Titel:
Erfolgreicher einstweiliger Rechtsschutz gegen sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs einer Fahrerlaubnis
Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 3 Nr. 7, § 46 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsätze:
1. Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung liegen dann vor, wenn sie anlässlich der Teilnahme am Straßenverkehr begangen wurden oder durch Ereignisse im Straßenverkehr motiviert waren, im Fall des § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV jedoch auch dann, wenn diese Straftaten nicht im Zusammenhang mit Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hohe Aggressionsbereitschaft lässt Rückschlüsse auf die Kraftfahrereignung zu, wenn zu besorgen ist, dass der Betroffene bei konflikthaften Verkehrssituationen emotional impulsiv handelt und dadurch das Risiko einer gefährdenden Verkehrssituation erhöht sowie eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Straftaten weisen insbesondere dann auf ein hohes Aggressionspotenzial hin und stehen im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung, wenn die Tathandlungen auf eine Bereitschaft zu ausgeprägtem impulsiven Verhalten beruhen und dabei Verhaltensmuster deutlich werden, die sich so negativ auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken können, dass die Verkehrssicherheit gefährdet ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Entscheidend ist, ob aufgrund der bereits verübten kriminellen Delikte einer Person unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Vorhersage zulässig ist, dass von dieser Person eine zukünftige Gefährdung des Straßenverkehrs und anderer Verkehrsteilnehmer ausgeht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz, Entziehung der Fahrerlaubnis, Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung, Anhaltspunkte für erhöhtes Aggressionspotenzial, beendeter Beziehungskonflikt, Darlegungspflicht der Behörde, Verwertbarkeit des Gutachtens verneint
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34293
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (W 6 K 22.1560) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Oktober 2022 wird hinsichtlich Nr. 1 (Entziehung der Fahrerlaubnis) und Nr. 2 (Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins) wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 4 (Androhung unmittelbaren Zwangs) angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis.
2
1. Der Antragsteller (geb. 1981) ist im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, BE und L.
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Der Antragsgegnerin als zuständiger Fahrerlaubnisbehörde wurde bekannt, dass der Antragsteller mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts G. - Schöffengericht - vom … … 2021 (Az.: ...) wegen des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tatmehrheit mit 12 tatmehrheitlichen Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tatmehrheit mit Vortäuschen einer Straftat (§§ 145d Abs. 1 Nr. 1, § 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23, 52, 53 StGB, § 4 GewSchG) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten verurteilt worden war. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe war zur Bewährung ausgesetzt worden (Bewährungszeit: 3 Jahre, Amtsgerichts G., B.v. …2021). Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller nach Trennung von seiner Lebensgefährtin Frau H., mit der er drei gemeinsame Kinder hat, im Januar 2018, mehrfach dieser gegenüber Straftaten verübte. Am 22. November 2018 durchtrennte er am Pkw von Frau H. die Bremsleitungen, um diese an der Fortbewegung des PKWs zu hindern unter billigender Inkaufnahme eines möglichen Unfalls. Frau H. bemerkte die defekten Bremsen vor Aufnahme einer Fahrt, sodass es zu keiner weiteren Gefährdung kam. Des Weiteren nahm der Antragsteller entgegen einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (Beschluss des Amtsgerichts G. vom …2018, Az.: * .*) mit Annäherungs- und Kontaktverboten mit Frau H. mehrfach Kontakt auf, indem er am 29. und 30. November 2018 sowie am 3. Dezember 2018 bei dieser anrief und ihr Textnachrichten sandte. Am 22. Januar 2019 folgte er Frau H. nach einem Termin beim Amtsgericht G. mit einem Fahrzeug bis zu deren Wohnhaus, kurbelte dort angekommen das Fenster herunter und verlangte mit dieser zu sprechen. Des Weiteren besprühte der Antragsteller das Fahrzeug von Frau H. mehrfach mit Lackfarbe mit folgenden Schriftzügen (zwischen dem 7. und 9.3.2019 mit „HURE“; zwischen dem 23. und 25.3.2019 mit „HURE“; zwischen dem 30. und 31.3.2019 mit TOTE HURE“ und einem Kreuz; zwischen dem 4. und 5.4.2019 mit „HURE“ und „Du BIST TOD“; am 12.4.2019 mit “HURE“; am 16.4.2019 mit „HURE stirb“). Am 31. März 2019 zeigte der Antragsteller gegenüber der Polizei das Besprühen seines eigenen Pkw mit roter Lackfarbe und dem Schriftzug „tot“ an, obwohl er seine Pkw selbst besprüht hatte. Zwischen dem 4. und 5. April 2019 durchtrennte der Antragsteller erneut die Bremsleitungen am Pkw von Frau H., was von ihr jedoch vor Aufnahme einer Fahrt bemerkt wurde, sodass es zu keiner Gefährdung kam. Bei der Strafzumessung sowie bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung berücksichtigte das Strafgericht zugunsten des zwischenzeitlich mit einer anderen Frau verheirateten Antragstellers, dass dieser im Verfahren umfassend geständig und nicht vorbestraft gewesen war, er das Unrecht seiner Taten eingesehen hatte und er zu den Tatzeitpunkten aufgrund fortwährender Beziehungsstreitigkeiten und des Umstands, dass er seine Kinder teilweise nicht habe sehen können, sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden hatte. Auf das Urteil des Amtsgerichts G. wird im Übrigen verwiesen.
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Die Verurteilung ist im Führungszeugnis des Klägers eingetragen. Im Fahreignungsregister wurden wegen des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (zweimalige Beschädigung der Bremsleitungen) jeweils zwei Punkte eingetragen.
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Im Strafverfahren hatte der Antragsteller seine behandelnden Ärzte (Dr. Sch und Frau D.) von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden, des Weiteren Frau Dipl.-Psych. I. I., Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in Würzburg, Nebenstelle L. … …, bei der er sich in therapeutischer Behandlung befinde (Schreiben seines Bevollmächtigten vom 19.9.2019 an die Staatsanwaltschaft Würzburg). Der Antragsteller hatte sich seit 26. November 2018 im Bezirkskrankenhaus L. .... befunden, da er Selbstmorddrohungen gegenüber einer Bekannten ausgesprochen hatte (Bericht der PI K. vom 6.12.2018). Anlässlich einer Beschuldigtenvernehmung vom 4. Dezember 2018 hatte der Antragsteller gegenüber der PI K. angegeben, nicht mehr weiter zu wissen, kurz davor zu sein, sich aufzuhängen, dass ihm alles zu viel sei. Auch gegenüber Frau H. habe er mehrfach gedroht sich selbst umzubringen. Diese gab außerdem an, dass er sie zum Sex genötigt habe und gedroht habe sie und die Kinder umzubringen, was diese schriftlich niedergelegt habe (Bericht der PI K. vom 8.12.2018).
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Mit Schreiben vom 15. Dezember 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Darlegung der o. g. Vorgänge mit, dass sich hierdurch Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergäben und forderte ihn auf, bis 7. Januar 2022 aktuelle Befundberichte seines Facharztes (Psychologen) zu seinen Erkrankungen und den Behandlungen, eine Bescheinigung von Frau Dr. I. über die bisherigen therapeutischen Maßnahmen sowie den Entlassbericht des Bezirkskrankenhauses 2018 vorzulegen. In der Folge ließ der Antragsteller ein ärztliches Attest des MVZ W. M. (Dr. W.) vom 4. Januar 2022 übermitteln, indem nach Behandlungsbeginn (seit 8.10.2019) die Ausstellung dreier Rezepte, über Diclofenac/Schmerzmittel und Capval/Hustenmittel bescheinigt wurde. Des Weiteren ließ der Kläger einen vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses L. .... vom 13. Dezember 2018 über einen stationären Aufenthalt (vom 26.11. bis 13.12.2018) übermitteln mit der psychiatrischen Diagnose: F32.2 schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome. Dort ist ausgeführt, dass der Antragsteller (erneut) zur stationären Aufnahme erschienen war, da er drängende Gedanken gehabt habe, sich das Leben zu nehmen. Der Antragsteller wurde als sehr belastet durch die Anschuldigungen von Frau H. und das Kontaktverbot zu seinen drei Kindern beschrieben. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine erste stationäre Aufnahme (12.3.2018 bis 19.3.2018) mit der Diagnose einer Anpassungsstörung erfolgt war. Auf den Arztbericht wird verwiesen. Einen Befundbericht der Dipl.-Psych. I. und ein Befundbericht eines Facharztes (Psychologen) wurde trotz Erinnerung (E-Mail vom 1.2.2022 mit Fristsetzung zum 3.3.2022) nicht vorgelegt.
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Mit Schreiben vom 7. März 2022 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Darstellung der o. g. Umstände und die vorgelegten bzw. noch fehlenden Unterlagen auf, ein ärztliches Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum 7. Juni 2022 beizubringen. Die erheblichen Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen seien bisher nicht ausgeräumt worden, sodass weitere Aufklärung notwendig sei. Es werde deshalb gemäß § 46 Abs. 3, 11 Abs. 2 Satz 1 FeV i.V.m. Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens gefordert. Es seien Tatsachen bekannt geworden, die Bedenken gegen die körperliche und geistige Eignung des Antragstellers begründeten. Dies gelte in besonderem Maße für Erkrankungen, die in Anlage 4 zur FeV aufgeführt seien. Zu klären seien deshalb die Fragen, ob bei dem Antragsteller eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 7.5 der Anlage 4 FeV die Fahreignung infrage stelle und wenn ja, ob der Antragsteller (wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse AM, B, BE und L vollständig gerecht zu werden; ob eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z. B. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme usw.) vorliege und ob Beschränkungen und/oder Auflagen und eine Nachuntersuchung erforderlich seien. Hingewiesen wurde abschließend darauf, dass nach der ärztlichen Begutachtung ggf. weitere Aufklärungsmaßnahmen erforderlich sein könnten.
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Der Antragsteller, der sich mit einer Untersuchung einverstanden erklärte, legte am 30. Mai 2022 das ärztliche Gutachten der pima-mpu GmbH, Begutachtungsstelle für Fahreignung, über eine Untersuchung am 12. April 2022 vor. Danach kommt die ärztliche Gutachterin zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller keine Erkrankung vorliegt, die nach Nr. 7.5 der Anlage 4 FeV die Fahreignung infrage stellt. Eine ausreichende Adhärenz (Compliance, z. B. Krankheitseinsicht) könne nicht erhoben werden. Diese beziehe sich auf die Gesamtpersönlichkeit, eine Compliance für eine nicht gegebene Diagnose kann in der vorliegenden Fragestellung nicht als fehlend bewertet werden. Beschränkungen seien jedoch erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeugs (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden. Als Auflage werde dem Antragsteller die Teilnahme an einem Antiaggressionsprogramm auferlegt. Eine fachliche einzelfallbegründete Nachuntersuchung im Sinne einer erneuten Nachbegutachtung sei nicht erforderlich. Im Rahmen der Anamnese hatte der Antragsteller einen Test mit dem Aggressionsdiagnostikum AGDIA absolviert, der im Bereich der differenziellen Erfassung von Stilen der Aggressionsauslösung, -manifestation, -coping und -stabilisierung in einigen Skalen auffällige Befunde ergeben hatte. Auf der Skala Coping zeigte der Antragsteller einen auffallend hohen Wert gezeigt (Coping/Bewältigung: destruktiv, Prozentrang: 93). Hierzu wird im Gutachten ausgeführt, dass die Bewältigung von Aggression hier durch eher negativ zu bewertende Strategien erfolge. Personen, welche hier einen hohen Wert erreichten, neigten zu Substanzmissbrauch, suchten Ablenkung von der eigentlichen Problematik, zögen sich aus aggressiven Situationen zurück oder verlagerten das Problem auf einen anderen Bereich. Sie spielten aggressionsauslösende Situation herunter und neigten dazu, die Schuld bei anderen zu suchen. Um ihre Aggression zu bewältigen, versuchten sie z. B. anderen Menschen aus dem Weg zu gehen, verlagerten die Aggressionen auf andere Bereiche, versuchten sich abzulenken, griffen manchmal zu Alkohol oder bemitleideten sich selbst. Des Weiteren stellte die Gutachterin bei der Bewertung der Befunde fest, dass durch den Antragsteller noch keine adäquate Aufarbeitung der gravierenden Fehlhandlungen in der Vergangenheit erfolgt sei und die hiesige Aggressionstestung zumindest Hinweise auf Auffälligkeiten im emotionalen Bereich bezüglich seiner Aggression ergeben habe. Dieser Befund sei fachärztlich nicht bewertet, da der Antragsteller keinen Bedarf für eine Unterstützung seiner Aufarbeitung gesehen habe. Dies allein lasse im hiesigen Setting jedoch nicht die Diagnose einer affektiven Störung erheben. Auf das Gutachten wird im Übrigen verwiesen.
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Mit Schreiben vom 31. Mai 2022 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf ein weiteres Gutachten bis 31. August 2022 beizubringen. Dargestellt wurde das Ergebnis des ärztlichen Gutachtens der pima-mpu GmbH vom 12. April 2022 und dem dort mit dem Aggressionsdiagnostikum (AGDIA) festgestellten auffälligen hohen Wert auf der Skala destruktiven Copings sowie auf die im bisherigen Verfahren festgestellten Umstände (Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts G. vom …2021, Aufenthalt des Antragstellers seit dem 26.11.2018 im Bezirkskrankenhauses L. wegen geäußerter Selbstmordgedanken, schriftliche Androhungen des Antragstellers) sowie darauf, dass bereits in der Anordnung vom 7. März 2022 auf ggf. weitere Aufklärungsmaßnahmen wie ein medizinisch-psychologisches Gutachten hingewiesen worden sei. Zur Feststellung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen werde deshalb gemäß § 46 Abs. 3 i.V. m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Die Fahrerlaubnisbehörde könne die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn Straftaten vorliegen, die im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen. Dies sei hier der Fall. Eine medizinisch-psychologische Begutachtung sei geeignet, die vorgenannten Zweifel an der Kraftfahreignung aufzuklären, stelle das mildeste Mittel dar und sei angemessen. Es werde deshalb ein ärztliches Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung gefordert zur Klärung der Fragen, ob trotz der aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung aufgrund von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial zu erwarten sei, dass der Antragsteller künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird und ob weiterhin die im ärztlichen Gutachten der pima-mpu GmbH vom 20. Mai 2022 genannte Auflage bezüglich der Teilnahme an einem Antiaggressionprogramm erforderlich sei?
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Der Antragsteller, der sich mit einer Begutachtung einverstanden erklärte, legte in der Folgezeit das Fahreignungsgutachten der TÜV S. L. Service GmbH, Service-Center W., vom 17. August 2022 (Begutachtungstermin: 16.8.2022) vor. Zusammenfassend wird dort die behördliche Fragestellung wie folgt beantwortet:
„Es ist aufgrund der durch die aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung aufgrund von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial in Zusammenhang mit erheblichen aktenkundigen und klinischen Hinweisen auf eine komplexe psychiatrische Störung gemäß Vorbemerkung 1 und Ziffer 7.5 der Anlage 4 FeV zu erwarten, dass der Antragsteller künftig erheblich und wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird. Aufgrund dieser insgesamt negativen Verhaltensprognose ist die im - mangelhaften - ärztlichen Gutachten der pima-mpu GmbH vom 20.5.2022 genannte Auflage bezüglich der Teilnahme an einem Antiagressionsprogramm derzeit ohne Belang, da die Grundvoraussetzungen hierfür (fachgerechte Befunderhebung im Gutachten) nicht erfüllt sind. Ein erneutes fachpsychiatrisches Gutachten ist daher dringend zu empfehlen, in dem die psychiatrischen Vorbefunde fachgerecht gewürdigt werden.“
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Im Gutachten wird im Wesentlichen ausgeführt, dass anlässlich der Untersuchung eine psychiatrische Störung, die sich (mit-)ursächlich auf die aktenkundigen Verhaltensauffälligkeiten ausgewirkt haben könnte, im Rahmen der Untersuchung deutlich vorliegend sei. Das Gutachten der pima-mpu GmbH sei diesbezüglich nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei von einer wiederholten Depression mit auch mindestens einer schweren Episode gemäß Ziffer 7.5 der Anlage 4 FeV auszugehen, bei der keine fortgesetzte Behandlung mehr erfolgt sei. Aufgrund einer bislang fehlenden Behandlung bei zugleich bestehender fehlender Problem- und Störungs- und damit auch Behandlungseinsicht sei nicht davon auszugehen, dass sich Vorfälle mit hohem Aggressionspotenzial wie aktenkundig beschrieben in erneuten Überforderungssituationen nicht erneut wiederholten. Somit bestehe fortgesetzt Fremdgefährdung. Auch aufgrund der Vielzahl der Ereignisse sei von einer erheblichen - pathologischen - Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer impulsgestörten, aggressiven und möglicherweise soziopathischen Komponente auszugehen, wofür auch der AGDIA-Test deutlich spreche, der zudem zeige, dass beim Antragsteller keine positiven Bewältigungsstrategien vorhanden seien. Ein einfaches Antiaggressionstraining sei deshalb nicht zielführend. Hier werde zur Abklärung ein erneutes fachärztlich-psychiatrisches Gutachten, dass auch die psychiatrischen Vorbefunde mit einbezieht, notwendig, ohne das nicht festgestellt werden könne, ob die beim Antragsteller vorliegende psychiatrische Störung und auffällige Persönlichkeit gemäß der Vorbemerkung 1 der Anlage 4 und der Ziffer 7.5 der Anlage 4 zur FeV fahreignungsrelevante Ausprägung habe und ob bestenfalls eine bedingte Fahreignung herstellbar sei. Auch könnte für die in der Leistungstestung gezeigte isolierte Leistungsschwäche (Test zur Messung der Belastbarkeit und des Reaktionsvermögens, Prozentrang: 12), die einer sicheren Verkehrsteilnahme nicht entgegenstehe, der Kontext zu den psychiatrischen Erkrankungen herzustellen sein, die für sich genommen bereits zu Leistungseinbußen kognitiver Art führen können. Daher sei der aktuelle Befund auch nicht abschließend zu würdigen, denn hier sei ebenfalls ein fachpsychiatrisches Gutachten erforderlich, um einen möglichen Zusammenhang zu klären. Aufgrund der bagatellisierenden und unglaubwürdigen Angaben sowie völlig fehlender Problemeinsicht des Antragstellers könne nicht endgültig entschieden werden, bis zu welcher Ausprägung sich eine Problematik entwickelt habe. Entsprechend ließen sich die aufgrund der Problematik erforderlichen Veränderungen weder aus ärztlicher noch aus psychologischer Sicht konkret bestimmen. Die erhöhte Aggressivität bzw. Impulsivität könne somit keinesfalls als überwunden betrachtet werden. Auf das Gutachten wird im Übrigen verwiesen.
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Mit Schreiben vom 7. September 2022 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Fahreignungsgutachten der TÜV S. L. Service GmbH zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21. September 2022 (zuletzt verlängert bis 7.10.2022).
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In seiner Stellungnahme (Schreiben vom 23. und 27.9.2022) ließ der Antragstellers darauf hinweisen, dass sich aus Sicht des Gutachters die vorhandenen Auffälligkeiten nicht hätten ausreichend klären lassen und der psychiatrische Hintergrund als nicht abgeklärt zu werten sei. Bevor eine negative Prognose zulasten des Betroffenen abgegeben werde, habe eine weitere Abklärung stattzufinden. Auch sei zu beanstanden, dass in keiner Weise zugunsten des Betroffenen gewürdigt werde, dass seit den Vorfällen im Jahr 2018, für die erst drei Jahre später eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt sei und deshalb zusätzlich vier Punkte im Fahreignungsregister eingetragen wurden, keine (nennenswerten) Verkehrsverstöße oder Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs mehr geahndet worden seien. Der Antragsteller sei in den vergangenen drei Jahren ca. 45.000 km gefahren. In dieser Zeit sei gegen ihn lediglich ein Verwarnungsgeld dafür verhängt worden, dass er in einer dreißiger Zone 3 km/h zu schnell gefahren sei, ferner sei er zweimal wegen Falschparkens geahndet worden. Hierzu seien bisher keinerlei Feststellung getroffen worden und in die Erwägungen zur Fahreignung einbezogen worden. Dies sei ein erheblicher Mangel des zuletzt vorgelegten Gutachtens. Das Vorgehen der Sachverständigen sei lückenhaft und unprofessionell. Die Expertise sei nicht verwertbar und stelle keine Grundlage für eine Fahrerlaubnisentziehung dar. Der Betroffene habe in den vergangenen vier Jahren seine Fahreignung bewiesen.
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Mit kostenpflichtigen Bescheid vom 18. Oktober 2022 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Nr. 1) und gab ihm auf, seinen Führerschein bei der Antragsgegnerin abzuliefern (Nr. 2). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3) und für den Fall, dass der Führerschein nicht innerhalb von fünf Tagen ab Zustellung des Bescheides abgeliefert wird, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs (Einzug des Führerscheins durch die zuständige Polizeibehörde) angedroht (Nr. 4). Zur Begründung wurden unter Darlegung der o. g. Erkenntnisse und des bisherigen Verfahrens, den Feststellungen im vorgelegten Gutachten der pima-mpu GmbH bzgl. des auffälligen Befundes im Aggressionsdiagnostikum AGDIA), der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens mit Schreiben vom 31. Mai 2022 („wegen der vorliegenden Straftaten, die Anhaltspunkte auf ein erhöhtes Aggressionspotenzial zeigen und der Auflage des Antiaggressionsprogramms“) und den Darlegungen im Gutachten der T. S. L. Service GmbH, W., vom 17. August 2022, ausgeführt, dass sich der Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Dies gelte nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen worden und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei. Dies sei vorliegend der Fall. Dies ergebe sich aus dem Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH W. vom 17. August 2022 und der dortigen Bewertung der Befunde. Die Feststellungen und Bewertungen aus dem Gutachten wurden im Folgenden dargestellt und ergänzend ausgeführt, die dargelegten Zweifel an der Expertise des vorgelegten Gutachtens seien nicht näher erläutert worden. Auch sei nicht ersichtlich, dass eine Nachbesserung angestrebt worden sei. Es sei nicht zutreffend, dass der Antragsteller in den letzten drei Jahren lediglich mit einem Verwarngeld wegen überhöhter Geschwindigkeit, sowie zweimal wegen Falschparkens geahndet worden sei. Wie bereits in den Anordnungen dargelegt, sei durch die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vom 16. April 2019 eine Eintragung im Fahreignungsregister, die mit vier Punkten zu bewerten sei, erfolgt. Für die Antragsgegnerin komme das Gutachten in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu dem negativen Ergebnis. Dies sei obenstehend, wie auch in der Anhörung vor Entzug der Fahrerlaubnis, ausführlich erläutert. Es lasse sich auf seine Richtigkeit überprüfen, da in ausreichendem Maße die Grundlagen und Überlegungen dargelegt würden, die zur Beurteilung der Kraftfahrereignung geführt hätten. Das Gutachten sei überdies in sich frei von Widersprüchen. Persönliche Härten, wie die Tatsache, dass der Antragsteller beruflich auf das Führen eines Kraftfahrzeugs angewiesen sei, könnten bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht berücksichtigt werden, da hier eine sicherheitsrechtliche Maßnahme vorliege. Die Anordnung unter Nr. 2 des Bescheides beruhe auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV. Danach sei der Führerschein nach Entziehung der Fahrerlaubnis unverzüglich bei der zuständigen Behörde abzugeben. Die Androhung unmittelbaren Zwangs stütze sich auf Art. 29, 30, 34 und 36 VwZVG. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der umgehenden Ablieferung eines Führerscheins, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass der Antragsteller im Falle einer Verkehrskontrolle durch die Polizei durch das Vorzeigen seines Führerscheins den Anschein erwecke, dass er Inhaber einer gültigen Fahrerlaubnis sei. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides werde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet. Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins dienten dem Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, insbesondere für das Leben, die Gesundheit und das Eigentum der anderen Verkehrsteilnehmer. Nur durch das sofortige Wirksamwerden der Nrn. 1 und 2 des Bescheides seien Verhältnisse sichergestellt, die diesen Anforderungen entsprächen. Um diese Verhältnisse auch in der Übergangszeit bis zur Unanfechtbarkeit dieses Bescheides zu gewährleisten, sei es zwingend erforderlich, die sofortige Vollziehung dieses Bescheides anzuordnen. Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde sei es schnell und effektiv einzuschreiten, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch ungeeignete Kraftfahrer auszuschließen. Das erhebliche Interesse der Allgemeinheit, vor ungeeigneten Kraftfahrern geschützt zu werden, übersteige somit eindeutig das private Interesse des Antragstellers bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides weiter ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen zu dürfen. Auf den dem Bevollmächtigten am 20. Oktober 2022 zugestellten Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
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2. Am 24. Oktober 2022 ließ der Kläger Klage (W 6 K 22.1560) erheben, über die noch nicht entschieden ist und im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die sofortige Vollziehung des Bescheides auszusetzen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Die Anordnung des Sofortvollzugs stelle einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Antragstellers dar, insbesondere da er als Hausmeister und Gärtner beruflich auf das Führen von Kraftfahrzeugen angewiesen sei. Eine besondere Eilbedürftigkeit sowie ein besonderes Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung bestehe nicht. Schließlich habe die Behörde selbst seit der streitgegenständlichen Verurteilung des Antragstellers, welche nun Anlass für die Fahrerlaubnisentziehung sein soll, bereits eineinhalb Jahre zugewartet. Der Sachverhalt, welche sich vor mehr als drei Jahren abgespielt habe, sei der Antragsgegnerin im Übrigen seit längerem bekannt. Eine besondere Eilbedürftigkeit, welche den sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung rechtfertige, sei deshalb nicht ersichtlich. Auch sei das Gutachten und die Argumentation, auf welche sich die Beklagte zur Rechtfertigung des Entzugs der Fahrerlaubnis stützen wolle, lückenhaft und oberflächlich. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 27. September 2022 verwiesen. Der zuletzt tätig gewordene Sachverständige habe sich in dem von ihm vorgelegten Gutachten in keiner Weise damit auseinandergesetzt, dass der Antragsteller - außer des vom Amtsgericht Gemünden ausgeurteilten Sachverhalts - keinerlei nennenswerte Rechtsverstöße im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen habe. Es stelle einen unzulässigen Zirkelschluss dar, soweit die Antragsgegnerin im nun vorliegenden Bescheid ausführe, die Aussage, dass der Antragsteller in den letzten drei Jahren lediglich mit einem Verwarngeld wegen überhöhter Geschwindigkeit sowie zweimal wegen Falschparkens geahndet worden sei, unerheblich sein solle, da er schließlich in dem Verfahren vor dem Amtsgericht wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden sei und eine Eintragung im Vereinsregister (richtig: Fahreignungsregister) vorgenommen worden sei, die mit vier Punkten zu bewerten sei. Dieser Verstoß stelle ja gerade die Grundlage für das eingeleitete Verfahren dar und sei ihm vorgelegten Gutachten bereits hinreichend berücksichtigt. Nicht berücksichtigt worden sei jedoch die Tatsache, dass außer diesen mittlerweile dreieinhalb Jahre zurückliegenden Verstößen keinerlei Straftaten oder noch nennenswerte Ordnungswidrigkeiten begangen worden seien, welche Zweifel an der Fahreignung begründen könnten. Hiermit habe sich der Gutachter überhaupt nicht auseinandergesetzt, sodass die Stellungnahme des Sachverständigen insoweit lückenhaft und deshalb auch nur bedingt verwertbar sei. Anzumerken sei auch, dass das Strafgericht in Rahmen der Verurteilung des Antragstellers gerade keine Veranlassung gesehen habe, eine Fahrerlaubnisentziehung auszusprechen.
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Die Antragsgegnerin beantragte,
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Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Bescheid vom 18. Oktober 2022 verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides seien vorliegend gegeben. Die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sei ausgeschlossen. Es sei nicht von Belang, dass sich die Bearbeitung des Sachverhalts über einen längeren Zeitraum hingezogen habe und dadurch die Tat, die zu der Überprüfung der Fahreignung geführt habe, bereits über drei Jahre zurückliege. Aufgrund des komplexen Sachverhalts und der Anordnung mehrerer Fahreignungsgutachten sowie auch der vom Bevollmächtigten beantragten Fristverlängerungen, sei es zu der Bearbeitungszeit gekommen. Bei Vollzug des Sicherheitsrechts müssten persönliche Härten grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei deshalb im überwiegenden öffentlichen Interesse erforderlich. Aufgrund des vorliegenden Gutachtens der T. S. L. Service GmbH, W., vom 17. August 2022 sei der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Gutachten komme zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass aufgrund der aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung aufgrund von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial in Zusammenhang mit erheblichen aktenkundigen und klinischen Hinweisen auf eine komplexe psychiatrische Störung gemäß Vorbemerkung 1 und Ziffer 7.5 der Anlage 4 FeV zu erwarten sei, dass der Antragsteller künftig erheblich und wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Somit habe eine positive Prognose für die Zukunft nicht erfolgen können. Weiter sei dem Gutachten zu entnehmen, dass der Antragsteller die Bedenken der Behörde an seiner Fahreignung nicht akzeptieren könne. Laut Gutachten liege beim Antragsteller auch eine völlig fehlende Problemeinsicht vor. Seine Aussagen seien bagatellisierend. Auch heiße es, dass die erhöhte Aggressivität bzw. Impulsivität somit keinesfalls als überwunden betrachtet werden könne. Die Begutachtung habe am 16. August 2022 stattgefunden; das Gutachten sei am 17. August 2022 erstellt worden. Somit stehe eindeutig fest, dass der Antragsteller derzeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht geeignet sei. Durch seine Ungeeignetheit, fehlende Problemeinsicht und erhöhte Aggressivität könnten unter Umständen in Zukunft beispielsweise ein Unfall oder weitere Straftaten erfolgen. Rechtsgüter wie das Eigentum der anderen Verkehrsteilnehmer, die Gesundheit oder im schlimmsten Fall das Leben, könnten dadurch verletzt werden. Der Schutz dieser Güter werde bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung somit nicht gewährleistet. Bezüglich des Hinweises, dass das Strafgerichts keine Veranlassung gesehen habe, die Fahrerlaubnisentziehung auszusprechen, sei darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die Verurteilung auch für die Fahrerlaubnisbehörde die Nichteignung des Antragstellers noch nicht festgestanden habe. Die Verurteilung habe jedoch Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet. Somit seien zur Aufklärung dieser Zweifel die Vorlage von entsprechenden Fahreignungsgutachten angeordnet worden. Erst durch die Vorlage des negativen Fahreignungsgutachtens vom 17. August 2022 stehe die Nichteignung des Antragstellers fest und die Fahrerlaubnis sei zu entziehen gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte W 6 K 22.1560 und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Gründe
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Bei sachgerechter Auslegung des Antrags (§ 88 VwGO) beantragt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage (W 6 K 22.1560) gegen die Nr. 1 (Entziehung der Fahrerlaubnis) und Nr. 2 (Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins) des Bescheids vom 18. Oktober 2022 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Nr. 4 (Androhung unmittelbaren Zwangs) des Bescheides (§ 80 Abs. 5 VwGO).
21
Dieser Antrag hat Erfolg.
22
1. Die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage entfällt vorliegend, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des Bescheides ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar (Art. 21 a VwZVG, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
23
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
24
Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen und lässt erkennen, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit enthält somit die erforderlichen formell-rechtlichen Erwägungen, die die Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat.
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2. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass die Anfechtungsklage, bei der auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunk des Bescheiderlasses (Zustellung des Bescheides vom 18.10.2022 am 20.10.2022) abzustellen ist, voraussichtlich Erfolg haben wird. Das dem Bescheid vom 18. Oktober 2022 zugrunde gelegte medizinisch-psychologische Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 17. August 2022 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tragfähig, um die Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechtfertigen. Mängel, die bereits der Begutachtungsanordnung vom 31. Mai 2022 anhaften, schlagen hier auf das medizinisch-psychologische Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 17. August 2022 durch. Die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage war daher wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Im Einzelnen:
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2.1 Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurden und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, schränkt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis soweit wie notwendig ein und ordnet die erforderlichen Auflagen an (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 - 14 entsprechende Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln an der Fahreignung eines Bewerbers um die Fahrerlaubnis bzw. eines Fahrerlaubnisinhabers ein ärztliches oder auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten verschiedener Begutachtungsstellen anordnen. Nach § 11 Abs. 6 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Sie teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat (§ 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV). Die Untersuchung erfolgt dann aufgrund eines Auftrags des Betroffenen (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV).
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Ein nach diesen Vorschriften eingeholtes Gutachten ist verwertbar, wenn es die (formellen und materiellen) Anforderungen der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV erfüllt, insbesondere anlassbezogen, unter Verwendung der von der Fahrerlaubnisbehörde zugesandten Unterlagen vorgenommen wird und der Gutachter sich an die von der Fahrerlaubnisbehörde vorgegebene Fragestellung gehalten hat. Die Untersuchung ist unter Beachtung anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze vorzunehmen. Der Gegenstand der Untersuchung muss Relevanz zur Fahreignung aufweisen und in den Fällen des § 11 Abs. 2 Nr. 4 bis 9 FeV ist Gegenstand der Untersuchung auch die Erwartung an das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, dass er nicht mehr erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder gegen Strafgesetze verstoßen wird; somit muss ein grundlegender Wandel in seiner Einstellung zum Führen von Kraftfahrzeugen vollzogen sein, die einen Rückfall als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Das Gutachten schließlich muss in allgemeinverständlicher Sprache abgefasst sein sowie nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit des Gutachtens) und das Gutachten muss in allen wesentlichen Punkten im Hinblick auf die gestellten Fragen (§ 11 Abs. 6 FeV) vollständig sein (s. Anlage 4a Nr. 1 und 2).
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2.2 Diesen Voraussetzungen wird das Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 17. August 2022 nicht vollständig gerecht. Die Darlegungen sind teils nicht nachvollziehbar und teilweise widersprüchlich. Auch wenn ein vorgelegtes Fahreignungsgutachten nach der Rechtsprechung eine neue Tatsache darstellt, die unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung selbstständig be- und verwertbar ist, so ist vorliegend festzustellen, dass sich in der Begutachtung Mängel niederschlagen, die bereits der Begutachtungsanordnung vom 31. Mai 2022 anhaften. Dort werden aus den zugrundeliegenden Vorgängen möglicherweise ableitbare Eignungszweifel nicht dargelegt, sondern die begangenen Straftaten als im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung des Antragstellers stehend mit Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial als gegeben zugrunde gelegt, wie dies dann auch in der Begutachtung erfolgt. Die besonderen Umstände des Falles finden damit keine Berücksichtigung mehr, sodass das Gutachten insoweit als lückenhaft zu betrachten ist. Darüber verweist das Gutachten bezüglich der Fahreignungrelevanz der psychischen Auffälligkeit des Antragstellers auf ein zunächst einzuholendes fachärztliches psychiatrisches Gutachten, sodass noch nicht von einer abschließenden Klärung bezüglich der nicht auszuschließenden fahreignungsrelevanten Erkrankung des Antragstellers auszugehen ist. Im Einzelnen:
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2.1.1 Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin ihre Begutachtungsanordnung vom 31. Mai 2022 auf § 46 Abs. 3 i.V. m. § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV gestützt. Nach § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln anordnen, bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen. Dieser Regelung liegt die Annahme zugrunde, dass besonders aggressive Straftäter auch bei konflikthaften Verkehrssituationen (etwa bei Fahrfehlern anderer) emotional impulsiv handeln und dadurch das Risiko einer Verkehrssituation erhöhen, sowie eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzen werden (siehe Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Stand 31.12.2019, Kapitel 3.16). Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV charakterisiert somit die Straftaten, die Anlass für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sein können, einschränkend dahingehend, dass sie im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung stehen müssen.
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Für die Geltendmachung von Fahreignungszweifeln und die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung müssen folglich aus den Straftaten Anhaltspunkte herzuleiten sein, dass sich der Betreffende auch im Straßenverkehr nicht ordnungsgemäß verhalten wird. Fahreignungsbedenken sind somit nur zu klären, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die nachvollziehbar den Verdacht rechtfertigen, bei dem Betroffene können Ungeeignetheit oder eingeschränkte Eignung zum Führen Kraftfahrzeugen vorliegen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist die Fahrerlaubnisbehörde hierfür darlegungspflichtig. Bei Fahrerlaubnisinhabern haben die Regelungen des Fahreignungsbewertungssystems (§ 4 StVG) grundsätzlich Vorrang, es sei denn gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG ergibt sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis, was seitens der Behörde ebenfalls zu begründen ist (Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., § 11 FeV Rn. 9, 21, 23, 24a, 35).
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Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung liegen dann vor, wenn sie anlässlich der Teilnahme am Straßenverkehr begangen wurden oder durch Ereignisse im Straßenverkehr motiviert waren, im Fall des § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV jedoch auch dann, wenn diese Straftaten nicht im Zusammenhang mit Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Hohe Aggressionsbereitschaft lässt Rückschlüsse auf die Kraftfahrereignung zu, wenn zu besorgen ist, dass der Betroffene bei konflikthaften Verkehrssituationen emotional impulsiv handelt und dadurch das Risiko einer gefährdenden Verkehrssituation erhöht sowie eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzt. Straftaten weisen insbesondere dann auf ein hohes Aggressionspotenzial hin und stehen im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung, wenn die Tathandlungen auf eine Bereitschaft zu ausgeprägtem impulsiven Verhalten beruhen und dabei Verhaltensmuster deutlich werden, die sich so negativ auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken können, dass die Verkehrssicherheit gefährdet ist (Henschel/König/Dauer, a. a. O., § 11 FeV Rn. 34d, 35c).
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Bei der Beurteilung, ob die gegebenen Anknüpfungstatsachen Zweifel hinsichtlich der Kraftfahrereignung begründen, ist stets das Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz ableitbaren Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Fahrerlaubnisinhabers (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) Rechnung zu tragen. Denn die letztlich zum Nachweis der Kraftfahrteignung erforderliche Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Ein solcher Eingriff ist nur zu rechtfertigen, wenn sich die Anforderung eines Gutachtens allein auf solche Mängel bezieht, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht verkehrsgerecht und umsichtig verhalten wird. Der Entscheidung über die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens müssen daher Feststellungen zugrunde gelegt werden, die einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. Allein aus mangelnder Rechtstreue kann somit nicht darauf geschlossen werden, dass sich ein Fahrerlaubnisinhaber (auch) im Straßenverkehr nicht regelgerecht verhalten wird. Aus den begangenen Straftaten müssen sich vielmehr straßenverkehrsrechtlich relevante Umstände ergeben. Entscheidend ist, ob aufgrund der bereits verübten kriminellen Delikte einer Person unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Vorhersage zulässig ist, dass von dieser Person eine zukünftige Gefährdung des Straßenverkehrs und anderer Verkehrsteilnehmer ausgeht (VG Düsseldorf, B.v. 24.11.2015 - 6 L 3298/15 - juris Rn. 28, 30, 34 mit Hinweisen auf obergerichtliche Rspr.). Die Tat, die Anlass der Gutachtensanordnung ist, muss tragfähige Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Betroffene künftig bereit ist, die Sicherheit des Verkehrs seinen eigenen Interessen unterzuordnen. Im Zusammenhang mit § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 bedeutet dies, dass die Begehung von Straftaten dann auf ein fahreignungsrelevantes hohes Aggressionspotenzial schließen lässt, wenn diese auf eine Neigung zu planvoller, bedenkenloser Durchsetzung eigener Anliegen ohne Rücksicht auf berechtigte Interessen anderer oder eine Bereitschaft zu ausgeprägtem impulsiven Verhalten hindeuten und dabei Verhaltensmuster deutlich werden, die sich so negativ auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken können, dass die Verkehrssicherheit gefährdet wird (S. Begutachtungsleitlinien, a.a.O., Kap. 3.16). Ein hohes Aggressionspotenzial kommt abstrakt betrachtet regelmäßig in solchen Straftaten zum Ausdruck, die sich durch Aggression gegen Personen oder Sachen ausdrücken. Hierbei ist stets auf die Gesamtumstände zu achten, weil ein Verhalten in einer Ausnahmesituation nicht in jedem Fall Rückschlüsse auf ein allgemein bestehendes Aggressionspotenzial zulässt.
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2.2.2 Straftaten im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV werden in der Begutachtensanordnung vom 31. Mai 2022 und dem folgend auch im Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 31. Mai 2022 zugrunde gelegt, obwohl es zuvor einer Beurteilung unter Einbeziehung aller Umstände des vorliegenden Falles bedurft hätte. Die Verwertbarkeit des Gutachtens ist deshalb (insgesamt) infrage zu stellen.
34
Die Antragsgegnerin legt in der Begutachtungsanordnung vom 31. Mai 2022 zwar Tatsachen dar (Straftaten, die durch Urteil des Amtsgerichts G. vom …2021 abgeurteilt wurden, Hinweis auf einen hohen Wert im Aggressionsdiagnostikum AGDIA im ärztlichen Gutachten der pima-mpu GmbH vom 12.4.2022, Vorgänge im Verwaltungsverfahren), eine Auseinandersetzung und Darlegung, weshalb sich hieraus Zweifel an der Kraftfahrereignung des Antragstellers ableiten lassen, erfolgt jedoch nicht, auch nicht im Rahmen der Ermessensbetätigung, die lediglich einen formelhaften Hinweis auf eine erforderliche Ermessensbetätigung enthält. Die Erforderlichkeit der Begutachtung wird nicht näher begründet, die Fahreignungszweifel, die sich aus den Vorgängen in der Vergangenheit ergeben, nicht benannt. Die Darlegung von Fahreignungszweifel aus den zugrundeliegenden Tatsachen wäre jedoch erforderlich gewesen, insoweit ist die Antragsgegnerin darlegungspflichtig.
35
Vorliegend kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die im Strafurteil Amtsgerichts G. vom … … 2021 abgeurteilten Taten „für sich sprechen“ (wie dies möglicherweise bei Vorliegen von Erkrankungen im Sinne der Anlage 4 zur FeV möglich ist), und die Auswirkungen der begangenen Straftaten auf die Kraftfahreignung des Antragstellers quasi „auf der Hand liegen“, denn es lagen hier besondere Umstände vor, die zu berücksichtigen gewesen wären. Die dargestellten Straftaten lagen - bezogen auf den Zeitpunkt der Begutachtungsanordnung - bereits geraume Zeit zurück (2018 bis Beginn 2019) und wurden sämtlich im Rahmen einer äußerst konflikthaften Trennungssituation von der ehemaligen Lebensgefährtin des Antragstellers Frau H. und den gemeinsamen Kindern begangen, waren somit das Ergebnis eines - mittlerweile beendeten - Beziehungskonflikts. Sämtliche Taten des Antragstellers richteten sich ausnahmslos gegen Frau H. und hatten ihre Wurzel in der besonderen Beziehung zu ihr. Der Kläger befand sich im damaligen Zeitraum (2018 bis Beginn 2019) in einem emotionalen Ausnahmezustand, der auch zu 2-maliger Aufnahme des Klägers in das Bezirkskrankenhaus L. wegen Selbstmorddrohungen führte. Aus dem Urteil des Amtsgerichts G. vom … … 2021 ist zu entnehmen, dass der Kläger mittlerweile mit einer anderen Frau verheiratet ist und sich in stabilen Lebensverhältnissen befindet, weshalb das Strafgericht trotz der erheblichen Straftaten über einen längeren Zeitraum noch die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung sah und den Schluss gezogen hat, dass vom Antragsteller zukünftig keine Straftaten mehr zu erwarten seien. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller vor der Verurteilung durch das Amtsgericht G. strafrechtlich und verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten wäre und unabhängig von dem persönlichen, mittlerweile beendeten Konflikt mit Frau H. innerhalb oder außerhalb des Straßenverkehrs unbeherrschte Verhaltensweisen gezeigt hätte. Auch wenn nicht verkannt wird, dass sich die Taten des Antragstellers über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckten und von besonderer Hartnäckigkeit waren, ändert dies jedoch nichts daran, dass sie Ausdruck eines persönlichen Konflikts waren, der den Antragsteller in eine (psychische) Ausnahmesituation gebracht hat, in der er zwar auffällig reagierte, die jedoch keine allgemeinen Schlüsse im Hinblick auf seine (fehlende) Kraftfahreignung zulässt. Auch wenn einzelne Taten zulasten von Frau H. auch im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen wurden (versuchter schwerer Eingriff in den Straßenverkehr durch 2-maliges Durchtrennen der Bremsleitungen am Pkw, § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB), so führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da auch diese Taten allein Ausdruck des persönlichen Konflikts des Antragstellers mit Frau H. waren und per se unter Berücksichtigung aller Umstände keinen spezifischen Bezug zu seiner Kraftfahreignung aufwiesen. Dies zeigt ein weiterer Vorgang, wonach der Antragsteller am 22. Januar 2022 nach einem Termin beim Amtsgericht G. Frau H. bis zu ihrer Wohnung mit seinem Kraftfahrzeug folgte. Dieser Vorgang ließ keine verkehrsrechtlichen Verstöße erkennen, sondern (nur) einen Verstoß gegen den Beschluss des AG G. vom … … 2018 nach dem Gewaltschutzgesetz, wonach der Antragsteller keinen Kontakt zur Lebensgefährtin aufnehmen durfte. Trotz der krisenhaft belasteten damaligen Situation verhielt sich der Antragsteller im allgemeinen Verkehr offensichtlich unauffällig. Weder vor noch nach diesem konfliktreichen Zeitraum (2018 bis Beginn 2019) sind maßgeblichen Auffälligkeiten des Antragstellers im Verkehr bekannt geworden (lediglich 2 Parkverstöße, eine geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung). Aus den abgeurteilten Straftaten ergaben sich somit per se keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein kraftfahreignungsrelevantes Aggressionspotenzial des Antragstellers im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV, das den Schluss zugelassen hätte, dass der Antragsteller sich in Zukunft in der Anonymität des alltäglichen Straßenverkehrs verkehrsgefährdend oder aggressiv verhalten wird.
36
Auch eine Auseinandersetzung mit dem zuvor angeforderten ärztlichen Gutachten der pima-mpu GmbH vom 12. April 2022, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass im Fall des Antragstellers keine Erkrankung nach Anlage 4 Nr. 7.5 (affektive Psychose) vorliegt, erfolgte nicht. Diese Aussage ist nachvollziehbar, da Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV Fahreignungsrelevanz nur bei allen Manien und sehr schweren Depressionen vorsieht und der vorgelegte Entlassbericht das Bezirkskrankenhauses L. … … vom 13. Dezember 2018 lediglich eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostizierte, nach deren Abklingen wieder Fahreignung gegeben (Nr. 7.5.2 der Anlage 4 zur FeV) ist. Lediglich das Ergebnis eines Aggressionsdiagnostikums (AGDIA), das beim Antragsteller im Bereich des Coping (Bewältigung) von Konflikten einen auffällig hohen Wert im Bereich Destruktivität enthielt, wurde herausgegriffen. Die Beschreibung solcher Personen mit solch auffällig hohen Werten (Neigung zur Substanzmissbrauch, Ablenkung suchen von der eigentlichen Problematik, sich aus aggressiven Situation zurückziehen, das Problem auf andere Bereiche verlagern, aggressionsauslösende Situation herunter spielen, Neigung, die Schuld bei anderen zu suchen, anderen Menschen aus dem Weg gehen, verlagern der Aggression auf andere Bereiche, Selbstmitleid) lassen jedoch ebenfalls nicht ohne weiteres einen Bezug zur Kraftfahrteignung erkennen.
37
Mangels Darlegung der Eignungszweifel lässt sich deshalb die Anordnung der weiteren Begutachtung nicht nachvollziehen. Auch eine Auseinandersetzung mit den Vorschriften des Fahreignungsbewertungssystems (§ 4 StVG) erfolgt nicht, obwohl Eintragungen in das Fahreignungsregister erfolgt sind und gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG die Abweichung zu begründen gewesen wäre.
38
2.3 Die dargestellten Mängel schlagen sich auch im medizinisch-psychologischen Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 17. August 2022 nieder, auf das die Antragsgegnerin ausschließlich den Fahrerlaubnisentzug stützt. Das Gutachten ist deshalb nicht hinreichend tragfähig, um die Fahrerlaubnisentziehung zu rechtfertigen. Zudem gelangt es zu keinem abschließenden Ergebnis bezüglich einer vorliegenden Erkrankung des Antragstellers.
39
Soweit die Gutachter die Frage nach der Fahreignung des Antragstellers dahingehend beantworten, dass der Antragsteller künftig erheblich und wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, so ist dies nicht nachvollziehbar, da im Gutachten selbst zunächst eine psychiatrische Abklärung der psychischen Auffälligkeiten des Antragstellers gefordert wird und nur dann, wenn eine solche Störung benannt wird, sich auch die Auswirkungen auf die Kraftfahreignung beurteilen lassen und Bewältigungsstrategien entworfen werden können (so auch die Darlegung in der fachlichen Bewertung, S. 6 und 7 des Gutachtens, wonach der Antragsteller die Gründe für seine Auffälligkeiten, die in seiner Person liegen erkannt und problematische Einstellungen und Verhaltensweisen entsprechend geändert haben muss).
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Mit der zur Begutachtung gestellten Frage, ob „trotz der aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung aufgrund von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial“ zu erwarten ist, dass der Antragsteller künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird unter Hinweis auf § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV unterstellt, dass der Antragsteller solche Straftaten begangen hat, ohne dass aufgrund einer Bewertung der Vorgänge durch die Antragsgegnerin zumindest Anhaltspunkte für solche (fahreignungsrelevanten) Straftaten dargelegt wurden. Das Vorliegen solcher Straftaten wird deshalb von den Gutachtern als Ausgangspunkt für die fachliche Bewertung der Vorgeschichte und die Voraussetzungen für eine günstige Prognose (S. 6 und 7 des Gutachtens) zugrunde gelegt, obwohl diese Voraussetzungen - wie oben dargestellt - weder dargelegt noch per se erkennbar sind. Das Vorliegen einer Ausnahmesituation im Rahmen eines mittlerweile beendeten Beziehungskonfliktes, in der sich auch der Antragsteller in einer psychischen Ausnahmesituation befand, wird deshalb im medizinisch-psychologischen Gutachten nicht berücksichtigt, sondern Straftaten im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV als gegeben vorausgesetzt. Insofern ist das Gutachten auch lückenhaft.
41
Zwar wird im Rahmen der verkehrsmedizinischen Untersuchung ein auffälliger psycho-pathologischer Befund beim Antragsteller festgestellt (erheblich affekt-inadäquat - Dauerlächeln auch bei allen belastenden Themen - zudem erheblich bagatellisierend und auch bei detaillierten wiederholten Nachfragen in Verbindung mit der Vielzahl der aktenkundigen Anknüpfungstatsachen wenig kooperationsbereit), was die Gutachter zu der Annahme veranlasst, dass vorliegend aufgrund der Vielzahl der Ereignisse von einer erheblichen - pathologischen - Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer impulsgestörten, aggressiven und möglicherweise zudem von einer soziopathischen Komponente auszugehen ist, wofür auch der AGDIA Test deutlich spreche, der zudem zeige, dass beim Antragsteller keinerlei positive Bewältigungsstrategien vorhanden seien, sollte es wieder zu bei ihm aggressionsauslösenden Situationen kommen, weshalb ein einfaches Antiaggressionstraining bei solch einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung nicht zielführend sei (S. 14 des Gutachtens). Auch das unterdurchschnittliche Abschneiden des Antragstellers bei der Leistungstestung (Belastbarkeit und Reaktionsvermögen - Prozentrang: 12) wird als möglicherweise isolierte Leistungsschwäche gesehen, die einer sicheren Verkehrsteilnahme zwar zunächst nicht entgegensteht, bei der allerdings möglicherweise ein Kontext zu einer psychiatrischen Erkrankung herzustellen ist, die für sich genommen bereits zu Leistungseinbußen kognitiver Art hat führen können. Ob die beim Antragsteller festzustellende psychiatrische Störung und auffällige Persönlichkeit gemäß der Vorbemerkung 1 der Anlage 4 unter Ziffer 7.5 der Anlage 4 FeV fahreignungsrelevante Ausprägung hat und ob bestenfalls eine bedingte Fahreignung herstellbar ist, soll durch ein erneutes fachärztlich-psychiatrisches Gutachten festgestellt werden (S.14 des Gutachtens). Eine abschließende Einordnung der Auffälligkeit/psychiatrischen Erkrankung des Antragstellers und deren Auswirkungen auf die Kraftfahreignung erfolgt somit im Gutachten ausdrücklich nicht, sondern es wird auf weiteren Aufklärungsbedarf verwiesen. Dies ist folgerichtig, da auch für die Frage der Wiedererlangung der Fahreignung erforderlich ist, dass zunächst Art und das Ausmaß der Erkrankung feststehen, um sodann maßgebliche Veränderungen feststellen zu können. Denn nach den Begutachtungsleitlinien (Kapitel 3.16) können die Voraussetzungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen nur dann als wiederhergestellt gelten, wenn die Persönlichkeitsbedingungen, Krankheitsbedingungen und soziale Bedingungen, die für das frühere gesetzeswidrige Verhalten verantwortlich waren, sich entscheidend positiv verändert oder ihre Bedeutung soweit verloren haben, dass negative Auswirkungen auf das Verhalten als Kraftfahrer nicht mehr zu erwarten sind. Dass das Gutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 17. August 2022 letztlich die Kraftfahreignung des Antragstellers verneint und die behördliche Fragestellung dahingehend beantwortet, dass aufgrund „der durch die aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung aufgrund von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial im Zusammenhang mit erheblichen aktenkundigen und klinischen Hinweisen auf eine komplexe psychiatrische Störung gemäß Vorbemerkung 1 und Ziffer 7.5 der Anlage 4 zu erwarten ist, dass der Antragsteller künftig erheblich und wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird“, ist vor diesem Hintergrund widersprüchlich, da im Folgenden zunächst ein erneutes fachpsychiatrisches Gutachten dringend empfohlen wird, das diese Bedingungen erst klären soll und - wie oben dargestellt - von Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung mit Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial ausgegangen wird, von denen mangels entsprechender Bewertung der Vorgänge anhand der Umstände des Einzelfalls nicht ausgegangen werden konnte. Vor diesem Hintergrund zeigen sich auch die Einlassungen des Antragstellers im psychologischen Untersuchungsgespräch auf die Frage, ob er die Zweifel der Behörde an seinen Fahreignung nachvollziehen könne und ob er eine Idee habe, warum er zur MPU müsse und welchen Zusammenhang er zwischen den Auffälligkeiten und der Fahreignung sehe, die der Kläger jeweils verneinte, als nachvollziehbar.
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Das Fahreignungsgutachten der TÜV S. L. Service GmbH vom 17. August 2022 konnte deshalb für den Entzug der Fahrerlaubnis nicht herangezogen werden. Der Bescheid vom 18. Oktober 2022 ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.
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3. Auch eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit der Fahrerlaubnisentziehung mit den privaten Interessen des Antragstellers vorläufig von seiner Fahrerlaubnis weiterhin Gebrauch zu machen, ergab vorliegend ein überwiegendes privates Interesse des Antragstellers und die aufschiebende Wirkung war wie tenoriert wiederherzustellen bzw. erneut zuordnen. Wie dargestellt, ist die Fahrerlaubnisentziehung mit Bescheid vom 18. Oktober 2022 mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig und aufzuheben. Der Antragsteller ist beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Der Antragsteller ist weder vor noch nach dem konfliktbehafteten Zeitraum (2018 bis Beginn 2019), der sich mit insgesamt 4 Punkten im Fahreignungsregister niedergeschlagen hat, im Straßenverkehr maßgeblich auffällig geworden, sodass die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren verantwortet werden kann.
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Der Antrag hatte daher insgesamt Erfolg.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
46
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 62 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 GKG i.V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Streitwertrelevant war vorliegend die Fahrerlaubnis der Klasse B, die die anderen Fahrerlaubnisklassen mitumfasst und die nach Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs mit dem Auffangstreitwert (5.000,00 EUR) zu bewerten ist, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren ist.