuges der Berichterstattung und wegen der Vermeidung unzumutbarer Nachteile für die Antragstellerin hinzunehmen sei. Die Grundsätze des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nach dem Bayerischen Pressegesetz (BayPrG) seien auch beim Informationsanspruch nach dem BayUIG zu beachten, was sich aus dem Erwägungsgrund 13 der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG ergebe. Die abgewartete Sondersitzung des Verkehrsausschusses vom 10. Oktober 2022 mache das Eilbegehren im nicht für erledigt erklärten Teil nicht überflüssig. Im Übrigen wurde zu dem Nichtbestehen gesetzlicher Ablehnungsgründe nach dem BayUIG vorgetragen. Schließlich wird im Schriftsatz erklärt, dass die geltend gemachten Ansprüche auch auf Art. 4 BayPrG gestützt würden; presserechtliche Verschwiegenheitsgründe bestünden nicht.
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Der Antragsgegner stimmte mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 unter Verwahrung gegen die Kostenlast der Erledigungserklärung der Antragstellerin zu, beantragte aber weiterhin die Ablehnung des Antrags, soweit er aufrechterhalten wurde. Nach wie vor stelle der Antrag eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar und bestehe weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch. Nach wie vor sei die presserechtliche Argumentation der Antragstellerin im Rahmen des geltend gemachten Informationsanspruchs nach dem BayUIG verfehlt. Soweit die Antragstellerin erstmals hilfsweise einen selbständigen Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG geltend mache, sei dies eine Antragsänderung nach § 91 VwGO, welcher widersprochen werde.
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Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten, auch im anhängigen Klageverfahren, verwiesen.
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1. Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO analog).
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2. Im Übrigen bleibt der Antrag nach § 123 VwGO ohne Erfolg.
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a. Der Antrag ist insoweit unzulässig, als er nachträglich hilfsweise zusätzlich ein presserechtliches Eilbegehren nach Art. 4 des Bayerischen Pressegesetzes (BayPrG) geltend macht. Dieses weitere Eilbegehren ist nicht ein bloßer Hinweis auf einen zusätzlichen rechtlichen Gesichtspunkt, unter dem das bisherige Eilbegehren zu würdigen wäre, sondern führt nach Antragsziel und Antragsgrund einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein, der zum bisherigen, ausschließlich auf den Informationszugang nach dem BayUIG gestützten Eilbegehren gegenstandsverschieden ist (zum Gegenstand eines Eilverfahrens nach § 123 VwGO siehe Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 229 ff.; zur Gegenstandsverschiedenheit von Begehren nach dem BayUIG zu Begehren nach dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach Art. 39 BayDSG siehe VG München, U.v. 13.7.2021 - M 32 K 18.1852 - juris). Der presserechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG ist völlig anders strukturiert als der Informationszugangsanspruch nach Art. 3 Abs. 1 BayUIG, allein schon nach dem Inhalt (Auskunft im BayPrG einerseits gegenüber Informationszugang im BayUIG andererseits) und vor Allem in den gesetzlichen Ausschließungsgründen (beamtenrechtliche oder sonstige gesetzliche Verschwiegenheitspflichten im BayPrG einerseits gegenüber den speziell ausgeformten Ablehnungstatbeständen im BayUIG andererseits). Das neue weitere Eilbegehren stellt somit eine Antragsänderung nach § 91 VwGO dar. Nach dieser Vorschrift, welche nicht nur im Klageverfahren, sondern auch im Verfahren nach § 123 VwGO gilt (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 91 Rn. 7), ist eine Antragsänderung nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Der Antragsgegner hat in die Antragsänderung nicht eingewilligt. Das Gericht hält die Änderung auch nicht für sachdienlich. Der presserechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG ist gemäß Art. 4 Abs. 2 BayPrG zunächst gegenüber der auskunftspflichtigen Behörde geltend zu machen, so wie es auch beim Informationszugangsanspruch nach dem BayUIG der Fall ist. Die auskunftspflichtige Behörde hat das presserechtliche Auskunftsbegehren zu prüfen und gegenüber dem Auskunftsbegehrenden zu entscheiden. An dieser Vorbefassung der auskunftspflichtigen Behörde fehlt es; es liegt damit davon abgesehen schon kein streitiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 123 VwGO vor. Das Gericht hält es von daher nach pflichtgemäßem Ermessen nicht für sachdienlich, das weitere Eilbegehren ohne die im BayPrG vorgesehene Vorbefassung der Behörde in den laufenden Eilprozess einzubeziehen und diesen mit einer signifikant neuen Materie zu belasten (siehe auch VG Schleswig, U.v. 2.10.2020 - 6 A 627/17 - juris Rn. 23 und 24).
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b. Im Übrigen ist der Eilantrag unbegründet.
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Dem Antrag steht zunächst nicht der ablehnende Bescheid des Antraggegners vom 19. August 2022 entgegen. Denn dieser Bescheid wurde von der Antragstellerin in der Monatsfrist des § 74 VwGO angefochten und hat deshalb keine Bestandskraft erlangt.
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Dem Antrag steht aber das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen (siehe unten aa.). Unabhängig davon hat die Antragstellerin den nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der Sache, nicht glaubhaft gemacht (siehe unten bb.). Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die Antragstellerin auch nicht den gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch, also hier das Bestehen eines Informationsanspruchs nach Art. 3 BayUIG, glaubhaft gemacht hat.
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aa. Dem Antrag steht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.
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Das Verfahren nach § 123 VwGO dient grundsätzlich nicht der endgültigen Befriedigung geltend gemachter Ansprüche, sondern kann nur nach summarischer Prüfung eine vorläufige Regelung treffen. Die eigentliche Entscheidung bleibt der Hauptsache, also dem Klageverfahren, vorbehalten, das nicht vorweggenommen werden darf (zum Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache siehe etwa Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 66a ff.; BayVGH, B.v. 14.10.1998 - 5 ZE 98.2864 und 5 CE 98.2864 -, juris Rn. 11 ff.; BayVGH, B.v. 26.2.2015 - 14 CE 14.2821 -, juris Rn. 11 ff.). Würde dem Eilantrag der Antragstellerin stattgegeben, so wären die Inhalte der - selbstverständlich vollständig und wahr zu erteilenden - Auskünfte unwiederbringlich „in der Welt“, und zwar noch in einer besonders qualifizierten Weise, da es der Antragstellerin gerade um eine pressemäßige Verbreitung der verlangten Informationen geht. Das Hauptsacheverfahren wäre damit seines Sinnes beraubt. Es könnte von vornherein faktisch nichts mehr ändern. Diese Irreversibilität widerspricht der Vorläufigkeit einer Regelung nach § 123 VwGO. Sie wöge umso schwerer, als mit einer faktisch vorwegnehmenden Entscheidung notwendig auch eine - falls in der Hauptsache anders zu entscheiden wäre - Irreparabilität der Nachteile für die von der Offenlegung der Informationen betroffenen öffentlichen und sonstigen Belange, wie sie in den gesetzlichen Ablehnungsgründen nach Art. 7 und 8 BayUIG geschützt sind, einherginge, obwohl diese Belange dem Verfahren nach § 123 VwGO entsprechend nur summarisch geprüft worden wären. Die Antragstellerin vermochte nicht glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen der von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen. Nach diesem Ausnahmetatbestand ist eine Vorwegnahme dann zulässig, wenn durch die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren ein effektiver Rechtsschutz unmöglich wäre und einem Antragsteller dadurch schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr auszugleichende Nachteile entstünden, obwohl sein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (siehe dazu Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 66a ff.; BayVGH, B.v. 14.10.1998 - 5 ZE 98.2864 und 5 CE 98.2864 -, juris Rn. 11 ff.; BayVGH, B.v. 26.2.2015 - 14 CE 14.2821 -, juris Rn. 11 ff.). Die Antragstellerin hat solche Nachteile nicht dargelegt. Ihr zunächst gebrachtes Argument, dass die begehrten Informationen vor der Sitzung des Verkehrsausschusses gegeben werden müssten, ansonsten diese „wertlos“ seien und ebenso eine Aufklärung der Bevölkerung noch vor der Ausschusssitzung unerlässlich sei, ist nicht ohne Weiteres einleuchtend. Wie der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung zutreffend vorträgt, könnte ein Abwarten auf die Erkenntnisse der Ausschusssitzung sogar zu einer Wertsteigerung im Hinblick auf die Tiefe und Fundiertheit der Tatsachenbasis der von der Antragstellerin beabsichtigten Aufklärung der Bevölkerung und Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten führen, was auch nach der Ausschusssitzung bis zu der erst in Jahren zu erwartenden Projektrealisierung Sinn machen würde. Diese Argumentation hat die Antragstellerin in ihrem letzten Schriftsatz vom 5. Oktober 2022 im Wesentlichen selbst geteilt. Aus demselben Grund überzeugt auch nicht der Einwand der Antragstellerin, dass ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht dazu führen dürfe, dass eine begehrte Auskunft, die starken Aktualitätsbezug aufweise und von einem „geradezu überragenden“ öffentlichen Informationsinteresse getragen sei, ihren Nachrichtenwert verliere und nur noch ein historisches Interesse übriglasse. Es ist darauf hinzuweisen, dass die an den Kriterien der Priorität, der Aktualität, des Informationsinteresses der Bevölkerung o.ä. orientierte presserechtliche Argumentation der Antragstellerin den hier maßgeblichen Bezugspunkt zum geltend gemachten und den alleinigen Gegenstand des Eilprozesses bildenden Informationsanspruch nach Art. 3 BayUIG (siehe dazu oben a.) verfehlt. Das BayUIG ist, wie der Antragsgegner zutreffend hervorhebt, kein Instrument der Verfolgung presserechtlicher Interessen. Es dient allein der Förderung des Umweltschutzes. Dass die Maßstäbe des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 4 BayPrG auf den Informationszugangsanspruch nach dem BayUIG zu übertragen seien, ist eine Rechtsansicht der Antragstellerin, die sich nicht auf den Erwägungsgrund 13 der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG berufen kann. Denn dieser Erwägungsgrund steht im Zusammenhang mit den von den informationspflichtigen Behörden einzuhaltenden Bearbeitungsfristen nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie, welche in Art. 3 Abs. 3 BayUIG und Art. 6 Abs. 1 BayUIG umgesetzt sind, und gibt von daher nichts für die Dauer gerichtlicher Verfahren zur Durchsetzung der Informationsansprüche nach Art. 9 Abs. 1 BayUIG oder Besonderheiten bei der Beurteilung der Eilbedürftigkeit solcher Rechtsschutzbegehren her. Mit dem gerichtlichen Rechtsschutz beschäftigen sich vielmehr der Erwägungsgrund 19 und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie, welche in Art. 9 BayUIG umgesetzt sind. In diesen Bestimmungen findet sich nichts über ein Beschleunigungsgebot im gerichtlichen Verfahren. Ein Zügigkeitsgebot findet sich lediglich in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie für das behördliche Überprüfungsverfahren (siehe dazu die Umsetzung in Art. 9 Abs. 2 und 3 BayUIG). Die Fragen nach der Eilbedürftigkeit gerichtlicher Verfahren beantwortet sich damit allein nach den oben in aa. dargestellten allgemeinen Grundsätzen.
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bb. Dem Antrag fehlt die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
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Die Antragstellerin begründet die nach § 123 Abs. 3 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Eilbedürftigkeit ihres Antrages zunächst mit Art. 3 Abs. 3 BayUIG. Nach dieser Vorschrift sind, soweit ein Informationsanspruch nach Art. 3 Abs. 1 BayUIG besteht, die Umweltinformationen der antragstellenden Person spätestens mit Ablauf eines Monats oder, soweit Umweltinformationen derart umfangreich und komplex sind, dass die Monatsfrist nicht eingehalten werden kann, mit Ablauf von zwei Monaten zugänglich zu machen. Die Fristenregelung gilt gemäß Art. 6 Abs. 1 BayUIG für die ganz oder teilweise Ablehnung eines Informationsantrags entsprechend. Die genannten Vorschriften begründen, wie schon oben in aa. ausgeführt, lediglich Bearbeitungsfristen für die informationspflichtige Stelle, regeln aber nicht die Dauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung der Informationsansprüche nach Art. 9 Abs. 1 BayUIG oder Besonderheiten bei der Beurteilung der Eilbedürftigkeit solcher Rechtsschutzbegehren. Letztere Frage beantwortet sich, wie schon ausgeführt, allein nach den oben in aa. dargestellten allgemeinen Grundsätzen.
39
Ansonsten kann auf die Ausführungen unter oben aa. hingewiesen werden, insbesondere auf die bei einem Informationsbegehren nach dem BayUIG nicht zielführende presserechtliche Argumentationsweise der Antragstellerin.
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3. Nach alledem war der Antrag, soweit er aufrechterhalten wurde, abzulehnen. Als Unterlegene hat die Antragstellerin insoweit die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
41
Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, da sie auch insoweit unterlegen gewesen wäre. Das ergibt sich bereits aus dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 5. Oktober 2022, in welchem sie die bis dahin ganz wesentliche Begründung für die Eilbedürftigkeit der Sache, nämlich die Sitzung des Verkehrsausschusses am 10. Oktober 2022, aufgegeben hat. Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen unter aa. verwiesen werden.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wegen des auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Eilantrags hebt das Gericht den Streitwert auf den für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwert in Höhe von 5.000,00 Euro an.