Titel:
Erfolglose Klage gegen Ausweisung und damit verbundene Nebenanordnungen
Normenketten:
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8
AufenthG § 53 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5
Leitsätze:
1. Verletzen Straftaten des Ausländers hochrangigen Rechtsgüter der Allgemeinheit genügt für die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr bereits eine nicht allzu hohe Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls; bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung beruhen, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der Prüfung eines besonders schweren Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kommt es auf den tatsächlichen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis an. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für den Fristbeginn der Inlandswirkung der Ausweisung ist auf die Bekanntgabe des Ausweisungsbescheids abzustellen (Fortführung von BeckRS 2022, 34294). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Straftaten, Betäubungsmittel, Wiederholungsgefahr, Rückfallgefahr trotz Therapie, Ausweisungsinteresse, Bleibeinteresse, minderjährige Kinder deutscher Staatsangehörigkeit, kein faktischer Inländer, Befristung der Inlandswirkungen, Therapie, Inlandswirkung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34294
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und damit verbundene Nebenanordnungen.
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1. Der Kläger, am 5. September 1978 geboren und syrischer Staatsangehöriger, reiste am 1. Oktober 2001 erstmals in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11. Oktober 2001 unter den Personalien H.A.-A., geboren am 1. Mai 1979 in Amouda, Syrien, Asyl. Einen weiteren Asylantrag stellte er am 14. August 2002 unter den Personalien A.M., geboren am 1. Januar 1982 in Amouda. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - nunmehr Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - vom 23. Mai 2003 wurde die Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt, festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 noch des § 53 AuslG 1990 vorliegen, sowie die Abschiebung des Klägers nach Syrien angedroht. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 3. Dezember 2003 ab (Az.: B 6 K 03.30283). Das Urteil ist rechtskräftig geworden. In der Folgezeit erhielt der Kläger, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, fortlaufend Duldungen, da seine Identität nach wie vor nicht geklärt war und deshalb keine Papiere für die Rückführung in das Herkunftsland beschafft werden konnten.
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Am 1. August 2008 erkannte der Kläger die Vaterschaft für die am 11. November 2007 geborene deutsche Staatsangehörige L.A.S. an. Eine Erklärung über die gemeinsame Wahrnehmung der elterlichen Sorge wurde nicht abgegeben.
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Mit Bescheid vom 19. Januar 2009 wies die Regierung von Mittelfranken - Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern - den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Seine Abschiebung aus der Haft heraus nach Syrien wurde angeordnet, für den Fall, dass dies nicht möglich sein sollte, wurde ihm die Abschiebung nach Syrien angedroht (S. 708 d.A.). Dieser Bescheid wurde mit der rechtskräftigen Abweisung der dagegen erhobenen Klage (VG Würzburg, U.v. 30.11.2009 - W 7 K 09.140; BayVGH, B.v. 3.5.2010 - 19 ZB 10.51) unanfechtbar. In der Folgezeit erhielt der Kläger Duldungen, nachdem die Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) ausgesetzt worden war. Der Kläger unterbrach die am 16. September 2009 begonnene Therapie wenige Tage später, kehrte aber am 2. Oktober 2009 in die Therapieeinrichtung zurück, weshalb die Strafvollstreckung erneut zurückgestellt wurde. Mit Beschluss des Landgerichts Coburg vom 8. November 2010 wurde die weitere Strafvollstreckung im Hinblick auf den erfolgreichen Verlauf der Therapie zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt.
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Am 29. April 2011 wurde vor dem Familiengericht der Umgang des Klägers mit seiner am 11. November 2007 geborenen Tochter durch Vergleich dahingehend geregelt, dass der Kläger berechtigt war, jeden zweiten Sonntag für zwei Stunden Umgang mit dem Kind in Begleitung durch dessen Mutter bzw. Großmutter zu haben. Nach Aussage der Kindesmutter vom 18. Juli 2012 nahm der Kläger die Umgangskontakte (zunächst) regelmäßig wahr, zuletzt im August 2013. Nach diesem Zeitpunkt habe er sich nicht mehr um den Umgang bemüht. Hierzu erklärte der Kläger mit Schreiben vom 30. April 2015, dass er seine Tochter seit der Gerichtsverhandlung Ende 2014 nicht mehr gesehen habe. Vorher habe er regelmäßigen Umgang gehabt. Die Mutter des Kindes habe nur Geld von ihm haben wollen. Des Weiteren gibt der Kläger an, Vater des am 21. Februar 2013 geborenen J.M.M. zu sein. Dokumente zur Vaterschaft bzw. zum Sorgerecht liegen nicht vor, der Kläger hat sich aber mit Urkunde vom 23. Januar 2014 zur Unterhaltsleistung verpflichtet und pflegt nach eigenen Angaben persönlichen Kontakt zu dem Sohn. Des Weiteren teilte der Kläger mit, Vater der am 25. Januar 2015 in Deutschland geborenen ungarischen Staatsangehörigen A.R. zu sein. Diese verließ am 29. Juni 2017 mit ihrer Mutter das Bundesgebiet.
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Am 27. August 2013 beantragte der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug zur deutschen Tochter. Der Aufenthaltstitel wurde ihm am 1. September 2013 nach § 25 Abs. 5 AufenthG mit Gültigkeit bis 31. August 2015 erteilt und wiederholt verlängert, zuletzt mit Gültigkeit bis 1. März 2021.
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Ab dem 16. Juni 2020 befand der Kläger sich in Untersuchungshaft in der JVA Aschaffenburg, am 22. Juni 2021 wurde er - nach rechtskräftiger Verurteilung - in die JVA Würzburg verlegt. Mit Sachverständigengutachten vom 17. Dezember 2020 wurde beim Kläger eine Abhängigkeit von Cannabinoiden festgestellt (ICD-10: F1.21), Hinweise für eine fehlende Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit wurden nicht festgestellt. Bei dem Kläger bestehe der Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Bei der verfahrensgegenständlichen Tat handele es sich um eine typische Beschaffungskriminalität, weshalb in Zukunft bei anhaltendem Substanzkonsum weitere Delikte der gleichen Oberkategorie möglich seien. Ab dem 30. Juni 2021 befand der Kläger sich in einer Therapieeinrichtung.
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Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 ließ der Kläger die erneute Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragen. Mit Schreiben vom 13. August 2021 forderte die Regierung von Unterfranken - Zentrale Ausländerbehörde Bayern (ZAB) - vom Kläger die Vorlage verschiedener Unterlagen. In der Folgezeit erhielt der Kläger Duldungen.
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Der Kläger ist im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und wurde unter anderem wie folgt verurteilt:
- Amtsgericht Würzburg vom 16. Juli 2008, am selben Tag rechtskräftig geworden: Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen unerlaubten Aufenthalts.
- Landgericht Coburg vom 11. September 2008, rechtskräftig geworden am selben Tag: Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen.
- Amtsgericht Würzburg vom 10. Mai 2011, rechtskräftig seit 21. Mai 2011: Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen wegen unerlaubten Aufenthalts.
- Amtsgericht Würzburg vom 28. November 2012, rechtskräftig seit 1. Juni 2012: Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen wegen Diebstahls.
- Amtsgericht Würzburg vom 7. August 2013, rechtskräftig seit 15. August 2013: Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung in fünf Fällen. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 12. Oktober 2016 erlassen (S. 1724 d.A.).
- Amtsgericht Würzburg vom 27. Februar 2018, rechtskräftig seit 7. März 2018: Sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde am 25. Mai 2021 widerrufen. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 24. Juni 2021 wurde die Vollstreckung des Strafrestes bis 29. Juni 2023 zurückgestellt.
- Amtsgericht Würzburg vom 14. Januar 2020, rechtskräftig seit 20. Februar 2020: Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen wegen fahrlässigen Gebrauchs eines Fahrzeugs (Elektroroller) ohne Haftpflichtversicherungsvertrag.
- Amtsgericht Würzburg vom 4. März 2021, rechtskräftig seit 9. Juni 2021: Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Die Unterbringung des Klägers in der Entziehungsanstalt wurde bis 24. Juni 2023 zurückgestellt.
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Mit Schreiben vom 3. September 2021 hörte die ZAB den Kläger sowie dessen Bevollmächtigte zur beabsichtigten Ausweisung an. Hierzu nahm die Bevollmächtigte unter dem 21. Oktober 2021 Stellung.
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Am 27. Oktober 2021 beendete der Kläger regulär die therapeutische Maßnahme. Laut Bericht der Therapieeinrichtung vom 2. Dezember 2021 hätten sämtliche während der Therapie fortlaufend und in unregelmäßigen Abständen durchgeführten Drogenkontrollen beim Kläger in allen Qualitäten negative Ergebnisse erbracht. Insgesamt sei der bisherige Therapieverlauf als durchaus positiv zu bewerten. Die reguläre Beendigung der ersten Phase der Therapie werde als Erfolg für den Kläger betrachtet. Es werde angeregt, den bisherigen Therapieverlauf entsprechend zu würdigen. Um ein dauerhaft drogenfreies und straffreies Leben zu gestalten, spiele eine sinnvolle Tagesstruktur mit Arbeit und sinnvolle Freizeitbeschäftigung eine bedeutende Rolle. Deshalb werde befürwortet, dem Kläger eine Arbeitsgenehmigung zu erteilen (vgl. S. 2203/2204 d.A.).
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2. Mit Bescheid vom 23. November 2021 verfügte die Regierung von Unterfranken - Zentrale Ausländerbehörde Bayern (ZAB) - die Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer 1). Es wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, welches unter Bedingung, dass der Kläger gegenüber der deutschen Auslandsvertretung durch Vorlage einer geeigneten Bescheinigung nachweist, dass er in der Zwischenzeit nicht mehr straffällig geworden ist, auf fünf Jahre ab der Ausreise befristet wurde. Für den Fall der Nichterfüllung dieser Bedingung wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf acht Jahre ab der Ausreise befristet (Ziffer 2). Der Kläger wurde zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen ab Unanfechtbarkeit des Bescheides aufgefordert, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Syrien bzw. in einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 3).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ausweisung beruhe auf § 53 Abs. 1 AufenthG. Durch das Verhalten des Klägers, insbesondere die von ihm begangenen Straftaten, habe sich die Gefährdung der geschriebenen Rechtsordnung konkretisiert. Aufgrund dessen und der jahrelangen Missachtung des Rechts- und Gesellschaftssystems bestehe eine aktuelle und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Es sei auch von einer hinreichenden Wiederholungsgefahr auszugehen. Der Kläger erfülle das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Des Weiteren seien die Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 bis 4, Nrn. 8 und 9 AufenthG begründet. Ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse im Sinne des § 55 Abs. 1 AufenthG bzw. ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 AufenthG könne beim Kläger nicht erkannt werden, weil er insbesondere familiäre Bindungen im Sinne des Gesetzes im Bundesgebiet nicht nachgewiesen habe. Der Kläger lebe von seinen Kindern getrennt und übe kein Sorgerecht aus. Der angegebene regelmäßige Kontakt werde bezweifelt. Der Kläger lebe auch nicht in einer Familiengemeinschaft mit den Kindern, die auch nicht auf ihn als Bezugs- oder Vertrauensperson angewiesen seien. Das Umgangsrecht und dessen Ausübung seien nicht nachgewiesen worden. Erst nach der rechtskräftigen Ausweisungsverfügung und drohender Abschiebung habe der Kläger sich um eine Umgangsregelung für seine am 11. November 2007 geborene Tochter bemüht. Anhaltspunkte für einen regelmäßigen Kontakt zu seinem am 21. Februar 2013 geborenen Sohn seien ebenfalls nicht erkennbar. Aufgrund des regelmäßigen Betäubungsmittelkonsums und Betäubungsmittelhandels des Klägers sei das Wohl der Kinder durch seine Anwesenheit sogar gefährdet. Aus dem Schreiben der Therapieeinrichtung vom 20. September 2021 gehe zwar hervor, dass ein regelmäßiger telefonischer Kontakt mit seinem Sohn und dessen Mutter sowie zu seiner Tochter und deren Mutter bestanden habe. Der in W. lebende Bruder des Klägers sei nicht auf ihn angewiesen. Des Weiteren habe der Kläger in der Anhörung keine besonders engen Bindungen zu Verwandten im Bundesgebiet angegeben. In der Abwägung stehe dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse kein Bleibeinteresse im Sinne des § 55 AufenthG gegenüber, sodass regelmäßig von einem Übergewicht des öffentlichen Ausweisungsinteresses auszugehen sei. Besondere Umstände, welche ausnahmsweise eine andere Abwägung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Auch unter Einbeziehung der nach § 53 Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles überwiege das Ausweisungsinteresse das Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet erheblich. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig und verletze nicht die Rechte des Klägers auf Familien- und Privatleben nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK.
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Für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei maßgeblich, dass vom Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgehe. Sein Verhalten sei auf seine menschenverachtende Einstellung und auf eine bewusste Missachtung des Rechtssystems zurückzuführen. Er verfüge, wie ausgeführt, nicht über familiäre Bindungen. Die Angehörigen des Klägers lebten zum überwiegenden Teil in seinem Herkunftsland. Der Kläger sei ausreisepflichtig und habe kein Schul- bzw. Berufsschulabschluss erworben, sondern sei diversen Hilfstätigkeiten nachgegangen. Eine eigene Familie habe er nicht gegründet. Sonstige Integrationsleistungen, Bleibeinteressen oder sozialen Bindungen seien weder vorgetragen, noch aus den Akten erkennbar. Dem Kläger sei die Integration trotz seines langen Aufenthaltes nicht gelungen. Sein Verhalten in der Haft bzw. Therapie während der Bewährungszeit sei wiederholt positiv beschrieben worden. Dennoch habe er kurz nach seiner Entlassung und auch während der Bewährungszeit wiederholt Betäubungsmittel konsumiert und verkauft. Auch wenn er eingeräumt habe, Fehler gemacht zu haben, und sich von Betäubungsmitteln distanziert habe, sei keine tiefergehende Auseinandersetzung mit seinen Taten und deren Folgen für die Opfer erfolgt. Damit sei nur von geringen Bleibeinteressen auszugehen, weshalb ihm eine Rückkehr in sein Heimatland zumutbar sei. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles werde das Einreise- und Aufenthaltsverbot deshalb auf die Dauer von fünf Jahren befristet. Die Bedingung der nachweislichen Straffreiheit sei aufgrund des erheblich straffälligen Verhaltens des Klägers erforderlich, weil nur so sichergestellt werden könne, dass mit seiner erneuten Einreise nicht erneut mit Straftaten, insbesondere mit Verstößen gegen das BtMG, zu rechnen sei. Für den Fall, dass ein entsprechender Nachweis nicht erbracht werde, werde die Frist auf acht Jahre festgelegt, weil im Gesamtergebnis der Ermessensausübung das persönliche Interesse des Klägers an eine Einreise hinter das öffentliche Interesse zurückzutreten habe. Diese Befristungsentscheidung sei, insbesondere im Hinblick auf die damit eingeschränkten Grund- und Menschenrechte aus Art. 2 Abs. 2 und 6 GG, Art. 8 EMRK auch verhältnismäßig.
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Der Bescheid wurde der Klägerbevollmächtigten laut Postzustellungsurkunde (S. 2183/2184 d.A.) am 26. November 2021 zugestellt.
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3. Am 23. Dezember 2021 ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und zuletzt beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2021 in der Fassung, welche er in der mündlichen Verhandlung erhalten hat, aufzuheben.
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Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt, die der Ausweisung zugrundeliegende Abwägung erweise sich unter Berücksichtigung der EMRK in ihrer Auslegung durch den EGMR als verfassungswidrig. Der Kläger sei in Deutschland fest verwurzelt. Er lebe bereits seit langer Zeit hier, habe Kinder, zu denen er regelmäßigen Kontakt und Umgang pflege, und verfüge über eine feste Arbeitsstelle sowie einen festen Wohnsitz. Nach der Therapie werde er wieder in das alte Arbeitsverhältnis und die alte Wohnung zurückkehren. Er verfüge über beste Sprachkenntnisse. Dabei handele es sich um ein starkes Indiz für die Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland. Auch die wirtschaftliche Integration sei in vorbildlicher Weise erfolgt. Die vorbildliche Mitwirkung des Klägers in der Therapie werde im Therapiebericht ausgeführt. Im Rahmen der Ausweisungsentscheidung sei eine auf den konkreten Einzelfall bezogene individuelle Gefahrenprognose unter Berücksichtigung aktueller Tatsachen erforderlich. Allgemeine und generalpräventive Erwägungen seien nicht ausreichend. Zudem könne von keiner Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsprognose zur Feststellung der Wiederholungsgefahr sei ganz erheblich auf den Therapieerfolg des Klägers abzustellen. Zudem habe er sich zu einer weiteren Kontrolle nach der Therapie verpflichtet. Künftig gehe von dem Kläger daher keine Gefahr mehr aus. Im Rahmen der einzelfallbezogenen Abwägung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Heimat bereits vor langer Zeit verlassen und seine familiären Bindungen in Deutschland habe. Dieses sei aufgrund von Sprache, wirtschaftlicher und familiärer Integration seine Heimat. Von besonderer Bedeutung sei neben der familiären auch seine ausbildungs- und berufsbezogene Situation. Dem Kläger sei der Aufbau einer Existenzgrundlage in Deutschland ermöglicht worden, weshalb ihm seine wirtschaftliche und soziale Existenz nur aus gewichtigen Gründen genommen werden dürfe. Aufgrund der langen Dauer seines Aufenthaltes sei Syrien für den Kläger ein fremdes Land, dessen Kultur und Gesellschaft für ihn fremd geworden sein. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben bedürfe nach Art. 8 Abs. 2 EMRK der Rechtfertigung.
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4. Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wurde zunächst auf den angefochtenen Bescheid verwiesen. Eine andere Bewertung in der Sache ergebe sich nach erneuter Prüfung nicht. Ergänzend wurde ausgeführt, dass der Kläger nach Mitteilung der Therapieeinrichtung vom 2. Dezember 2021 den ersten Therapieteil erfolgreich abgeschlossen habe. Seit dem 28. Oktober 2021 lebe er in seiner alten Wohnung in Würzburg und sei somit in sein problematisches soziales Umfeld zurückgekehrt. Dort sei er am 16. Juni 2020 in Gewahrsam genommen worden. In der Wohnung seien wiederholt Betäubungsmittel und eindeutige Hinweise auf ein Handeltreiben aufgefunden und sichergestellt worden. Der Kläger habe bereits eine Therapie absolviert und sei unter Bewährung gestanden. Auch die übrigen Faktoren seien mit denjenigen identisch, welche vor der Inhaftierung vorgelegen hätten. Ein erneuter Rückfall könne daher nicht ausgeschlossen werden. Gerade bei Straftaten, welche auf einer Suchterkrankung beruhten oder mit einer Suchtproblematik in Zusammenhang stünden, könne nicht von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden, solange der Betroffene eine entsprechende Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht habe. Denn solange er sich nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt habe, könne nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, welche ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde. Bisherige erfolgversprechende Ansätze genügten nicht, um einen erfolgreichen Abschluss und damit eine therapeutische Aufarbeitung der deliktsursächlichen Defizite sowie im Anschluss daran eine gesicherte Straffreiheit zu prognostizieren. Der Kläger habe auch keinen Anspruch darauf, im Rahmen des Strafvollzugs bzw. in der Therapieeinrichtung solange therapiert zu werden, bis ihm möglicherweise eine günstige Sozialprognose im Hinblick auf eine Rückfallgefährdung bescheinigt werden könne. Auch wenn der Kläger nun erneut einer Beschäftigung als Gebäudereiniger nachgehen, sei eine Wiederholungsgefahr von weiteren Straftaten, insbesondere im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität sehr hoch. Die Ausweisung sei weiterhin angemessen, erforderlich und verhältnismäßig. Durch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes werde die Wirkung der Ausweisung angemessen befristet.
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5. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2021 erteilte die ZAB dem Kläger eine bis 14. Juni 2022 befristete Beschäftigungserlaubnis als Gebäudereiniger.
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6. Auf die weiteren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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7. In der mündlichen Verhandlung am 19. September 2022 änderte die ZAB die Ziffer 2 des Bescheids vom 23. November 2021 dahingehend, dass die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots einheitlich auf fünf Jahre ab der Ausreise sowie die Inlandswirkung der Ausweisung auf fünf Jahre ab Unanfechtbarkeit des Bescheides befristet wurde. Die Bedingung des Nachweises der Straffreiheit wurde aufgehoben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen, hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung insbesondere auf das Protokoll vom 19. September 2022.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die angefochtenen Verwaltungsakte im Bescheid des Beklagten vom 23. November 2021 in der Fassung, welche dieser in der mündlichen Verhandlung erhalten hat, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die Ausweisungsverfügung (Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids) ist rechtmäßig.
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Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen, denen sich das Gericht aufgrund der nachfolgenden Erwägungen anschließt:
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a) Die Maßnahme findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (sog. Ausweisungsinteressen) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (sog. Bleibeinteressen) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dabei steht der Behörde weder hinsichtlich der Gefahrenprognose noch hinsichtlich der Abwägung ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu. Ob sie diese Tatbestandsvoraussetzungen zu Recht angenommen hat, muss das Gericht vielmehr anhand einer eigenständigen Gefahrenprognose sowie Abwägung des Ausweisungs- und der Bleibeinteressen im Einzelfall, bezogen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung, überprüfen (BVerwG, U.v. 27.7.2017 - 1 C 28.16 - juris Rn. 16; U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8). Liegen danach die gesetzlichen Voraussetzungen vor, so ergibt sich daraus die Ausweisung als gebundene Rechtsfolge.
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b) Der Maßstab der Gefahrenprognose ist dabei § 53 Abs. 1 AufenthG zu entnehmen. Der Kläger genießt keinen erhöhten Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3a, 3b oder 4 AufenthG, denn er ist weder Asylantragsteller, noch wurde ihm internationaler Schutz in der Form des Flüchtlingsschutzes nach §§ 3 ff. AsylG oder des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG zuerkannt. Der subsidiäre Schutz war nicht Gegenstand des im Jahr 2003 rechtskräftig erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens des Klägers, da dieser Schutzstatus erst mit der Umsetzung der RL 2004/38/EG (nach Änderung jetzt: RL 2011/95/EU) in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. (bzw. jetzt: § 4 AsylG) zum Prüfungsgegenstand des Asylverfahrens wurde (vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 13 Abs. 1 AsylG).
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c) Gemessen daran hat der Beklagte zu Recht angenommen, dass von dem persönlichen Verhalten des Klägers eine konkrete Wiederholungsgefahr in Bezug auf die Begehung weiterer Straftaten und damit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG ausgeht.
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Durch seine erheblichen Straftaten hat der Kläger die Rechtsordnung sowie wichtige Rechtsgüter der Gemeinschaft und der Einzelperson konkret gefährdet. Er wurde mehrfach strafrechtlich rechtskräftig verurteilt, darunter zweimal zu mehrjährigen Haftstrafen (3 Jahre und 3 Monate aufgrund der Verurteilung vom 11.9.2008, 2 Jahre und 6 Monate aufgrund der Verurteilung vom 4.3.2021). Unter den strafrechtlichen Sanktionen finden sich wiederholte Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelrecht, zuletzt vom 27. Februar 2018 und 4. März 2021. Daneben hat der Kläger aber auch andere Straftaten wie Vermögensdelikte, Verstöße gegen die Verkehrssicherheit sowie spezifisch ausländerrechtliche Delikte begangen. Aus diesen rechtskräftig abgeurteilten Straftaten ergibt sich die hohe Bereitschaft des Klägers, kriminelle Handlungen, insbesondere aus dem Bereich der Drogendelikte, zu begehen. Diese Rückfallgefahr hat sich in der Vergangenheit bereits realisiert, da der Kläger nach zunächst abgeschlossener Drogentherapie wieder einschlägige Delikte begangen hat. Zwar hat der Kläger diesen Umstand in der mündlichen Verhandlung damit zu erklären versucht, dass ihm die damalige Therapie aufgrund der angewandten Methoden „nicht so viel gebracht“ habe. Diese Einschätzung des Klägers kann aber schon deshalb nicht zu seinen Gunsten gewertet werden, weil es sich um eine im Rahmen des damaligen Strafverfahrens angeordnete Therapie in einer anerkannten Einrichtung handelte. Dass der Kläger bereits einmal trotz abgeschlossener Therapie rückfällig wurde, spricht vorliegend unabhängig von den Gründen für das objektive Weiterbestehen der Wiederholungsgefahr. Aufgrund der zuletzt abgeurteilten Taten wurde durch das Gutachten eines fachkompetenten Sachverständigen vom 17. Dezember 2020 (S. 1959 d.A.) die Diagnose der Betäubungsmittelabhängigkeit (ICD-10: F10.21) gestellt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Das Sachverständigengutachten stellte zwar keine Abhängigkeit von Kokain, aber von Cannabis fest, wobei diesbezüglich vier von sechs Kriterien der Suchterkrankung vorlagen, was für ein eindeutiges Ergebnis spricht. Des Weiteren wird im Gutachten ausgeführt: „Bei der verfahrensgegenständlichen Tat handelt es sich um eine typische Beschaffungskriminalität. Konkret bedeutet dies, dass in Zukunft bei anhaltendem Substanzkonsum weitere Delikte der gleichen Oberkategorie möglich sind“. Der Gutachter stellte also - vor Therapiebeginn - eine konkrete Wiederholungsgefahr eindeutig fest. Die abgeurteilten Straftaten können dem Kläger auch entgegengehalten werden, denn er war bei der Tatbegehung nach der überzeugenden Einschätzung des Strafgerichts aufgrund des dort eingeholten Gutachtens eines fachkompetenten Sachverständigen schuldfähig im Sinne der §§ 20, 21 StGB.
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Angesichts der durch die Straftaten des Klägers verletzten, zum Teil hochrangigen Rechtsgüter der Allgemeinheit wie insbesondere der Bekämpfung der Drogenkriminalität genügt für die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr bereits eine nicht allzu hohe Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls (sog. gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 16; U.v. 3.8.2004 - 1 C 30.02 - juris Rn. 26). Gerade bei Straftaten, die - wie im Falle des Klägers - auf einer Suchterkrankung beruhen, kann von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 3.9.2021 - 19 ZB 21.1771 - juris Rn. 21 m.w.N.). Dies folgt aus der allgemein hohen Rückfallgefahr bei derartigen Delikten (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 3.5.2010 - 19 ZB 10.51; Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG § 53 Rn. 24 m.w.N.). Das Gericht verkennt nicht, dass der Kläger die erste Phase der Drogentherapie in einer speziellen Einrichtung erfolgreich durchlaufen hat und insofern bei ihm eine positive Entwicklung eingeleitet ist, zumal auch die Prognose der Therapieeinrichtung positiv ausfällt (vgl. Stellungnahme vom 2.12.2021). Er hat die Therapie gleichsam als einen Wendepunkt in seinem Leben dargestellt, was auf eine intensive Auseinandersetzung mit seiner bisherigen Biografie schließen lässt. Diese innere Umkehr zeigt sich auch äußerlich darin, dass der Kläger sich in einem geregelten Arbeitsverhältnis befindet, in einer festen Beziehung lebt und sich nachhaltig um seine beiden minderjährigen Kinder kümmert, die jeweils bei ihren Müttern leben. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft seine hohe Motivation, nun drogen- und straffrei leben zu wollen, dargestellt und nachdrücklich Einsicht in sein bisheriges Fehlverhalten gezeigt. Für das Fortbestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr spricht aber, dass eine auf einen - gegenüber der bisher gezeigten, kurzzeitigen Bewährung - längeren Zeitraum bezogene positive Prognose der Straf- und Drogenfreiheit derzeit noch nicht angestellt werden kann. Die Therapie des Klägers ist insgesamt betrachtet noch nicht abgeschlossen, vielmehr hat er laut Stellungnahme der Therapieeinrichtung vom 2. Dezember 2021 bisher lediglich die erste Phase erfolgreich durchlaufen. Der Kläger nimmt weiterhin regelmäßige Termine bei einem Gesprächstherapeuten wahr. Insoweit kann dem Kläger das Sachverständigengutachten aus dem Strafverfahren vom 17. Dezember 2020 - entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten - in der Gefahrenprognose nach wie vor entgegengehalten werden. Des Weiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, manchmal noch einen Suchtdruck zu verspüren, den er allerdings - bisher - erfolgreich durch Sport oder ähnliche Aktivitäten bewältigen kann. Trotz des gezeigten guten Willens des Klägers und positiver Ansätze fehlt es damit noch an einer langfristigen und nachhaltigen Bewährung des Klägers außerhalb des geschützten Rahmens der Therapieeinrichtung. Zusammenfassend kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mangels nachhaltiger Bewährung außerhalb der Therapie noch nicht davon ausgegangen werden, dass von dem Kläger künftig keine Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgeht.
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d) Im Falle des Klägers überwiegt auch das öffentliche Ausweisungsinteresse gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG seine privaten Bleibeinteressen. Der Maßstab für die im vorliegenden Fall vorzunehmende Abwägung des Ausweisungs- und des Bleibeinteresses ergibt sich aus § 53 Abs. 2 AufenthG. Danach sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthaltes des Klägers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Kläger rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Der Kläger hat, wie ausgeführt, Straftaten gegen hochrangige Rechtsgüter wie den Schutz der Bevölkerung vor Drogen- und Beschaffungskriminalität begangen. Wie festgestellt, besteht in der Person des Klägers auch eine konkrete Wiederholungsgefahr gerade im Hinblick auf vergleichbare Delikte. Aufgrund dieser begangenen Straftaten hat der Kläger ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verwirklicht, daneben auch schwerwiegende Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 AufenthG i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtM und § 54 Abs. 2 Nrn. 8 a) und 9 AufenthG. Eine sog. Typenkorrektur, d.h. eine Abweichung von den in den besonders schwerwiegenden und schwerwiegenden Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1, 2 AufenthG vertypten öffentlichen Interessen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles ist vorliegend nicht veranlasst. Insbesondere kann die Begehung der Straftaten unter Drogenabhängigkeit aufgrund der gefahrenabwehrrechtlichen Zielsetzung des § 54 AufenthG ersichtlich nicht zu einer anderen Betrachtungsweise führen, ohne den Zweck der Norm in einer Vielzahl von Fällen zu verfehlen.
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Die genannten Ausweisungsinteressen sind auch nicht - teilweise - dadurch verbraucht, dass dem Kläger nach der Unanfechtbarkeit der ersten Ausweisungsverfügung seit 3. Mai 2010 zwischenzeitlich ein Aufenthaltstitel erteilt und mehrfach - zuletzt mit Gültigkeit bis 1. März 2021 - verlängert wurde. Denn mit der erneuten strafrechtlichen Verurteilung (u.a.) nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG haben sich die zeitlich vor der Aufenthaltserlaubniserteilung liegenden Ausweisungsgründe wieder aktualisiert und können daher dem Kläger erneut als Ausweisungsinteressen entgegengehalten werden (BVerwG, U.v. 16.11.1999 - 1 C 11.99 - juris; Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 34. Ed., Stand: 1.4.2022, AufenthG § 53 Rn. 28a). Abgesehen davon bildet, wie ausgeführt, schon die letzte Verurteilung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen (u.a.) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringem Umfang) für sich allein betrachtet ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG. Allein diese Straftat ist damit schon für sich genommen hinreichend gewichtig, um ein erhebliches öffentliches Interesse an der Ausweisung zu begründen.
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Diesen gewichtigen Ausweisungsinteressen stehen zwar angesichts der persönlichen Beziehung des Klägers zu seinen beiden minderjährigen Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit besonders schwerwiegende Bleibeinteressen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG bzw. schwerwiegende Bleibeinteressen im Sinne des § 55 Abs. 2 Nrn. 3, 5 AufenthG gegenüber, welche durch den Schutz der Familie und des Privatlebens nach Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK auch verfassungs- bzw. konventionsrechtlichen Rang einnehmen. Die informatorische Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie sein schriftsätzlicher Vortrag haben ergeben, dass der Kläger sein Sorge- bzw. Umgangsrecht mit den beiden Kindern auch tatsächlich wahrnimmt, so hat er mit beiden regelmäßigen persönlichen Umgang, wenngleich jedenfalls bezüglich der Tochter in größeren zeitlichen Abständen (alle sechs Wochen). Der Kläger sorgt auch finanziell für die beiden Kinder, indem er beispielsweise Sparkonten für diese angelegt hat. Dem gegenüber besteht zu der 2015 geborenen Tochter mit ungarischer Staatsangehörigkeit angesichts deren Wegzugs aus Deutschland offensichtlich kein Kontakt mehr. Zugunsten des Klägers ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass er sich mit über 20 Jahren faktisch bereits seit langer Zeit im Bundesgebiet aufhält, wenngleich nur ein Teil dieses Zeitraums durch ein Aufenthaltsrecht abgedeckt war und bereits im Jahr 2010 eine Ausweisungsverfügung unanfechtbar ergangen ist, was einer rechtlichen Aufenthaltsverfestigung insoweit entgegensteht. Aktuell verfügt der Kläger auch nicht mehr über eine Aufenthaltserlaubnis, auf deren tatsächlichen Besitz es im Rahmen des besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ankäme (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 55 Rn. 6, 8; Graßhof in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG § 55 Rn. 2).
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Abzuwägen waren daher das besonders schwerwiegende bzw. schwerwiegende öffentliche Ausweisungsinteresse gegen das besonders schwerwiegende bzw. schwerwiegende Bleibeinteresse des Klägers. Dabei ist zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass von ihm nach wie vor eine Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter ausgeht, wobei die Wiederholungsgefahr trotz der erfolgreichen ersten Therapiephase und positiver Verhaltensänderungen wie festgestellt noch erheblich ist. Das Ausweisungsinteresse ist damit von erheblichem Gewicht. Dem gegenüber hat der Kläger zwar familiäre Bindungen zu seinen beiden minderjährigen Kindern, die er regelmäßig, wenngleich mit mehrwöchigen Unterbrechungen sieht. Allerdings lebt er nicht mit diesen zusammen und nimmt somit nicht an deren Alltag teil. Der Kläger unterhält damit eher eine Begegnungsgemeinschaft als eine Beistands- oder Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern, die vor dem Hintergrund des Art. 6 GG sowie des Art. 8 EMRK weniger schützenswert ist. Er ist damit in seinem Verhältnis zu den Kindern faktisch eher einem guten Bekannten oder Verwandten vergleichbar, als einem Elternteil. Des Weiteren sind die Kinder entsprechend ihrem Lebensalter von 14 bzw. neun Jahren in einem Alter, in welchem sie die mit einer tatsächlichen Aufenthaltsbeendigung einhergehende, vorübergehende Trennung ohne Weiteres begreifen können. Ohnehin steht eine Trennung faktisch derzeit wegen der Aussetzung der Abschiebung des Klägers nicht unmittelbar an, wobei die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung auch signalisiert hat, dass dem Kläger bei entsprechender Bewährung weiter Duldungen ausgestellt werden. Der Kläger hat damit die Möglichkeit, sich während der Dauer der Inlandswirkungen der Ausweisung zu bewähren. Bei entsprechender Bewährung hat er zudem die Möglichkeit einer nachträglichen Fristverkürzung gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Sollte er nach Beendigung der aktuellen Aussetzung von Abschiebungen nach Syrien zu einem nicht absehbaren Zeitpunkt in der Zukunft dorthin abgeschoben werden, besteht die Möglichkeit, den Kontakt zu seinen Kindern mittels elektronischer Kommunikationsmittel wie beispielsweise Videokonferenzen und auf der Grundlage von Betretenserlaubnissen nach § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG aufrecht zu erhalten. Nach alledem sind bei dem infolge der vorhergegangenen Delikte anzulegenden strengen Maßstab die Folgen der Aufenthaltsbeendigung für den Kläger und seine Angehörigen nicht derart gewichtig, dass sie das gewichtige Ausweisungsinteresse erreichen oder übersteigen. Damit überwiegt das Ausweisungsinteresse gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers.
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e) Zielstaatsbezogene Umstände und Gefahren im Herkunftsland unterliegen der Beurteilung des Bundesamtes und sind daher nicht in die ausweisungsrechtliche Abwägung einzustellen. An die bestandskräftige Entscheidung des Bundesamtes, keinen zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz zugunsten des Klägers festzustellen, sind der Beklagte und das Gericht gemäß § 42 Satz 1 AsylG gebunden. In die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen sind nur solche zielstaatsbezogenen Umstände einzubeziehen, die nicht der Prüfung durch das Bundesamt in einem Asylverfahren vorbehalten sind, weil der Auszuweisende weder ein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt noch einen Anspruch auf Doppelprüfung hat (BVerwG, U.v. 16.2.2022 - 1 C 6.21 - juris Rn. 34; U.v. 26.2.2019 - 1 C 30.17 - juris Rn. 22). Derartige zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse, welche nicht der Prüfung durch das Bundesamt vorbehalten sind, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
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f) Die Ausweisung ist auch zur Gefahrenabwehr geeignet, erforderlich und angemessen und somit verhältnismäßig. Einer Ausweisung fehlt nicht die Geeignetheit zur Gefahrenabwehr, wenn sie (faktisch) auf ihre Inlandswirkungen wie insbesondere das Erlöschen eines erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG sowie die Sperrwirkung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG beschränkt bleibt, weil eine freiwillige Ausreise oder eine zwangsweise Durchsetzung derselben durch Abschiebung gegebenenfalls aufgrund der Verhältnisse im Herkunftsland des betroffenen Ausländers unwahrscheinlich sein sollte. Denn die genannten inlandsbezogenen Wirkungen der Ausweisung und der damit verbundene unsichere Aufenthaltsstatus sind sowohl in spezialpräventiver als auch in generalpräventiver Hinsicht geeignet, Ausländer von der Begehung von Straftaten abzuschrecken. Deshalb verfehlt auch eine gegebenenfalls (faktisch) rein inlandsbezogene Ausweisung nicht ihren Zweck als verhaltenssteuernde Maßnahme (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 48; U.v. 25.7.2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 23; Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG, § 11 Rn. 6). Auch im Übrigen genügt die Ausweisung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn sie ist aufgrund der fortbestehenden Gefahrenlage erforderlich und angesichts des gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers klar überwiegenden Ausweisungsinteresses auch angemessen. Dies gilt auch für die in der mündlichen Verhandlung festgesetzte Befristung der Inlandswirkungen auf fünf Jahre.
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g) Die Ausweisung verletzt auch nicht das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK. Der Kläger, der die ersten 23 Jahre seines Lebens in Syrien verbracht hat und somit dort sozialisiert wurde, des Weiteren im Bundesgebiet Straftaten begangen hat und nicht durchgehend über einen legalen Aufenthaltsstatus verfügte, kann schon nicht als im Bundesgebiet „verwurzelte“ Person angesehen werden. Er ist mithin kein sog. faktischer Inländer, dessen Aufenthaltsbeendigung sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK verletzen würde. Ein Eingriff in das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Privatleben ist dann zu bejahen, wenn der Ausländer aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden und ihm wegen der Besonderheiten des Falls ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug mehr hat, nicht zuzumuten ist (st.Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2021 - 19 CE 21.2020 - juris Rn. 15 f.; SächsOVG, B.v. 23.3.2020 - 3 B 48/20 - juris Rn. 7; B.v. 6.9.2021 - 3 A 419/18 - juris Rn. 12, jeweils m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist in der Regel ein rechtmäßiger, d.h. durch einen Aufenthaltstitel oder in vergleichbarer Weise rechtlich gesicherter Aufenthalt. Des Weiteren kann als faktischer Inländer nicht angesehen werden, wer nachhaltig Straftaten begeht und damit zeigt, dass er sich nicht in die Rechts- und Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Unabhängig davon besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für sog. faktische Inländer kein generelles Ausweisungsverbot (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 - juris Rn. 19; B.v. 25.8.2020 - 2 BvR 640/20 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 10.2.2022 - 19 ZB 21.2650 - juris Rn. 33). Vielmehr ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen (BayVGH, B.v. 10.2.2022 - 19 ZB 21.2650 - juris Rn. 33). Ein Eingriff in das Recht aus Art. 8 EMRK durch Ausweisung ist gerechtfertigt, wenn er wegen dringender öffentlicher Interessen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und verhältnismäßig ist (vgl. Bergmann, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, GRCh Art. 7 Rn. 2 m.w.N.). Diese Kriterien sind vorliegend durch die Ausweisung des Klägers aufgrund der nach wie vor von ihm ausgehenden konkreten Wiederholungsgefahr in Bezug auf Betäubungsmitteldelikte - wie Handeltreiben mit Rauschgift in nicht geringer Menge -, welche bedeutende Rechtsgüter der Allgemeinheit betreffen, erfüllt. Insbesondere ist die Maßnahme - wie ausgeführt - verhältnismäßig.
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2. Die vom Beklagten in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids - in ihrer Fassung aufgrund der Änderungen in der mündlichen Verhandlung - vorgenommene Befristung der Inlandswirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Rechtsgrundlage der Befristung ist Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 111 m.V.a. BayVGH, B.v. 21.11.2013 - 19 C 13.1206 - juris Rn. 9 f.). Da für den Kläger kein Abschiebungsverbot besteht und er somit die Sperrfrist des § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG durch freiwillige Ausreise selbst in Gang setzen könnte, besteht - trotz der derzeitigen Aussetzung der Abschiebung - vom Ansatz her keine unbefristete Inlandswirkung. Die Ausweisung wäre somit auch ohne Befristung der Inlandswirkungen mit dem Grundsatz vereinbar gewesen, dass der betroffene Ausländer einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen einer Ausweisung hat (BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 52). Dennoch wirkt die vom Beklagten vorgenommene Befristung zugunsten des Klägers, da seine Ausweisung nunmehr auch ohne Ausreise zeitlich begrenzt ist. Es ist daher im Ergebnis auch unschädlich, dass der Beklagte den Fristbeginn auf die Rechtskraft und nicht auf die Wirksamkeit der Ausweisung festgesetzt hat. Zwar ergibt sich unter Berücksichtigung der Regelung in § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung unberührt lassen, dass für den Fristbeginn der Inlandswirkung der Ausweisung auf die Bekanntgabe des Ausweisungsbescheids abzustellen ist, denn ab diesem Moment greifen die Rechtswirkungen der Ausweisung gemäß Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG unabhängig von eingelegten Rechtsmitteln (VG Würzburg, U.v. 11.7.2022 - W 7 K 21.1632). Die gegenteilige Rechtsmeinung überzeugt rechtssystematisch nicht, weil sie die unabhängig von der Bestandskraft der Ausweisung bestehende innere Wirksamkeit derselben außer Acht lässt. Da die Befristung jedoch - wie ausgeführt - zugunsten des Klägers wirkt, der darauf angesichts der vorliegenden Umstände keinen Anspruch hätte (vgl. obige Ausführungen), fehlt es insoweit jedenfalls an einer subjektiven Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch sind hinsichtlich der festgesetzten Frist von fünf Jahren keine Ermessensfehler ersichtlich. Insbesondere ist diese Frist im Vergleich zur ebenfalls fünfjährigen Frist im Rahmen des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Ziffer 2 des Bescheids (in der Fassung der Änderung in der mündlichen Verhandlung) erst recht angemessen, nachdem in diesem Kontext den Bleibeinteressen des Klägers ein geringeres Gewicht beizumessen ist (vgl. Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG, § 53 Rn. 6 m.w.N.).
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3. Das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot unter der Ziffer 2 des Bescheides in der Fassung, die dieser in der mündlichen Verhandlung erhalten hat, ist ebenfalls rechtmäßig.
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a) Die Maßnahme beruht auf § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, und zwar gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Falle der Ausweisung gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung. Das gegen den Kläger erlassene Einreise- und Aufenthaltsverbot kann sich auch auf eine gemäß Art. 11 Abs. 1a) der RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie, ABl. L 348, 98) erforderliche Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 der Rückführungsrichtlinie stützen (vgl. BVerwG, U.v. 16.2.2022 - 1 C 6.21 - juris Rn. 53 ff.; EuGH, U.v. 3.6.2021 - BZ, C-546/19 - juris Rn. 53 ff.). Eine solche Rückkehrentscheidung liegt hier mit der Abschiebungsandrohung gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unter der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vor.
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b) Die von dem Beklagten gesetzte Frist von (einheitlich) fünf Jahren begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Länge der Frist ist in das Ermessen des Beklagten gestellt (§ 11 Abs. 2 Satz 5, Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Die Frist von fünf Jahren wahrt den von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmen von maximal fünf Jahren und überschreitet nicht den größeren Rahmen von höchstens zehn Jahren, welcher für Ausweisungen aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung nach § 11 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 AufenthG gilt. Der Beklagte hat in seiner Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Belange des Klägers ordnungsgemäß gewichtet und abgewogen. Ermessensfehler sind insoweit nicht vorgetragen und auch nicht anderweitig ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensfehler darin, dass der Beklagte in dem die Befristung betreffenden Abschnitt auf Seite 22 des Bescheides ausführt, der Kläger verfüge über keine familiären Bindungen „im Sinne des Gesetzes“ im Bundesgebiet, auch wenn diese Formulierung - isoliert betrachtet - angesichts des vorliegenden Sachverhaltes nicht nachvollziehbar sein mag. Aus dem Gesamtzusammenhang der rechtlichen Erwägungen im Bescheid, insbesondere aus den weiteren Ausführungen im selben Abschnitt sowie der vorangehenden Abwägung der Bleibeinteressen des Klägers gegen das öffentliche Ausweisungsinteresse wird jedoch deutlich, dass der Beklagte die familiären Bindungen des Klägers sehr wohl gesehen und in seine Abwägung eingestellt hat, ihnen aber gegenüber den tangierten öffentlichen Interessen ein geringeres Gewicht beimisst. Dies ist im Rahmen der auf Rechtsfehler beschränkten Ermessensüberprüfung nach § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden. Im Übrigen ist der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 16. September 2022 nochmals ausführlich auf den aktuellen Vortrag des Klägers bezüglich seiner familiären Belange eingegangen und hat dadurch die Ermessenserwägungen in zulässiger Weise aktualisiert und ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO).
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4. Die Abschiebungsandrohung unter der Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Sie beruht auf § 50 Abs. 1 i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 und § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Die gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen entspricht der gesetzlichen Regelfrist nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und begegnet von daher keinen Bedenken. Des Weiteren bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung Syriens als Zielstaat der Abschiebung. Die Abschiebungsandrohung ergeht gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ungeachtet etwaiger Abschiebungsverbote. Im unanfechtbar gewordenen Bescheid des Bundesamtes vom 23. Mai 2003 wurden keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse hinsichtlich des bestimmten Zielstaates Syrien festgestellt; daran ist das Gericht im vorliegenden Verfahren gebunden (§ 42 Satz 1 AsylG).
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5. Aus diesen Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.