Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.11.2022 – M 26b E 22.4545
Titel:

Lebensmittelüberwachung, Behördliche Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet

Normenketten:
LFGB § 40 Abs. 1a
VwGO § 123 Abs. 1
Schlagworte:
Lebensmittelüberwachung, Behördliche Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34331

Tenor

I. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, gemäß § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB folgende Informationen zu veröffentlichen:

Verantwortliche Behörde

Datum

Lebensmittel-/Futtermittelunternehmen

Betroffenes Lebensmittel/Futtermittel

Landratsamt F.

Einstelldatum

„W. Traditionsmetzger“, … W. GmbH …Feinkost, 8. M.

Verstoß:

Noch nicht feststehend

Kategorie:

Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel

Verstoß festgestellt:

Metzgerei

Produkt: Grillhähnchen, Weißwürste, Gewürze

… Juli 2022

Verstoß beseitigt:

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin die vorläufige Untersagung der Veröffentlichung ihr vom Antragsgegner vorgeworfener lebensmittelrechtlicher Verstöße.
2
Die Antragstellerin betreibt Metzgerei-Filialen, Imbissbetriebe und Schank- und Speisewirtschaftsbetriebe.
3
Am … Juli 2022 fand zwischen 13:15 Uhr und 14:15 Uhr eine planmäßige Routinekontrolle der Betriebsstätte in A. ..., 8. M. statt, bei der es sich um eine Metzgerei-Verkaufsfiliale mit Imbissbetrieb handelt.
4
Mit Schreiben vom 28. Juli 2022 übermittelte der Antragsgegner der Antragstellerin das 39 Beanstandungen umfassende Ergebnisprotokoll, das neben der Umschreibung des jeweiligen Verstoßes die jeweils verletzte Hygienevorschrift benannte, eine Erledigungsfrist vorgab und das bzw. die zugehörigen Lichtbilder benannte.
5
Am … August 2022 fand eine Nachkontrolle statt, wobei der Antragsgegner die zufriedenstellende Behebung der Hygienemängel feststellte.
6
Mit weiterem Schreiben vom 11. August 2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin unter nochmaliger Auflistung der festgestellten Verstöße mit, dass angesichts der festgestellten Verstöße die Verhängung eines Bußgeldes von über 350 Euro zu erwarten sei. Die Bußgelderwartung wurde damit begründet, dass insgesamt 39 Verstöße gegen bußgeldbewehrte lebensmittelrechtliche Vorschriften festgestellt worden seien, die tateinheitlich zu bewerten seien und eine überdurchschnittliche Mängeldichte darstellten. Es handle sich um ihrer Art nach für den Lebensmittelunternehmer mehrheitlich klar erkennbare Verstöße, die mehrheitlich eine dauerhafte Vernachlässigung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Pflichten zeigen würden. Daher sei die Veröffentlichung folgender Informationen beabsichtigt:

Verantwortliche Behörde

Datum

Lebensmittel-/Futtermittelunternehmen

Betroffenes Lebensmittel/Futtermittel

Landratsamt F.

Einstelldatum

„W. Traditionsmetzger“, … W. GmbH …Feinkost, 8. M.

Verstoß:

Noch nicht feststehend

Kategorie:

Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel

Verstoß festgestellt:

Metzgerei

Produkt: Grillhähnchen, Weißwürste, Gewürze

… Juli 2022

Verstoß beseitigt:

7
Zeitgleich wurde der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, zur geplanten Veröffentlichung bis 24. August 2022 Stellung zu nehmen.
8
Mit Schreiben vom … August 2022 beantragte die Bevollmächtigte der Antragstellerin Akteneinsicht sowie eine angemessene Verlängerung der Stellungnahme Frist bis nach Erhalt der Akteneinsicht, wobei der Antragsgegner die Fristverlängerung mit Schreiben vom 22. August 2022 ablehnte.
9
Mit Schreiben vom … August 2022 rügte die Bevollmächtigte der Antragstellerin die Rechtswidrigkeit der geplanten Veröffentlichung. Seitens der Antragspartei wurde insbesondere geltend gemacht, dass ein Großteil der beanstandeten Mängel bereits erledigt worden seien, während hinsichtlich eines Teils der beanstandeten baulichen Mängel Abhilfemaßnahmen bereits vor der durchgeführten erstmaligen Kontrolle in Auftrag gegeben worden seien. Ebenso wenig bestünden Anhaltspunkte für eine Bußgelderwartung von mehr als 350 Euro, zumal in die Bußgeldprognose unzulässiger Weise auch Verstöße gegen bauliche Anforderungen sowie gegen Aufzeichnungs- und Mitteilungspflichten Eingang gefunden hätten. Ausführungen zum subjektiven Tatbestand der Bußgeldprognose würden gänzlich fehlen, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass es sich sowohl die Filialleiterin als auch die Mitarbeiterinnen um erfahrene Kräfte handle, die sich bislang noch nie etwas zu Schulden hätten kommen lassen. Die schwierige Personalsituation der Mandantin sowie die hohe Auslastung der Handwerker, deren Beauftragung für die Beseitigung baulicher Mängel erforderlich sei, sei unberücksichtigt geblieben.
10
Mit Schreiben vom 5. September 2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin unter anderem mit, dass unverändert davon ausgegangen werde, dass eine Veröffentlichung durchzuführen sei. Mängel, die nicht in Betracht gezogen werden dürften, seien in der Anhörung lediglich nachrichtlich angegeben worden. Bei der Festlegung der Bußgeldhöhe sei bereits berücksichtigt worden, dass nicht zwingend alle Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften in ein künftiges Ordnungswidrigkeitenverfahren Eingang finden würden. Die Verstöße seien mit bloßem Auge und damit auch für den Lebensmittelunternehmer klar erkennbar gewesen, so dass bei diesem jedenfalls von bedingtem Vorsatz auszugehen sei. Bei der Bußgelderwartung sei auch die schwierige Personalsituation in der Gastronomie und im Einzelhandel berücksichtigt worden, die jedoch keine Abstriche bei der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben erlauben würden, zumal die Möglichkeit der Einschaltung externer Personen bestünde. Die zwischenzeitliche Mängelabstellung solle bekannt gemacht werden, führe jedoch ebenso wie die wirtschaftlichen Verhältnisse zu keiner Reduzierung der Bußgelderwartung unter das Maß von 350 Euro. Eine andere Entscheidung sei auch nicht zu erwarten, sollte das Bußgeldverfahren gegen gesetzliche Vertreter oder Beauftragte einer juristischen Person durchgeführt werden.
11
Mit Schreiben vom … September 2022 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Sie beantragt,
12
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Information der Öffentlichkeit gemäß § 40 Abs. 1a LFGB über Verstöße wegen Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel vorläufig zu unterlassen.
13
Zur Begründung wird, ergänzt durch Schreiben vom … September 2022, im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anhörung bereits nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, da zwar die im Rahmen der Kontrolle festgestellten Verstöße dem Sachverhalt nach mitgeteilt wurden, nicht aber die Normen, gegen die verstoßen worden sein soll. Zudem sei die Anhörung fehlerhaft, da nicht mitgeteilt wurde, ob und wie über die Abstellung der Mängel informierte werden solle und da zwar die Antragstellerin, nicht aber der Filialbetrieb angehört worden sei. Der Bescheid sei weiterhin auch materiell rechtswidrig, da es sich bei den getroffenen Feststellungen weitgehend bereits um keine Verstöße gegen Hygienevorschriften respektive um keine bußgeldbewehrten Verstöße handle, so dass allenfalls nur einige wenige bußgeldbewehrte Hygieneverstöße vorlägen. Infolgedessen sei es völlig offen, ob im vorliegenden Fall ein Bußgeld von mindestens 350,- Euro zu erwarten sei, wobei die Bußgelderwartung nicht näher dargelegt worden sei. Zudem bestünden erhebliche Bedenken verfassungsrechtlicher Art gegen § 40 Abs. 1a Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie gegen § 60 Abs. 2 Nr. 26 lit. a) LFGB.
14
Mit Schreiben vom 23. September 2022 beantragte der Antragsgegner,
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den Antrag abzulehnen.
16
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt sei und die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung vorlägen. Angesichts der vom zuständigen Lebensmittelüberwachungsbeamten dokumentierten Wahrnehmungen liege ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht vor, dass 39 Verstöße gegen hygienische Anforderungen vorlägen. Mängel, die nicht in Betracht gezogen würden dürften, seien in der Anhörung lediglich nachrichtlich angegeben worden. Eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit sei nur hinsichtlich 14 der geltend gemachten Verstöße beabsichtigt, namentlich hinsichtlich der Verstöße Nr. 1, 2, 3, 4, 6, 8, 11, 13, 18, 22, 25, 26, 29 und 33 (Nummerierung entsprechend der Auflistung des mit Schreiben vom 28. Juli 2022 übermittelten Kontrollberichts bzw. entsprechend der Auflistung im Anhörungsschreiben vom 11. August 2022). Bei den festgestellten Verstößen handle es sich um nicht nur unerhebliche Mängel, wobei angesichts der Mängeldichte sowie der Dauerhaftigkeit der Mängel auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle derart gravierend sei, dass die Verhängung eines Bußgeldes von unter 350,- Euro nicht wahrscheinlich sei. Bei der Festlegung der Bußgeldhöhe sei bereits berücksichtigt worden, dass nicht zwingend alle Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften in ein künftiges Ordnungswidrigkeitenverfahren Eingang finden könnten respektive würden. Die Verstöße seien in ihrer Gesamtheit mit dem bloßen Auge und damit auch für den Lebensmittelunternehmer bzw. für das vor Ort eingesetzte Personal klar erkennbar gewesen, wobei sich der Lebensmittelunternehmer die Kenntnis des Personals zurechnen lassen müsse. Es handle sich um Mängel, die bei einer dauerhaften Vernachlässigung der Reinigungsroutine regelmäßig zu erwarten seien, so dass sie für den Lebensmittelunternehmer regelmäßig offensichtlich gewesen seien, weshalb dem Lebensmittelunternehmer jedenfalls bedingter Vorsatz zu unterstellen sei. Bei der Bemessung des zu erwartenden Bußgelds sei sowohl die nicht unerheblich erhöhte Gefahr aufgrund des Gepräges des betroffenen Betriebs berücksichtigt worden wie auch die schwierige Personalsituation in der Gastronomie. Gleiches gelte für die zwischenzeitliche Abstellung von Mängeln sowie die von der Antragstellerin ergriffenen sonstigen Abhilfemaßnahmen, die ebenso wie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschäftsführers nicht zu einer Bußgelderwartung von unter 350,- Euro führten.
17
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie die von der Behörde übermittelte Datei mit Lichtbildern Bezug genommen.
II.
18
1. Der Antrag hat Erfolg, da er zulässig und begründet ist.
19
1.1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 123 Abs. 5 VwGO statthaft, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage zu erheben wäre. Bei der Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße nach § 40 Abs. 1a LFGB handelt es sich nicht um Verwaltungsakte im Sinne des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), da die Veröffentlichung lediglich der Information der Öffentlichkeit dient und somit nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Es fehlt insoweit an einer Regelung im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 28.1.2013 - 9 S 2423/12 - juris, Rn. 4 m. w. N.). Es liegt daher ein schlichtes Verwaltungshandeln vor, so dass kein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO vorrangig ist.
20
1.2. Der Antrag ist auch begründet.
21
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei haben die Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B. v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20 m. w. N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
22
Das Gericht kann grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen, es sei denn, eine bestimmte Regelung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG) schlechterdings notwendig. Das ist dann der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für die Antragstellerin unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein Obsiegen der Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Im vorliegenden Fall nimmt Untersagungsverfügung eine Hauptsacheklage voraussichtlich vollständig vorweg, da in der Kürze der Zeit - gemäß § 40 Abs. 4a LFGB ist die Veröffentlichung (bereits) nach sechs Monaten wieder zu löschen - mit einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung nicht zu rechnen ist.
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1.2.1. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht.
24
Es ist offensichtlich, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für die Antragstellerin ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen ist irreversibel. Bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu angeblichen Rechtsverstößen eines Unternehmers kann für diesen existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Der Antragstellerin kann daher nicht zugemutet werden, die Bekanntgabe des Kontrollergebnisses im Internet bis zu einer Klärung der streitigen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren hinzunehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 21.5.2019 - 9 S 584/19 - juris, Rn. 6, m.W.N.).
25
1.2.2. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit vor.
26
Unabhängig von der dogmatischen Herleitung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch (vgl. etwa BVerwG, U. v. 29.4.1988 - 7 C 33/87 - NJW 1988, 2396;) erfordert dieser eine einen bevorstehenden oder noch andauernden rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in ein subjektiv öffentlich-rechtliches Recht durch Realakt (vgl. BayVGH, B. v. 24.2.2021 - 13 AE 20.2696 - beck-online Rn. 16; HessVGH, B. v. 8.2.2019 - 8 B 2575/18 - beck-online Rn. 15).
27
Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt, da die geplante Veröffentlichung der Verstöße durch den Antragsgegner in die durch Art. 19 Abs. 3 i. V. m. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin eingreift und diese sich bei der im Eilrechtsschutz gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig erweist.
28
1.2.2.1. Rechtsgrundlage für die beabsichtigten Veröffentlichungen ist § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, insbesondere dann, wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,- Euro zu erwarten ist.
29
1.2.2.2. Im streitgegenständlichen Fall kann jedenfalls keine hinreichend sichere Prognose getroffen werden, dass die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von mindestens 350,- Euro zu erwarten ist.
30
Ob ein Bußgeld in Höhe von mindestens 350,- Euro zu erwarten ist, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit (BayVGH, B. v. 28.11.2019 - 20 CE 19.1995 - beck-online Rn. 56). Die Bußgeldhöhe hängt dabei in Ermangelung eines einschlägigen Bußgeldkatalogs nicht nur von verschiedenen objektiven Kriterien, sondern auch von subjektiven Merkmalen wie Vorsatz, Erstmaligkeit der Verstöße und Einsichtsfähigkeit ab. Zugleich dürften bei der Festsetzung von Bußgeldern erhebliche Unterschiede zwischen den Behörden bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 21.5.2019 - 9 S 584/19 - beck-online Rn. 31), so dass die Annahme einer entsprechenden Bußgelderwartung einer hinreichend verlässlichen Grundlage bedarf (so auch Nr. 3.9 Satz 7 der Vollzugshinweise zur Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 19.8.2021, Az. 42a-G8900-2021/11-1, BayMBl. 2021 Nr. 614, wonach eine nachvollziehbare schriftliche Prognoseentscheidung hinsichtlich der Bußgelderwartung zu den Akten zu nehmen ist). Als Anhaltspunkte bei der Überprüfung der Bußgeldprognose können dem Gericht dabei entsprechende Ausführungen der jeweiligen Behörde, wie im konkreten Fall verfahren werden soll, ein - auch noch nicht rechtskräftiger - Bußgeldbescheid oder eine entsprechende Verwaltungspraxis dienen (VGH Baden-Württemberg, a. a. O.; VG Freiburg, B. v. 30.04.2019 - 4 K 168/19 - beck-online Rn. 38)
31
1.2.2.2.1. Der Antragsgegner hat die Annahme, dass ein entsprechendes Bußgeld zu erwarten ist, nicht hinreichend plausibel und nachvollziehbar begründet. Entgegen Nr. 3.9 Satz 7 der Vollzugshinweise zur Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz findet sich in den Behördenakten keine nachvollziehbare schriftliche Prognoseentscheidung zum erwarteten Bußgeld. Gleiches gilt für die Ausführungen des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren.
32
Zwar hat der Antragsgegner in seinem Schreiben an die Antragstellerin vom 5. September 2022 (Behördenakte Seite 102 f.) Erwägungen dargelegt, aufgrund derer ein Bußgeld von mindestens 350,- Euro zu erwarten sei, und hierzu als maßgebliche Aspekte insbesondere die Mängeldichte, die Dauerhaftigkeit der Mängel sowie der angenommene bedingte Vorsatz des Lebensmittelunternehmers angeführt, die im gerichtlichen Verfahren mit Schreiben vom 23. September 2022 insbesondere um den Aspekt der Offensichtlichkeit der Verstöße und der nicht unerheblich erhöhten Gefahr für die öffentlichen Gesundheit aufgrund der betroffenen frischen respektive rohen Fleischwaren ergänzt wurden.
33
Eine nachvollziehbare Darlegung der Höhe des zu erwartenden Bußgelds enthalten diese Ausführungen jedoch nicht, sondern lediglich die pauschale Aussage, dass ein Bußgeld von mindestens 350,- Euro zu erwarten sei. Werden die oben genannten Anhaltspunkte - geplantes Vorgehen im Einzelfall, Bußgeldbescheid oder Verwaltungspraxis - nicht mitgeteilt, gehen Zweifel des Gerichts an der Bußgeldprognose zu Lasten des Antragsgegners.
34
1.2.2.2.2 Im vorliegenden Fall ist die Bußgeldprognose der Behörde schon deshalb nicht nachvollziehbar, da unklar ist, welche der gerügten 39 Hygieneverstöße der Antragsgegner seiner Bußgelderwartung zugrunde gelegt hat.
35
Ausweislich seines Schreibens vom 11. August 2022, in dem der Antragsgegner der Antragstellerin den Text der geplanten Veröffentlichung mitgeteilt hat, wurde die Bußgelderwartung zunächst auf sämtliche 39 festgestellten Verstöße gestützt. Dies ergibt sich aus den dortigen Ausführungen, wonach die Bußgelderwartung auf den nachfolgend dargelegten Gesichtspunkten beruhe, wobei sodann die im Rahmen der Kontrolle festgestellten 39 Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften genannt werden und weiter ausgeführt wird, dass die festgestellten Verstöße nach § 10 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (LHMV) respektive nach § 2 der Verordnung zur Durchsetzung lebensmittelrechtlicher Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung - LHRStV) bußgeldbewehrt seien.
36
Mit Schreiben vom 5. September 2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin in Reaktion auf das Schreiben der Antragspartei vom … August 2022, in dem die behaupteten Verstöße zum großen Teil bestritten wurden, sodann mit, dass Mängel, die nicht in Betracht gezogen werden dürften, in der Anhörung lediglich nachrichtlich angegeben worden seien (Blatt 101 der Behördenakte) und bei der Festlegung der Bußgeldhöhe bereits berücksichtigt worden sei, dass nicht zwingend alle Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften in ein künftiges Ordnungswidrigkeitenverfahren Eingang finden könnten bzw. würden (Blatt 102 der Behördenakte). Welche konkreten Verstöße keinen Eingang in die Bußgelderwartung gefunden hätten, wurde in diesem Schreiben jedoch nicht ausgeführt.
37
Mit Schreiben vom 23. September 2022 führte der Antragsgegner schließlich aus, dass von den 39 Verstößen nur (noch) in Summe 14 Verstöße (Verstöße Nr. 1, 2, 3, 4, 6, 8, 11, 13, 18, 22, 25, 26, 29 und 33 entsprechend der Auflistung des mit Schreiben vom 28. Juli 2022 übermittelten Kontrollberichts bzw. entsprechend der Auflistung im Anhörungsschreiben vom 11. August 2022) als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden sollen, ohne jedoch die ursprüngliche Bußgeldprognose anzupassen.
38
Infolgedessen ist für das Gericht bereits nicht hinreichend nachvollziehbar, ob die verbliebenen Verstöße die Bußgeldprognose zu tragen vermögen. Während ausweislich des Schreibens des Antragsgegners vom 11. August 2022 sämtliche 39 gerügten Verstöße in die Bußgeldprognose Eingang gefunden haben, wurde nach späterer Einlassung des Antragsgegners vom 5. September 2022 nur ein zum damaligen Zeitpunkt nicht näher konkretisierter Teil der Verstöße der Bußgeldprognose zugrunde gelegt. Dass zuletzt nur noch 14 Verstöße, die im Schreiben vom 23. September 2020 konkret bezeichnet wurden, als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden sollen, zieht die - ohnehin nicht hinreichend konkrete - ursprüngliche Bußgeldprognose in Frage, da es nicht nachvollziehbar erscheint, dass eine derart große Differenz bei der Zahl der bei Bußgeldprognose berücksichtigten Verstöße keine Auswirkung auf die Höhe des zu erwartenden Bußgelds haben soll, zumal sich die Bußgeldprognose zunächst gerade auch auf die Mängeldichte stützte. Vielmehr wäre zu erwarten gewesen, dass eine derart erhebliche Differenz sich merklich auf die Höhe des erwarteten Bußgelds auswirkt.
39
1.2.2.2.3. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gericht auch erhebliche Zweifel hat, ob die 14 Verstöße, die der Antragsgegner zuletzt noch als Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen beabsichtigt, sich allesamt als (bußgeldbewehrte) Verstöße darstellen, was die Zahl der Verstöße, auf die bei der Bußgeldprognose abgestellt werden kann, noch weiter reduziert.
40
Dabei hat das Gericht insbesondere hinsichtlich der Verstöße 4, 6 und 13 erhebliche Bedenken.
41
Ausweislich des Schreibens vom 23. September 2022 beabsichtigt der Antragsgegner, den Verstoß Nr. 4 („Die Geschirrspülmaschine war im Innern mit einem rot-bräunlichen Belag behaftet.“) als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass neben dem Hygienemangel Nr. 8 („Der Geschirrkorb der Geschirrspülmaschine war mit einem rot-bräunlichen Belag verunreinigt.“), der mit den Fotos 9675 und 9677 (Nummerierung entsprechend der vorgelegten behördlichen Bilddatei) vom Antragsgegner dokumentiert wurde, eine weitergehende Verunreinigung der Geschirrspülmaschine vorlag, wurde doch die Verortung der (weitergehenden) Verunreinigung der Geschirrspülmaschine lediglich pauschal („im Innern“) umschrieben und lässt sich auch nicht anhand der vorgelegten Fotos, allen voran die Bilder 9674, 9675 und 9677, nachvollziehen.
42
Ob das das in der Spülküche nicht verschlossene Bohr-/Dübelloch (Verstoß Nr. 6) eine Ordnungswidrigkeit nach § 10 Nr. 1 i. V. m. § 3 Satz 1 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung - LMHV) darstellt, erscheint zweifelhaft. Insofern ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass durch dieses Bohrloch (keine Zuordnung eines Bildes durch die Behörde, wohl aber sichtbar auf den Bildern 9659 und 9655) Lebensmittel bei ihrer Herstellung der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt werden. Zwar mag bei der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln insofern eine abstrakte Gefährdung ausreichen. Erforderlich ist jedoch, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung für gewöhnlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln zu rechnen ist (vgl. BayVGH, B. v. 18.10.2005 - 25 CS 05.1636 - juris Rn. 8), woran es bei Bohrlöchern üblicher Größe, zu denen auch das streitgegenständliche zählt, regelmäßig - und so auch hier - fehlt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus dem Bohrloch kleine Partikel lösen und auf die Lebensmittel gelangen könnten, wie der Antragsgegner im Schreiben vom 22. September 2022 behauptet, stellt sich auch angesichts der Lage des Bohrlochs oberhalb des linken Endes der Spülküchentheke als verschwindend gering respektive als lediglich theoretisch möglich dar.
43
Ebenso ist zweifelhaft, ob der Verstoß Nr. 13 („Die Geschirrspülbrause war verunreinigt und verkalkt.“), der ebenfalls als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll, eine Ordnungswidrigkeit nach § 10 Nr. 1 i. V. m. § 3 Satz 1 LMHV darstellt. Die Verunreinigung ist nicht näher beschrieben und das zugeordnete unscharfe Foto (Bild 9669) lässt lediglich eine Verkalkung der Brause erkennen. Da der Antragsgegner in seinem Schreiben vom 23. September 2022 bei der Bewertung dieses Verstoßes selbst maßgeblich nur auf die Verkalkung abstellt, steht zur Überzeugung des Gerichts lediglich fest, dass die Geschirrspülbrause verkalkt war. Ob bei der Benutzung von verkalkten Brausen für gewöhnlich und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln zu rechnen ist, erscheint jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung fraglich.
44
1.2.2.2.4. Weiterhin hat das Gericht Zweifel, ob der Antragsgegner der Bußgeldprognose durchwegs sachgerechte Kriterien zugrunde gelegt hat, insbesondere, ob der Antragsgegner bei der Bußgeldprognose die Verstöße ihrer Schwere entsprechend berücksichtigt hat.
45
Zur üblichen Verwaltungspraxis bei der Bemessung der Bußgeldhöhe hat der Antragsgegner nichts vorgetragen. Die geplante Verfolgung eines Bohrlochs in der Spülküche der Antragstellerin als Ordnungswidrigkeit, während 25 andere gerügte Verstöße gegen Hygienevorschriften - darunter deutlich schwerer wiegende Hygieneverstöße wie etwa ein stark verunreinigter Fußbodenabfluss, von dem ein fauliger Geruch ausging und der viele kleine Fliegen, die bei Abnehmen des Gullygitters umherflogen, beherbergte (Verstoß Nr. 20) - nicht weiterverfolgt werden, lässt das Gericht daran zweifeln, ob der Antragsgegner bei der (nicht näher erläuterten) Bemessung des zu erwartenden Bußgeldes noch sachgerechte Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Dass der Antragsgegner auch zuletzt noch an der Ahndung des Bohrloches festhält, obwohl es sich hier um einen allenfalls geringfügigen Verstoß gegen Hygienevorschriften handelt, deutet darauf hin, dass der Antragsgegner dem Bohrloch bei der Bewertung der Verstöße ein Gewicht zugemessen hat, das ihm nicht zukommt. Die fehlerhafte Gewichtung eines derartigen Verstoßes in Zusammenschau mit der Tatsache, dass der Antragsgegner im Verlauf des Verfahrens mehr als die Hälfte der zunächst für die Bußgeldprognose in Ansatz gebrachten Verstöße nicht mehr aufrecht erhalten hat, ohne die Bußgeldprognose anzupassen, stellt die Bußgeldprognose insgesamt in Frage.
46
1.2.2.2.5. Inwiefern der Antragsgegner im Rahmen der Bußgeldprognose jenseits der gerügten Verstöße alle weiteren maßgeblichen Umstände zutreffend berücksichtigt hat - insbesondere, ob der Antragsgegner bei der Bußgeldprognose mit dem Lebensmittelunternehmer (Seite 14 und 102 der Behördenakte) auf den richtigen Verantwortlichen abgestellt hat (vgl. BayVGH, B. v. 28.11.2019 - 20 CE 19.1995 - NVwZ-RR 2020, 830 beck-online Rn. 52) - ist nicht mehr entscheidungserheblich und bedarf daher keiner näheren Ausführungen.
47
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 wegen der Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung des Streitwerts abgesehen wurde.