Titel:
Einstweiliger Rechtsschutz, Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Fälligkeitsmitteilung
Normenketten:
VwGO § 123
VwZVG Art. 23
VwZVG Art. 31
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Fälligkeitsmitteilung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34315
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
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Der Antragsteller ist Miteigentümer des Grundstücks FlNr. 247/3 Gem. … … … zu 1/2, das im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 17 „R* …straße - T* …weg“ liegt. Im Zuge mehrerer Baukontrollen stellte der Antragsgegner fest, dass auf diesem Grundstück zwei Containermodule mit einer Grundfläche von 48 m² (jeweils 3 m x 8 m) und einer Höhe von 2,8 m aufgestellt wurden.
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Mit Bescheid vom 29. September 2020 wurden die Bauarbeiten gegenüber dem Antragsteller sofort vollziehbar eingestellt und die Beseitigung der Anlagen angeordnet. Dies ist Gegenstand des Verfahrens M 1 K 20.5515, über das noch nicht entschieden ist.
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Bei weiteren Baukontrollen stellte der Antragsgegner fest, dass die beiden Containermodule mittlerweile mit OSB-Platten dergestalt verkleidet worden waren, dass ein betretbarer Raum entstanden war. In den Wänden befanden sich mehrere Öffnungen; in zwei Öffnungen waren Fenster- und Türelemente eingebaut worden. Die restlichen Öffnungen waren mit Folie abgehängt worden. Zudem waren im Inneren OSB-Platten als Boden verlegt worden. Daraufhin untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller gegenüber mit Bescheid vom 18. Januar 2021 die Nutzung der Containermodule und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR für den Fall unerlaubter Nutzung an. Den dagegen gerichteten Eilantrag (M 1 S 21.950) lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Oktober 2021 ab; über die dazugehörige Klage (M 1 K 21.949) ist noch nicht entschieden.
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Mit streitgegenständlichem Schreiben vom 3. Februar 2022 stellte der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR fällig. Ferner drohte er für den Fall der fortlaufenden Zuwiderhandlung durch Bescheid vom selben Tag ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR an. Der Antragsteller hat Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 3. Februar 2022 erhoben (M 1 K 22.1334) und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 3. Februar 2022 gestellt, über die noch nicht entschieden ist. Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass der Antragsteller der Aufforderung, die weitere Nutzung der errichteten Containermodule einzustellen, nicht nachgekommen sei. Der Antragsteller nutze die Containermodule als Lagerraum für Maschinen, Baumaterialien und andere Dinge. Dies sei bei einer Baukontrolle am 25. Januar 2022 festgestellt worden.
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Mit am 4. März 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten beantragt der Antragsteller,
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bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig festzustellen, dass das in Ziffer 3 des Bescheids der Beklagten vom 18.01.2021, AZ: … … … angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € entgegen der Feststellung im Schreiben vom 03.02.2022 nicht fällig geworden ist und nicht eingezogen und beigetrieben werden kann.
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Die Containermodule würden seit März 2022 nicht genutzt. Der Antragsteller habe mit seiner Werkstatt und seinem Lager umziehen können. Das Grundstück FlNr. 247/3 befinde sich in dem neu überarbeiteten Bebauungsplan Nr. 17, die Containermodule würden bei Inkrafttreten der Änderung des Bebauungsplans in das darin festgesetzte Baufenster gestellt werden. Die Zwangsgeldandrohungen und -festsetzungen hinsichtlich der Nutzung der Containermodule hätten sich somit erledigt.
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Der Antragsgegner äußerte sich mit Schreiben vom 17. Oktober 2022; einen Antrag im Eilverfahren stellte er nicht. Die Containermodule seien auch nach Inkrafttreten der Änderung des Bebauungsplans nicht genehmigungsfähig, weil sie weiterhin die festgesetzten Baugrenzen überschritten. Der Antrag des Antragstellers auf isolierte Befreiung sei abgelehnt worden, weil die Überschreitung der Baugrenzen die Grundzüge der Planung berühre. Gegen die Fälligkeitsmitteilung sei die erhobene Feststellungsklage nicht statthaft, weil der Fälligstellung nur deklaratorische Wirkung zukomme und dies keinen Verwaltungsakt darstelle. Der Antragsteller habe gegen die Unterlassungspflicht verstoßen. Bei der Baukontrolle am 25. Januar 2022 sei festgestellt worden, dass die Containermodule als Lagerräume genutzt würden. In den Containermodulen würden Maschinen, Baumaterialien und andere Dinge gelagert. Die Ausstattung habe den Anschein einer Werkstatt für die Schreinerei des Antragstellers erweckt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte - auch in den Verfahren M 1 K 21.949 und M 1 S 21.950 - verwiesen.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich des fällig gestellten Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 EUR statthaft (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 26.6.1978 - 856 VII 77 - juris; BayVGH, B.v. 30.11.2005 - 1 CE 05.153 - juris) und auch im Übrigen zulässig.
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Die Fälligkeitsmitteilung vom 3. Februar 2022 ist mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 BayVwVfG, der mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden könnte. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Kommt der Verpflichtete der mit der Grundverfügung auferlegten Verpflichtung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht bis zum Ablauf der Erfüllungsfrist nach, so tritt die Bedingung ein und das angedrohte Zwangsgeld wird kraft Gesetzes zur Zahlung fällig (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Die gesetzliche Folge tritt ohne weiteres ein, insbesondere bedarf es keines weiteren Verwaltungsakts der Behörde. Durch die Fälligkeitsmitteilung wird der Betroffene lediglich auf den Bedingungseintritt und die gesetzliche Rechtsfolge hingewiesen. Statthafter Rechtsbehelf gegen die Fälligkeitsmitteilung in der Hauptsache ist daher die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 - Vf. 50-VI-05 - juris Rn. 46), sodass ein ansonsten nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangiger Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ausscheidet.
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2. Der Antrag ist unbegründet.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Dabei müssen ein Anordnungsgrund und das Bestehen eines Anordnungsanspruchs geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
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Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung glaubhaft gemacht, weil er nach der im Eilverfahren maßgeblichen summarischen Prüfung der Verpflichtung zur Untersagung der Nutzung der auf dem Grundstück FlNr. 247/3 Gem. … … … befindlichen beiden Containermodule vom 18. Januar 2021 nicht nachgekommen und das im Bescheid unter Nr. 3 deswegen angedrohte Zwangsgeld von 5.000,00 EUR damit fällig geworden ist.
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Die Zwangsgeldforderung wird fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), wenn die durch Grundverwaltungsakt auferlegte Pflicht nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG nicht erfüllt ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Weiter müssen die allgemeinen (Art. 19 VwZVG) und die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein und es darf kein Vollstreckungshindernis nach Art. 22 VwZVG vorliegen (BayVGH, B.v. 4.7.2012 - 22 ZB 12.204 - juris Rn. 12; B.v. 11.7.2001 - 1 ZB 01.1255 - juris Rn. 14 f.). Die allgemeinen (vgl. unten a)) und besonderen (b)) Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, Vollstreckungshindernisse bestehen keine, und der Antragsteller hat die ihm auferlegte Verpflichtung im Bescheid vom 9. Februar 2021 nicht erfüllt (c)).
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a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 19 VwZVG, liegen vor. Die mit Bescheid vom 18. Januar 2021 verfügte Nutzungsuntersagung ist ein wirksamer und vollstreckbarer Verwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt. Die Verfügung ist vollstreckbar, weil für die unter Nr. 1 verfügte Nutzungsuntersagung in Nr. 2 die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wurde, Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG.
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b) Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 29 ff. VwZVG) liegen ebenfalls vor. Das Zwangsgeld ist ein zulässiges Zwangsmittel zur Vollstreckung eines Verwaltungsakts, mit dem eine Handlung oder Unterlassung gefordert wird (Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Im Bescheid vom 18. Januar 2021 (Nr. 3) wurde ein bestimmtes Zwangsmittel (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) - das Zwangsgeld - in bestimmter Höhe (Art. 36 Abs. 5 VwZVG), hier 5.000,00 EUR, angedroht. Im Falle einer in Rede stehenden Unterlassungspflicht ist eine Fristsetzung zur Erfüllung (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) der Natur der Sache nach nicht erforderlich (Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, 12. Aufl. 2021, § 13 Rn. 3e).
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c) Der Antragsteller hat auch der ihm auferlegten Pflicht, die Nutzung der auf dem Grundstück FlNr. 247/3 errichteten beiden Containermodule zu unterlassen, zuwidergehandelt, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG, sodass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist.
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Fällig i.S.d. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG wird ein wirksam angedrohtes Zwangsgeld, wenn während der Erfüllungsfrist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG bzw., sofern es - wie hier - eine solche nicht gibt, bereits bei Erlass der Zwangsgeldandrohung alle Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und bei Ablauf der Erfüllungsfrist die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 VwZVG (BayVGH, B.v. 11.7.2001 - 1 ZB 01.1255 - juris Rn. 14 und 15; B.v. 24.2.2005 - 1 ZB 04.276 - juris Rn. 42).
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Der Antragsteller ist seiner Pflicht zum Unterlassen der Nutzung der auf dem Grundstück FlNr. 247/3 errichteten beiden Containermodule nicht nachgekommen. Auf Grundlage der in den Behördenakten befindlichen Lichtbilder der Baukontrolle vom 25. Januar 2022 (Bl. 70 ff. d. Behördenakte) und den dort getroffenen Feststellungen steht es außer Frage, dass der Antragsteller die Containermodule nach Erlass der Nutzungsuntersagung weiter genutzt hat. Auf den o.g. Lichtbildern lässt sich eindeutig erkennen, dass der Antragsteller in den Containermodulen überwiegend Materialien und vereinzelt Maschinen, augenscheinlich für seinen Schreinereibetrieb, lagert. Dies erfüllt den Tatbestand der Nutzung, die von der Nutzungsuntersagung auf Grundlage von Art. 76 Satz 2 BayBO erfasst ist. Ferner hat die bei der Baukontrolle anwesende Mutter des Antragstellers angegeben, dass die Räumlichkeiten als Lager genutzt würden. Ein solches hat letztlich auch der Antragsteller nicht bestritten. Die Bevollmächtigte des Antragstellers hat insoweit ausgeführt, dass der Antragsteller die Containermodule seit März 2022 nicht mehr nutze. Damit ist unstreitig, dass er die Containermodule jedenfalls vor dem März 2022 - und damit auch zum Zeitpunkt der Baukontrolle am 25. Januar 2022 - genutzt und gegen die Unterlassungspflicht verstoßen hat.
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Das mit Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2021 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR (Nr. 3) konnte demnach gegen den Antragsteller fällig gestellt werden, sodass ein Anordnungsanspruch ausscheidet.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach es das Gericht als angemessen erachtet, die Hälfte des fällig gestellten Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 EUR, demnach 2.500 EUR festzusetzen.