Inhalt

VG München, Urteil v. 25.10.2022 – M 3 K 20.650
Titel:

Rüge von Mängel der Prüfung 

Normenkette:
Studienordnung Pharmazie LMU München § 7 Abs. 4, Abs. 7
Leitsätze:
1. Es gehört zu den Obliegenheiten eines Prüflings, Verfahrensmängel zeitnah zu rügen, und darüber hinaus - sofern Abhilfe nicht geschaffen wird - ohne schuldhaftes Zögern zu entscheiden, ob die Prüfung aus diesem Grund nicht gelten soll. Äußerste Grenze ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wahrung der Chancengleichheit schließt auch ein, Prüflinge, die sich nicht an die Regeln halten, vom Wettbewerb auszuschließen, was in der Regel Maßnahmen zur Verhinderung von Täuschungen voraussetzt. Hierdurch bedingte Störung in der Prüfung sind hinzunehmen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bescheinigung, deren Erteilung, Zulassungsvoraussetzung des Ersten, Abschnitts der Pharmazeutischen, Prüfung ist, Nichtbestehen einer praktischen Lehrveranstaltung, Täuschungsvorwurf, Verfahrensrügen, Bewertungsrüge, unverzügliche Rüge
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34337

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin nahm im Sommersemester 2019 ihr Studium im Studiengang Pharmazie an der L.-M.-Universität M. (im Folgenden: LMU) auf.
2
Im Sommersemester 2019 nahm die Klägerin erfolglos an der Zwischenprüfung der praktischen Lehrveranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ - im Folgenden: die streitgegenständliche Lehrveranstaltung - teil. Im Wintersemester 2019/20 unterzog sich die Klägerin erneut der Zwischenprüfung der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung. Sie bestand die Ausgangsprüfung am 26. November 2019 nicht. Bei der Wiederholungsprüfung am 3. Dezember 2019 erzielte sie elf von 25 möglichen Punkten bei einer Bestehensgrenze von 13 Punkten.
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Mit Bescheid vom 20. Januar 2020 teilte die LMU der Klägerin mit, gemäß § 7 Abs. 7 der Studienordnung für Pharmazie in der Fassung vom 2. November 2004 könnten praktische Lehrveranstaltungen höchstens einmal wiederholt werden. Die Klägerin habe an der Zwischenprüfung und der zugehörigen Nachholprüfung zu der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung im Sommersemester 2019 und im Wintersemester 2019/20 jeweils ohne Erfolg teilgenommen. Ihren letzten Prüfungsversuch habe sie nicht bestanden, weil sie zum einen eine Täuschung unternommen und zum anderen die geforderte Mindestpunktzahl nicht erreicht habe. Jeder der beiden Gründe führe bereits für sich zur Bewertung des Prüfungsversuchs mit „nicht bestanden“. Für eine weitere Wiederholung der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung könne die Klägerin nicht zugelassen werden.
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Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020, bei Gericht eingegangen am 17. Februar 2020, hat die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben. Sie beantragt,
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Der Bescheid der L.-M.-Universität M. vom 20. Januar 2020 wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Behauptung, die Klägerin habe eine Täuschung unternommen, sei falsch. Beigefügt ist eine eidesstattliche Versicherung der Klägerin, in der im Wesentlichen folgender Sachverhalt geschildert ist: Bei der Zwischenprüfung der Lehrveranstaltung am 3. Dezember 2019, die zwischen 13.30 und 14.30 Uhr stattgefunden habe, sei ungefähr 10 Minuten nach Klausurbeginn Dr. K. auf sie zugekommen und habe gemeint, er habe eine Stimme gehört, die von ihr komme. Daraufhin habe er sie nach vorne gebracht und ihre Klausur mitgenommen. Dort habe er sie durch zwei Assistentinnen durchsuchen lassen. Sie habe ihre Ohren und ihren Bauch zeigen müssen. Dies sei ihr extrem unangenehm gewesen. Sie sei ohne ihre Erlaubnis angefasst worden. Die Assistentinnen hätten bei ihr nichts gefunden. Währenddessen habe Dr. K. alles, was an ihrem Platz auf dem Tisch gelegen habe, durchsucht. Er habe nichts gefunden. Auf die Frage nach ihrem Handy habe sie gesagt, dass es in ihrer Tasche sei und er dies gerne kontrollieren könne. Sie habe vorne sitzen müssen und sei von den Assistentinnen und Dr. K. während der ganzen Klausur beobachtet worden. Dies habe sie unter extremen Druck und Stress gesetzt. Nach dem Vorfall sei es für sie sehr anstrengend gewesen, sich wieder zu konzentrieren. Während des Vorfalls habe sie die Aufmerksamkeit ihrer Kommilitonen auf sich gezogen; sie möge es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Sie sei vor allen bloßgestellt und gedemütigt worden. Dr. K habe sie am Ende der Klausur 2 Minuten länger schreiben lassen. Nach der Klausur sei sie von Kommilitonen angesprochen worden und habe sich rechtfertigen müssen. Sie habe sich diskriminiert gefühlt aufgrund der unerlaubten Körpervisitation. Ihre Religion sei nicht respektiert worden. Sie sei von dem ganzen geschockt gewesen und habe einen Nervenzusammenbruch gehabt. Der gesamte Vorgang der Durchsuchung habe ca. 10 Minuten gedauert. Bei der Klausureinsicht am 5. Dezember 2019 habe sie festgestellt, dass die Klausur mit Absicht streng benotet worden sei. Im Gespräch mit Kommilitonen habe sie bemerkt, dass diese für einen Rechenweg Punkte bekommen hätten, für den sie keine Punkte bekommen habe. Sie habe dann mit Dr. K. über die Klausurberichtigung gesprochen. Da sie im Gespräch zu keiner Lösung gelangt seien, habe Dr. K sie zum Studiendekan geschickt, den sie erst am 9. Dezember 2019 habe sprechen können. Sie habe dann erfolglos versucht, Prof. B. zu sprechen. Auf ihre E-Mail habe dieser ihr nach zwei Tagen geantwortet, dass sie sich sehr spät mit ihm in Verbindung setze und ihr Fall bereits bei der Rechtsabteilung der LMU bearbeitet werde. Sie wolle, dass ihre Klausur unabhängig von einer dritten Person korrigiert werde.
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Durch ihren damaligen Bevollmächtigten lässt die Klägerin rügen, dass ihr für die 10-minütige Störung während der Prüfung ein Ausgleich von nur zwei Minuten gewährt worden sei.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, bei der Wiederholungsprüfung am 3. Dezember 2019 habe der aufsichtsführende Assistent Dr. K. ca. 10 Minuten nach Prüfungsbeginn bei einem Rundgang durch die Reihen eine Lautsprecherdurchsage wahrgenommen. Er habe die Prüfungsteilnehmerin I. angesprochen, die jedoch bestritten habe, ein unerlaubtes Hilfsmittel zu nutzen. Er habe Frau I. daraufhin in die erste Reihe gesetzt. Bei Fortsetzung des Rundgangs habe Dr. K. erneut die Durchsage gehört. Er habe sich daraufhin vor die Klägerin gestellt, die - vor Versetzung von Frau I. - deren Sitznachbarin gewesen sei, und habe ca. 30 Sekunden lang dem Diktat einer Strukturformel zugehört. Er habe die Klägerin nach vorn gebeten. Auch auf dem Weg nach vorn sei die Durchsage zu hören gewesen. Dr. K. habe die Assistentinnen A. und G. gebeten, die Klägerin oberflächlich abzutasten. Die Klägerin habe nicht widersprochen, sie habe kein Kleidungsstück ablegen müssen. Da kein unerlaubtes Hilfsmittel entdeckt worden und die Durchsage verstummt sei, habe die Klägerin die Klausur in der ersten Reihe beenden dürfen. Alle Prüfungsteilnehmer hätten einen Zeitzuschlag von zwei Minuten zum Ausgleich der Störung erhalten. Die Klägerin habe erst, als bei der Klausureinsicht das Nichtbestehen feststand, Beeinträchtigungen bei der Anfertigung der Klausur geltend gemacht. Aufgrund von § 7 Abs. 4 Satz 2 der Studienordnung sei für die streitgegenständliche praktische Lehrveranstaltung eine Zwischenprüfung vorgesehen. Werde die Prüfung am regulären Termin und am Wiederholungstermin nicht bestanden, sei die Lehrveranstaltung einmal nicht bestanden. Die Lehrveranstaltung könne einmal wiederholt werden. Die Klägerin habe ihren letzten Prüfungsversuch zum einen aufgrund des Täuschungsversuchs, zum anderen weil sie lediglich elf Punkte erzielt habe, nicht bestanden. Die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin sei, soweit sie von der obigen Darstellung abweiche, nicht glaubhaft. Die Klägerin könne sich auf eine etwaige Beeinträchtigung während der Prüfung jedenfalls nicht berufen, da sie diese erst in Kenntnis des Prüfungsergebnisses und damit zu spät geltend mache.
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Auf das Schreiben des Gerichts vom 1. April 2020 hin legt die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. April 2020 einen Abdruck der Prüfungsarbeit der Klägerin vom 3. Dezember 2019 sowie eine Musterlösung der Prüfungsaufgabe vor.
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Den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 14. Februar 2020 und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 19. März 2020 (M 3 E 20.1243) hat das Gericht mit Beschluss vom 30. April 2020 abgelehnt.
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Mit Schriftsatz vom 18. August 2020 stellt der Bevollmächtigte der Klägerin ergänzend folgende Anträge:
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Die Prüfung der Klägerin „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ im Wintersemester 2019/2020 wird, unter Rücknahme des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen vom 20. Januar 2020, durch Wiederholung fortgesetzt.
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Hilfsweise:
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Die Prüfung der Klägerin „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ im Wintersemester 2019/2020 wird, unter Rücknahme des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen vom 20. Januar 2020, neu bewertet.
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Der bisherige Vortrag wird wiederholt und vertieft. Zum Prüfungsablauf wird ausgeführt, die Klägerin sei in der Mitte des Hörsaals gesessen. Zwischen den Prüflingen habe ein Abstand von mindestens zwei Plätzen bestanden. Dr. K. habe zunächst Frau I., die ca. acht Plätze von der Klägerin entfernt gesessen habe, angesprochen, dass er etwas höre. Danach sei Frau I. in die erste Reihe versetzt worden und habe die Prüfung fortsetzen dürfen. Dann habe Dr. K. die Klägerin angesprochen und sie nach vorne gebeten, wo sie von den Assistentinnen abgetastet worden sei; unerlaubte Hilfsmittel seien nicht gefunden worden. Obwohl zwischen Frau I. und der Klägerin weitere Personen gesessen hätten, habe Dr. K. lediglich die beiden Frauen mit Kopftuch mit dem Täuschungsvorwurf konfrontiert. Das Mobiltelefon der Klägerin habe sich ausgeschaltet am Eingang des Hörsaals befunden. Frau I. sei ein fünfter Prüfungsversuch gewährt worden. Die Chancengleichheit sei hier nicht gewahrt, da die Klägerin zu Unrecht des Unterschleifs verdächtigt und der Zeitverlust nicht ausgeglichen worden sei. Das Recht der Glaubensfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht seien vorliegend in schwerwiegender Weise verletzt worden. Die Klägerin sei streng muslimisch.
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Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2022 wird auf die Niederschrift, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die vorgelegte Behördenakte, auf die Gerichtsakte sowie auf die Gerichtsakte im Verfahren M 3 E 20.1243 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Das Gericht legt den Hauptantrag, mit dem die Klägerin eine Aufhebung des Bescheids der LMU vom 20. Januar 2020 und die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens in Gestalt eines verfahrensfehlerfreien weiteren Prüfungsversuchs für die Zwischenprüfung erreichen möchte, gemäß § 88 VwGO als Anfechtungsantrag aus. Das Prüfungsrechtsverhältnis und der Prüfungsanspruch erlöschen mit dem Abschluss einer Prüfung. Wird eine negative Prüfungsentscheidung - hier der Bescheid vom 20. Januar 2020 - wegen Verfahrensfehlern durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage beseitigt, leben das Prüfungsrechtsverhältnis und der Prüfungsanspruch wieder auf. Die Prüfungsbehörde ist zur Wiederholung der Prüfung verpflichtet, ohne dass es hierzu eines gesonderten gerichtlichen Ausspruchs dieser Verpflichtung bedürfte (BVerwG, U.v. 27.2.2019 - 6 C 3/18 - juris Rn. 8; Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 825).
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Der Hauptantrag der Klägerin bleibt ohne Erfolg, da der Bescheid vom 20. Januar 2020 rechtmäßig ist und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO)
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aa) Für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung sind nach § 6 Abs. 3 Nr. 5 der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) vom 19. Juli 1989 (BGBl I S. 1489), FNA 2121-1-6, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl.I S. 1307), die Bescheinigungen über die regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme an den Veranstaltungen zu den in der Anlage 1 zu Buchstaben A bis D angeführten Stoffgebieten nach dem Muster der Anlage 2 vorzulegen. Wird der Nachweis nicht erbracht, ist die Zulassung zu dem Prüfungsabschnitt zu versagen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AAppO). Im Stoffgebiet A („Allgemeine Chemie der Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe“) sind drei Bescheinigungen über die erfolgreiche und regelmäßige Teilnahme an Lehrveranstaltungen vorzulegen; zu den vom Stoffgebiet A umfassten Veranstaltungen zählt auch die Veranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“.
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Die Voraussetzungen für Erteilung der Bescheinigung der regelmäßigen und erfolgreichen Teilnahme an den entsprechenden Lehrveranstaltungen sind durch die aufgrund von Art. 58 Abs. 1 Satz 3 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. August 2022 (GVBl. S. 414), erlassene Studienordnung für den Studiengang Pharmazie der L.-M.-Universität M. (im Folgenden: StO) vom 17. Juli 2002, zuletzt geändert durch Satzung vom 2. November 2004, geregelt. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 StO kann die Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an einer praktischen Lehrveranstaltung nach dem Muster der Anlagen 2 oder 3 AAppO nur erteilt werden, wenn die erforderlichen praktischen und theoretischen Kenntnisse über den der Lehrveranstaltung zugehörigen Wissensstoff nachgewiesen wurden. Die Leitung der Veranstaltung bestimmt, in welcher Form der Nachweis zu führen ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 StO). Studienleistungen bestehen bei praktischen Lehrveranstaltungen aus Praktikumsaufgaben mit Protokollen, Zwischenprüfungen und Testaten (praktischer Teil), sowie einer mündlichen oder schriftlichen Abschlussprüfung (§ 7 Abs. 4 Satz 3 StO).
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(1) Es begegnet keinen Bedenken, dass die Regelungen zur Erteilung der Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an einer praktischen Lehrveranstaltung nach dem Muster der Anlage 2 und die Regelungen zur Wiederholbarkeit der praktischen Lehrveranstaltung in einer Studienordnung und nicht in einer Prüfungsordnung nach Art. 61 Abs. 2, 3 BayHSchG getroffen wurden. Hochschulprüfungen, die aufgrund von Prüfungsordnungen abgenommen werden (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG), sind Prüfungen, die das Studium abschließen (Art. 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayHSchG) oder als Vor- oder Zwischenprüfung Voraussetzung für die Fortsetzung des Studiums oder den Übergang in das Hauptstudium sind (Art. 61 Abs. 1 Satz 3 bis 5 BayHSchG). Vorliegend geht es jedoch um eine Prüfung als Voraussetzung für die Erteilung der Bescheinigung, die wiederum Voraussetzung für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung ist. Diesbezüglich sieht Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG vor, dass die Studienordnung Regelungen über den Erwerb der Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Prüfung und dessen Wiederholbarkeit treffen kann (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2010 - 7 ZB 09.1072 - juris Rn. 15, 20).
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(2) Die Vorschriften des § 7 Abs. 4 StO zur Zwischenprüfung genügen den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG für Eingriffe in die freie Wahl des Berufs.
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(a) Im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab kann die Staatsangehörigkeit der Klägerin dahin stehen. Denn Nichtdeutsche genießen für ihre berufliche Betätigung und deren Vorwirkungen grundrechtlichen Schutz jedenfalls über Art. 2 Abs. 1 GG. Dies führt zumindest dann nicht zu einer Absenkung des Schutzniveaus, wenn sich aus dem betroffenen Sachbereich kein sachlicher Grund für eine entsprechende Differenzierung ergibt (vgl. BVerfG, B.v. 4.11.2010 - 1 BvR 3389/08 - juris Rn. 51; Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 648 Fn. 328). Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ergeben sich sowohl aus der Berufsfreiheit als auch aus dem Grundsatz der Chancengleichheit nach dem für Deutsche und Ausländer gleichermaßen geltenden Art. 3 Abs. 1 GG. Die Maßstäbe für die gerichtliche Kontrolle folgen aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG. Danach erscheint es nicht gerechtfertigt, Ausländern, die allgemein die Zugangsvoraussetzung für eine Berufszugangsprüfung erfüllen, bei der Durchführung des Prüfungsverfahrens einen nur verringerten grundrechtlichen Schutz zuzubilligen als Deutschen, die sich unmittelbar auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können (vgl. BVerfG, B.v. 4.11.2010 - 1 BvR 3389/08 - juris Rn. 51; BVerwG, U.v. 27.2.2019 - 6 C 3/18 - juris Rn. 9, 14).
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(b) Die für die Zwischenprüfung im Einzelnen geltenden Regelungen musste der parlamentarische Gesetzgeber nicht selbst festlegen. Vorschriften über den Prüfungsstoff, das Prüfungssystem und die Einzelheiten des Prüfungsverfahrens wie auch die Festlegung der Bestehensvoraussetzungen gehören in aller Regel nicht zu den dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehaltenen Leitentscheidungen (BVerwG, U.v. 29.5.2013 - 6 C 18/12 - juris Rn. 20 m.w.N.). Die für die Zwischenprüfung vorgesehenen Regelungen der Studienordnung weisen die vom Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geforderte Regelungsdichte hinsichtlich Prüfungsstoff, Prüfungssystem, Einzelheiten des Prüfungsverfahrens und Bestehensvoraussetzungen auf.
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Die Bedeutung der Zwischenprüfung als Voraussetzung für die Erteilung der Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung ergibt sich aus § 7 Abs. 4 Satz 6 StO, wonach an der Abschlussprüfung nur teilnehmen kann, wer den praktischen Teil vollständig und erfolgreich erfüllt hat, in Verbindung mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 3 StO, wonach im praktischen Teil „Zwischenprüfungen“ vorgesehen werden können. Aus der Eigenart einer Zwischenprüfung folgt, dass mit deren Nichtbestehen auch vor Ende einer Lehrveranstaltung feststehen kann, dass die Bescheinigung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 StO nicht erteilt werden kann. Der Prüfungsstoff ist mit dem Titel der Lehrveranstaltung (Anl. 1 zu § 7 StO; vgl. Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 AAppO) hinreichend umrissen. Zur Art und Weise der Prüfung ist in § 7 Abs. 4 Satz 3 StO lediglich vorgesehen, dass Studienleistungen bei praktischen Lehrveranstaltungen aus Praktikumsaufgaben mit Protokollen, Zwischenprüfungen und Testaten (praktischer Teil), sowie einer mündlichen oder schriftlichen Abschlussprüfung bestehen; im Übrigen bestimmt nach § 7 Abs. 4 Satz 2 StO die Leitung der Veranstaltung, in welcher Form der Nachweis zu führen ist. Hieraus ist zumindest erkennbar, dass sich die Zwischenprüfung von Praktikumsaufgaben unterscheidet, somit keine praktische, sondern eine mündliche oder schriftliche Prüfung ist, und ihre konkrete Gestaltung in der Verantwortung der Leitung der Veranstaltung liegt. Eine weitere Konkretisierung in der Studienordnung ist zumindest vor dem Hintergrund nicht zwingend zu fordern, dass die Besonderheiten praktischer Lehrveranstaltungen einen größeren Spielraum für die Leitung der Veranstaltung rechtfertigen und vorliegend eine hinreichende Konkretisierung des Ablaufs der Zwischenprüfung zu Beginn der praktischen Lehrveranstaltung erfolgte (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2010 - 7 ZB 09.1072 - juris 27; Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 28).
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(c) Es begegnet keinen Bedenken, das Bestehen der Zwischenprüfung als Voraussetzung für das Bestehen der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung und damit für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung vorzusehen. Voraussetzung hierfür ist, dass mit der Prüfung ein unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil der Qualifikation nachgewiesen wird (BVerwG, U.v. 15.3.2017 - 6 C 46.15 - juris Rn. 13). Hiervon kann im Hinblick auf die Bedeutung des Prüfungsstoffs für den Studiengang (vgl. Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 AAppO Stoffgebiet A, § 17 Abs. 1 I. AAppO) und auf die aus Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 AAppO (bei Stoffgebiet A 336 Unterrichtsstunden praktische Übungen von insgesamt 462 Unterrichtsstunden) ersichtliche Bedeutung des praktischen Teils der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung ausgegangen werden. Verfassungsrecht verbietet nicht, schon die Zulassung zu einer Abschlussprüfung oder einem Prüfungsabschnitt vom Erreichen eines bestimmten Ausbildungserfolgs abhängig zu machen, der im Wege einer als Prüfung durchgeführten studienbegleitenden Leistungskontrolle festgestellt wird (BVerwG, B.v. 3.11.1986 - 7 B 108/86 - juris Rn. 8).
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(d) Die Zahl der sich aus § 7 Abs. 7 Satz 1 StO und dem Angebot einer Nachholprüfung pro Lehrveranstaltung ergebenden vier Prüfungsversuchen ist nicht zu beanstanden.
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bb) Vorliegend wendet sich die Klägerin nicht gegen das Nichtbestehen der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung im Sommersemester 2019 und nicht gegen das Nichtbestehen der Ausgangsprüfung der Zwischenprüfung im Wintersemester 2019/20 am 26. November 2019. Ihre Verfahrensrügen im Hinblick auf den Prüfungstermin am 3. Dezember 2019 bleiben ohne Erfolg.
32
(1) Soweit die Klägerin geltend macht, die Störung während der Prüfung durch die Maßnahmen der Prüfungsaufsicht ihr gegenüber habe etwa zehn Minuten angedauert, während ihr lediglich eine Zeitverlängerung von zwei Minuten gewährt worden sei, und es nicht auszuschließen sei, dass sie bei Nutzung der vollen Prüfungszeit die Prüfung bestanden hätte, ist diese Rüge verspätet.
33
Es gehört zu den Obliegenheiten eines Prüflings, Verfahrensmängel zeitnah anzuzeigen, und darüber hinaus - sofern Abhilfe nicht möglich ist oder nicht geschaffen wird - ohne schuldhaftes Zögern zu entscheiden, ob die Prüfung aus diesem Grund nicht gelten soll. Welcher Zeitraum noch als unverzüglich anzusehen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Äußerste Grenze ist aber grundsätzlich der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Die Obliegenheit der unverzüglichen Rüge von Verfahrensmängeln dient zum einen dazu, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und unter Umständen sogar einer noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels zu ermöglichen. Zum anderen soll verhindert werden, dass der betroffene Prüfling, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft, was im Verhältnis zu den anderen Prüflingen den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.1994 - 6 C 37/92 - juris Rn. 18; U.v. 6.9.1995 - 6 C 16/93 - juris Rn. 46 ff. m.w.N. zum Rücktritt).
34
Im Hinblick auf Störungen des Prüfungsablaufs muss die Prüfungsbehörde allerdings dann, wenn zweifelsfrei ein Fehler im Prüfungsverfahren auftritt, von sich aus - auch ohne entsprechende Rüge des Prüflings - im Rahmen ihrer Möglichkeiten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Fehler zu vermeiden oder, wenn dies nicht mehr möglich ist, ihn abzustellen und, soweit erforderlich, für den gebotenen Ausgleich zu sorgen. Deshalb bedarf es z.B. dann, wenn eine Lärmstörung nach ihrer Art und ihrem Ausmaß ohne jeden Zweifel die Chancengleichheit der Prüflinge verletzt, keiner Rüge eines Prüflings, um die Prüfungsbehörde zu den erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen, sondern sie muss von sich aus tätig werden, und die Prüflinge können sich auch ohne Rüge auf den fraglichen Verfahrensfehler berufen, wenn die Prüfungsbehörde etwa untätig bleibt (BVerwG, U.v. 11.8.1993 - 6 C 2.93 - juris Rn. 54; B.v. 10.8.1994 - 6 B 60.93 - juris Rn. 7).
35
Von der Rüge einer Störung oder eines mangelhaften Störungsausgleichs zu unterscheiden ist die Obliegenheit des Prüflings zu erklären, ob er Konsequenzen aus der Störung ziehen oder die Prüfung trotz der Beeinträchtigung gelten lassen will, unabhängig davon, ob diese Störung ihre Relevanz von Amts wegen oder erst durch Rüge während der Prüfung erhalten hat. Auch wenn für die Berufung auf eine Störung keine Ausschlussfrist geregelt ist, ergibt sich aus dem Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht, dass ein Prüfling mit der Berufung auf einen Verfahrensmangel nicht so lange warten darf, bis ihm das Ergebnis der Bewertung bekannt geworden ist; andernfalls könnte er sich auf diesem Wege eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschaffen (OVG NW, B.v. 3.6.2009 - 14 B 594/09 - juris Rn. 16 m.w.N.; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 485).
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Vorliegend hat auch die Prüfungsaufsicht das Versetzen und Abtasten der Klägerin durch die weiteren Aufsichtsführenden als Störung eingestuft und allen Prüfungsteilnehmern eine Zeitverlängerung von zwei Minuten gewährt. Die unterschiedlichen Darstellungen der Beteiligten betreffen allein die Dauer der Störung. Eine weitere Aufklärung kann vorliegend unterbleiben, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Klägerin den aus ihrer Sicht unzureichenden Zeitausgleich vor der Klausureinsicht am 5. Dezember 2019 geltend gemacht hätte. Eine unmittelbar am Ende der von der Prüfungsaufsicht bestimmten Prüfungszeit erhobene Rüge hätte zum einen der Prüfungsaufsicht Gelegenheit gegeben, die Rüge der Klägerin zu prüfen und ggf. ihrer Rüge Rechnung zu tragen. Zum anderen hätte auch noch eine nach Ende der Prüfung oder am nächsten Tag erhobene Rüge es eher ermöglicht, die zeitliche Dauer der Unterbrechung und damit die Berechtigung des Vorbringens der Klägerin zu überprüfen.
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Soweit die Klägerin in ihrer E-Mail vom 17. Dezember 2019 an das Referat I.3 (Recht) der LMU ausführt, sie habe sich direkt nach der Klausur mit den Zuständigen in Verbindung gesetzt, macht sie darin keine substantiierten Angaben dazu, wann genau und mit wem sie Kontakt aufgenommen habe. Ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung lässt sich entnehmen, dass sie erst bei Einsichtnahme in ihre Klausur und nach Besprechung der Korrektur mit Dr. K. Einwände gegen den Ablauf der Prüfung vorbrachte. Dies stimmt mit den Angaben von Dr. K. in der mündlichen Verhandlung und in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2019 überein, wonach die Klägerin nach der Prüfung weder auf ihn noch auf die beiden Assistentinnen zugekommen sei; der nächste Kontakt zur Klägerin sei der Termin zur Einsicht in die Prüfungsarbeiten gewesen, bei dem die Klägerin zunächst auch keine Einwendungen erhoben habe, sondern erst als nach der Besprechung der Korrektur mit Dr. K. ihr Nichtbestehen festgestanden habe, sie den Vorfall während der Prüfung vom 3. Dezember 2019 als Grund ihres Scheiterns genannt habe. Auch Prof. B. äußert in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2019, dass er die Klägerin erst am 9. Dezember 2019 vor seinem Büro angetroffen habe und er am selben Tag einen Anruf sowie eine E-Mail der Klägerin erhalten habe. Es sind keine Anhaltspunkte für Zweifel an den Angaben von Dr. K. und Prof. B. ersichtlich. Der Aktenvermerk vom 9. Dezember 2019 durch Frau S. zur Vorsprache der Klägerin bei Prof. P., wonach die Klägerin geäußert habe, sich erst nach Klausureinsicht beschwert zu haben, da sie das Gefühl gehabt habe, zu hart bewertet worden zu sein, spricht ebenfalls gegen eine vorherige Rüge.
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Besondere Umstände, aufgrund derer eine Rüge vor Notenbekanntgabe ausnahmsweise nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, sind vorliegend nicht substantiiert vorgetragen. Die Klausureinsicht fand zwei Tage nach der Prüfung statt. Diese Zeit erscheint ausreichend, um sich nach der Prüfung zu beruhigen und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Prüfungsleistung trotz der vorgetragenen Verfahrensmängel gelten soll oder nicht. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vortrug, dass sie wegen des Vorfalls während der Prüfung in den Tagen danach psychische Probleme gehabt habe, wird zum einen aus ihren Angaben nicht deutlich, ob und inwieweit sie dadurch gehindert war, Verfahrensmängel geltend zu machen. Zum anderen war die Klägerin offenbar jedenfalls bei der Einsichtnahme in die Klausur am 5. Dezember 2019 wieder in einer hinreichenden gesundheitlichen Verfassung; es wäre ihr daher zumindest zu diesem Zeitpunkt und noch vor Bekanntgabe des Ergebnisses möglich gewesen, Verfahrensrügen zu erheben.
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(2) Auch die Rüge der Klägerin, sie sei durch das Verhalten von Dr. K. ihr gegenüber während der Prüfung in ihrer Konzentration und Leistungsfähigkeit massiv gestört worden, erfolgte verspätet.
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Die unter (1) dargestellten Grundsätze gelten auch hier. Insbesondere lassen sich die hier gerügten Prüfungsumstände nicht mit offensichtlichen Mängeln des Prüfungsverfahrens wie unerträglicher Lärm oder extreme Temperaturen im Prüfungsraum, die nicht eigens gerügt werden müssten, vergleichen. Die Frage, ob und in welchem Umfang Maßnahmen der Prüfungsaufsicht zur Aufdeckung und Unterbindung etwaiger Täuschungsversuche die Konzentration und Leistungsfähigkeit des betroffenen Prüflings beeinträchtigen, lässt sich nicht allgemein beantworten. Bei Störungen des Prüfungsablaufs, deren Gewicht wesentlich von den subjektiven Empfindungen des Prüflings abhängt, obliegt es dem Prüfling, den Mangel anzuzeigen und Abhilfe zu verlangen. Zum anderen ist auch diesbezüglich eine unverzügliche eindeutige Erklärung erforderlich, dass die Prüfung wegen des Mangels nicht gelten solle (vgl. oben (1)).
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(3) Auch soweit die Klägerin vorbringt, sie sehe sich durch das Vorgehen der Prüfungsaufsicht, insbesondere durch die unerlaubte Körpervisitation und die Platzierung in der ersten Reihe, bloßgestellt, diskriminiert und ungerecht und ohne den nötigen Respekt behandelt, führt ihre Rüge nicht zum Erfolg. Die obigen Ausführungen zur Verspätung der Rüge und Erklärung, dass die Prüfungsleistung nicht gelten solle, gelten gleichermaßen.
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Etwas Anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Fairnessgebot. Das aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) folgende Recht des Prüflings auf ein faires Verfahren verpflichtet den Prüfer, darauf Bedacht zu nehmen, dass auch der Prüfungsstil, der Ablauf des Prüfungsverfahrens und die Prüfungsatmosphäre nach Möglichkeit leistungsverfälschende Verunsicherungen des Prüflings ausschließen (BVerwG, B.v. 28.10.2004 - 6 B 51/04 - juris Rn. 24 m.w.N.). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Wahrung der Chancengleichheit auch einschließt, diejenigen Prüflinge, die sich zu eigenem Vorteil nicht an die für alle Prüflinge geltenden Regeln halten, vom Wettbewerb auszuschließen (BVerwG, B.v. 7.12.1976 - VII B 157.76 - Buchholz 421.0 Nr. 78). Dies setzt in der Regel Maßnahmen zur Verhinderung, Aufdeckung und Unterbindung von Unterschleif voraus. Bei Anwendung derartiger Maßnahmen ist zwar das Recht des betroffenen Prüflings auf ein faires Verfahren zu beachten; dieses Recht ist jedoch nicht bereits dann verletzt, wenn die Maßnahmen im konkreten Fall nicht zu einer zweifelsfreien Aufdeckung eines Täuschungsversuchs führen und der Prüfling die Maßnahmen als unangenehm empfindet.
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Nach den Ausführungen von Dr. K. in der mündlichen Verhandlung wie auch in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2019 hat dieser im Bereich des Platzes der Klägerin über etwa 30 Sekunden lang eine von extern kommende Ansage gehört, durch die eine chemische Strukturformel diktiert wurde; diese Ansage war nach seinem Vortrag auch noch hörbar, als er mit der Klägerin nach vorn ging. Die Klägerin hat weder in der mündlichen Verhandlung noch schriftsätzlich zu dem Vortrag einer von extern kommenden Ansage Ausführungen gemacht. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel daran aufwerfen würden, dass Dr. K. tatsächlich im Umfeld des Platzes der Klägerin eine derartige Ansage gehört hat. Vor diesem Hintergrund bestand Anlass zu der Annahme, dass ein Täuschungsversuch vorliegt, der möglicherweise von der Klägerin ausgehen könnte. Soweit Dr. K. daraufhin der Klägerin einen Platz vorne im Prüfungsraum zuwies, hält sich diese Maßnahme am unteren Rand der Reaktionsmöglichkeiten einer Prüfungsaufsicht bei einem Verdacht eines Täuschungsversuchs; es ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt diese Maßnahme das Recht der Klägerin auf ein faires Verfahren verletzen könnte, unabhängig davon, ob der Täuschungsversuch von der Klägerin ausging oder nicht. Was das Abtasten der Klägerin anbelangt, ist zwar vorliegend nicht ersichtlich, auf welche Rechtsgrundlage ein Abtasten der Klägerin gegen ihren Willen gestützt werden könnte. Für die Frage der Verletzung des Fairnessgebots ist allerdings entscheidend, dass zum einen auch die Klägerin nicht vorträgt, dem Abtasten widersprochen zu haben, und die Prüfungsaufsicht von dem stillschweigenden Einverständnis der Klägerin mit dem Abtasten ausging. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass ein oberflächliches Abtasten der Kleidung der Klägerin durch weibliche Aufsichtspersonen und auch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geschilderte Zeigenmüssen von Ohren und Bauch nicht an sich bereits unverhältnismäßig erscheint angesichts der Bedeutung, die im Prüfungsverfahren der Verhinderung und Unterbindung von Unterschleif im Hinblick auf die Chancengleichheit zukommt.
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(4) Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung dergestalt beanstandet, dass lediglich Frau I. und sie selbst, nicht aber sonstige im Umkreis sitzende Prüflinge von Dr. K. angesprochen und nach vorne gebeten worden seien, fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag. Die Klägerin setzt sich nicht mit den Stellungnahmen von Dr. K. auseinander, wonach er die externe Durchsage von Formeln unmittelbar an ihrem Platz wahrgenommen habe und die Durchsage auch noch zu hören gewesen sei, als die Klägerin mit ihm nach vorne gegangen sei.
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cc) Der Vortrag der Klägerin, ihrer Kommilitonin, Frau I., sei ein fünfter Prüfungsversuch gewährt worden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ob Verfahrensrügen für den betroffenen Prüfling zu einem neuen Prüfungsversuch führen, richtet sich nach den oben dargestellten Voraussetzungen. Nach diesen Maßgaben bleiben die Verfahrensrügen der Klägerin ohne Erfolg; die Zwischenprüfung der Klägerin vom 3. Dezember 2019 ist nicht zu annullieren und die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihr einen neuen Prüfungsversuch einzuräumen. Ob etwaige Verfahrensrügen der Kommilitonin, Frau I., erfolgreich waren und ob die Beklagte verpflichtet war, Frau I. einen weiteren Prüfungsversuch zu gewähren, kann hier offen bleiben. Denn Chancengleichheit im Prüfungsrecht bedeutet Gleichheit in der Anwendung ausschließlich rechtmäßiger Maßstäbe (BVerwG, U.v. 9.8.1996 - 6 C 3/95 - juris Rn. 47). Selbst aus einem aufgrund einer unzutreffenden Bewertung der Rechtslage eingeräumten fünften Prüfungsversuch für Frau I. würde sich daher kein Anspruch der Klägerin auf einen weiteren Prüfungsversuch ergeben.
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b) Der zulässige Hilfsantrag ist unbegründet. Die Nichtvornahme einer erneuten Bewertung und Verbescheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da die Klägerin keinen Anspruch auf Neubewertung ihrer Prüfungsarbeit vom 3. Dezember 2019 hat (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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aa) Die gerichtliche Kontrolle fachlicher, wissenschaftlicher Urteile, Wertungen und Entscheidungen von Prüfern stößt an Grenzen, weil die Beurteilung von Prüfungsleistungen von Gesichtspunkten und Überlegungen bestimmt ist, die sich einer rechtlich unmittelbar subsumierbaren Erfassung mehr oder minder entziehen und jedenfalls teilweise auf nicht in vollem Umfang objektivierbaren Einschätzungen und Erfahrungen beruhen und insbesondere davon abhängig sind, was nach Meinung der Prüfer bei einem bestimmten Ausbildungsstand als Prüfungsleistung verlangt werden kann. Diese für die Bewertung von Prüfungsleistungen anzustellenden fachlichen Erwägungen lassen sich nicht regelhaft erfassen und können insbesondere im Hinblick auf das Prinzip der Chancengleichheit auch grundsätzlich nicht mit Hilfe von Sachverständigen vom Gericht ersetzt werden. Eine uneingeschränkte Ersetzung der Prüferbewertung durch das Gericht würde zu einer Verzerrung der Bewertungsmaßstäbe und zu einer Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit führen (vgl. BVerfG, B. v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34/51 ff.; BVerwG, U. v. 24.2.1993 - 6 C 35/92 - BVerwGE 91, 262/265; U. v. 9.12.1992 - 6 C 3/92 - BVerwGE 92, 132/137).
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Soweit die Bewertung nicht rein fachliche Fragen betrifft, unterliegt daher die Benotung einer erbrachten Leistung dem Bewertungsspielraum der Prüfer und ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. BVerfG, B. v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34/51 ff; BVerwG, U. v. 9.12.1992 - 6 C 3/92 - BVerwGE 91, 262/265; BVerwG, U. v. 24.2.1993 - 6 C 35/92 - BVerwGE 92, 132/137). Zu diesen nur eingeschränkt überprüfbaren Fragen zählen etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels und einzelner positiver Ausführungen im Hinblick auf die Gesamtbewertung (BVerwG, B.v. 2.6.1998 - 6 B 78/97 - juris Rn. 3 f.; B.v. 16.8.2011 - 6 B 18/11 - juris Rn. 16; B.v. 8.3.2012 - 6 B 36/11 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 3.2.2014 - 7 ZB 13.2221 - juris Rn. 8). Bei diesen prüfungsspezifischen Wertungen ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden, mit ihrem Prüfungsauftrag nicht zu vereinbarenden Erwägungen leiten lassen und ob die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist (ständige Rechtsprechung im Anschluss an BVerwG. U. v. 9.12.1992 - 6 C 3/92 - BVerwGE 92, 132/137; vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2009 - 7 ZB 09.160 - juris Rn. 9).
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bb) Im Hinblick auf diesen Prüfungsmaßstab ist die Bewertung rechtlich nicht zu beanstanden.
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(1) Die Bewertung ist nicht bereits deshalb fehlerhaft, weil die Prüfungsarbeit nur von einem Prüfer bewertet worden ist; soweit Dr. K. darauf verweist, dass er im Rahmen der Klausureinsicht mit der Klägerin die gesamte Klausur durchgegangen sei, dürfte darin keine Zweitbewertung liegen. Jedoch gibt es keinen ungeschriebenen allgemeinen - etwa auf Verfassungsrecht beruhenden - Rechtsgrundsatz, dass Prüfungsleistungen mindestens von zwei Prüfern zu bewerten sind (BVerwG, Bv. 24.8.1988 - 7 B 113/88 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 25.6.2010 - 7 ZB 09.1072 - juris Rn. 20).
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(2) Die Korrektur der von der Beklagten vorgelegten Prüfungsarbeit ist anhand der vorgelegten Musterlösung nachvollziehbar. Die Klägerin hat keine substantiierten Bewertungsrügen erhoben.
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Soweit sie geltend macht, ihre Arbeit sei mit Absicht streng benotet worden, da ihr kleine Fehler Punkte gekostet hätten, legt sie nicht dar, bei welchen Aufgaben sie bewertungsfehlerhaft zu wenig Punkte erhalten habe.
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Auch soweit sie weiter ausführt, sie habe im Gespräch mit Kommilitonen bemerkt, dass diese für einen Rechenweg Punkte bekommen hätten, für den sie keine Punkte erhalten habe, fehlt es an einer substantiierten Rüge, da die Klägerin nicht angibt, auf welche Aufgabe und welchen Rechenweg sich ihre Rüge bezieht. Im Übrigen ist es einem Prüfling grundsätzlich verwehrt, durch einen wertenden Vergleich mit einer anderen Prüfungsarbeit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit in der Form des Gleichbewertungsgebots darzutun, wenn er nicht nachweisen kann, dass beide Prüfungsleistungen in einzelnen oder allen Punkten gleich sind, jedoch vom selben Prüfer unterschiedlich bewertet wurden (BayVGH, U.v. 12.4.2000 - 7 B 99.1899 - juris Rn. 26). Darüber hinaus kann sich ein Prüfling auf eine dem Gleichheitssatz widersprechende Begünstigung eines anderen Prüflings so lange nicht berufen, wie seine eigenen Prüfungsleistungen unter Einhaltung des gebotenen Verfahrens fehlerfrei bewertet werden; der Gleichheitssatz kann sich nur auswirken, wenn die Leistungen des einen Prüflings in gewisser Abhängigkeit von den Leistungen anderer - ungerechtfertigt bevorzugter - Mitprüflinge zu bewerten sind (BayVGH, U.v. 12.4.2000 - 7 B 99.1899 - juris Rn. 28; Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 667, 537 m.w.N.), wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen. Ein konkreter Vortrag der Klägerin zu diesen Punkten fehlt.
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Eine substantiierte Bewertungsrüge liegt auch nicht in dem Hinweis der Klägerin, dass die Korrektur nachträglich geändert und ihr ein weiterer Punkt gegeben worden sei. In der mündlichen Verhandlung erläuterte Dr. K., dass er im Rahmen des Einsichtnahmetermins am 5. Dezember 2019 bemerkt habe, dass bei einem Folgefehler ein weiterer Punkt zu vergeben sei, so dass insgesamt 11 Punkte erreicht worden seien. Allein aus der Behebung eines Bewertungsfehlers ergeben sich jedoch keine konkreten Hinweise auf weitere Bewertungsmängel.
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(3) Da die Rügen der Klägerin, soweit sie sich gegen die Bewertung und das Nichterreichen der Mindestpunktzahl wendet, ohne Erfolg bleiben, kommt eine Aufhebung der Nichtbestehensentscheidung unter Verpflichtung der LMU zur Neubewertung und Neuverbescheidung nicht in Betracht.
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Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob die Beklagte zu recht auch von einem Täuschungsversuch ausgegangen ist und ob - sollte diese Frage zu bejahen sein - auch bei Fehlen einer Regelung zu den Folgen eines Täuschungsversuchs für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer entsprechenden Regelung durch den Normgeber Täuschungsversuche zumindest mit dem Nichtbestehen der jeweiligen Prüfung sanktioniert werden können (vgl. für die Ungültigkeit einer untergesetzlichen Norm NdsOVG, B.v. 31.3.2011 - 2 LA 343/10 - Rn. 12; HessVGH, U.v. 27.9.1995 - 1 UE 3026/94 - Rn. 25 ff.). Denn der Bescheid vom 20. Januar 2020 über das endgültige Nichtbestehen der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung ist sowohl auf das Nichterreichen der Mindestpunktzahl als auch auf einen Täuschungsversuch gestützt.
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Die Klage bleibt daher ohne Erfolg.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.