Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 14.09.2022 – Au 8 S 22.1659
Titel:

Glücksspielrecht: Untersagung des Betriebs einer Wettvermittlungsstelle

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1, Abs. 5
GlüStV 2021 § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 9 Abs. 1 S. 2, S. 3 Nr. 3, § 21a Abs. 1 S. 2
AGGlüStV Art. 2, Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, Art. 10 Abs. 3
VwZVG Art. 31, 36
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14
Leitsätze:
1. Eine glücksspielrechtliche Erlaubnis ist zu versagen, wenn Sportwetten ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen vermittelt werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gesetzgeber hat typisierend einen Abstand von 250 m Luftlinie zur Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie zum Jugend- und Spielerschutz eingezogen, um so vor Ort die konkreten Gefährdungen für vulnerable Gruppen durch ein Glücksspielangebot oder Anreize zum Spiel zu verringern. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wirtschaftliche Einbußen sowie sonstige Belastungen, die mit der Schließung einer Wettvermittlungsstelle verbunden sind, können regelmäßig keine besondere Härte im glücksspielrechtlichen Sinne begründen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es bestehen bei summarischer Prüfung keine Bedenken hinsichtlich Konformität von Abstandsregelungen im Glücksspielrecht mit dem Verfassungs- und Unionsrecht. (Rn. 49 – 84) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, Glücksspielrecht, Untersagung des Betriebs einer Wettvermittlungsstelle, Mindestabstandsregelung, Unions- und Verfassungsrechtskonformität, Verhältnismäßigkeit, Kohärenzgebot, Zwangsgeldandrohungen, Interessensabwägung, vorläufiger Rechtsschutz, Zwangsgeldandrohung, Glücksspielaufsicht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34260

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin (Sportwettvermittlerin) begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihr gegenüber unter Zwangsgeldandrohungen verfügte Untersagung des Betriebs einer Wettvermittlungsstelle.
2
Die Antragstellerin ist Vertragspartnerin des Sportwettveranstaltungsunternehmens C. (Sportwettveranstalter) und vermittelt Sportwetten an diesen Sportwettveranstalter. Das Gewerbe wurde zum 11. Dezember 2013 angemeldet. Mit Schreiben vom 27. Januar 2021 beantragte der seit 9. Oktober 2020 eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten innehabende Sportwettveranstalter C. für die Antragstellerin die Erteilung einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten in der Wettvermittlungsstelle in der P.-gasse in K.
3
Nach Anhörung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. Juli 2022, an den Bevollmächtigten der Antragstellerin adressiert, den Antrag des Sportwettveranstalters C. auf Erteilung einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten durch die Antragstellerin ab (Ziffer 1). Der Antragstellerin wurde untersagt, weiter Sportwetten in der Wettvermittlungsstelle zu vermitteln sowie hierfür zu werben (Ziffer 2). Der Antragstellerin wurde aufgegeben, den Abschluss und die Vermittlung neuer Wettverträge (Wettannahme) mit Bekanntgabe des Bescheids sofort (Ziffer 2.1) und die Abwicklung bereits geschlossener und vermittelter Wettverträge spätestens bis zum Ablauf von 90 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu unterlassen (Ziffer 2.2) sowie Wettunterlagen, Werbeeinrichtungen, technische Einrichtungen und sonstige für den Wettbetrieb erforderliche Gegenstände spätestens bis zum Ablauf von 95 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids aus den Geschäftsräumen zu entfernen. Gesetzliche Aufbewahrungsfristen für Unterlagen blieben durch diesen Bescheid unberührt (Ziffer 2.3). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2.1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR (Ziffer 3.1), für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2.2 ein solches in Höhe von 2.000,00 EUR (Ziffer 3.2) und für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2.3 ein solches in Höhe von 2.000,00 EUR (Ziffer 3.3) angedroht. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass jede Vermittlung öffentlicher Glücksspiele der Erlaubnis bedürfe. Im vorliegenden Fall stehe der Erlaubniserteilung entgegen, dass der erforderliche Mindestabstand von 250 m Luftlinie nicht eingehalten sei. Innerhalb des 250-Meter-Radius um die Wettvermittlungsstelle befinde sich eine Heilpädagogische Tagesstätte, die regelmäßig und unausweichlich von Kindern und Jugendlichen besucht werde. Es handle sich um eine teilstationäre Einrichtung zur Ergänzung der Beschulung von Kindern mit Problemlagen. Die Einrichtung sei für 34 Plätze zugelassen, wobei diese nach Aussage der Einrichtung für Kinder und Jugendliche zwischen drei und sechzehn Jahren vorgesehen seien. Eine Ausnahme von der Mindestabstandsregelung werde bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht erteilt. Ein atypischer Einzelfall im Sinne besonderer örtlicher Verhältnisse liege nicht vor. Aus diesem Grund müsse hier das Interesse des Wettvermittlers hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels zurückstehen. Die Örtlichkeit könne von der Einrichtung gut erreicht werden und befinde sich im Wahrnehmungsbereich der Kinder und Jugendlichen. Der Feststellung eines Versagungsgrundes stehe auch kein etwaiger Bestands- bzw. Vertrauensschutz der Wettvermittlungsstelle entgegen. Es liege weder eine glücksspielrechtliche Erlaubnis noch eine formale Duldung vor. Auch das Vorbringen bezüglich des Erfordernisses einer Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Lediglich im Rahmen der befristeten Übergangsregel berücksichtige der Gesetzgeber ergänzend wirtschaftliche Interessen von bestehenden und geduldeten Wettvermittlungsstellen. Selbst für den Fall, dass das wirtschaftliche Interesse bei der Abwägungsentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen, wäre eine solche Abwägung nicht zugunsten der Antragstellerin ausgegangen. Das lediglich behauptete wirtschaftliche Interesse hätte insoweit nicht in einem Umfang zugunsten der Antragstellerin berücksichtigt werden können, als dass es das große Interesse am Vollzug der Abstandsregel aufgewogen hätte. Es seien auch keine geeigneten Nachweise vorgelegt worden, die ein überragendes wirtschaftliches Interesse dargelegt hätten. Die Erlaubnisbehörde sei ohne die Vorlage derartiger Unterlagen nicht zu eigenen Ermittlungen verpflichtet. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung (16.6.2020) des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 9. Juni 2020 hätte die Antragstellerin konkrete Schritte unternehmen müssen, um den Eintritt eines Härtefalls abzuwenden. Weder die Baugenehmigung noch die gewerberechtliche Anmeldung des Betriebs habe bei der Antragstellerin ein schutzwürdiges Vertrauen bezüglich der glücksspielrechtlichen Zulässigkeit erzeugen können. Auch darüber hinaus habe kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der vorherigen (unionsrechtswidrigen) Rechtslage bestehen können. Soweit auf den Fortbestand der vorherigen Rechtslage vertraut worden wäre, wäre dieses Vertrauen zum einen nicht schutzwürdig und zum anderen wäre ein solches Vertrauen spätestens durch die am 28. Januar 2020 erfolgte Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs als Landtagsdrucksache 18/5861 erschüttert. Die Untersagung erfolge, weil gemäß den obigen Ausführungen eine Erlaubnis nicht erteilt werden könne. Eine förmliche Duldung der Sportwettvermittlung liege gerade nicht vor. Die Antragstellerin als terrestrische Sportwettvermittlerin sei die richtige Adressatin der Untersagung. Als Handlungsstörer könne diese die Gefahr - illegale Glücksspielvermittlung - effektiv beseitigen. Der Sportwettveranstalter könne dieses Ziel nicht gleich effektiv erreichen. Die Untersagung erfolge in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und sei auch verhältnismäßig. Die Erlaubniserteilung sei aus den oben dargestellten Gründen ausgeschlossen und stelle somit kein milderes Mittel dar. Die Untersagung sei auch angemessen, da das Interesse der Antragstellerin an der Fortführung der Sportwettvermittlung in o.g. Örtlichkeit gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung des Abschlusses von Wetten in illegalen Wettvermittlungsstellen zurückstehen müsse. Zudem werde durch die Staffelung der einzelnen Verpflichtungen der Untersagungsanordnung einerseits dem Ziel Rechnung getragen, das unerlaubte Glücksspielangebot möglichst schnell zu beenden. Andererseits werde mit diesem Vorgehen dem Interesse der Antragstellerin, aber auch der Kunden, an einer geordneten Abwicklung der Wettvermittlungsstelle Rechnung getragen. Im Übrigen bestehe gegen die Annahme eines intendierten Ermessens bei Untersagungsanordnungen aufgrund formeller und materieller Illegalität keine Bedenken. Angesichts dessen, dass die Antragstellerin spätestens seit den Anhörungsschreiben gewusst habe, dass der Wettbetrieb untersagt werde, sei es zumutbar, die Wettannahme in der Wettvermittlungsstelle sofort nach Bekanntgabe des Bescheids zu beenden. Der Abschluss und die Vermittlung neuer Wettverträge in Form eines Unterlassens könne faktisch ohne weitere Maßnahmen erfolgen. Gewinnauszahlungen aus bereits abgeschlossenen Wettverträgen könnten vorgenommen werden. Hierzu würden dem Wettvermittler 90 Tage die entsprechenden technischen Einrichtungen zur Verfügung stehen. Hinsichtlich der Androhung der Zwangsgelder sei es bei Duldungs- und Unterlassungspflichten verfehlt, eine Vollstreckungsfristbestimmung zu fordern. Vom Duldungs- oder Unterlassungspflichtigen könne erwartet werden, dass er der im Grundverwaltungsakt enthaltenen Aufforderung, nichts zu tun, bereits von dem Zeitpunkt an nachkomme, in dem die Aufforderung wirksam werde.
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Dagegen ließ die Antragstellerin Klage erheben (Au 8 K 22.1658) mit dem Ziel der Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Erlaubnis und den Bescheid im Übrigen aufzuheben. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist noch nicht ergangen.
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Des Weiteren ließ die Antragstellerin im vorliegenden Eilverfahren beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 27. Juli 2022 hinsichtlich Ziffern 2 und 3 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Beim Prüfungsmaßstab bei der Interessensabwägung im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO sei nicht ohne Bedeutung, dass die Marktsituation, die der Gesetzgeber bei der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zur Grundlage gemacht habe, bis heute nicht vorliege und von einem verfassungs- und unionsrechtswidrigen Konzessionsverfahren auszugehen sei. Des Weiteren sei dabei zu berücksichtigen, dass Grundrechte und grundrechtsgleiche Unionsrechte von entscheidender Bedeutung seien. Die erhobene Anfechtungsklage sei in Bezug auf Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids schon offensichtlich begründet. Der Bescheid sei schon deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil er sich an die falsche Adressatin richte. Die Antragstellerin als (ausschließliche) Adressatin des streitgegenständlichen Bescheids sei nicht die Antragstellerin auf Erteilung der Erlaubnis. Es dürfe der Grundkonstruktion des Glücksspielstaatsvertrages und auch der Ausführungsgesetze der Länder entsprechen, dass die Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle nur von dem die Sportwettkonzession innehabenden Unternehmen beantragt werden könne. Demnach müsse eine Entscheidung über diesen Antrag diesem Unternehmen gegenüber ergehen. Auf das Hinweisschreiben des VG Düsseldorf vom 10. März 2022 werde hingewiesen. Insoweit sei eine Bescheidung des Antrags an die Firma C. bis heute nicht erfolgt. Allein deshalb erweise sich die Untersagung unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids als offensichtlich rechtswidrig. Sie sei offensichtlich unverhältnismäßig. Die Fristen seien nicht ausreichend. Die Untersagung stütze sich auf die Annahme, dass abschließend ablehnend über den Erlaubnisantrag des Sportwettveranstalters entschieden worden sei. Soweit darauf abgestellt werde, dass nunmehr ein Antragsverfahren auf Erteilung der Konzession für Sportwettveranstalter durchgeführt und in dessen Anschluss erstmalig auch das Antragsverfahren auf Erteilung der Wettvermittlungserlaubnisse eröffnet worden sei, übersehe dies, dass die Verfassungswidrigkeit auch dieses Konzessionsverfahrens durch das Verwaltungsgericht Darmstadt (3 L 446.20.DA) bereits festgestellt worden sei. Es liege weiterhin eine verfassungs- und unionsrechtswidrige Ausgestaltung des Konzessionsverfahrens vor. Sportwettveranstalter würden sich auf die erteilten und in der Regel bestandskräftigen Erlaubnisse auch für ihre Tätigkeit und die weiteren Antragstellungen stützen können. Mindestens bei der Frage der Notwendigkeit einer Untersagung sei dies zu berücksichtigen. Der Versagungsgrund des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV verstoße mit den die Erteilung ausschließenden Abstandsregelungen gegen höherrangiges Recht. Es könne nur bedingt auf vergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Durch die Neuregelungen im Glücksspielstaatvertrag 2021 und der in einzelnen Ländergesetzen enthaltenen Übergangs- bzw. Bestandsschutzregelungen sei eine gänzliche Neubewertung der Vereinbarkeit von Abstandsregelungen mit höherrangigem Recht erforderlich. Mit der Öffnung des Online-Glücksspiels könne nur bedingt auf vergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Der Prüfmaßstab für die Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit und der damit verbundenen Kohärenzprüfung sei weit gefasst. Bei der nach im Unionsrecht gebotenen und vom Bundesverwaltungsgericht (8 C 15.09) konkretisierten Kohärenzprüfung sei eine sektorübergreifende Betrachtung des Glücksspielangebots vorzunehmen. Feststellungen in Teilbereichen sektorübergreifend diesbezüglich seien schon ausreichend, um eine Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 12 und Art. 14 sowie Art. 3 GG zu versagen. Auch eine mangelnde Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit würde damit einhergehen. Im Bereich der Spielhallen seien von der obergerichtlichen Rechtsprechung die gravierenden Beschränkungen im Glücksspielstaatsvertrag a.F. als „gerade noch“ verhältnismäßig angesehen worden, weil es Übergangs- und Bestandsschutzregelungen gegeben habe. Solche Regelungen seien dem Bayerischen Ausführungsgesetz allerdings fremd. Die Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV Bayern sei verfassungs- und unionsrechtswidrig und damit unanwendbar. Es liege eine verfassungs- und unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung ohne erkennbaren sachgerechten Grund (als Verstoß gegen Art. 3 und Art. 12 GG bzw. den unionsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit) von Annahmestellen des staatlichen Anbieters (Lotto) und Wettvermittlungsstellen privatrechtlicher Wettveranstalter mit Blick auf die Art. 7a AGGlüStV und die Möglichkeit des Aufbaus eines Vertriebsnetzes vor. Diese Ungleichbehandlung erscheine umso weniger gerechtfertigt, als die Landeslotteriegesellschaften offensichtlich noch immer keine Sportwettenkonzession besitzen würden. Aus der vom Verwaltungsgericht Darmstadt festgestellten Rechtswidrigkeit des Sportwettenkonzessionsverfahrens resultiere die Unanwendbarkeit des landesrechtlichen Erlaubnisverfahrens für Sportwettvermittler, sodass weder ein Sportwettveranstalter noch ein Sportwettvermittler derzeit eine Erlaubnis benötige. Wenn das Konzessionsverfahren für die Veranstalter trotz erteilter Erlaubnisse rechtswidrig sei, fehle die Grundlage für die Erlaubnisverfahren im stationären Bereich. Denn diese würden praktisch ein Annex zum Erlaubnisverfahren für die Wettveranstalter sein. Sei schließlich das darauf basierende Erlaubnisverfahren für die stationäre Wettvermittlungsstelle nicht transparent, nicht richtig durchgeführt, nicht verfassungs- und unionsrechtskonform, so führe dies dazu, dass eine Untersagung nicht gerechtfertigt werden könne. Es werde insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs in dem Verfahren Ince verwiesen. Der sog. Anwendungsvorrang des EU-Rechts würde umfassend gelten. Man könne also keine fehlende Erlaubnis vorhalten, wenn das oder die Verfahren, in dem diese vergeben würden, Regelungen enthalten würden, die dem Unternehmen gerade die Erlaubnis verweigern würden und daher nicht angewandt werden dürften. Es werde insoweit auf die Rechtsprechung des Hessischen VGH vom 29. Mai 2017 und des OVG NRW vom 24. Januar 2017 verwiesen. Die neueingeführte Abstandsreglung für Sportwettvermittler würde Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht beachten, was zu deren Unanwendbarkeit führe. Den Betreibern von Wettbüros und -annahmen müsse mindestens eine ähnliche Übergangszeit wie den Betreibern von Spielhallen im Glücksspielstaatsvertrag a.F. eingeräumt werden. In anderen Bundesländern sei dem Vertrauensschutz teilweise dadurch Rechnung getragen worden, dass für Bestandswettvermittlungsstellen die Abstandsregelungen nicht greifen würden. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union fehle es zudem an einer wissenschaftlichen Grundlage, mit der sich die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit einer solchen Abstandsregelung nach der vorgegebenen Kohärenzprüfung rechtfertigen ließe. Diese sei ferner wegen der erfolgten Öffnung des deutschen Glücksspielmarktes in Form von Wettangeboten von Sportwetten und anderen Glücksspielen inkohärent. Die Abstandsregelungen seien auch wegen Internetangeboten von Sportwetten und anderen Online-Glücksspielen inkohärent. Millionen von Spielern würden ihre Sportwetten über ihre Handys, iPads oder sonstigen digitalen Medien unmittelbar bei dem Wettveranstalter im Internet platzieren. Insoweit lasse sich ersichtlich eine Abstandsregelung im stationären Bereich nicht rechtfertigen. Das Ziel, Kinder oder Jugendliche zu schützen, sei nicht zu erreichen, wenn von jedem Standpunkt aus digital an einem entsprechenden Spiel/ Wette teilgenommen werden könne. Die Öffnung des Online-Marktes sei als neue Tatsache spätestens im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Unter Bezugnahme auf das Verwaltungsgericht Arnsberg (1 L 395/13) seien die Abstandsregelungen auch deshalb verfassungs- und unionsrechtswidrig, weil sie zu pauschal gehalten seien, und nicht nach dem Alter der Kinder und Jugendlichen differenzieren würden. Hinzu komme, dass die in Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV enthaltene Möglichkeit der befristeten Befreiung bei Vorliegen eines sog. Duldungsbescheids aufgrund der kurzen Dauer keinen ausreichenden Ausgleich von Bestandsschutzinteressen schaffe. Darüber hinaus knüpfe die Regelung an einen verfassungs- bzw. unionsrechtswidrigen Zustand an, nämlich die Teilnahme an einem Duldungsverfahren, welches bereits damalig in der Rechtsprechung, u.a. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (10 B 15.990), als unvereinbar mit höherrangigem Recht angesehen worden sei. Es wäre mindestens die Erteilung einer Ausnahme geboten gewesen. Selbst für den Fall, dass das Gericht die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage als offen ansehe, überwiege - unter Rekurs auf den Prüfmaßstab im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO und u.a. Verweis auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg (1 VB 156/21) aus dem Bereich des Spielhallengewerbes - das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer erhobenen Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2005 sei im konkreten Fall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen, dass hier ein sogar ausdrücklich erlaubter Wettveranstalter tätig sei. Es werde auf die kritischen Äußerungen des Städtetags Rheinland-Pfalz, des Berliner Abgeordneten L. und der IHK Baden-Württemberg hingewiesen. Konkrete Gefahren seien im Einzelfall zu benennen. Die Antragstellerin sei seit 2013 ordnungsgemäß angemeldet und verfüge über eine Baugenehmigung aus dem Jahr 2013. Es sei nicht einmal klar, ob die benannte Einrichtung nachträglich an die Wettvermittlungsstelle herangerückt sei. In unmittelbarer Nähe befinde sich zudem eine Lotto-Annahmestelle. Hier werde mit zweierlei Maß gemessen. Westlotto befinde sich neuerdings sogar inmitten eines Lidl-Marktes. Insbesondere die Vermarktung des staatlichen Angebots als „Gut des täglichen Lebens“ habe das Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig angesehen. Selbst wenn der Betrieb geschlossen wäre, könnte jedermann über ein Handy direkt vor, neben oder am Betrieb Sportwetten platzieren. Es sei nicht angemessen, die Einstellung der Tätigkeit ab sofort zu verlangen. Es müsse eine Frist so gesetzt werden, dass angemessene Zeit zur Umsetzung und Abwicklung eingeräumt werde.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag sei insgesamt unbegründet. Die zu treffende Interessensabwägung falle zugunsten des Antragsgegners aus. Das Interesse der Antragstellerin an der Außervollzugsetzung werde durch deren wirtschaftlichen Interesse an der Wiedereröffnung der Sportvermittlung, das Vollzugsinteresse des Antragsgegners durch die überragenden Ziele der Suchtprävention bestimmt. In Bezug auf das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin dürfe die Sportwettvermittlung mangels Erlaubnis zum einen ohnehin nicht eröffnet werden. Zum anderen sei das wirtschaftliche Interesse weder substantiiert dargelegt worden, noch bestehe ein solches. Die Antragstellerin verweise lediglich auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg (1 VB 156/21), ohne selbst vorzutragen, aus welchen konkreten Umständen sich das besondere wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin vorliegend ergeben solle. Die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin sei ohnehin gänzlich anders als die der Beschwerdeführerin im zitieren Verfahren. Während die wirtschaftlichen Folgen dort aus Sicht des Verfassungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg erheblich gewesen seien und durch eine der Verfassungsbeschwerde stattgebenden Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr (gänzlich) beseitigt werden könnten, sei dies vorliegend nicht der Fall. Die Antragstellerin betreibe weder nur die hier streitgegenständliche Sportwettvermittlung, noch verfüge sie lediglich über diese Einnahmequelle. Eine Existenzgefährdung liege insoweit nicht vor. Darüber hinaus sei die oben zitierte Entscheidung auch inhaltlich auf die vorliegende Situation nicht übertragbar. Denn bei den Spielhallen sei seinerzeit erstmalig eine glücksspielrechtliche Erlaubnispflichtigkeit geschaffen worden, die neben die Erlaubnispflicht nach § 33i GewO getreten sei. Damit sei bei Bestandsspielhallen in eine unanfechtbare, regelmäßig auch zeitlich unbefristete Genehmigung eingegriffen worden. Die Verwaltungsakte seien formell und materiell rechtmäßig, insbesondere wirksam. Soweit sich der streitgegenständliche Bescheid in Ziffern 2 und 3 an die Antragstellerin richte, handele es sich um die richtige Adressatin. Die Bekanntgabe habe auch gegenüber den Bevollmächtigten erfolgen können. Der Adressat einer Erlaubnis bzw. Versagung sei nicht der den Antrag stellende Sportwettveranstalter, sondern der Sportwettvermittler. Die Tenorierung des streitgegenständlichen Bescheids sei hinreichend bestimmt und transparent. Die Zwangsmittelandrohung müsse bei der Auferlegung einer Unterlassungspflicht keine Bestimmung einer Erfüllungsfrist enthalten, weshalb es im Hinblick auf Ziffer 2.1 des streitgegenständlichen Bescheids genüge, der Antragstellerin ein Zwangsmittel für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverfügung anzudrohen. Eine verfassungs- und unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung von Annahmestellen staatlicher Anbieter und Wettvermittlungsstellen privatrechtlicher Anbieter sei nicht gegeben. Es fehle bereits an einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Bei den Wettvermittlungsstellen der privaten Wettveranstalter handle es sich um eine gänzlich andere Vertriebsform und ein gänzlich anderes Geschäftsmodell als dies bei Annahmestellen der Fall sei, insbesondere dürften in Annahmestellen Sportwetten lediglich im Nebengeschäft vermittelt werden. Mit Blick auf Art. 7a AGGlüStV sei angemerkt, dass die Antragstellerin in der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle keine Wettannahme im Nebengeschäft betreiben wolle und die Regelung nicht dem Aufbau eines bisher nicht vorgesehenen und nicht erlaubten Vertriebsnetzes, sondern deren Abwicklung diene. Die Regelung trete mit Ablauf des 30. Juni 2024 außer Kraft. Die * S1. GmbH verfüge im Übrigen seit Mitte November 2020 über eine Sportwettkonzession für den stationären Vertrieb. Des Weitere gebe es kein Uniformitätsgebot in sämtlichen Glücksspielsektoren. Soweit die Antragstellerin ausführe, dass der angeblichen Rechtswidrigkeit des Sportwettenkonzessionsverfahrens auch die Unanwendbarkeit des landrechtlichen Erlaubnisverfahrens für die Vermittler folgen würde, sei bereits fraglich, ob das Konzessionsverfahren rechtswidrig gewesen sei. Mit Rücknahme des Eilantrags im laufenden Beschwerdeverfahren sei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt formal wirkungslos. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel habe über die Frage nicht mehr inhaltlich entschieden. Fraglich sei zudem, ob sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren auf Erteilung einer Wettvermittlungserlaubnis auf die vermeintliche Verletzung von Rechten Dritter (Vergabeverfahren angeblich nicht diskriminierungsfrei bzw. intransparent) im Konzessionsverfahren berufen könne. Dies würde dazu führen, dass bei jeder vermeintlichen Verletzung im früheren Konzessions- bzw. jetzigen Veranstaltererlaubnisverfahren das Verfahren der Sportwettenvermittlererlaubnisse wieder aufzurollen wäre und eine Regulierung des Glücksspielmarktes im Sportwettenbereich auf unabsehbare Zeit unmöglich wäre. Die Auffassung, dass aus der Einführung von Online-Glücksspiel die Inkohärenz der Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV folgen müsste, sei bereits in zahlreichen verwaltungsrechtlichen Entscheidungen abgelehnt worden, wobei z.B. auf das Oberverwaltungsgericht Hamburg (4 Bs 193/21) und das Verwaltungsgericht Leipzig (5 L 23/22) verwiesen werde. Diese sei vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels nicht inkohärent. Die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg (1 L 395/13) zur Frage einer differenzierten Altersbetrachtung bei den Abstandsregelungen sei selbst in Nordrhein-Westfalen nicht mehr anwendbar, da die zugrundeliegende Rechtslage in §§ 17, 22 NRWGlüSpVO nicht mehr bestehe. Die aktuelle Rechtslage in Bezug auf die Mindestabstände sei vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (3 L 1295/21) zwischenzeitlich bestätigt worden. Die damals bestehende Rechtslage in Nordrhein-Westfalen sei zudem mit der aktuellen Rechtslage in Bayern nicht vergleichbar. Hinsichtlich des Vorbringens zur Ausnahmeregelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV sei zutreffend, dass bis zum Inkrafttreten des Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrags keine formale Duldung erforderlich gewesen sei. Anknüpfungspunkt der Regelung sei jedoch nicht, dass seinerzeit ein solcher Duldungsbescheid benötigt worden sei, sondern das, wenn auch geringe, schutzwürdige Vertrauen, das durch diesen auf Seiten der Betreiber mit dieser formalen Duldung geschaffen worden sei. Ein solches Vertrauen für einen konkreten Standort habe nicht entstehen können, soweit dieses Verfahren nicht durchlaufen worden sei und der Betreiber lediglich unter Berufung auf die unionsrechtswidrige Ausgestaltung des damaligen Sportwettmonopols tätig geworden sei. Selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols verlange das Unionsrecht keine (sofortige) Öffnung des Marktes ohne präventive Kontrolle, es stehe dem Mitgliedstaat in einem solchen Falle frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. Vorliegend sei dies jedoch nicht erheblich, da der streitgegenständliche Standort von Anfang an formell und materiell illegal gewesen sei. Ein bloßes Absehen von einem repressiven Einschreiten gegen ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten lasse sich nicht mit einer behördlichen Genehmigung mit Legalisierungswirkung gleichsetzen. Da die Antragstellerin die Wettvermittlungsstelle bereits seit 2013 durchgängig in Betrieb habe, sei es ihr während der gesamten Laufzeit des Duldungsverfahrens möglich gewesen, sich an diesem zu beteiligen. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster (4 B 609/16) sei für Bayern nicht anwendbar, da in Bayern keine rechtmäßig betriebenen Wettbüros bestanden hätten. Die von der Antragstellerin unter Bezug auf Rechtsprechung des EuGH geforderten wissenschaftlichen Untersuchungen würden die Anforderungen überspannen, die der EuGH an den Gesetzgeber mit seinem weiten Beurteilungsspielraum bei der Ausgestaltung der glücksspielrechtlichen Regelungen stelle. Bei den Stellungnahmen des Städtetags, des Abgeordneten und der IHK Baden-Württemberg handle es sich lediglich um Meinungsäußerungen von Interessensvertretungen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2005 sei mit der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage nicht vergleichbar. Im streitgegenständlichen Verfahren ergebe sich die sofortige Vollziehbarkeit kraft Gesetzes. Des Weiteren könne die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens nun mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Es werde insoweit auf das Urteil des BGH vom 27. Februar 2020 Bezug genommen. Dieses stelle auf die sog. formale Betrachtungsweise ab. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass insbesondere die unerlaubte Wettvermittlungsstelle nicht an die zentrale spielformübergreifende Spieler-Sperrdatei OASIS angeschlossen sei. Eine den Spielerschutz wahrende Sportwettannahme sei somit faktisch nicht möglich. Das Veranstalten und das Vermitteln von öffentlichem Glücksspiel ohne Erlaubnis sei verboten. Die INCE-Entscheidung des EuGH (C-336/14) stehe einer Untersagung sowie einer straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ahndung im Bereich der Sportwetten nicht mehr entgegen. In der Rechtsprechung sei geklärt, dass der in dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag normierte Erlaubnisvorbehalt unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform gewesen sei und nicht gegen Unionsrecht verstoßen habe. Da seit der Erteilung der Veranstaltererlaubnisse auch die Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und Bayerischen Verwaltungsgerichtshof der Erlaubniserteilung für die Vermittlung von Sportwetten nicht mehr entgegenstehe, bedürfe es zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen bei der Neueröffnung einer Sportwettvermittlung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Dass die Antragstellerin eine solche für den streitgegenständlichen Standort nicht erhalten könne, müsse ihr spätestens seit der Ablehnung des Antrags bewusst sein. Im Übrigen seien die Räumlichkeit der Wettvermittlungsstelle auch anderweitig nutzbar.
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Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die vorliegende Behördenakte Bezug genommen. Die Verfahrensakte des Hauptsacheverfahrens Au 8 K 22.1658 wurde beigezogen.
II.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, allerdings unbegründet (dazu nachfolgend unter 1.). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht Gegenstand des Verfahrens (dazu nachfolgend unter 2.).
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1. Der Antrag der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung ihrer erhobenen Klage anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.
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In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Es hat zu prüfen, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse der Antragstellerin an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (bzw. ihres Widerspruchs) überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich Erfolg versprechend, so wird das Interesse der Antragstellerin an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse des Antragsgegners. Umgekehrt wird eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern nur tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen - dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin einerseits sowie dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners andererseits - nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. zum Ganzen BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 - 7 VR 5.20 u.a. - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff. m.w.N.).
15
a) Der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung ihrer erhobenen Klage insoweit anzuordnen, ist zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 bzw. Art. 21a Satz 1 VwZVG statthaft.
16
Dem Antrag kann in Bezug auf Ziffer 2.1 des streitgegenständlichen Bescheids auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Ein solches fehlt nur, wenn die gerichtliche Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dem Antragsteller offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. VGH BW, B.v. 19.11.2015 - 10 S 2004/15 - juris Rn. 6; vgl. zum Ganzen auch Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 493). Dies ist hier nicht der Fall. Eine stattgebende Entscheidung vermag die Rechtsposition der Antragstellerin hier bereits im Laufe des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes insoweit zu verbessern, als die Möglichkeit einer Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, Art. 29, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 31, Art. 36 VwZVG i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021) entfiele, insbesondere wenn Streit darüber entstünde, ob gegen die in Ziffer 2.1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte sofortige Untersagung im Einzelfall verstoßen worden ist (vgl. OVG NRW, B.v. 9.6.2016 - 4 B 1437/15 - juris Rn. 5). Vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG: „Verwaltungsakte“) kann es keinen Unterschied machen, ob ein weiterer, vollziehbarer Verwaltungsakt die Antragstellerin zum sofortigen Unterlassen der weiteren Wettvermittlung verpflichtet oder ob sich diese Verpflichtung unmittelbar aus einem strafbewährten Gesetz ergibt. Systematisch bestätigt dies insbesondere auch § 6 Abs. 2 VwVG respektive Art. 70 Abs. 2 PAG.
17
b) Die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Untersagung ist zum derzeitigen Sach- und Streitstand voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden.
18
aa) Die Untersagung begegnet voraussichtlich keinen rechtlichen Bedenken.
19
(1) Sie ist mit den einfachgesetzlichen Vorgaben des Glücksspielrechts vereinbar.
20
(a) Rechtsgrundlage für die verfügte Untersagung bildet § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021. Danach kann die Glücksspielaufsicht die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall treffen, um die Erfüllung der nach dem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund des Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen und darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüStV 2021). Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 kann die Glückspielaufsichtsbehörde insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Ausweislich § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 stellt das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele ohne eine Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes ein unerlaubtes Glücksspiel dar.
21
Die verfahrensgegenständliche Wettvermittlungsstelle der Antragstellerin wird ohne die nach §§ 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021, Art. 2 und 7 AGGlüStV notwendige glücksspielrechtliche Erlaubnis und damit formal illegal betrieben. Nach § 21a Abs. 2 GlüStV 2021 ist ein stationärer Vertrieb oder die Vermittlung von Sportwetten außerhalb von Wettvermittlungsstellen verboten, sodass die von der Antragstellerin betriebene Vermittlung von Sportwetten allein in einer Wettvermittlungsstelle i.S.d. § 21a Abs. 1 GlüStV 2021 erfolgen kann und demzufolge seit dem 1. Juli 2021 einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 bedarf. Dabei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass weder der in dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag normierte Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV noch Art. 2 AGGlüStV (unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols) verfassungswidrig waren und nicht gegen Unionsrecht verstießen (vgl. BVerfG, B.v. 14.10.2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338, juris Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 24.11.2010 - 8 C 13.09 - NVwZ 2011, 549, juris Rn. 73 ff.; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 53; U.v. 20.6.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 50; B.v. 25.2.2015 - 8 B 36.14 - juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 32 f.).
22
Bei der Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Schließungsverfügung kommt es zunächst auf die Rechtmäßigkeit der Ziffer 1 des Bescheids nicht an. Insoweit ist allein die materielle Genehmigungsfähigkeit maßgeblich. Dementsprechend ist die Frage, ob die Erlaubnis gegenüber der Veranstalterin oder der Betreiberin zu erteilen bzw. zu versagen ist und wer in diesem Antragsverfahren unter Umständen anzuhören ist, erst im Hauptsacheverfahren zu klären (VG Bremen, B.v. 10.6.2022 - 5 V 389/22 - juris Rn. 31, 32).
23
(b) Ermessensfehler hinsichtlich der Untersagungsverfügung sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Antragsgegnerin hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass eine Erlaubniserteilung als milderes Mittel ausgeschlossen ist. Denn der weitere Betrieb der Wettvermittlungsstelle ist auch nicht materiell genehmigungsfähig, da ihr Standort mit der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV unvereinbar ist. Danach ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Sportwetten ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen vermittelt werden.
24
(aa) Der Mindestabstand wird vorliegend im Hinblick auf die Heilpädagogische Tagesstätte Sankt J. in der P.-gasse nicht eingehalten. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Mindestabstände wurden von der Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen.
25
(bb) Eine Ausnahme ist auch nicht zwingend geboten. Der Antragsgegner hat bei der Ablehnung der Erlaubnis erkannt, dass die Entscheidung über eine mögliche Abweichung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 AGGlüStV in seinem Ermessen steht, dieses in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt sowie alle relevanten Belange mit dem ihnen zustehenden Gewicht in die Entscheidung eingestellt. Ermessensfehler sind, zumal bei summarischer Prüfung, nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO).
26
Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 AGGlüStV kann die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen. Der Antragsgegner hat in seiner Ermessensentscheidung zutreffend zugrunde gelegt, dass die Erteilung einer Ausnahme von der Mindestabstandsregelung einen atypischen Sachverhalt erfordert - namentlich besondere topografische Verhältnisse im Umfeld des Standortes, durch welche ein Verstoß gegen das Abstandsgebot maßgeblich relativiert wird. Denn im Regelfall soll nach der Gesetzessystematik der Mindestabstand von 250 m Luftlinie eingehalten werden (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 35). Der gesetzlichen Formulierung wegen sind Ausnahmen nur restriktiv zuzulassen. Etwaige Friktionen, die sich aus einer im Lichte von § 1 GlüStV 2021 „typisierenden“ Mindestabstandsregel ergeben können, sind hinzunehmen. Eine lediglich geringfügige Unterschreitung des Mindestabstandes ist an sich unerheblich bzw. vermag nicht per se einen atypischen Sachverhalt zu begründen.
27
Für eine nach o.g. Maßgaben die Abweichung vom Abstandsgebot rechtfertigende örtliche Besonderheit ist vorliegend nichts ersichtlich. Gerade aber auf den Gesichtspunkt einer leichten Erreichbarkeit hat der Gesetzgeber mit seiner typisierenden Regelung eines Mindestabstandes abgestellt, wenn und weil er insbesondere den Besuch oder Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen selbst, ggf. auch in Begleitung eines Erwachsenen, verhindern wollte, um auf diese Weise das Glücksspielangebot vor Ort und Anreize zum Spiel zu verringern respektive einem Werbe- und Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken (vgl. hierzu LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. auch BVerwG, U.v. 5.4.2017 - 8 C 16.16 - NJW 2017, 14 Rn. 37 m.w.N.; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 36). Räumliche oder örtliche Besonderheiten, die ausnahmsweise eine andere Sichtweise als die typisierende Abstandsmessung mittels Luftlinie erfordern könnten, sind auch nicht erkennbar (vgl. dazu SächsOVG, B.v. 29.11.2019 - 6 B 143/18 - juris Rn. 41 mit dem Beispiel einer dazwischenliegenden Bahnstrecke).
28
Der pauschale Verweis auf die etwaig fehlende konkrete Gefährdung für Heranwachsende übersieht, dass der Gesetzgeber pauschal bzw. typisierend einen Abstand von 250 m Luftlinie zur Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie zum Jugend- und Spielerschutz eingezogen hat, um so vor Ort die konkreten Gefährdungen für vulnerable Gruppen durch ein Glücksspielangebot oder Anreize zum Spiel zu verringern (LT-Drs. 18/5861, S. 9). Die Antragstellerin hat auch nicht dargelegt, weshalb diese gesetzgeberische Wertung im Einzelfall nicht zutreffen sollte, d.h. vorliegend gerade keine konkreten Gefährdungen bestehen würden. Eine Abweichung von der Mindestabstandsregelung lässt sich vorliegend auch nicht auf die von der Antragstellerin vornehmlich angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 21. Oktober 2013 (1 L 395/13) mit dem Einwand einer gebotenen Differenzierung nach dem Alter der Kinder und Jugendlichen stützen, indem bei Einrichtungen für Kinder im Grundschulalter eine geringere Schutzbedürftigkeit bestehe. Dies ist nach Auffassung des Gerichts abzulehnen. Dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV lässt sich erkennbar kein „abgesenktes“ Schutzniveau entnehmen. Der bayerische Landesgesetzgeber hat - im Unterschied zur damaligen nordrhein-westfälischen Regelung der NRWGlüSpVO - in seinem ihm zukommenden weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum gegenläufig gerade festgelegt, dass u.a. Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, von der Abstandsregel erfasst sind. Unabhängig davon streitet der Schutzzweck gegen ein „differenziertes“ Verständnis, da das Entgegenwirken in Bezug auf einen (frühzeitigen) Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen ein besonderes Gewicht erfährt (LT-Drs. 18/5861, S. 9). Dies gilt gerade im Hinblick auf Kinder im Grundschulalter (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 4.16 - juris Rn. 22).
29
Schließlich kommt den (etwaigen) wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin bei der vom Antragsgegner vorzunehmenden Ermessens-/ Abwägungsentscheidung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 AGGlüStV keine Relevanz zu. Bereits der Wortlaut („unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls“) legt nahe, dass lediglich örtliche bzw. räumliche Besonderheiten einen atypischen Sachverhalt begründen können. Dessen ungeachtet sind nach dem Schutzzweck sowie in der Systematik (Abweichung vom Regelfall eines Mindestabstands von 250 m Luftlinie) zu Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV „unbillige Härten“ im Sinne von wirtschaftlichen Nachteilen gerade nicht erfasst. An einer mit § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV 2012 vergleichbaren Befreiungsregelung fehlt es im GlüStV 2021 gerade (offen gelassen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 38).
30
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, vermögen wirtschaftliche Einbußen sowie sonstige Belastungen, die mit der Schließung einer Wettvermittlungsstelle verbunden sind, regelmäßig keine besondere Härte zu begründen. Denn solche Folgen ergeben sich zwangsläufig aus dem Gesetzeszweck, das Angebot an Spielmöglichkeiten zur Bekämpfung der Spielsucht einzudämmen. Eine verlustfreie Abwicklung ihrer zu schließenden Einrichtungen können Betreiber nicht verlangen (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 193). Von dem Zeitpunkt an, an welchem sich ein Wettvermittler auf eine Schließung seines Betriebs an dem jeweiligen Standort einstellen musste, bedarf es der substantiierten Darlegung, welche konkreten Schritte er unternommen hat, um den Eintritt eines Härtefalls abzuwenden (vgl. BVerfG, B.v. 5.8.2015 - 2 BvR 2190/14 - juris Rn. 26). Hierzu gehören u.a. Angaben dazu, ob und gegebenenfalls welche Bemühungen zur rechtzeitigen Kündigung oder einvernehmlichen Aufhebung von langfristigen Verträgen, auch von Arbeitsverträgen der Mitarbeiter, der Umnutzung oder Verlagerung der Wettvermittlungsstelle an einen Alternativstandort unternommen wurden. Es gilt insoweit der Grundsatz, dass die für die Vermittlungsstelle genutzten Räumlichkeiten und die Betriebsmittel auch anderweitig nutzbar sind (vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 41 m.w.N., auch zu einer näheren Herleitung vor dem Hintergrund der Regelung des § 29 Abs. 4 GlüStV 2012).
31
Die Antragstellerin behauptet lediglich wirtschaftliche Einbußen, ohne diese (näher) zu belegen. Entsprechenden Nachweise hat sie nicht vorgelegt. Letztlich mangelt es auch an einer substantiierten Darlegung, welche konkreten Schritte die Antragstellerin - jedenfalls ab der Bekanntmachung am 16. Juni 2020 der neueingeführten Mindestabstandsregelung durch das Änderungsgesetz zum AGGlüStV vom 9. Juni 2020 (vgl. GVBl Nr. 17/2020, S. 287) als Zeitpunkt, von dem an sich die Antragstellerin auf eine Schließung ihres Betriebs am vorliegenden Standort einstellen musste - unternommen hat, um den Eintritt eines Härtefalls abzuwenden (vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 42).
32
Vertrauensgesichtspunkte wurden im Übrigen ausreichend durch die befristete Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV berücksichtigt.
33
(cc) Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf die Übergangsregelungen des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV berufen, wonach die Abstandsregelung keine Anwendung findet, wenn ein Duldungsbescheid am 16. Juni 2020 bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war. Für die Wettvermittlungsstelle wurde keine Duldung beantragt und es gab somit auch keinen Duldungsbescheid. Eine Teilnahme am Duldungsverfahren wäre der Antragstellerin jedoch ohne Weiteres möglich gewesen, nachdem der Wettvermittlungsstelle seit 2013 betrieben wurde.
34
Auch können weder eine erteilte Baugenehmigung noch eine gewerberechtliche Anmeldung des Betriebs der Antragstellerin ein schutzwürdiges Vertrauen im Hinblick auf die glücksspielrechtliche Zulässigkeit ihres Betriebs verschaffen, da sich das Baugenehmigungsverfahren (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 bzw. Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO) sowie die Gewerbeanmeldung (§§ 14, 15 Abs. 1 GewO) nicht zur Frage der glücksspielrechtlichen Zulässigkeit verhalten.
35
(c) Die Staffelung der verfügten Untersagung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
36
Die in Ziffer 2.1 des verfahrensgegenständlichen Bescheids getroffene Verfügung, den Abschluss und die Vermittlung neuer Wettverträge (Wettannahme) mit Bekanntgabe des Bescheids sofort zu unterlassen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Hiervon ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung vor dem Hintergrund von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG abzugrenzen. Die sofortige Einstellung des Abschlusses und der Vermittlung neuer Wettverträge ist tatsächlich bzw. technisch und rechtlich ohne Weiteres, d.h. ohne weitere Maßnahmen oder Vorkehrungen möglich. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass etwaig noch nicht alle Rechtsverhältnisse, wie zum Beispiel Mietverträge (Räumlichkeit, Spielgeräte etc.) oder Arbeitsverträge, abgewickelt sind (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 46 f.).
37
Die „gestaffelten“ Fristen in Ziffern 2.2 und 2.3 begegnen ebenfalls keinen Bedenken. Sie knüpfen nicht, wie die Antragstellerin meint, an Ziffer 2.1 an, sondern stellen vor dem Hintergrund der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021) auch dem Wortlaut nach auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe ab. Unabhängig davon ist die Dauer der gesetzten Fristen von spätestens bis zum Ablauf von 90 bzw. 95 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides auch nicht unangemessen kurz für die verfügte Abwicklung bzw. Entfernung benannter Einrichtungen und Gegenstände. Etwas Anderes ist weder dargelegt noch, zumal bei summarischer Prüfung, ersichtlich.
38
Von der Rechtsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021) ist es gedeckt, der Antragstellerin in Ziffer 2.3 des streitgegenständlichen Bescheids gegenüber anzuordnen, Wettunterlagen, Werbeeinrichtungen, technische Einrichtungen und sonstige für den Wettbetrieb erforderliche Gegenstände spätestens bis zum Ablauf von 95 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids aus den Geschäftsräumen zu entfernen. Dies ist gegenüber der bloßen Anordnung, die Betriebsstätte zu schließen, vor dem Hintergrund von weitreichenden Eingriffsbefugnissen im Rahmen der Glücksspielaufsicht und den Zielen des § 1 GlüStV 2021 nicht unverhältnismäßig. Eine insoweit umfassende Unterbindung unerlaubten Glücksspiels, als gerade dessen „Grundlage“ in Form der Betriebsmittel (wie hier Wettunterlagen, Werbeeinrichtungen, technische Einrichtungen und sonstige für den Wettbewerb erforderliche Gegenstände) entzogen wird, stellt sich als angemessen dar. Die bloße Betriebsschließung ist hierzu kein milderes Mittel; sie unterbindet die (potentielle) Gefahr unerlaubten Glücksspiels bzw. deren jederzeitige Wiederaufnahme nicht in dem gleichen wirksamen Maß, wenn und weil sie den faktischen Zugriff auf die hierfür erforderlichen Betriebsmittel erlaubt.
39
Die in Ziffer 2.3 Satz 2 erfolgte Bestimmung, dass gesetzliche Aufbewahrungsfristen für Unterlagen durch den streitgegenständlichen Bescheid unberührt bleiben, ist nicht zu unbestimmt. Zur Vermeidung von (unlösbaren) „Konfliktfällen“ mit gesetzlichen Aufbewahrungspflichten (etwa aus dem Steuerrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht), insbesondere aber auch mit Blick auf Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG ist eine solche Klarstellung rechtlich nicht zu beanstanden, vielmehr sachgerecht. Es ist unerheblich, dass die einschlägigen, sich u.U. ändernden gesetzlichen Aufbewahrungsfristen nicht einzeln benannt sind. Der Regelungsgehalt der verfügten Untersagung ist insoweit durch die erfolgte Klarstellung respektive klarstellende Bezugnahme hinreichend bestimmt. Ungeachtet dessen sind solche kraft Gesetzes wegen existierender Aufbewahrungsfristen für die Antragstellerin als Adressatin hinreichend bestimmbar (vgl. zu den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 1. EL August 2021, § 37 Rn. 22 ff. auch zu [klarstellenden] Bezugnahmen).
40
(d) Der Antragsgegner hat auch i.Ü. erkannt, dass die nach § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 verfügte Untersagung in seinem Ermessen steht, dieses in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt sowie alle relevanten Belange mit dem ihnen zustehenden Gewicht in die Entscheidung eingestellt. Ermessensfehler sind, zumal bei summarischer Prüfung, nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO). Die in Frage stehende Untersagung ist insbesondere auch verhältnismäßig.
41
(aa) Es begegnet keinen Bedenken, dass der Antragsgegner aufgrund der formellen und materiellen Illegalität der betriebenen Wettvermittlungsstelle von einem intendierten Ermessen ausgegangen ist, wonach regelmäßig kein Raum mehr für Ermessenserwägungen verbleibt und auch keinen atypischen Fall angenommen hat (vgl. dazu VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 45; vgl. allgemein auch BayVGH, B.v. 18.9.2017 - 15 CS 17.1675 - juris Rn. 29). Dessen ungeachtet hat der Antragsgegner Ermessenserwägungen angestellt, ohne dass diese Fehler erkennen ließen.
42
(bb) Der Hinweis des Antragsgegners, die Antragstellerin habe spätestens seit dem durchgeführten Anhörungsverfahren gewusst, dass der Wettbetrieb untersagt werde und (deshalb) eine sofortige Untersagung der Wettannahme nach Bekanntgabe des Bescheids zumutbar sei, erweist sich ebenfalls nicht als ermessensfehlerhaft.
43
(cc) Das Vorbringen der Antragstellerin einer unzureichenden Interessensabwägung verfängt ebenso nicht. Die Untersagung ist insbesondere verhältnismäßig. Sie ist geeignet, das Verbot unerlaubten Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 umzusetzen, und auch erforderlich, da eine Erlaubniserteilung nach obigen Maßgaben für die verfahrensgegenständliche Wettvermittlungsstelle nicht in Betracht kommt. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit des früheren Sportwettenmonopols vermittelt(e) das Verfassungs- bzw. Unionsrecht (jedenfalls bei - wie hier - auch materieller Illegalität) keinen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 56; BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 35). Die Untersagung stellt sich auch als angemessen dar, indem das öffentliche Interesse an einer Unterbindung unerlaubten Glücksspiels das Interesse der Antragstellerin am (illegalen) Betrieb der vorliegenden Wettvermittlungsstelle vorliegend überwiegt. Zwar wird die Vermittlungsstelle bereits seit 2013 betrieben, jedoch ohne Erlaubnis und auch ohne aktive Duldung. Eine aktive Duldung erfordert eine ausdrückliche - regelmäßig schriftliche - Äußerung der Behörde. Diese muss nicht zwingend in Form eines Bescheids erfolgen oder den Begriff der Duldung verwenden. Eine aktive Duldung kann sich auch konkludent aus dem Sinngehalt der Äußerung der Behörde ergeben. Der entsprechenden Äußerung der Behörde muss jedoch eindeutig und widerspruchsfrei zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum der Weiterbetrieb der Spielhalle von ihr geduldet wird, sie also nicht gegen den Betrieb einschreiten wird. Eine solche aktive Duldung kann sich auch aus der Entscheidung ergeben, bei Ausübung des Ermessens auf eine entsprechende Untersagungsverfügung und ggf. deren Vollstreckung zu verzichten. Hingegen liegt nur eine „passive“ oder „faktische“ Duldung vor, wenn die Behörde in Kenntnis des gesetzwidrigen Zustands schlicht nicht einschreitet und den illegalen Zustand lediglich hinnimmt. Für das Vorliegen einer aktiven Duldung ist der Betroffene darlegungs- und beweispflichtig (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 10.2.2022 - 6 S 3680/21 - juris Rn. 15). Eine solche lag im Fall der Antragstellerin nicht vor und wurde von ihr auch nicht behauptet (a.A. VG Hamburg, B.v. 27.6.2022 - 14 E 4288/21 - juris Rn. 33 f.).
44
(dd) Die Untersagung erweist sich schließlich auch nicht deshalb als ermessensfehlerhaft, weil sich (wie die Antragstellerin vorbringt) die in Ziffer 1 des Bescheids erfolgte Ablehnung des Antrags des Sportwettveranstalters C. auf Erteilung einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten durch die Antragstellerin in der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle an die falsche Adressatin richte bzw. der Antragsgegner fehlerhaft davon ausgehe, dass das Antragsverfahren ordnungsgemäß abschließend verbeschieden worden sei. Da es bei der Untersagung auch nur auf die materielle Genehmigungsfähigkeit ankommt, spielt diese Frage im vorliegenden Eilverfahren auch keine Rolle (VG Bremen, B.v. 10.6.2022 - 5 V 389/22 - juris Rn. 31, 32).
45
Gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Bestimmt in diesem Sinne ist ein Verwaltungsakt für denjenigen, für welchen nach dem Inhalt der getroffenen Regelung unmittelbar Rechte oder Pflichten begründet werden. Betroffen sind jene Beteiligte (vgl. Art. 13 BayVwVfG), denen gegenüber der Verwaltungsakt ebenfalls rechtliche Wirkungen entfaltet, ohne dass er an sie gerichtet ist (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 43 Rn. 10; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41 Rn. 29 f.). Ist ein Bevollmächtigter (vgl. Art. 14 BayVwVfG) bestellt, so kann die Bekanntgabe gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG ihm gegenüber vorgenommen werden. Dem Glücksspielstaatsvertrag ist aus § 29 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 21a Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GlüStV 2021 zu entnehmen, dass soweit Sportwettvermittler - wie hier - in die Vertriebsorganisation eines Sportwettveranstalters eingegliedert sind, der Sportwettveranstalter den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 für die für ihn tätigen Sportwettvermittler stellt.
46
Davon ausgehend begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass die Versagung der Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten hier gegenüber der Antragstellerin als Sportwettvermittlerin bzw. ihren (weiteren) Bevollmächtigen, und nicht zusätzlich bzw. auch gegenüber dem den Erlaubnisantrag stellenden Sportwettveranstalter bekanntgegeben wurde (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BayVwVfG). Ein Sportwettvermittler bedarf einer entsprechenden glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten ist personenbezogen (vgl. Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 AGGlüStV); der Sportwettvermittler ist Inhaltsadressat einer entsprechenden Versagung oder Erlaubniserteilung (vgl. auch BayVGH, B.v. 19.5.2022 - 23 C 22.1156 - juris Rn. 5). Anders ausgedrückt ist die Erteilung bzw. Versagung einer Erlaubnis zur Sportwettvermittlung materiell-rechtlich auf den Rechtskreis des Sportwettvermittlers bezogen. Den Antrag auf Erlaubniserteilung hat zur Verfahrensvereinfachung gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 21a Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GlüStV 2021 der Sportwettveranstalter zu stellen (vgl. LT-Drs. 15/8486, S. 20 zur insoweit historisch übertragbaren Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2008).
47
Insoweit ist auch eine (im Eilverfahren nicht ausdrücklich beantragte) Beiladung des Wettveranstalters nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2022 - 23 C 22.1156 - juris).
48
Damit weicht das Fachrecht, aus (bloßen) Gründen der Verfahrensvereinfachung u.a. mit Blick auf den Sportwettveranstalter bezogene Antragsunterlagen (Art. 2 AGGlüStV) bzw. eine Eingliederung in die Vertriebsorganisation des Sportwettveranstalters, von dem Grundsatz (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG) ab, dass ein (Erlaubnis-)Antrag ob der materiellen Bezogenheit vom (potentiellen) Erlaubnisnehmer in eigener Sache zu stellen ist (vgl. Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 13), ohne aber nach dem Wortlaut von § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021 und der (historisch übertragbaren) Gesetzesbegründung zu § 25 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2008 mit einem darüber hinausreichenden Regelungsinhalt (wie zum Beispiel eine abweichende Regelung der Rolle des Erlaubnisnehmers) verbunden zu sein. Die Entscheidung über den vom Sportwettveranstalter zu stellenden Antrag erging aufgrund des Erlaubnisvorbehalts nach §§ 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021, Art. 2 und 7 AGGlüStV nach alledem zu Recht allein gegenüber der Antragstellerin, da sie als Sportwettvermittlerin materiell-rechtliche Adressatin o.g. Erlaubnisversagung ist. Die von der Antragstellerin bemühte Grundkonstruktion von GlüStV 2021/ AGGlüStV ergibt nach den vorherigen Ausführungen nichts Anderes. Auch dem in Bezug genommenen Schreiben des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2022 (3 K 2141/22) ist im Hinblick auf das vorliegende Verfahren nichts Gegenteiliges zu entnehmen, insbesondere enthält dieses der Sache nach nur die Aussage, dass der Antrag auf Erlaubnis allein durch den Sportwettveranstalter gestellt werden kann. Eine etwaige Verwaltungspraxis, wonach die Versagung oder Erlaubniserteilung primär an den Sportwettveranstalter und lediglich ergänzend an den Sportwettvermittler adressiert werde, ist bezogen auf einen - wie hier - alleinig materiell-rechtlichen Regelungsgehalt zur Erlaubnisinhaberschaft, d.h. ohne den Sportwettveranstalter treffende Verpflichtungen, nicht angezeigt.
49
(2) Bei summarischer Prüfung sind keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die Unionsrechtskonformität und Verfassungsmäßigkeit des hier anwendbaren Rechts ersichtlich.
50
Mit der unions- und verfassungsrechtlichen Konformität von Abstandsregelungen im Glücksspielrecht hat sich die Rechtsprechung bereits im Zusammenhang mit dem in anderen Bundesländern seit längerem normierten Mindestabstand zwischen Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. und Spielhallen befasst. Auf die dort gefundenen Ergebnisse kann - auch aufgrund der Ausrichtung auf die entsprechenden, nunmehr in § 1 GlüStV 2021 formulierten, Ziele der Glücksspielregulierung - im Grundsatz verwiesen werden (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20; BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 127; U.v. 5.4.2017 - 8 C 16.16 - juris; B.v. 6.6.2018 - 8 B 32.17 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 307; B.v. 7.7.2020 - 8 B 74.19 - juris; vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 56 m.w.N.), obgleich in Bayern nur ein Mindestabstand zwischen Spielhallen, und nicht zu Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. vorgegeben wird (vgl. Art. 10 Abs. 3 AGGlüStV) sowie der GlüStV 2021 Neuregelungen beinhaltet. Bei summarischer Prüfung besitzen Wettvermittlungsstellen keine Besonderheiten, die eine - „nach unten“ - abweichende rechtliche Beurteilung zuließen (vgl. auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 56).
51
(a) Die Mindestabstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV erweist sich weder als unverhältnismäßiger Eingriff in Grundfreiheiten noch als ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Der Gesetzgeber durfte den Betrieb von Wettvermittlungsstellen aufgrund deren Gefährlichkeit für Kinder und Jugendliche bzw. Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen weitergehend reglementieren. Er hat sich dabei auch nicht in Widerspruch zu seinem Regelungskonzept im Vergleich zu anderen Glücksspielformen gesetzt.
52
(aa) Eine mitgliedstaatliche Regelung, welche die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit einschränkt, wird nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur dann als zur Zielerreichung geeignet angesehen, wenn sie in kohärenter und systematischer Weise seiner Verwirklichung dient (vgl. EuGH, U.v. 6.3.2007 - C-338/04 u. a. - Placanica - juris Rn. 53 und 58; zu glücksspielrechtlichen Monopolregelungen EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 97 ff.; U.v. 8.9.2010 - C- 46/08 - Carmen Media Group - juris Rn. 57 ff.). Das Gebot der Kohärenz hat der Gerichtshof der Europäischen Union vornehmlich herangezogen, wenn ein Mitgliedstaat ein Glücksspiel- oder Wettmonopol errichtet hatte (oder sonst einen numerus clausus an Glücksspiel- oder Wettveranstaltern einführte), um mit ihm auf die Vermeidung von widersprüchlichen Verhaltensweisen bei der „Ausübung“ der monopolisierten Rechte hinzuwirken. Letztlich geht es darum, eine Umgehung von Rechtfertigungsanforderungen zu vermeiden. In Bereichen, in denen das Glücksspiel nicht monopolisiert ist, sondern lediglich Beschränkungen der Freiheit der Berufsausübung zu beobachten sind, bedarf es hingegen einer Sicherung nicht in gleichem Maße. Deshalb wird auch keine bereichsübergreifende, einheitliche Regelung verlangt, sondern ausdrücklich ein den Besonderheiten des jeweiligen Bereichs Rechnung tragender Ansatz akzeptiert. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen sind dabei zu berücksichtigen. Die nationalen Gerichte haben daher lediglich eine bereichsspezifische Prüfung der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Regelungen vorzunehmen (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 88 ff.; vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 124 m.w.N.; BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 Rn. 84 f.; vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 58 m.w.N.).
53
In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie der Jugend- und Spielerschutz Beschränkungen der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit rechtfertigen, wenn sich die hierzu getroffenen Maßnahmen im Rahmen der Erforderlichkeit halten und dazu beitragen, Gelegenheiten zum Spiel, v.a. auch für vulnerable Bevölkerungsteile, wie Kinder und Jugendliche, zu verringern (vgl. etwa EuGH, U.v. 6.3.2007 - C-338/04 u.a. - Placanica - juris Rn. 52 f.; U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 88; BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 124). Dem Gesetzgeber kommt hierbei ein weiter Beurteilungs- und Prognosespielraum zu (vgl. etwa EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 91 f.). Er ist nicht gezwungen, vor der Einführung von Maßnahmen eine Untersuchung vorzulegen, die deren Verhältnismäßigkeit belegt (vgl. etwa EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 107). Eine Nachweispflicht - wie die Antragstellerin meint (vgl. v.a. Bl. 451 ff. der Behördenakte, Bl. 25 d.A.) - in der Folge, d.h. für die Durchführung der Abstandsregelung, ergibt sich aus der u.a. angeführten Rechtssache Pfleger als solches nicht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat insofern der Sache nach lediglich dargelegt, dass die Beweislast in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit und die Kohärenz der Beschränkungen der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit ausschließlich bei dem Mitgliedstaat liegt (vgl. EuGH, U.v. 30.4.2014 - C-390/12 - Pfleger u.a. - juris Rn. 47 ff. unter Verweis auf EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris unter Bezugnahme auf Generalanwalt Mengozzi, Schlussanträge vom 4. März 2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - ECLI:ECLI:EU:C:2010:109 Rn. 81 f.). Es ist Aufgabe der nationalen Gerichte in einer „Gesamtwürdigung der Umstände“ den Erlass sowie die Durchführung einer restriktiven mitgliedstaatlichen Maßnahme nach den o.g. Maßgaben (ggf. nach der Beweislast) zu überprüfen (vgl. Generalanwalt Mengozzi, Schlussanträge vom 4. März 2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - ECLI:ECLI:EU:C:2010:109 Rn. 81 f. zur „Fehlinterpretation“ von EuGH, U.v. 13.11.2003 - C-42/02 - Lindmann - juris; vgl. auch EuGH, U.v. 30.4.2014 - C-390/12 - Pfleger u.a. - juris Rn. 51 ff.; vgl. ferner für den hier maßgeblichen Glücksspielsektor: EuGH, U.v. 14.6.2017 - C-685/15 - Online Games u.a. - juris Rn. 65 f.). Dessen ungeachtet lassen sich insbesondere die von der Antragstellerin angeführten Rechtssachen Pfleger und Online Games u.a. insoweit, d.h. für die Frage von etwaigen Nachweispflichten in Bezug auf die Durchführung einer restriktiven mitgliedstaatlichen Regelung, nicht übertragen. Diese betrafen im Ausgangssachverhalt Verwaltungsstrafverfahren, also Verfahren zum Zwecke der Verhängung einer Sanktion (EuGH, U.v. 30.4.2014 - C-390/12 - Pfleger - juris Rn. 6; U.v. 14.6.2017 - C-685/15 - Online Games u.a. - juris Rn. 47; vgl. auch EuGH, U.v. 15.9.2011 - C-347/09 - Dickinger und Ömer - juris Rn. 2: Strafverfahren). In ihrer Eingriffsintensität und hinsichtlich des Schuldvorwurfs lag mithin den Rechtssachen ein wesentlich anderer Maßstab zugrunde als dem vorliegenden Sachverhalt. Für die ferner angeführten Rechtssachen aus anderen Sektoren ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass diese entsprechend auf den vorliegenden (nicht monopolisierten) Bereich des Glücksspiels übertragbar wären. Letztlich sind die im (nicht monopolisierten) Bereich des Glücksspiels bestehenden Regelungen eines Mindestabstands zu Schulen und Einrichtungen, welche überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. grundsätzlich zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele der Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie des Jugend- und Spielerschutzes geeignet, erforderlich und zumutbar; dies gilt entsprechend auch für Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen (vgl. grundlegend zu den Abständen bei Spielhallen: BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 124; BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 Rn. 42 ff.).
54
(bb) Nach obigen Maßgaben bestehen an der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Abstandsgebots für Wettvermittlungsstellen keine rechtlichen Bedenken.
55
Zur Überzeugung des Gerichts hat jüngst das Verwaltungsgericht Leipzig in seinem Beschluss vom 31. Januar 2022 (5 L 23/22) zur Rechtslage in Sachsen und einem mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbaren Sachverhalt zutreffend herausgearbeitet, dass ähnlich wie Geldspielgeräte in Spielhallen auch Sportwettangebote ein hohes Gefährdungspotenzial, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, besitzen und deshalb mindestens vergleichbare Maßnahmen rechtfertigen. Kinder und Jugendliche sollen vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Wettvermittlungsstellen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. geschützt werden. Dies gilt entsprechend auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen. Für jenen Ausgangspunkt des Gesetzgebers, der auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt (LT-Drs. 18/5861, S. 9), lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur hinreichende Belege finden. So weist schon der - von der Antragstellerin in Bezug genommene - aktuelle Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (BZgA-Forschungsbericht, „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland - Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends“, Januar 2020; abrufbar unter: www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/BZgA-Forschungsbericht_Gluecksspielsurvey_2019.pdf; zuletzt abgerufen am 8. Juni 2022) auf die von Sportwetten ausgehenden Gefahren hin. Auf diesen Bericht und die Ausführungen dazu in dem den Beteiligten bekannten Beschluss des Gerichts vom 4. Juli 2022 (Au 8 S 22.765, Rn.87) wird zur Vermeidung von Wiederholungen im Einzelnen Bezug genommen.
56
Der Antragsgegner hat zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Untersagung in Bezug auf die (etwaigen) wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin auf die gesetzgeberischen Ziele des § 1 GlüStV 2021, namentlich die Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie den Jugend- und Spielerschutz (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9) abgestellt. Im Lichte des weiten Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers, wie ihn auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Rechtsprechung anerkennt (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 91 f.), lagen damit unter Berücksichtigung des Vorstehenden hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse dazu vor, dass von Sportwetten mindestens vergleichbare Gefährdungen ausgehen wie von Spielhallen. Gerade auch die Prävalenzen in der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen zeigen ein ausgeprägtes Interesse dieser Altersklasse an Sportwetten. Deren Gefährdungspotenzial wird von der BZgA als hoch eingeordnet (vgl. auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 63).
57
Obzwar in der aktuellen Studie der BZgA nicht eigens betont wird, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Sportwetten und der Erreichbarkeit insbesondere für Kinder und Jugendliche im näheren Umfeld ihres täglichen Lebens gebe, kann insoweit jedoch auf die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und dem Spielverhalten bei Spielhallen zurückgegriffen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen keine beachtlichen Unterschiede (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64).
58
Dessen ungeachtet gilt es zu berücksichtigen, dass es dem Gesetzgeber mit dem Abstandsgebot nicht nur darum geht, eine tatsächliche Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Glücksspielen zu verhindern, welche auch bereits rechtlich ausgeschlossen ist. Spielhallen wie auch Wettvermittlungsstellen im täglichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen begründen darüber hinaus die Gefahr, dass Glückspiel als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen wird. Gerade auch dieser Wirkung soll entgegengetreten werden, zumal wenn Kinder und Jugendliche aufgrund der Schulpflicht auf ihrem (S2.)Weg zu Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen zwingend (respektive notwendig) einem Angebot an Sportwetten ausgesetzt sind. (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 152 ff.; SächsOVG, B.v. 20.8.2019 - 6 B 295/18 - juris Rn. 9; B.v. 29.11.2019 - 6 B 143/18 - juris Rn. 68; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64 m.w.N.). Auf diesen Gesichtspunkt bezogen sind keine Unterschiede zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen dergestalt auszumachen, als letzteren ein geringeres Gefährdungspotenzial zukäme. Gegenläufig kann wegen eines starken Bezugs zum Sport und deren Akteuren zur Überzeugung des Gerichts davon ausgegangen werden, dass Sportwetten, was die Gestaltung und Angebote angeht, noch deutlich attraktiver auf (sportbegeisterte) Kinder und Jugendliche wirken (können) bzw. sie solche in ihrem täglichen Umfeld entsprechend deutlich stärker wahrnehmen als Geldspielautomaten, was damit nicht nur vergleichbare, sondern insoweit „strengere“ Maßnahmen in Bezug auf Wettvermittlungsstellen zu rechtfertigen vermag (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. im Ansatz ebenso VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64), zumal auch in der aktuellen Studie der BZgA 0,6% der befragten 16- und 17-jährigen angaben, bereits Wettbüro/ Rennbahn genutzt zu haben, während lediglich 0,1% Glücksspiel in einer Spielhalle betrieben hätten (vgl. ebd., S. 153). In höheren Altersgruppen kommt es dann zwar zu einer Angleichung beider Glücksspielformen (vgl. ebd.). Für Sportwetten gilt es allerdings zu beachten, dass viele (potentielle) Sportwetter meinen, sich durch ihr „(Sport-)Fachwissen“ besonders gut auszukennen und Sportwetten lediglich eingeschränkt als Glücksspiel wahrnehmen (vgl. ebd., S. 92). Vor diesem Hintergrund gelten obige Ausführungen auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen analog. Betroffene sind (unabhängig von der Sucht) im besonderen Maße - ähnlich wie auch Kinder und Jugendliche - für eine (solche) Kompetenzüberschätzung vulnerabel. Die Suchtprävention (§ 1 GlüStV 2021), die gegenüber vulnerablen Bevölkerungsteilen a priori besonderes Gewicht erfährt, rechtfertigt es, die insoweit spezifische Gefahr, ein Angebot an Sportwetten als Gut des täglichen Lebens wahrzunehmen, zu verhindern, zumal aufgrund eines (gesellschaftlich gemeinhin) „leichten“ Zugangs über den starken Bezug zum Sport und deren Akteuren.
59
(i) Der Einwand der Antragstellerin einer fehlenden wissenschaftlichen Grundlage (zur Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Mindestabstände) verfängt daher nicht. Dabei begegnet es insoweit auch keinen rechtlichen Bedenken, als die Bundesländer unter Umständen unterschiedliche Mindestabstände vorgeben. Zum einen hat der Gesetzgeber einen weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum. Zum anderen ist eine Festlegung unterschiedlicher Abstandsregelungen insbesondere in Bezug auf eine unterschiedliche Verbreitung des Sportwettangebots und länderspezifische Gegebenheiten unbedenklich (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 111). Eine Unverhältnismäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Abstandsregelung von 250 m Luftlinie ist vor allem in Bezug darauf, Sportwetten nicht als Gut des alltäglichen Lebens wahrzunehmen, jedenfalls nicht ersichtlich.
60
(ii) Soweit die Antragstellerin eine Unverhältnismäßigkeit des Abstandsgebots auf die fehlende Differenzierung nach dem Alter der Kinder und Jugendlichen stützt, weil bei Einrichtungen für Kinder im Grundschulalter eine geringere Schutzbedürftigkeit bestehe, geht dieser Einwand fehl. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Schutzbedürftigkeit von Kindern in erheblichem Maße von der jeweiligen Altersstufe abhänge bzw. es fernliegend erscheine, dass etwa schon Kinder im Grundschulalter von den „Reizen“ des Sportwettangebots angezogen werden könnten (vgl. VG Arnsberg, B.v. 21.10.2013 - 1 L 395/13 - juris Rn. 11). Gegen ein solches Verständnis spricht bereits, dass das Abstandsgebot, gerade auch einem (frühzeitigen) Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen entgegenwirken will. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf kleinere Kinder, auch bereits im Grundschulalter (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 4.16 - juris Rn. 22; VG Köln, U.v. 10.9.2021 - 24 L 1199/21 - juris Rn. 28 f. m.w.N.). Unerheblich ist daher, dass Kindern und Jugendlichen der Aufenthalt ohnehin nicht gestattet ist. Dessen ungeachtet ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg - fußend auf der damaligen NRWGlüSpVO - ob des weiteren Beurteilungs- und Prognosespielraums des bayerischen Landesgesetzgebers bei seiner Regelung durch Parlamentsgesetz, soweit ersichtlich, nicht übertragbar (vgl. Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 80 Rn. 21 ff.). Die Abstandsregelung genügt auch dem Bestimmtheitsgrundsatz, insbesondere soweit sich die Regelung auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahre „richten“, erstreckt und damit hinreichend bestimmbar den geschützten Kreis nach dem Angebot bzw. Zuschnitt einer Einrichtung festlegt bzw. abgrenzt.
61
(iii) Auch unter den von der Antragstellerin angeführten Vertrauensschutzgesichtspunkten ist eine Unverhältnismäßigkeit nicht zu erkennen. Die Situation stellt sich insoweit deutlich anders dar, als bei der Schaffung der Abstandsregelungen für Spielhallen, die mit entsprechenden Übergangs- bzw. Befreiungsregeln (vgl. näher zum Hintergrund nur LT-Drs. 18/11128, S. 160 f.) einherging. Denn bei den Spielhallen wurde seinerzeit eine erstmalige glücksspielrechtliche Erlaubnispflichtigkeit geschaffen, die neben die gewerberechtliche Erlaubnispflicht nach § 33i GewO trat. Damit wurde bei Bestandsspielhallen in eine unanfechtbare, regelmäßig auch zeitlich unbefristete Genehmigung eingegriffen, aus der sich möglicherweise eine wehrfähige Rechtsposition ergeben könnte (vgl. hierzu etwa VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 76 m.w.N.) Vorliegend verhält es sich aber deutlich anders. Denn bereits der Glücksspielstaatvertrag vom 15. Dezember 2011 sah in § 10a Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 die Erlaubnispflichtigkeit eines Betriebs von Wettvermittlungsstellen für Sportwetten vor. Letztlich konnten solche Erlaubnisse nicht erteilt werden, da das Konzessionierungsverfahren für die Veranstalter von Sportwetten nicht beendet wurde. Der Betrieb von entsprechenden Einrichtungen wurde deshalb mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts lediglich (passiv) geduldet. Das bloße Absehen von einem repressiven Einschreiten gegen ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten lässt sich mit einer behördlichen Genehmigung, die eine Legalisierungswirkung für die von ihr erlaubte Tätigkeit entfaltet, indes nicht gleichsetzen (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 45). Auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. u.a. OVG NRW, U.v. 23.1.2017 - 4 A 3244/06 - juris; B.v. 20.2.2017 - 4 B 609/16 - juris; B.v. 29.3.2017 - 4 B 919/16 - juris) steht dem nicht entgegen. Die Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da in Bayern keine rechtmäßigen Wettvermittlungsstellen bestanden. Ein Vertrauen auf den weiteren, längerfristigen oder gar zeitlich unbefristeten Betrieb der Wettvermittlungsstellen konnten Inhaber von Wettvermittlungsstellen nach alledem von vornherein nicht bilden. Vielmehr mussten sie jederzeit, insbesondere auch bei der aufgrund der zeitlich begrenzten Geltung des GlüStV 2012 und der damit absehbaren Verabschiedung eines neuen Glückspielstaatsvertrages, mit einer Änderung der Rechtslage und weitergehenden Anforderungen an den Betrieb der Wettvermittlungsstellen rechnen. Dies galt umso mehr, als in anderen Bundesländern, wie beispielsweise in Berlin, schon nach der alten Rechtslage Abstandregelungen für Wettvermittlungsstellen vorgesehen waren. Soweit die Betreiber vor diesem Hintergrund unter Berufung auf die unionsrechtswidrige Ausgestaltung des Sportwettmonopols und ihre Grundfreiheiten längerfristige Verbindlichkeiten eingingen oder größere Investitionen tätigten, geschah dies bewusst unter der Inkaufnahme des Risikos zeitnaher Rechtsänderungen, die zur Überwindung der im bisherigen System vorhandenen Defizite in jedem Fall erfolgen mussten. Insbesondere verlangt auch das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des damaligen Sportwettmonopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es einem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 35; vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 77). Daran gemessen bestand - ungeachtet eines etwaigen formalen Duldungsbescheids für Wettvermittlungsstellen, demgemäß Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV eine entsprechende Übergangsregelung vorsieht - kein (schutzwürdiges) Vertrauen von Betreibern einer Wettvermittlungsstelle, dem mit Blick auf die getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen durch angemessene Übergangs- bzw. Befreiungsregelungen zu begegnen gewesen wäre.
62
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre die Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens mit der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs als LT-Drs. 18/5861 vom 28. Januar 2020 beseitigt worden, weil ein schutzwürdiges Vertrauen in die geltende Rechtslage bereits dann entfällt, wenn - wie hier ab 28. Januar 2020 - mit einer Neuregelung ernsthaft zu rechnen war (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 199). Der bis zum Inkrafttreten der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV am 17. Juni 2020 (GVBl Nr. 17/2020, S. 287) jedenfalls „faktisch“ geschaffene Übergang von etwa vier Monaten erweist sich vor dem obigen Hintergrund als (noch) ausreichend. Innerhalb dieser Frist lassen sich in der Regel die mit der ggf. notwendigen Aufgabe des Betriebs verbundenen Maßnahmen, wie etwa die Kündigung von Arbeitsverträgen oder des Mietvertrages für Räumlichkeiten und Geräte ergreifen, jedenfalls hinreichend einleiten (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 77 zu einer neunmonatigen Frist). Dabei drohte wegen der Eingliederung in die Vertriebsorganisation eines Sportwettveranstalters außerdem lediglich in begrenztem Maße ein Verlust des Kundenstamms (vgl. ebd.). Ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen besteht gerade nicht (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 199).
63
(iv) Entgegen dem Einwand der Antragstellerin liegt in diesem Kontext auch keine rechtswidrige Anknüpfung an den „Duldungsbescheid“ nach Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV vor. Wie bereits dargelegt konnten Betreiber einer Wettvermittlungsstelle im Grunde von vornherein kein (schutzwürdiges) Vertrauen bilden, dem mit Blick auf getroffene wirtschaftliche Dispositionen durch angemessene Übergangs- und Befreiungsregelungen wie im Spielhallenbereich zu begegnen gewesen wäre. Gleichwohl bestimmt die nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft tretende Regelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV, dass das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war, keine Anwendung findet. Aufgrund des damals gestoppten Verfahrens zur Erteilung der Konzessionen für Sportwettveranstalter konnten keine Erlaubnisse für Wettvermittlungsstellen erteilt werden. Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben insbesondere zur Zuverlässigkeit des Betreibers und zum Spielerschutz effektiver überprüfen zu können, hat Bayern im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Wettvermittlung für Wettvermittlungsstellen der Veranstalter, die im Konzessionsverfahren bereits die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben - insbesondere zur Zuverlässigkeit und zum Spielerschutz - nachgewiesen haben, die Möglichkeit eröffnet, eine formelle Duldung zu erhalten. Diejenigen Anbieter bzw. Betreiber der Wettvermittlungsstellen, die sich dem Duldungsverfahren freiwillig unterworfen haben, war durch die Schaffung einer Übergangsregelung insoweit zu begegnen, als im Vertrauen auf den Bestand des formalen Duldungsbescheids getätigte Investitionen in begrenzten Maße schutzwürdig sind (vgl. dazu auch LT-Drs. 18/5861, S. 12). Diesen alleinigen, rechtlich nicht zu beanstandenden Anknüpfungspunkt des Vertrauensschutzes sieht die Antragstellerin nicht. Die von ihr zitierte Judikatur (vgl. u.a. EuGH, U.v. 4.2.2016 - C-336/14 - Ince - juris; BayVGH, U.v. 8.3.2018 - 10 B 15.990 - juris; OVG NRW, U.v. 23.1.2017 - 4 A 3244/06 - juris; HessVGH, B.v. 29.5.2017 - 8 B 2744/16 - juris) zur Frage der Notwendigkeit der Teilnahme an einem Duldungsverfahren bzw. dessen Verfassungs- und Unionsrechtskonformität zieht die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Anknüpfungspunktes daher nicht in Zweifel.
64
(cc) Eine Inkohärenz der verfahrensgegenständlichen Abstandsregelung ist nach den vorstehenden Maßgaben ebenfalls nicht erkennbar.
65
Das Kohärenzgebot soll verhindern, dass die Geeignetheit einer Regelung zur Verwirklichung des verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielbereichen konterkariert wird (vgl. etwa BVerwG, U.v. 20.6.2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 29 ff.; U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 Rn. 84 f.; vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 124). Ein Mitgliedstaat darf demnach nicht scheinbar legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 67).
66
Unter Anlegung dieses Maßstabs verstoßen die glücksspielrechtliche Erlaubnispflicht und die Abstandsregelung für Wettvermittlungsstellen nicht gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Die zu überprüfenden Regelungen werden nicht durch das Vorgehen in anderen Glücksspielsektoren in einer solchen Weise konterkariert, dass ihre Geeignetheit zur Erreichung der verfolgten Ziele in Frage stünde. Der gesamte Glücksspielmarkt ist zunehmend strengen Regelungen unterworfen, wobei diese sich in ihrer konkreten Ausgestaltung durchaus voneinander unterscheiden. Die im aktuellen Glücksspielstaatsvertrag ausgewiesenen Ziele, namentlich die Belange der Suchtprävention und -bekämpfung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021), des Jugend- und Spielerschutzes (§ 1 Satz 1 Nr. 3 GlüStV 2021) sowie die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Satz 2 Nr. 2 GlüStV 2021) stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die nach den obigen Ausführungen eine Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen können (vgl. auch BVerwG, U.v. 24.11.2010 - 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 69 m.w.N.; U.v. 24.11.2010 - 8 C 15.09 - juris Rn. 68). Dass die verschiedenen Glücksspielformen dabei unterschiedlichen Regelungen unterworfen sind, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums aber insgesamt Bestimmungen gewählt hat, welche ein kohärentes Konzept der Spielsuchtbekämpfung bilden. Durch die strengere Reglementierung des Bereichs der Sportwetten soll gerade den Anforderungen an eine systematische und kohärente Normierung des gesamten Glücksspielbereichs Rechnung getragen werden (vgl. auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 68).
67
(i) Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin erweist sich die streitgegenständliche Abstandsregelung auch nicht wegen der Öffnung des Online-Glücksspielmarktes (mit einem Angebot von Sportwetten und anderen Glücksspielen) als inkohärent. Zunächst lassen die von Online-Angeboten ausgehenden Suchtgefahren keinesfalls den Schluss zu, dass die nach wie vor vom terrestrischen Sportwettgeschäft ausgehenden Risiken vom Gesetzgeber nicht mehr in den Blick genommen werden dürften (vgl. OVG Hamburg, B.v. 18.8.2021 - 4 Bs 193/21 - juris; vgl. auch VGH BW, U.v. 10.2.2022 - 6 S 1922/20 - juris). Für die Teilnahme an Glücksspielangeboten im Internet bestehen auch erhebliche Hürden, wie z.B. die Notwendigkeit der Registrierung, Altersverifizierung, die Verfügungsbefugnis über ein Giro-Konto und ein Handy. Da die Medienkompetenz sowie der Reklamekonsum ganz unterschiedlich ausgeprägt sind, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass insbesondere Kinder und Jugendliche aufgrund einer Präsenz in Medien und Internet von Glücksspielangeboten in ihrem sonstigen täglichen Umfeld nicht mehr nennenswert beeinflusst würden. Eher im Gegenteil belegen die aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass der Anteil an im Internet konsumierten Glücksspielen in den jüngeren Altersgruppen noch relativ gering ist und Glücksspiele noch überwiegend an nicht-virtuellen Orten nachgefragt werden (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 65). Unabhängig hiervon ist zu berücksichtigen, dass die Abstandsregelung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV Kinder und Jugendliche - was analog für Betroffene von Suchtberatungs-/ Suchtbehandlungsstellen gilt - typischerweise in einer Gruppensituation - insbesondere ihrem gemeinsamen (S2.)Weg - schützt und dabei auch dazu beiträgt, das Entstehen einer Gruppendynamik zur Nutzung von Sportwetten zu verhindern. Hinzu kommt, dass Kinder und Jugendliche (aufgrund des Schulwegs) dem Einflussbereich zu diesen Einrichtungen zwingend ausgesetzt sind und es nicht in der Hand von Erziehungsberechtigten liegt, sicherzustellen, dass das Sportwettangebot mit seinen Risiken nicht als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen wird (vgl. VG Karlsruhe, B.v. 7.2.2022 - 2 K 1838/21 - juris Rn. 47). Dies gilt analog für Betroffene, die wegen einer Suchtberatung oder -behandlung auf ihrem Weg zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen notwendig dem Angebot von Sportwetten ausgesetzt sind.
68
(ii) Soweit die Antragstellerin unter Berufung den aktuellen Forschungsbericht der BZgA, Studien der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, des (österreichischen) Instituts für Jugendkulturforschung, dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung sowie u.a. Studien im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Universitäten Mainz und Bielefeld etc. meint, (Geldspielgeräte sowie) Rubbellose als Form der Lotterie seien um ein Mehrfaches gefährlicher als das Angebot von Sportwetten, verwechselt sie Prävalenz und Risikopotenzial. Dass eine bestimmte Form von Glücksspiel häufiger in Anspruch genommen wird, sagt noch nichts über deren Gefährlichkeit aus. Diese ergibt sich vielmehr aus einer Betrachtung des Anteils an Konsumenten mit auffälligem und problematischen Spielverhalten. Insbesondere bei Sofortlotterien und Rubbellosen besteht kein spürbar erhöhtes Risiko problematischen Spielverhaltens (vgl. hierzu VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 62). Nach den aktuellen Zahlen der BZgA erscheinen - über alle Lotterien betrachtet - 8,9% aller Spieler in ihrem Verhalten auffällig respektive risikoreich, aber lediglich 1,2% mindestens problematisch. Für die Sofortlotterien und Rubbellose liegen die entsprechenden Werte sogar nur bei 7,3 bzw. 1,1% und demnach (deutlich) unterhalb derjenigen für Geldspielautomaten und Sportwetten (vgl. BZgA-Forschungsbericht, a.a.O., S. 162; vgl. auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 62). Eine inkohärente Reglementierung ist - bei summarischer Prüfung - insoweit nicht erkennbar.
69
(iii) Rechtliche Bedenken in Bezug auf die Kohärenz ergeben sich auch nicht daraus, dass für staatliche Toto-/ Lotto-Annahmestellen - des ODDSET-Sportwettangebots - keine Abstandsregelungen existieren. Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass es mit dem Mindestabstandsgebot nicht um eine Monopolisierung bestimmter Glücksspielarten geht, sondern lediglich eine räumliche Steuerung der Angebote. Daher kann im Rahmen der Betrachtung der Kohärenz auch nicht verlangt werden, dass der Gesetzgeber für alle Glücksspieltypen gleichförmige Regelungen trifft, konkret also dafür Sorge trägt, dass in dem vorgesehenen Mindestabstand ein jegliches Angebot an Glücksspielen gesetzlich ausgeschlossen ist. Dies wäre nur insoweit angezeigt, als auch andere Formen des Glücksspiels in gleicher Weise Gefahren für Kinder und Jugendliche (bzw. Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen) erzeugten, was nach den obigen Ausführungen nicht zutrifft. Der Gesetzgeber durfte deshalb eine differenzierte Gefahreneinschätzung treffen und abweichende gesetzliche Rahmenbedingungen für die staatlichen Toto-/Lotto-Annahmestellen schaffen (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 90 ff.; vgl. auch BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 Rn. 52). Dies gilt umso mehr, als solche Annahmestellen auf Grund ihres Gepräges von vornherein nicht geeignet erscheinen, in gleichem Maße anziehend auf Kinder und Jugendliche bzw. Betroffene von Suchtberatungs-/ Suchtbehandlungsstellen zu wirken. Sie unterscheiden sich namentlich im Hinblick auf Art und Umfang der angebotenen Glücksspiele. Der überwiegende Teil des Angebots besteht aus Lotterien. Soweit dort Sportwetten vermittelt werden, gibt es typischerweise eine (wesentlich) geringere Angebotspalette. Insbesondere fehlt es an Livewetten, denen ein besonders hohes Suchtpotenzial zugeschrieben wird (vgl. auch LT-Drs. 18/5861, S. 9). Zur Wesensverschiedenheit trägt dessen ungeachtet namentlich der Umstand bei, dass Annahmestellen neben dem staatlichen Glücksspielangebot Artikel des täglichen Lebens wie Zeitungen, Tabakwaren, Schreibwaren, Getränke und Snacks führen, so dass auch Kunden, die nicht an einem Glücksspiel teilnehmen wollen, den Eindruck der Annahmestelle prägen. Schon deshalb ist ihnen eine völlig andere Gestaltung und Atmosphäre zu eigen. Die Tatsache, dass dort gerade auch Kunden ein- und ausgehen, die mit gewöhnlichen, ihren Alltagsbedarf deckenden Bedürfnissen befasst sind, gibt den Annahmestellen ein anderes, alltäglicheres und weniger auf die Befriedigung des Spieltriebs ausgerichtetes Gepräge (vgl. auch LT-Drs. 18/5861, S. 9). Dahingegen finden sich in einer Wettvermittlungsstelle ausschließlich Kunden, die Sportwetten abschließen möchten und sich hierfür gegebenenfalls auch über Stunden in den typischerweise aufgrund ihrer Gestaltung sowie ihres Angebots zum längeren Verweilen einladenden Räumlichkeiten aufhalten (vgl. auch VG Berlin, B.v. 12.6.2020 - 4 L 290/19 - juris Rn. 34 ff.). Nach alledem steht es nicht zu erwarten, dass ein Mindestabstand für Wettvermittlungsstellen zu einer stärkeren Wahrnehmung und ggf. Nutzung im Umgriff von Einrichtungen i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV befindlicher Toto-/Lotto-Annahmestellen führt sowie damit o.g. gesetzgeberische Ziele einer Begrenzung des Einflusses von Glücksspielen auf Kinder und Jugendliche bzw. analog auf Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen konterkariert (vgl. zum Ganzen auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 69 f.).
70
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorbringt, dass sie wegen der unterschiedlichen Reglementierung von Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft (Art. 7 AGGlüStV) und der Wettvermittlung staatlicher Toto-/ Lotto-Annahmestellen im Nebengeschäft (Art. 7a AGGlüStV) nicht die Möglichkeit habe, ein Vertriebsnetz unter den Einschränkungen des Art. 7a AGGlüStV aufzubauen, geht der Einwand fehl. Beide Vertriebsformen sind wesensverschieden und haben unterschiedliche Gefährdungspotenziale, so dass weder eine Ungleichbehandlung wesentlich Gleichem noch eine inkohärente Reglementierung erkennbar ist. Die Regelung des Art. 7a AGGlüStV tritt unabhängig hiervon mit Ablauf des 30. Juni 2024 außer Kraft, erlaubt übergangsweise die Vermittlung von Sportwetten in Annahmestellen für die ausweislich der vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt veröffentlichten sog. White-List konzessionierte Sportwettveranstalterin O. S1. GmbH und dient letztendlich aber im Einklang mit §§ 21a Abs. 2 und 29 Abs. 6 GlüStV 2021 der konsistenten Abwicklung des übergangsweise begrenzten Sportwettangebots: So war bislang in zahlreichen staatlichen Toto-/ Lotto-Annahmestellen die Teilnahme an Sportwetten möglich. Die Veranstaltung dieser Sportwetten diente dem - mit Inkrafttreten des aktuellen Glücksspielstaatsvertrags 2021 für Sportwetten entfallenden - staatlichen Auftrag aus § 10 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012/ 2020, ein ausreichendes Glücksspielangebot als Alternative zum Schwarzmarkt sicherzustellen. Ein insoweit übergangsweise beschränktes Sportwettangebot ermöglicht Kunden und Betreibern der Annahmestellen, sich auf die Rechtsänderung einzustellen. Dies dient letztlich auch einer Vermeidung der Abwanderung von bisherigen Teilnehmern der Sportwette „Oddset“ in den Schwarzmarkt (vgl. LT-Drs. 18/11128, S. 161).
71
(iv) Schließlich erscheint es auch nicht inkohärent, dass in Bayern für Spielhallen keine Mindestabstände zu Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, sondern lediglich Abstandsgebote von 250 m bzw. 500 m zwischen Spielhallen existieren (vgl. LT-Drs. 16/12192, S. 13 f. und 17/16719, S. 3 f.). Wie bereits näher ausgeführt erzeugen Geldspielautomaten im Vergleich zu Sportwetten, insbesondere was die Gestaltung und Angebote angeht, nicht in gleicher Weise Gefahren für (sportbegeisterte) Kinder und Jugendliche bzw. Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen. Eine inkohärente Regelung ist bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht (offensichtlich) erkennbar.
72
(dd) Soweit die Antragstellerin vorbringt, dass das derzeitige Konzessionsverfahren für Sportwettveranstalter verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig sei und daraus resultiere, dass auch das Erlaubnisverfahren für Sportwettvermittler insgesamt unanwendbar sei, geht dieser Einwand fehl. Zutreffend stehen die Erlaubnispflicht für die Veranstaltung von Sportwetten und die Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Sportwetten rechtlich nicht beziehungslos nebeneinander (vgl. dazu BVerwG, U.v. 15.6.2016 - 8 C 5.15 - BVerwGE 155, 261 Rn. 27 f.; B.v. 7.11.2018 - 8 B 29.18 - NVwZ-RR 2019, 226 Rn. 4 ff.; vgl. auch BayVGH, U.v. 8.3.2018 - 10 B 15.990 - juris Rn. 24 ff.; U.v. 8.3.2018 - 10 B 15.994 - juris Rn. 28 ff.). Das Fehlen einer Erlaubnis zur Sportwettvermittlung kann hiernach die Untersagung nicht rechtfertigen, wenn der Zugang zu Erlaubnissen für die Veranstaltung von Sportwetten nicht unionsrechtskonform ausgestaltet ist. Geklärt ist auch, dass aus der rechtlichen Beziehung der beiden Erlaubnisse nicht folgt, dass (unterstellte) Defizite bei der Vereinbarkeit des Erlaubnisverfahrens für die Veranstaltung von Sportwetten zu einem Anspruch auf Erteilung von Erlaubnissen für die Vermittlung von unerlaubt veranstalteten Sportwetten führt (vgl. Seegmüller, jurisPR-BVerwG 11/2019 Anm. 5). Gemessen daran begegnet die streitgegenständliche Untersagung bei summarischer Prüfung keinen Bedenken.
73
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht Darmstadt mit seinem Beschluss vom 1. April 2020 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (3 L 446.20.DA) nicht das Verfahren der Sportwettkonzessionen bzw. Erlaubnisse für Sportwettveranstalter schlechthin für unionsrespektive verfassungswidrig befunden, sondern nur die - nach der damaligen zum 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Fassung des Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrages - zu diesem Zeitpunkt im Gang befindliche Konzessionsvergabe vorläufig „bis zur Nachholung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens“ gestoppt (vgl. VG Darmstadt, B.v. 1.4.2020 - 3 L 446.20.DA - juris Rn. 30 ff.). Die (spätere) Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens zur Erteilung der Sportwettkonzessionen blieb damit weiterhin möglich. Eine solche Heilung ist zum derzeitigen Sach- und Streitstand nach Rücknahme des Eilantrages im Beschwerdeverfahren und Verfahrenseinstellung auch infolge der danach erteilten Erlaubnisse für Sportwettveranstalter erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass derzeit diskriminierungsfrei sowie transparent über die Erlaubnisse für Sportwettveranstalter nach dem GlüStV 2021 entschieden wird respektive die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Darmstadt damals (etwaig) rechtswidrige Vergabe von Sportwettkonzessionen abgestellt oder geheilt wurde. Jedenfalls ist Gegenteiliges nicht ersichtlich. Eine solche Heilung kann für eine (nachgeholte) transparente sowie diskriminierungsfreie Durchführung u.a. durch eine nachträgliche Information von potentiellen Interessenten, eine gewährte Möglichkeit von Aufklärungsgesprächen oder eine pauschale Zurückversetzung bzw. Neuansetzung des Verfahrens erfolgen. Soweit die Antragstellerin eine unveränderte Beteiligung des Glücksspielkollegiums einwendet, wird nach der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. etwa BayVerfGH, E.v. 25.9.2015 - Vf. 9-VII-13 u.a. - juris; E.v. 23.11.2016 - Vf. 1.VII-15 - juris; OVG Hamburg, U.v. 22.6.2017 - 4 Bf 160/14 - juris; OVG Lüneburg, B.v. 14.12.2018 - 11 ME 541/18 - juris; VG Düsseldorf, U.v. 22.1.2016 - 3 K 2472/14 - juris; VG Arnsberg, U.v. 10.10.2018 - 1 K 5592/17 - juris Rn. 64 m.w.N.) entgegen der Ansicht des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. nur HessVGH, B.v. 19.10.2015 - 8 B 1028/15 - juris) eine Involvierung des Glücksspielkollegiums als verfassungskonform angesehen, namentlich im Hinblick auf einen hinreichenden demokratischen Legitimationszusammenhang sowie eine Vereinbarkeit mit dem Bundesstaatsprinzip. Dem schließt sich das Gericht samt den dortigen Erwägungen umfassend an. Nach alledem ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass es an einer unionsrechtskonformen Ausgestaltung des Zugangs zu Erlaubnissen für die Veranstaltung von Sportwetten (noch) mangelt bzw. der streitgegenständlichen Untersagung - nach der von der Antragstellerin insbesondere angeführten Rechtssache Ince (vgl. EuGH, U.v. 4.2.2016 - C-336/14 - Ince - juris) - (noch) entgegengehalten werden könnte.
74
Dessen ungeachtet ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit ihrem Einwand bereits insofern nicht durchzudringen vermag, als die Frage einer tatsächlich diskriminierungsfreien und transparenten Durchführung des Erlaubnisverfahrens für Sportwettveranstalter bzw. ob eine nach den (Verfahrens-)Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages erteilte oder abgelehnte Erlaubnisentscheidung (im Einzelfall) rechtmäßig ist, zwar jeder Bewerber gerichtlich überprüfen lassen kann, nicht jedoch die Antragstellerin. Sie ist nicht zum Kreis der Interessenten der Sportwettveranstalter zu rechnen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich die Antragstellerin, zumal ihr Vertragspartner - der Sportwettveranstalter C. - eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten innehat, insofern auf die etwaige Verletzung eines Verfahrensanspruchs berufen kann.
75
(b) Auch an der Verfassungsmäßigkeit bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
76
(aa) Die Mindestabstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV erweist sich als eine zulässige Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 GG.
77
Zwar greifen Abstandsregelungen in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ein solcher Eingriff erfordert eine kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Grundlage, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (vgl. BVerfG, B.v. 12.1.2016 - 1 BvL 6/13 - BVerfGE 141, 82; B.v. 14.1.2014 - 1 BvR 2998/11 u.a. - BVerfGE 135, 90). Reine Beschränkungen der Berufsausübung können allerdings grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden, soweit Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (vgl. BVerfG, B.v. 30.11.2010 - 1 BvL 3/07 - juris). Es ist dabei vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.1.2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261).
78
Gemessen hieran stellen sich Abstandsregelungen als verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar. Um nämlich objektive Berufswahlbeschränkungen zu sein, müssten sie unter Berücksichtigung ihres gesamten räumlichen Geltungsbereichs, also des Freistaates Bayern, Wirkungen in dem Sinne entfalten, dass die Standortkapazität für Wettvermittlungsstellen erschöpft wäre und damit faktisch eine Kontingentierung vorläge (vgl. etwa BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 Rn. 37). Dies ist aber, auch bei bauplanungsrechtlichen Einschränkungen, nicht ersichtlich. Es erschließt sich zum derzeitigen Stand nicht, dass bereits im Stadtgebiet von K. unter Beachtung des Abstandsgebots keine anderen geeigneten Orte zum Betrieb von Wettvermittlungsstellen bestehen sollten. Die Abstandsregelung gründet sich auch auf hinreichenden Gründen des Allgemeinwohls (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 74). Selbst wenn man eine objektive Berufswahlbeschränkung annehmen wollte, diente bei einer summarischen Prüfung das Abstandsgebot der Abwehr drängender Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut (Gesundheitsschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) und erwiese sich als hinreichend konsistent auf die legitimen Ziele der Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie den Jugend- und Spielerschutz ausgerichtet sowie als nicht unverhältnismäßig (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 131 ff.).
79
(bb) Gleiches gilt für einen eventuellen Eingriff in Art. 14 GG, insbesondere in Bezug auf den von der Antragstellerin angeführten Bestands- und Vertrauensschutz.
80
(cc) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch eine sachwidrige Ungleichbehandlung, insbesondere mit den staatlichen Toto-/ Lotto-Annahmestellen oder mit Spielhallen, ist ebenso nicht ersichtlich.
81
bb) Aber auch wenn man davon ausgeht, dass die Rechtslage noch offen ist, fällt im Übrigen auch eine reine Interessensabwägung zu Ungunsten der Antragstellerin aus.
82
(1) § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 beseitigt von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen die getroffenen Anordnungen im Rahmen der Glücksspielaufsicht gemäß § 9 Abs. 1 GlüStV 2021 (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Der Gesetzgeber hielt die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend geboten, um die umgehende Unterbindung unerlaubten Glücksspiels (§ 4 Abs. 1 GlüStV 2021) im Hinblick auf die Ziele des § 1 GlüStV 2021 effektiv zu ermöglichen (vgl. auch etwa LT-Drs. BW 14/1930, S. 38 f.). Den berechtigten Belangen eines Betroffenen kann in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte hinreichend Rechnung getragen werden.
83
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3a zu beachten, dass hier der Gesetzgeber gerade einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte - neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - juris Rn. 21 f.; vgl. auch BayVGH, B.v. 2.12.2020 - 24 CS 20.2211 - juris Rn. 26; B.v. 25.8.2020 - 24 CS 20.1596 - juris Rn. 24).
84
(2) Nach diesen Maßgaben hat die Antragstellerin keine solchen entsprechend qualifizierten und damit durchgreifenden Gründe substantiiert vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten ihrer privaten Interessen ausfallen müsste. Die im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners verfügte Untersagung dient v.a. der Verhinderung von Glücksspielsucht und Wettsucht sowie dem Jugend- und Spielerschutz und demgemäß dem Schutz überragender Rechtsgüter, namentlich dem Gesundheitsschutz (Art. 2 Abs. 2 GG). Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private (berufliche bzw. unternehmerische) Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung vorliegend zurückzustehen. Der Vortrag der Antragstellerin beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass sie in ihren Wirtschaftsgrundrechten nach Art. 12, 14 und 3 GG bzw. Marktfreiheiten nach Art. 49 und 56 AEUV betroffen ist. Die Antragstellerin behauptet insoweit lediglich wirtschaftliche Einbußen. Der Verweis auf einen im Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg vom 15. März 2022 (1 VB 156/21) erfolgreichen Antrag einer Spielhallenbetreiberin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ablehnende verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zur vorläufigen Duldung ihrer Spielhalle im Eilrechtsschutzverfahren ändert hieran nichts. Zunächst ist der Maßstab der Entscheidung ein anderer als im vorliegenden Verfahren, zumal sich das Landesverfassungsgericht nicht an dem bereits dargelegten Regelungsverhältnis des § 80 Abs. 2 VwGO zu orientieren hat (vgl. VerfGH BW, B.v. 15.3.2022 - 1 VB 156/21 - juris Rn. 19 ff.). Des Weiteren ersetzt der Verweis der Antragstellerin auf die Entscheidung nicht eine - substantiierte - Darlegung ihrer wirtschaftlichen Einbußen (vgl. a.a.O). Schließlich ist die in Bezug genommene Entscheidung weder tatsächlich noch inhaltlich übertragbar. Denn die Antragstellerin betreibt weder nur die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle und verfügt damit nur über diese Einnahmequelle noch ist substantiiert dargelegt oder ersichtlich, dass die Antragstellerin ohne den Weiterbetrieb insgesamt in ihrer Existenz gefährdet wäre (vgl. dazu VerfGH BW, B.v. 15.3.2022 - 1 VB 156/21 - juris Rn. 23). Ein Anspruch auf Duldung besteht bei - wie hier - materieller Illegalität nicht. Auch inhaltlich fehlt es einer vergleichbaren Situation zwischen der zitierten Entscheidung und dem vorliegenden Verfahren. Bereits nach § 10a Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 war die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen erlaubnispflichtig. Die zitierte Entscheidung fußt auf dem hiervon anders zu beurteilenden wirtschaftlichen Interesse bei Bestandsspielhallen (VerfGH BW, B.v. 15.3.2022 - 1 VB 156/21 - juris Rn. 2 ff.). Mit der erstmaligen Schaffung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnispflicht neben der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht wurde bei Bestandsspielhallen in eine unanfechtbare, regelmäßig auch zeitlich unbefristete Genehmigung eingegriffen, aus der sich möglicherweise eine wehrfähige Rechtsposition ergeben könnte.
85
c) Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden.
86
aa) Die Zwangsgeldandrohungen sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 5 VwZVG und sind als geeignete und gleichzeitig mildeste Mittel vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere die Höhe der Zwangsgeldandrohungen, für welche das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin maßgeblich ist, steht mit Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG in Einklang. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin bemisst sich nach der Fortführung des Wettbetriebs in der P.-gasse in K.. Davon ausgehend ergibt sich ein geschätztes wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin, das in der Höhe der angedrohten Zwangsgelder liegen dürfte. Fehler bei der Ermessensausübung sind nicht ersichtlich. Auf die zu Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids angestellten Ausführungen wird im Übrigen entsprechend Bezug genommen.
87
Schließlich steht der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung auch nicht entgegen, dass der Antragstellerin für die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung in Ziffer 2.1 des streitgegenständlichen Bescheids keine Frist gesetzt wurde. Nach dem Wortlaut der Regelung des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist für die Erfüllung der mit einer Zwangsgeldandrohung durchzusetzenden Verpflichtung zwar im Grunde eine Frist zu bestimmen. Allerdings gilt dies nach herrschender Auffassung unmittelbar nur für die Durchsetzung von Handlungs-, nicht aber von Duldung- oder Unterlassungspflichten (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2013 - 22 CS 13.590 - juris Rn. 14; B.v. 15.6.2000 - 4 B 98.819 - juris Rn. 20; U.v. 24.9.1985 - 20 B 85 A.17 - juris Ls. 2). In solchen Fällen ist eine Fristsetzung nur erforderlich, wenn die Erfüllung der Duldungs- oder Unterlassungspflicht (ausnahmsweise) weitere Handlungen oder Vorkehrungen nötig macht und daher eine gewisse „Reaktionsfrist“ geboten erscheint. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier allerdings nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass eine sofortige Einstellung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich wäre. Der Abschluss und die Vermittlung neuer Wettverträge kann nach Aktenlage sofort unterlassen werden. Besondere Vorkehrungen sind hierfür nicht zu treffen. Etwas Anderes wurde auch von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Der pauschale Einwand, es fehle an einer ausreichenden Frist, geht daher fehl. (Gesonderte) Bedenken gegenüber den übrigen Zwangsgeldandrohungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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bb) Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass die Rechtslage noch offen ist, fällt im Übrigen auch eine reine Interessensabwägung zu Ungunsten der Antragstellerin aus.
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Der Sache nach gelten die Ausführungen zu Ziffer 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids entsprechend, weil die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des Bescheids ebenso kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind (Art. 21a VwZVG). Auf die Ausführungen zur zu Ungunsten der Antragstellerin ausfallenden (reinen) Interessensabwägung wird insoweit Bezug genommen. Dessen ungeachtet gilt, dass die Zwangsgeldandrohungen quasi als Folgeentscheidung der (tatsächlichen) Umsetzung der Untersagungsverfügungen dienen. Allein darauf abgestellt, dass die Anordnungen im Rahmen der Glücksspielaufsicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind, ist daher im Regelfall auch davon auszugehen, dass im Hinblick auf eine Folgeentscheidung dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Gesichtspunkte, welche zu einer gegenläufigen Beurteilung führen könnten, sind vorliegend weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.
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2. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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Auf die Frage der Notwendigkeit eines Antrags nach § 123 VwGO zur „Duldung“ des Betriebs der Wettvermittlungsstelle für den Fall der Stattgabe des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO kam es vorliegend nicht an. Dessen ungeachtet bliebe wie hier im Falle der materiellen Illegalität ein auf Duldung gerichteter Antrag aufgrund von § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 ohne Erfolg, wenn und weil eine solche Duldung den präventiven Erlaubnisvorbehalt konterkarieren würde (vgl. VG Gießen, B.v. 18.3.2022 - 4 L 207/22.GI - juris Rn. 39; vgl. auch BVerwG, U.v. 15.6.2016 - 8 C 5.15 - BVerwGE 155, 261 Rn. 28; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 54; BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 35). Auf einen richterlichen Hinweis kam es insoweit nicht an, auch wenn nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der vorliegenden Fallkonstellation die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel nur erreichen könne, wenn sie zum einen im Wege eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die sofort vollziehbare Betriebsuntersagung vorgeht und zum anderen im Wege eines Antrags nach § 123 VwGO ihr Duldungsbegehren verfolgt, der letztere Antrag sei dabei kein Hilfsantrag, sondern ein zweiter Hauptantrag, da das Rechtsschutzziel nur bei kumulativer Stellung beider Anträge erreicht werden könne (VGH BW, B.v.10.2.0222 - 6 S 3680/21 - juris Rn. 4).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.2, 54.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.