Titel:
Überbrückungshilfe IV, Neustarthilfe 2022, Antragsstellung durch mit Antragsteller personenidentischen prüfenden Dritten, Einstweilige Anordnung, Vorwegnahme der Hauptsache
Normenkette:
VwGO § 123 Abs. 1
Schlagworte:
Überbrückungshilfe IV, Neustarthilfe 2022, Antragsstellung durch mit Antragsteller personenidentischen prüfenden Dritten, Einstweilige Anordnung, Vorwegnahme der Hauptsache
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34338
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 4.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller, der als selbstständiger Rechtsanwalt in einer Einzelkanzlei tätig ist, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung und Auszahlung einer Zuwendung im Rahmen der Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen - Phase 5 (Überbrückungshilfe IV) als Betriebskostenpauschale für Soloselbständige (Neustarthilfe 2022).
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Unter dem 15. Juni 2022 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin als zuständiger Bewilligungsstelle die Gewährung der Neustarthilfe 2022 für den Zeitraum Januar mit März 2022 i.H.v. 4.500.- EUR. Mit Bescheid vom 21. Juni 2022 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Neustarthilfe 2022 zunächst vorläufig dem Grunde nach zur Sicherung der beihilferechtlichen Zulässigkeit einer etwaigen späteren Auszahlung angesichts des Auslaufens des Befristeten Beihilferahmens zum 30. Juni 2022. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22. September 2022 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag sodann ab und verfügte, dass der Bescheid die Bestimmungen des vorläufig ergangenen Bescheids vom 21. Juni 2022 vollständig ersetzt. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Neustarthilfe seien nicht erfüllt. Die Prüfung habe ergeben, dass eine Namensgleichheit des Antragstellers zum prüfenden Dritten vorliege. Da es sich bei dem prüfenden Dritten um die Rechtsanwaltskanzlei des Antragstellers handele, sei der Antrag als Eigenantrag zu behandeln. Gemäß den FAQs sei eine Antragstellung im eigenen Namen nicht erlaubt.
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Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2022 Klage, die bei Gericht unter M 31 K … geführt wird und über die noch nicht entschieden ist.
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Zudem beantragt der Antragsteller ebenfalls unter dem 18. Oktober 2022 sinngemäß,
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die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, dem Antragsteller die Neustarthilfe 2022 im beantragten Umfang zu gewähren und auszuzahlen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller befinde sich in einer außerordentlich schwierigen finanziellen Situation, da sich viele seine Mandanten, die häufig Verbraucher seien, infolge der Corona-Krise, dem Krieg in der Ukraine sowie der Energiekrise keine Klagen mehr leisten könnten. Er habe daher erhebliche Unternehmensdarlehen aufnehmen müssen, nebst weiterer über seine Familie. Im Falle eines Abwartens der Entscheidung in der Hauptsache drohe angesichts der laufenden Kosten die Überschuldung bzw. Insolvenz. Außerdem könnte er dann seine studierende Tochter, der er unterhaltspflichtig sei, nicht mehr unterstützen. Der Anordnungsanspruch beruhe auf dem korrespondierenden Anspruch des Antragstellers auf Gewährung der Neustarthilfe 2022 im Umfang des Hilfsprogramms der Überbrückungshilfe IV. Der Ablehnungsbescheid sei mit Blick auf die Begründung, die unter bloßem Verweis auf FAQs erfolgt sei, rechtswidrig. Diese seien kein Prüfungsmaßstab für die Verwaltung und stellten keine Begründung für eine Ablehnung dar. Es sei noch nicht einmal angegeben, welche FAQs für die Begründung herangezogen worden seien. Auch nach den FAQs könne der Zuwendungsantrag im Übrigen über einen zugelassenen prüfenden Dritten erfolgen. Eine FAQ, die eine Antragstellung über einen zugelassenen prüfenden Dritten und Bevollmächtigten versage, gebe es nicht. Eine Antragstellung über einem prüfenden Dritten sei auch durch Vorlage der Vollmacht schriftlich nachgewiesen worden. Jeder Antragsteller könne sich durch einen Rechtsanwalt im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vertreten lassen. Es liege eine Ungleichbehandlung vor, wenn der Antragsteller technisch weder einen Direktantrag(wegen fehlenden Elster-Zugangs durch die Finanzbehörden stellen könne noch einen fristwahrenden Antrag über einem prüfenden Dritten in der Nacht des Fristablaufs am 15. Juni 2022, weil andere prüfender Dritter am letzten Tag der Frist nicht mehr erreichbar gewesen seien oder wegen Überarbeitung keine Zeit mehr gehabt hätten.
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Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 26. Oktober 2022 und beantragt sinngemäß,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Der Antrag ziele auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, welche nur ausnahmsweise in Betracht komme. Die hierfür erforderlichen Umstände habe der Antragsteller nicht dargelegt, genüge die Vorlage eines einzigen Kontoauszugs nicht, um eine existenzgefährdende, schwierige finanzielle Situation zu substantiieren. Darüber hinaus habe der Antragsteller auch kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er habe keinen formgerechten und wirksamen Zuwendungsantrag gestellt. Ein solcher sei grundlegende Fördervoraussetzung. Der Antragsteller habe weder im eigenen Namen noch als prüfenden Dritter einen entsprechenden Antrag gestellt. Nach der allein maßgeblichen Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin sei ein prüfender Dritter nur eine von dem Antragsteller verschiedene Person. Prüfender Dritter könne nach der Verwaltungspraxis hingegen nicht sein, wer personenidentisch mit dem Antragsteller sei.
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Mit Beschluss vom 28. Oktober 2022 wurde das Eilverfahren zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem wie im Hauptsacheverfahren M 31 K … und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
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Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch - also das Bestehen des zu sichernden Anspruchs (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) - sind vom Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
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1. Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat bereits deswegen keinen Erfolg, weil der Antragsteller mit seinem Rechtsschutzbegehren eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt und die Voraussetzungen für eine darauf gerichtete einstweilige Anordnung nicht erfüllt sind. Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Vorwegnahme der Hauptsache der unter M 31 K 22.5161 geführten Klage.
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Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Betroffenen nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in der Hauptsache erreichen könnte. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt dann vor, wenn die Entscheidung und die Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nach der Hauptsacheentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
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Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache wäre vorliegend gegeben, da der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit der angestrebten vorläufigen Gewährung und Auszahlung der Neustarthilfe sachlich vollumfänglich dasselbe Ziel wie in einem Hauptsacheverfahren verfolgt.
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Eine Vorwegnahme der Hauptsache folgt auch daraus, dass eine Rückforderung einer vorläufig gewährten Neustarthilfe 2022 bei negativem Ausgang des Hauptsacheverfahrens zwar rechtlich möglich, aber möglicherweise tatsächlich nicht erfolgversprechend wäre, wenn der Antragsteller, der sich zur Begründung des Anordnungsgrundes darauf beruft, ohne Gewährung der Neustarthilfe einer Existenzgefährdung ausgesetzt zu sein, nicht mehr in der Lage ist, auch eine unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit gezahlte, aber sodann verbrauchte Zuwendung zurückzuzahlen (vgl. VG München, B.v. 21.7.2021 - M 31 E 21.3263 - juris Rn. 17; B.v. 14.7.2020 - M 31 E 20.2819 - juris Rn. 18.; VG Köln, B.v. 7.4.2020 - 16 L 679/20 - juris Rn. 10).
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Im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gilt das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ausnahmsweise dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. BVerwG, B.v. 21.3.1997 - 11 VR 3/97 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 7.5.2018 - 10 CE 18.464 - juris Rn. 6, 8; VG München, B.v. 21.7.2021 - M 31 E 21.3263 - juris Rn. 18; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 123 Rn. 14). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
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Hierfür wäre zunächst erforderlich, dass dem Antragsteller ohne die begehrte einstweilige Anordnung nicht mehr ausgleichbare Nachteile drohen. Dazu wäre es, gerade auch im Hinblick auf den Zweck der Überbrückungshilfe IV (vgl. Nr. 1 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen - Phase 5, Überbrückungshilfe IV, BayMBl. 2022 Nr. 278 vom 9.5.2022, im Folgenden: Zuwendungsrichtlinie) erforderlich, dass der Antragsteller die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz darlegt. Entsprechendes hat er indes nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht; vielmehr erschöpft sich das Vorbringen des Antragstellers dazu in einem pauschalen Vortrag ohne ausreichend einzelfallbezogene Substantiierung, wonach seine Mandanten wegen der allgemeinen Kostensteigerungen infolge der (welt-) politischen Lage (Ukraine-Krieg, Energiekrise) und pandemiebedingt auf seine anwaltlichen Dienstleistungen verzichteten und er deshalb Unternehmensdarlehen sowie weitere Darlehen über seine Familie habe aufnehmen müssen. Ferner trägt er vor, er sei seiner studierenden Tochter gegenüber unterhaltspflichtig. Seinem Unternehmen drohe die Überschuldung bzw. Insolvenz. Zur Glaubhaftmachung hat der Antragsteller indes lediglich einen Kontoauszug seines Geschäftskontos über einen Kontokorrentkredit i.H.v. derzeit 7.578,13 EUR vorgelegt, der zur Beurteilung seiner wirtschaftlichen Gesamtsituation, also seiner vollständigen aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, insbesondere etwa im Hinblick auf ausstehende Forderungen, namentlich aus laufenden Mandatsverhältnissen, sowie dem insgesamt verfügbaren (Anlage- und Privat-) Vermögen, nur unzureichend aussagekräftig ist. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche weiteren liquiden Mittel dem Antragsteller aus seinem Privatvermögen zur Verfügung stehen bzw. er durch Beleihung verfügbar machen kann. Eine Existenzgefährdung, die ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte, ist somit nicht glaubhaft gemacht.
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2. Bei im Eilverfahren gebotener summarischer Prüfung bestehen zudem auch an den Erfolgsaussichten der Hauptsache durchgreifende Zweifel. Damit fehlt es, unabhängig vom vorstehend unter 1. Ausgeführten, auch an einem Anordnungsanspruch
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Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass es sich bei Zuwendungen der vorliegenden Art um freiwillige Maßnahmen handelt, die auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt. Ein Rechtsanspruch besteht nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung im zugrundeliegenden Haushaltsgesetz/Haushaltsplan gezogen ist, nicht beachtet worden ist. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.6.2015 - 10 C 15.14 - juris Rn. 24; BayVGH. B.v. 3.8.2022 - 22 ZB.1151 - juris Rn. 17; VG München, U.v. 31.5.2022 - M 31 K 22.661 - vorgesehen zur Veröffentlichung insbesondere in juris Rn. 21).
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Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In der hier einschlägigen Zuwendungsrichtlinie wird zudem auch ausdrücklich klargestellt, dass die Förderung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt (vgl. Satz 2 der Präambel).
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Bei der Ausgestaltung eines solchen Förderprogramms kommt dem Zuwendungsgeber ein weites gestalterisches Ermessen hinsichtlich der Festlegung der Fördertatbestände, der Förderhöhe, des Kreises der Förderempfänger sowie insbesondere auch des Förderverfahrens zu. Gerade im Zuwendungsverfahren, in dem grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf eine Förderung besteht, kommt der Grundsatz des Art. 10 BayVwVfG besonders zum Tragen. Es ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass maßgeblich auf die tatsächliche Handhabung der einschlägigen Förderrichtlinien abzustellen ist und es dabei grundsätzlich unerheblich ist, ob dem Zuwendungsantragsteller die entsprechende Verwaltungspraxis vorher bekannt gegeben war und wie er sich hierauf einstellten konnte (BVerwG, B.v. 11.11.2008 - 7 B 38/08 - juris Rn. 10 m.w.N.; HessVGH, B.v. 1.11.2010 - 11 A 686/10 - juris Rn. 29; aktuell VG München, U.v. 31.5.2022 - M 31 K 20.1730 - juris Rn. 24). So liegt der Fall auch hier. Die Herausbildung der Verwaltungspraxis unterliegt dabei auch keiner Formvorschrift, sodass, entgegen der Auffassung des Antragstellers (im Internet frei abrufbare) FAQs, hier diejenigen zur Überbrückungshilfe IV (vgl. https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de), ohne weiteres für eine - soweit rechtlich überhaupt notwendige (vgl. BVerwG, aaO) - ausreichende verfahrensrechtliche Transparenz sorgen können.
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Vorliegend ist in der Zuwendungsrichtlinie vorgesehen, dass der Zuwendungsantrag gemäß Nr. 7.1 Satz 1 Hs. 1 grundsätzlich durch einen prüfenden Dritten zu stellen ist, wobei für natürliche Personen auch ein Direktantrag im eigenen Namen gemäß Nr. 7.1 Satz 1 Hs.2 i.V.m. Nr. 8 der Richtlinie möglich ist. In letzterem Fall muss der Direktantragsteller nach Nr. 6 Satz 4 der Richtlinie eines der auf dem Online-Portal des Bundes zu seiner Identifizierung bereitgestellten Verfahren nutzen.
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Lässt ein Antragsteller, wie hier, den Antrag durch einen prüfenden Dritten stellen (vgl. ausdrücklich S. 37 der Behördenakte), muss dies nach der ständigen Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin durch eine vom Antragsteller verschiedene Person erfolgen. Dies entspricht ausdrücklich Nr. 3.3 der FAQs zur Überbrückungshilfe IV. Der Antragsteller hat dem nicht genügt.
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Diese Verwaltungspraxis begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. ebenso VG Halle, U.v. 25.4.2022 - 4 A 28/22 - juris Rn. 23 ff.; VG Würzburg, U.v. 26.7.2021 - W 8 K 20.31 - juris Rn. 33 ff.). Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass damit zum einen der Gefahr möglicher wirtschaftlicher Interessenkonflikte wirksam begegnet werden kann. Zum anderen drohte anderenfalls auch eine ineffektive Vermischung der beiden mit verschiedenen spezifischen Prüfungsinhalten einhergehenden Verfahrensvarianten - Antragstellung über einen prüfenden Dritten einerseits (vgl. vor allem Nr. 7.3 der Zuwendungsrichtlinie zur besonderen Rolle und Funktion der prüfenden Dritten im Rahmen der Überbrückungshilfe IV) und Antragstellung im eigenen Namen andererseits (vgl. Nr. 8 der Zuwendungsrichtlinie) -.
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Diese ständige Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin, wonach im Rahmen der Zuwendungsverfahren für Corona-Wirtschaftshilfen ein Antragsteller nicht für sich selbst als prüfender Dritter tätig werden darf, erweist sich auch mit Blick auf die grundsätzliche Zulässigkeit anwaltlicher Selbstvertretung im Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht (vgl. Art. 14 BayVwVfG, § 67 Abs. 8 Satz 3 VwGO) nicht als willkürlich. Es ist im Gegenteil ohne weiteres vertretbar, wenn die Antragsgegnerin zur Wahrung der notwendigen besonderen Verfahrenseffizienz und -beschleunigung in den Massenverfahren der Corona-Wirtschaftshilfen (vgl. zu den Corona-Soforthilfen BayVGH, B.v. 20.7.2022 - 22 ZB 21.2777 - juris) eine Selbstvertretung in der qualifiziert-objektiven Gewährsfunktion des prüfenden Dritten für beratende Berufe durchgängig ausschließt (vgl. VG Würzburg, aaO Rn. 35 f.). Auch und gerade in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist es dem Richtlinien- und Zuwendungsgeber - und mit diesen der mit der Aufgabe der Zuwendungsbehörde beliehenen Antragsgegnerin - im Rahmen eines weiten Ermessens bei der Ausgestaltung der Überbrückungshilfe IV aus sachbezogenen Überlegungen heraus erlaubt, ein Gebot der Personenverschiedenheit zwischen Antragsteller und prüfendem Dritten im Vollzug der Zuwendungsrichtlinie zu statuieren und davon auch für Rechtsanwälte keine Ausnahme zuzulassen. Damit folgt die Antragsgegnerin letztlich lediglich dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Gebot in Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BayVwVfG, wonach derjenige in einem Verwaltungsverfahren nicht für eine Behörde tätig werden darf, der selbst Verfahrensbeteiligter ist oder einen Beteiligten vertritt. Im Lichte der vorgenannten qualifiziert-objektiven Gewährsfunktion des prüfenden Dritten im Vollzug der Zuwendungsrichtlinie, bei der die Bewilligungsstelle auf die vom prüfenden Dritten im Antrag gemachten Angaben grundsätzlich besonders vertrauen darf, ist die normative Grundwertung des Art. 20 BayVwVfG als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens - Wahrung der Neutralität im Interesse einer optimalen Aufgabenerfüllung und Fernhalten von möglichen sachfremden Einflüssen von Seiten der am Verfahren Mitwirkenden - für das gesamte hoheitliche Handeln - und somit vorliegend gerade auch für den Vollzug der Zuwendungsrichtlinie durch die beliehenen Antragsgegnerin - zumindest entsprechend heranzuziehen (vgl. z.B. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 20 Rn. 7a).
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Bei alledem ist zu beachten, dass es für den Antragsteller als natürliche Person auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, unter Wahrung der nach Nr. 6 Satz 4 der Zuwendungsrichtlinie erforderlichen Formvoraussetzung einen Antrag im eigenen Namen zu stellen. Dass diese Möglichkeit aus technischen Gründen für den Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 15. Juni 2022 (noch) nicht zur Verfügung stand, ändert daran nichts. Denn es hätte für ihn in Kenntnis des Ablaufs der Antragsfrist am 15. Juni 2022 (vgl. Nr. 6 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie) bereits vor dem 14. Juni 2022 (vgl. Stellungnahme des Antragstellers vom 28.6.2022, S. 55 f. der Behördenakte) Veranlassung bestanden, mit Blick auf sich abzeichnende Probleme bei der fristgemäßen Wahrung der Voraussetzungen für eine Identifizierung im Rahmen der Antragstellung im eigenen Namen i.S.d. Nr. 6 Satz 4 und Nr. 8 der Zuwendungsrichtlinie die Alternative einer Antragstellung über einen prüfenden Dritten nach Nr. 7 der Zuwendungsrichtlinie rechtzeitig in Erwägung zu ziehen, durch Kontaktaufnahme mit einem vertretungsbereiten prüfenden Dritten vorzubereiten und sodann entsprechend umzusetzen. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass weder am 14. Juni 2022 (Dienstag) - nach im Ergebnis erfolgloser Kontaktaufnahme des Antragstellers mit dem Finanzamt - noch während der Bürozeiten am 15. Juni 2022 (Mittwoch) - als es sich für den Antragsteller ohne weiteres aufdrängen musste, dass er die Formvoraussetzungen für eine Antragstellung im eigenen Namen höchstwahrscheinlich nicht einhalten können wird - ein vertretungsbereiter prüfender Dritter nicht auch noch kurzfristig, jedenfalls tagsüber während der Bürozeiten, zur Verfügung gestanden hätte.
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Hierbei ist zudem maßgeblich in den Blick zu nehmen, dass es gerade im Zuwendungsverfahren in der Sphäre und Verantwortung des Zuwendungsempfängers liegt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (fristgerecht) darzulegen und nachzuweisen (vgl. aktuell VG München, U.v. 10.10.2022 - M 31 K 22.661 - vorgesehen zur Veröffentlichung insbesondere in juris Rn. 28 m.w.N.). Da die streitige Zuwendung eine freiwillige staatliche Leistung darstellt, ist ihre Gewährung von einer Mitwirkung des Antragstellers im Rahmen des Zuwendungsverfahrens, insbesondere von der Mitteilung und Substantiierung zutreffender, zur Identifikation und für die Förderfähigkeit notwendiger (qualifizierter) Angaben abhängig. Dabei trifft jeden Antragsteller im Rahmen eines Zuwendungsverfahrens die zur allgemeine verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) hinzutretende (erhöhte) Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2022 - 22 ZB 21.2777 - juris Rn. 16; VG München, aaO). Vor diesem Hintergrund dürfte voraussichtlich auch die Voraussetzung einer unverschuldeten Fristversäumnis gem. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG - soweit diese Vorschrift vorliegend überhaupt (analog) zur Anwendung kommt (vgl. VG Würzburg, U.v. 26.7.2021 aaO Rn. 40) - nicht vorliegen. Der Antragsteller hat seiner Sorgfaltspflicht voraussichtlich nicht in ausreichender Weise genügt. Er hat nicht durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, dass sein Zuwendungsantrag fristgerecht unter Wahrung der gebotenen Form bei der Antragsgegnerin eingeht. Auch wenn Fristen grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden dürfen, muss von einem Zuwendungsantragsteller ausreichend dafür Sorge getragen werden, dass gerade auch die einschlägigen Formvoraussetzungen eingehalten werden können. Dies hat der Antragsteller nach Aktenlage nicht hinreichend beachtet.
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Es ist folglich nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vor diesem Hintergrund keinen atypischen Fall zu erkennen vermag, der eine Ausnahme von ihrer ständigen Verwaltungspraxis rechtfertigen würde. Zutreffend geht sie davon aus, dass hier voraussichtlich auch kein Fall höherer Gewalt inmitten steht. Schließlich wurde auch dafür, dass die Antragsgegnerin in gleichgelagerten Fällen anders entschieden hätte, weder substantiiert vorgetragen noch ist dies dem Gericht mit Blick auf die bei ihm anhängige Vielzahl anderer einschlägiger Verfahren ersichtlich.
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Nach alledem ist die hier maßgebliche Zuwendungspraxis, die Beantragung der Neustarthilfe 2022 von Formvoraussetzungen abhängig zu machen, die der Antragsteller indes, wie ausgeführt, nicht erfüllt, nicht zu beanstanden. Dem Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben bzw. hier durch die beliehene Antragsgegnerin handhaben zu lassen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Dies ist, wie vorstehend dargelegt, hier voraussichtlich nicht der Fall.
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Es fehlt daher nach summarischer Prüfung auch am Anordnungsanspruch.
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Der Antrag war sonach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Eine Reduzierung des Streitwerts war im vorliegenden Fall wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht veranlasst (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013; BayVGH, B.v. 20.11.2018 - 10 CE 18.2159 - juris Rn. 16 m.w.N.; VG München B.v. 2.11.2021 - M 31 E 21.5180 - juris Rn. 30; VG München B.v. 21.7.2021 - M 31 E 21.3263 - juris Rn. 22).