Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 11.07.2022 – Au 9 K 21.1462
Titel:

Immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Kleintierkrematoriums

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4
Leitsätze:
1. Das Erfordernis des Einfügens (§ 34 Abs. 1 S. 1 BauGB) hindert nicht schlechthin daran, den vorgegebenen Rahmen zu überschreiten. Aber es hindert daran, dies in einer Weise zu tun, die - sei es schon selbst oder sei es infolge der Vorbildwirkung - geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichungsbedürftige Spannungen zu begründen oder die vorhandenen Spannungen zu erhöhen. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids (§ 9 Abs. 1 BImSchG) kann angenommen werden, wenn vernünftige Gründe für ein gestuftes Vorgehen vorhanden sind. Im Ergebnis genügt bereits die Verringerung des Investitionsrisikos. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
3. Stellt ein geändertes Vorhaben im Verhältnis zu dem im Vorbescheid geregelten Vorhaben ein „Aliud“ dar, wird es von der Bindungswirkung des Vorbescheids nicht erfasst. (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kleintierkrematorium, immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid, bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, Einfügen nach Art und Maß der baulichen Nutzung, das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb (bejaht), berechtigtes Interesse, Bindungswirkung des Vorbescheids
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34259

Tenor

I. Der Vorbescheid vom 4. Juni 2021 (Gz. ...) wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen positiven Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gemäß Antrag vom 8. Mai 2020 zu erteilen.
III. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zur Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines von ihr auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... geplanten Kleintierkrematoriums.
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Die Klägerin betreibt auf dem streitgegenständlichen Grundstück ein Bestattungsinstitut für Human- und Tierbestattungen und beabsichtigt die Errichtung eines Kleintierkrematoriums als Anbau an das bestehende Betriebsgebäude. Bislang werden die zu bestattenden Tierkörper von der Klägerin zur Kremierung in ein Kleintierkrematorium nach ... gebracht. In dem von der Klägerin geplanten, ca. 104 m² großen Anbau sollen ein Kremationsofen sowie ein gekühlter Lagerraum untergebracht werden. Der geplante Kremationsofen soll nach Angaben der Klägerin einen Durchsatz von weniger als 50 kg je Stunde und weniger als 50 kg je Charge aufweisen. Das Betriebskonzept der Klägerin zum Kleintierkrematorium sieht vor, dass die Tierkörper von Mitarbeitern der Klägerin mit einem Lieferwagen bei den Tierhaltern bzw. Tierärzten abgeholt, im gekühlten Lagerraum zwischengelagert und bei Erreichung einer Charge von knapp unter 50 kg verbrannt werden. Publikumsverkehr ist nicht vorgesehen.
3
Das Betriebsgelände der Klägerin in der ...-Straße befindet sich in der nordöstlichen Ecke eines von der ... Straße (im Westen), der Bundesstraße ... (im Norden) und der ... Straße (im Osten) begrenzten Gebiets, dem sogenannten „...“, welches im unbeplanten Innenbereich liegt und im Flächennutzungsplan als „gemischte Baufläche“/Mischgebiet (MI) dargestellt ist. Der nördliche Teil des „...“ wird dabei durch die ...-...-Straße und die ...-...-Straße begrenzt, während sich der südliche Teil des „...“ aus der ...-...-Straße und der ... Straße zusammensetzt.
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Das Gebiet des „...“ ist durch unterschiedliche Nutzungsformen gekennzeichnet. So finden sich neben der vorhandenen Wohnbebauung auch verschiedene Gewerbebetriebe wie beispielsweise den bestehenden Betrieb der Klägerin, eine daran südöstlich angrenzende LKW-Werkstatt, eine Kampfschule, einen Fahrradverleih sowie eine Physio- und Osteopathiepraxis.
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Mit Schreiben vom 8. Mai 2020 beantragte die Klägerin für das von ihr geplante Kleintierkrematorium die Erteilung eines Vorbescheids nach § 9 BImSchG und legte dabei auch ein in Absprache mit dem Beklagten beauftragtes Immissionsschutzgutachten vom 15. Januar 2020 vor. Zur Konkretisierung war dem Antrag ein Begleitschreiben vom 23. Januar 2020 beigefügt.
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Mit Bescheid vom 4. Juni 2021 lehnte der Beklagte die Erteilung des beantragten Vorbescheids ab und erklärte die Errichtung des geplanten Kleintierkrematoriums für bauplanungsrechtlich unzulässig.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauGB bzw. § 34 Abs. 3a BauGB lägen nicht vor. Das Vorhaben füge sich nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. Diese bestehe maßgeblich aus den Quartieren entlang der ...-...-Straße sowie der ...-...-Straße/...-...-Straße und stelle sich als faktisches allgemeines Wohngebiet dar. Die Annahme eines Mischgebiets scheitere an der für die Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und nicht-störendem Gewerbe erforderlichen quantitativen sowie qualitativen Durchmischung der näheren Umgebung. Es lägen insgesamt nur drei mischgebietstypische Betriebe vor. Dabei handle es sich um den bestehenden Betrieb der Klägerin, einen Caravan-Service und eine Immobilienagentur. Die an das Grundstück der Klägerin angrenzende LKW-Werkstatt sei als Fremdkörper zu bewerten, da es sich um einen aufgrund seines Störgrads grundsätzlich nur im Gewerbegebiet zulässigen Betrieb handle. Bei den darüber hinaus vorhandenen Betrieben (EDEKA-Markt, Bäckerei, Friseur) handle es sich wegen ihres gebietsversorgenden Charakters um typische Nutzungen im allgemeinen Wohngebiet und nicht um mischgebietstypische Betriebe. Die im Gebiet vorhandenen Ferienwohnungen seien als im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässige Beherbergungsbetriebe zu qualifizieren. In der Gesamtbetrachtung stünde den drei mischgebietstypischen Nutzungen damit die eigennützige Wohnnutzung in 42 Objekten gegenüber, sodass die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei. Das von der Klägerin geplante Kleintierkrematorium sei daher im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung unzulässig, da es sich um ein das Wohnen störendes gewerbliches Vorhaben handle.
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Das Vorhaben wäre jedoch auch in einem unterstellten Mischgebiet unzulässig. Dies ergebe sich einerseits aus der bestehenden Genehmigungspflicht nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, weil in diesem Fall in aller Regel ein konkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotenzial unterstellt werden müsse, welches eine Zulassung im allgemeinen Wohngebiet als auch im Mischgebiet in der Regel ausschließe. Eine Atypik, nach der das Vorhaben mischgebietsverträglich wäre, sei nicht ersichtlich. Auch bei kleineren Tierverbrennungsanlagen, die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfielen, sei grundsätzlich ein Störpotential anzunehmen. Die Klägerin beabsichtige auch, die für den Anlagentyp zugelassene Kapazitätsgrenze von weniger als 50 kg je Stunde auszuschöpfen. Von einer in Art und Betriebsweise atypischen Anlage könne deshalb nicht ausgegangen werden.
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Das Vorhaben füge sich aber auch nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung der insoweit maßgeblichen ...-...-Straße und ...-...-Straße ein. Es fehle an einem Referenzobjekt, das in den Maßfaktoren der beabsichtigen Bebauung entspreche. Würde das beantragte Maß der baulichen Nutzung genehmigt, würde diese künftig auch für Gebäude auf den bisher unbebauten Flächen gelten. Hierdurch würden bodenrechtliche Spannungen begründet bzw. intensiviert.
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Auch scheide die Zulassung des abweichenden und sich nicht einfügenden Maßes der baulichen Nutzung auf Grundlage des § 34 Abs. 3a BauGB aus. Hierfür fehle es am erforderlichen Einzelfallcharakter, an einem dienenden Vorhaben als auch an der städtebaulichen Vertretbarkeit. Ein Einzelfall liege nicht vor, da die Bebauung auf dem streitgegenständlichen Grundstück ein geeignetes Referenzobjekt für die weiteren Grundstücke in der Umgebung sei. Es sei daher zu befürchten, dass auch für die dort bebauten bzw. unbebauten Grundstücke eine vergleichbare Bebauung eingefordert werde. Auch liege kein Bestandsvorhaben in Form eines gewerblichen Betriebs, dem die Erweiterung zu dienen bestimmt ist, vor. Durch das beabsichtigte Vorhaben entstehe zusätzlich zum bestehenden reinen Bestattungsservice ein komplett neuer Betriebszweig in Form der Tierkörperbeseitigungsanlage, welchem auch eine andere städtebauliche Qualität zukomme.
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Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2021 hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 4. Juni 2021 Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Vorbescheid vom 4. Juni 2021 wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verpflichtet, den am 8. Mai 2020 gestellten Antrag auf Vorbescheid gem. § 9 BImSchG für ein geplantes Kleintierkrematorium auf dem Grundstück Fl.Nr. ...der Gemarkung ... positiv zu verbescheiden.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die beabsichtigte Errichtung eines Kleintierkrematoriums sei bauplanungsrechtlich zulässig. Das Vorhaben füge sich nach seiner Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Der insoweit maßgebliche Gebietsumgriff sei richtigerweise auf das Baugrundstück der Klägerin sowie das südöstlich hiervon gelegene Anwesen der ...-...-Straße ... zu begrenzen. Die dort vorzufindende gewerbliche Bau- und Nutzungsstruktur, die durch große Baukörper sowie große (nicht begrünte) Flächen geprägt sei, grenze sich deutlich von der umliegenden Bau- und Nutzungsstruktur ab. Diese sei vielmehr durch gemischte Nutzungsformen gekennzeichnet. Nicht begrünte Abstellflächen seien hier nur vereinzelt vorzufinden. Die städtebauliche Situation des streitgegenständlichen Grundstücks bedinge es somit, den maßgeblichen Gebietsumgriff auf das Baugrundstück und das Anwesen der ...-...-Straße ... zu begrenzen. Die Eigenart dieses Gebiets sei eindeutig als faktisches Gewerbegebiet zu charakterisieren, in welches sich das geplante Vorhaben auch ohne weiteres einfüge. Selbst wenn man jedoch die nähere Umgebung weiter fassen wollte, läge ein faktisches Mischgebiet vor, in welches sich das Vorhaben der Klägerin ebenso einfügen würde. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass in der näheren Umgebung lediglich drei mischgebietstypische Betriebe vorzufinden seien. In dem zu betrachtenden Bereich fänden sich noch eine Vielzahl weiterer allgemein zulässiger und damit mischgebietstypischer Gewerbebetriebe. Hierzu sei der Messerverarbeitungsvertrieb „...“ zu zählen. Die weiteren Betriebe (Edeka, Bäcker, Friseur) seien keine Betriebe, die allein der Versorgung des Gebiets dienten und könnten deshalb nicht den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets begründen. Auch die im Gebiet vorhandenen Ferienwohnungen seien jedenfalls aufgrund ihrer Anzahl als mischgebietstypische Nutzungsform einzustufen, da diese - anders als in allgemeinen Wohngebieten - in Mischgebieten nach § 13a Satz 1 BauNVO i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig seien. Jedenfalls könne wegen der im gesamten Baugebiet vorhandenen und dieses prägenden (Verkehrslärm-) Immissionsbelastung nicht vom Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets ausgegangen werden. Es sei auch davon auszugehen, dass das geplante Kleintierkrematorium das Wohnen nicht wesentlich störe. Dies gelte sowohl hinsichtlich des zu erwartenden Betriebslärms, als auch hinsichtlich der zu erwartenden anlagenbezogenen Schadstoffimmissionen. Ausweislich des mit dem Antrag vorgelegten Immissionsschutzgutachtens werde das Bauvorhaben in Gänze dem Schutzanspruch gerecht, der in faktischen Mischgebieten bestehe. Da für das geplante Krematorium kein Publikumsverkehr vorgesehen sei, werde die im Baugebiet bereits bestehende Lärmbelästigung lediglich fortgesetzt, ohne diese in nennenswerter und erheblicher Form zu vertiefen. Darüber hinaus sei das Vorhaben auch nach dem Maß der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig. Maßgebend sei die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes und seiner Umgebungsbebauung. In der näheren Umgebung seien Referenzobjekte vorhanden, mit denen das Bauvorhaben der Klägerin vergleichbar sei. Diese Bebauung sei ebenfalls durch große Grundflächen gekennzeichnet und geprägt. Auch komme dem geplanten Vorhaben keine negative Vorbildwirkung zu. Dies gelte schon deshalb nicht, weil bei den Neubauvorhaben auf den Anwesen ...-...-Straße ... und ...-...-Straße ... offensichtlich eine Bebauung mit einer deutlich höheren Grundflächenzahl genehmigt worden sei. Jedenfalls aber hätte der Beklagte eine Abweichung vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB erteilen müssen. Das Vorhaben diene dem bestehenden Bestattungsunternehmen der Klägerin. Diese biete auch bezüglich Tieren bereits gegenwärtig Dienstleistungen an, sodass das Kleintierkrematorium dem bestehenden Betriebszweig zugeordnet werden könne. Zudem komme dem Vorhaben auch Einzelfallcharakter zu, weil es vorliegend um die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebs gehe. Die geplante Erweiterung sei letztlich auch städtebaulich vertretbar. Die von der Errichtung und dem Betrieb des Kleintierkrematoriums ausgehenden Immissionen seien für die Nachbarschaft nicht mit erheblichen, jedenfalls aber nicht mit unzumutbaren Beeinträchtigungen verbunden.
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Die Regierung von ... ist der Klage mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 für den Beklagten entgegengetreten und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Begrenzung der näheren Umgebung auf das streitgegenständliche Grundstück und das Grundstück Fl.Nr., auf dem sich der Betrieb einer LKW-Werkstatt befindet, sei nicht gerechtfertigt. Der von der Klägerin als Abgrenzung herangezogenen Grünstreifen im Westen des Vorhabengrundstücks führe insoweit zu keiner anderen Bewertung. Zwar könnten topografische Besonderheiten auch bei der Bestimmung der Reichweite der näheren Umgebung eine Rolle spielen. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die jeweilige Besonderheit nicht der Disposition des jeweiligen Grundstückseigentümers unterliege. Dies sei bei den als Grünstreifen bezeichneten Baulücken nicht der Fall.
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Die danach weiter zu fassende nähere Umgebung sei auch nicht als Mischgebiet oder sonstige Gemengelage zu charakterisieren. Bezüglich der der Versorgung dienenden Gewerbebetriebe (Edeka, Bäcker, Friseur) könne ein gebietsversorgender Charakter nicht wegen der vorhandenen Stellplätze verneint werden. Die Betriebe seien in erheblichem Umfang auf die Versorgung der Bewohner aus dem umliegenden Baugebiet ausgerichtet, was sich an der geringen Anzahl der vorhandenen Stellplätze zeige.
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Das Vorhaben der Klägerin füge sich auch nicht in ein Mischgebiet ein. Eine Atypik des geplanten Betriebs sei nicht ersichtlich, da die Kapazitätsgrenze aus Ziffer 7.12.1.3 des Anhangs 1 der 4. BImSchV voll ausgeschöpft werden solle.
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Ergänzend wird auf die detaillierten Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22. Dezember 2021 verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 hat die Bevollmächtigte der Klägerin ergänzend ausgeführt, dass es sich bei dem von der Klägerin geplanten Kleintierkrematorium um eine atypische Anlage handle. Der Nutzungsart wohne bereits aufgrund ihrer Seltenheit eine gewisse Atypik inne und sei nicht mit Anlagen der Großviehkremierung vergleichbar. Diese zeichne sich durch einen industriellen Charakter aus, welcher sich auch in den Modalitäten des An- und Abtransports, den umgesetzten Mengen als auch dem konkreten Lärmstörpotential bemessen lasse.
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Das Gericht hat am 2. Juni 2022 einen Augenscheinstermin durchgeführt und am 11. Juli 2022 mündlich verhandelt.
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Bezüglich des weiteren Vortrags der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des von ihr geplanten Kleintierkrematoriums (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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I. Gegenstand der vorliegenden Klage ist der von der Klägerin beantragte Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des von ihr geplanten Kleintierkrematoriums, welches ausweislich des dem Antrag beigefügten Begleitschreibens vom 23. Januar 2020 mit einem Durchsatz von weniger als 50 kg je Stunde und weniger als 50 kg je Charge betrieben werden soll.
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Bei dem in diesem Umfang betriebenen Kleintierkrematorium handelt es sich nach Nr. 7.12.1.3 der Anlage 1 zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG), sodass die Prüfung des beantragten Vorbescheids auf Grundlage von § 9 Abs. 1 BImSchG erfolgt.
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II. Nach § 9 Abs. 1 BImSchG soll auf Antrag (1.) durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen (2.) entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse (3.) an der Erteilung des Vorbescheids besteht. Die Entscheidung über den Vorbescheid ist dabei gebundener Natur, d.h. der Vorbescheid muss bei Vorliegen der Voraussetzungen im Regelfall erteilt werden (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 9 Rn. 13).
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Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BImSchG erfüllt. Die Klägerin hat damit einen Anspruch auf die Erteilung des von ihr beantragten Vorbescheids.
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1. Mit Schreiben vom 8. Mai 2020 hat die Klägerin die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG wirksam beantragt. Insbesondere wird in dem dem Antrag beigefügten Begleitschreiben vom 23. Januar 2020 der Gegenstand des beantragten Vorbescheids - die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit - im Einzelnen ausreichend beschrieben.
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2. Die vorliegend zur Entscheidung gestellte Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des geplanten Kleintierkrematoriums stellt eine einzelne Genehmigungsvoraussetzung der für die Anlage nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar, über die im Wege des Vorbescheids nach § 9 Abs. 1 BImSchG vorab mit Bindungswirkung entschieden werden kann (a). Das von der Klägerin konkret geplante Vorhaben erweist sich dabei im Ergebnis als bauplanungsrechtlich zulässig (b).
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a) Als Gegenstand eines Vorbescheids nach § 9 Abs. 1 BImSchG kommt gemäß § 9 Abs. 3 BImSchG jede beliebige Voraussetzung der späteren Genehmigung nach § 6 Abs. 1 BImSchG in Betracht. Hiernach ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und § 7 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes, der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BImSchG sind dabei insbesondere die Bestimmungen des Bauplanungsrechts (Dietlein in Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, 97. EL Dezember 2021, § 6 BImSchG Rn. 30), sodass es sich bei der von der Klägerin aufgeworfenen Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens um eine einzelne Genehmigungsvoraussetzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BImSchG handelt.
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b) Das Vorhaben der Klägerin erweist sich als bauplanungsrechtlich zulässig. Das Vorhabengrundstück der Klägerin liegt nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten im unbeplanten Innenbereich, sodass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB beurteilt.
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Gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung (BauNVO), beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
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aa) Im Allgemeinen fügt sich ein Vorhaben ein, wenn es sich hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Kriterien innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Auch ein rahmenwahrendes Vorhaben kann aber ausnahmsweise unzulässig sein, wenn es nicht die gebotene Rücksicht auf die Bebauung in der Nachbarschaft nimmt. Umgekehrt ist ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben ausnahmsweise zulässig, wenn es trotz der Überschreitung keine städtebaulichen Spannungen hervorruft oder verstärkt (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.2021 - 15 B 19.2130 - juris Rn. 44).
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Unter der für die Bestimmung des Rahmens maßgeblichen „näheren Umgebung“ ist diejenige Umgebung zu verstehen, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder beeinflusst. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Dabei ist unter wertender und bewertender Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse an äußerlich erkennbare, also mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse anzuknüpfen. Die nähere Umgebung ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.2021 - 15 B 19.2130 - juris Rn. 45).
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bb) Das geplante Kleintierkrematorium fügt sich seiner Art nach in die nähere Umgebung ein, die nach Ansicht der Kammer einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO entspricht.
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(1) Grundsätzlich gelten als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegenden Straßenseiten (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2010 - 2 ZB 08.2775 - juris Rn. 4; B. v. 30.1.2013 - 2 ZB 12.198 - juris Rn. 5). Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Art der baulichen Nutzung kann der maßgebliche prägende Umgebungsbereich jedoch auch weiter zu ziehen sein als etwa bei der eher kleinräumig ausgerichteten Beurteilung des Nutzungsmaßes oder der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2021 - 15 CS 21.403 - juris Rn. 65 m.w.N.). Auch die auf dem Vorhabengrundstück vorhandene Bebauung ist dabei zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 22.9.1967 - 4 C 109.65 - juris Rn. 18).
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Auf der Grundlage dieser Kriterien ist für die Beurteilung des Einfügens nach der Art der baulichen Nutzung auf den durch die ... Straße, die Bundesstraße ... und die Bundesstraße ... begrenzten Bereich des sogenannten „...“ abzustellen. Dieses Gebiet besteht im nördlichen Teil aus dem Quartier „...-...-Straße mit ...-...-Straße“ und im Süden aus dem Quartier „...-...-Straße mit Teilen der ... Straße“ und ist räumlich von der umgebenden Bebauung klar abgegrenzt. Im Norden wird das Gebiet des „...“ durch die in einer Senke liegende Bundesstraße, und im Osten durch die Bundesstraße ... begrenzt. Zu beiden Straßen besteht keine unmittelbare Erschließung. Im Süden und Westen stellt die ... Straße die Grenze zum Gewerbegebiet ... Nord dar, welches als ausschließlich gewerblich geprägte Struktur einen deutlichen Kontrast zum „...“ aufweist.
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In der damit maßgeblichen näheren Umgebung des sogenannten „...“ finden sich neben einer größeren Zahl von Wohngebäuden mehrere die Umgebung prägende gewerbliche Nutzungseinheiten.
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Im nördlichen Teil des „...“ (...-...-Straße mit ...-...-Straße) befinden sich neben dem auf dem Vorhabengrundstück bereits bestehenden Bestattungsunternehmen der Klägerin, auf dem diesem nächstgelegenen Grundstück (Fl.Nr. ...) eine LKW-Werkstatt sowie ein Fahrradverleih. Hiervon nordwestlich gelegen finden sich weitere Gewerbebetriebe wie ein „Caravan-Service“ samt Mietgaragen, eine Kampfschule sowie eine Praxis für Physio- und Osteopathie.
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Der südliche Teil des „...“ (...-...-Straße mit Teilen der ... Straße) ist sowohl durch Wohnnutzung als auch durch gewerbliche Nutzung, wie beispielsweise eine Bäckerei, einen Friseur, einen Supermarkt (Edeka), einen Schneidwarenhersteller (...) sowie ein Fitnessstudio geprägt. Zudem befinden sich dort in mehreren Wohngebäuden auch Ferienwohnungen.
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(2) Die so bestimmte maßgebliche nähere Umgebung des „...“ stellt sich nach Auffassung der Kammer als Mischgebiet (MI) im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO dar.
44
Das Gebiet des „...“ zeichnet sich in besonderem Maße durch die vorhandene Durchmischung der beiden, den Gebietscharakter eines Mischgebiets nach § 6 Abs. 1 BauNVO begründenden Hauptnutzungsarten Wohnen und Gewerbe aus. Insbesondere lässt die Vielfältigkeit der im Gebiet vorgefundenen mischgebietstypischen gewerblichen Nutzungen auf eine quantitative Gleichwertigkeit von Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung schließen, was die Annahme eines faktischen Mischgebiets im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 1 BauNVO rechtfertigt. Gegen eine Einordnung als Mischgebiet spricht nicht, dass Teile des Gebiets mehr gewerblich, andere Teile des Gebiets hingegen mehr durch Wohnnutzung geprägt sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 6 BauNVO Rn. 10b). Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den vor allem im südlichen Bereich des „...“ vorgefundenen Ferienwohnungen nach § 13a Satz 1 BauNVO in der Regel um nicht störende Gewerbebetriebe handelt, die nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO im Mischgebiet allgemein zulässig sind. Ein Übergewicht der Wohnnutzung gegenüber der gewerblichen Nutzung lässt sich damit insgesamt nicht feststellen. Der Annahme des Beklagten, es liege im maßgeblichen Quartier ein allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 Abs. 1 BauNVO vor, kann daher nach der beim Augenschein vorgefundenen örtlichen Situation nicht gefolgt werden.
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(3) Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei dem geplanten Kleintierkrematorium der Klägerin auch um einen mischgebietstypischen Gewerbebetrieb.
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Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 BauNVO sind in Mischgebieten sonstige Gewerbebetriebe allgemein zulässig, wenn sie das Wohnen nicht wesentlich stören. Diese Voraussetzungen erfüllt das klägerische Vorhaben. Insbesondere steht der Einstufung als ein das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb nicht entgegen, dass es sich bei dem geplanten Kleintierkrematorium um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage handelt.
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Zwar kennzeichnet die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht grundsätzlich ein anlagentypisches Gefährdungspotential, sodass entsprechenden Anlagen im Bauplanungsrecht in aller Regel ein konkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotential unterstellt werden muss, doch kann es nach der Regelung des § 15 Abs. 3 BauNVO nicht allein bei einer solchen, rein typisierenden Betrachtung bleiben. Nach § 15 Abs. 3 BauNVO ist die Zulässigkeit von Anlagen in Baugebieten gerade nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des BImSchG und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen. Der eindeutige Wortlaut der Norm schließt es aus, den Umstand, dass eine Anlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, als alleiniges Zulassungshindernis anzusehen. Allerdings dürfen die Regelungen der 4. BImSchV über die Genehmigungsbedürftigkeit potenziell störender Betriebe bei ihrer bauplanungsrechtlichen Beurteilung auch nicht vernachlässigt werden, denn die Tatsachen, die dieser Wertung des Verordnungsgebers zugrunde liegen, und diese Wertung selbst, bilden durchaus Anhaltspunkte für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit. Dies bringt § 15 Abs. 3 BauNVO auch dadurch zum Ausdruck, dass die Vorschrift lediglich verbietet, allein die immissionsschutzrechtlichen Einordnungen heranzuziehen. Damit wird zugleich vorausgesetzt, dass sie - neben anderen Gesichtspunkten - Grundlage für die bauplanungsrechtliche Beurteilung sein können (vgl. hierzu auch Wahlhäuser in Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 6 Rn. 38). Die Typisierungen des Immissionsschutzrechts dürfen jedoch nicht undifferenziert in das Bauplanungsrecht übertragen werden. Relevant für die Beurteilung der Gebiets(un) verträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung wie insbesondere die Art und Weise der Betriebsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr sowie der Einzugsbereich des Betriebes (BVerwG, B.v. 25.3.2004 - 4 B 15.04 - BeckRS 2004, 21844). Maßgeblich ist, ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben wird (BVerwG, U.v. 8.11.2001 - 4 C 18.00 - BeckRS 2002, 20839).
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Nach diesen Kriterien erweist sich das von der Klägerin geplante Kleintierkrematorium nach Ansicht der Kammer als ein das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb.
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Für die Beurteilung des Einfügens nach der Art der Nutzung kommt es auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Beklagten aufgeworfene Problematik, inwieweit es sich beim klägerischen Vorhaben angesichts des geplanten Kremationsofens mit einem abstrakten Fassungsvermögen von mehr als 50 kg je Charge auch bei Anbringung einer entsprechenden Wiegeeinrichtung zur Begrenzung des Kapazität auf weniger als 50 kg je Charge (noch) um eine nach Nr. 7.12.1.3 der Anlage 1 zur 4. BImSchV im vereinfachten Genehmigungsverfahren (V) zu genehmigende Anlage handelt, oder ob in diesem Fall vielmehr eine im gewöhnlichen Verfahren (G) zu genehmigende Anlage nach Nr. 7.12.1.2 der Anlage 1 zur 4. BImSchV vorliegt, nicht entscheidungserheblich an. Wie oben dargestellt, ist vielmehr auf das Störpotential der konkret geplanten Anlage unter Berücksichtigung ihrer Betriebsweise abzustellen. Denn aus der Tatsache, dass ein Vorhaben im gewöhnlichen Verfahren zu genehmigen ist, folgt nicht automatisch die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit im Mischgebiet.
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Zwar wird einer Tierkörperbeseitigungsanlage mit der Einordnung unter Nr. 7.12.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV ein abstraktes Störpotential attestiert, doch handelt es sich bei dem in Rede stehenden Kleintierkrematorium unabhängig von der konkreten Kapazität nicht um eine typische Tierkörperbeseitigungsanlage im Sinne der Nr. 7.12.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV, die im Regelfall eine Anlage zur industriellen Beseitigung oder Verwertung tierischer Abfälle darstellt. Das Betriebskonzept des von der Klägerin geplanten Kleintierkrematoriums ist jedoch gerade nicht auf die bloße Beseitigung von Tierkadavern ausgerichtet, sondern legt den Fokus vielmehr auf die Vorbereitung eines individuellen Abschieds vom Haustier.
51
Nach dem von der Klägerin dargestellten Betriebskonzept geht von der Anlage kein mit den typischerweise von Nr. 7.12.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV erfassten Tierbeseitigungsanlagen vergleichbares Störpotential aus. So sollen die zu kremierenden Tierkörper beim Tierhalter oder Tierarzt von Mitarbeitern der Klägerin - wenn möglich in Sammelfahrten - abgeholt und zum Betriebsgelände verbracht werden. Mit einem wesentlich erhöhten Fahrzeugaufkommen ist daher nicht zu rechnen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin bereits im Rahmen des bestehenden Unternehmens Tierbestattungen anbietet und mit dem dabei erforderlichen Transport der zu kremierenden Tierkörper in ein Kleintierkrematorium nach München derzeit schon ein entsprechender Fahrverkehr verbunden ist.
52
Weiter ist zu berücksichtigen, dass der geplante Anbau durch das Bestandsgebäude des Bestattungsunternehmens der Klägerin in Richtung der in der Umgebung vorhandenen Wohnbebauung abgeschirmt wird, sodass von einem das Wohnen wesentlich störenden Gewerbebetrieb nicht ausgegangen werden kann. Dies gilt umso mehr, als der Anbau im äußersten Westen des „...“ in unmittelbarer Nähe zur Bundesstraße ... liegt und unmittelbar nur an die deutlich lärmintensivere LKW-Werkstatt angrenzt. Angesichts dieser Randlage im deutlich gewerblich geprägten Bereich des „...“ ist von einer Gebietsverträglichkeit im maßgeblichen Quartier auszugehen.
53
Diese Einschätzung wird letztlich auch durch das von der Klägerin in Abstimmung mit dem Beklagten in Auftrag gegebene Immissionsschutzgutachten vom 15. Januar 2020 bestätigt. Nach diesem Gutachten sind die von der Anlage zu erwartenden Schadstoffemissionen als gering einzuschätzen. Die Schadstoffkonzentrationen unterschreiten die Emissionsbegrenzungen der TA Luft und der Richtlinie zur Emissionsminderung bei Anlagen zur Heimtierkremation des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI 3890) deutlich. Bei einigen Schadstoffen liegt die Konzentration sogar unter der Nachweisgrenze (Gutachten S. 14). Auch die zu erwartenden Schallemissionen werden im Gutachten aufgrund der vorgesehenen Einhausung und der Abschirmwirkung des Bestandsgebäudes des Bestattungsunternehmens der Klägerin als gering bewertet (Gutachten S. 22,23). Da die Anlage lediglich an Werktagen zur Tagzeit betrieben werden soll, sei davon auszugehen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärmemissionen hervorgerufen werden (Gutachten S. 28).
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cc) Das Vorhaben der Klägerin fügt sich nach Auffassung der Kammer auch nach dem Maß der baulichen Nutzung ein.
55
(1) Der Bereich der für das Einfügen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung ist für die Frage des Nutzungsmaßes in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (BayVGH, B.v. 16.12.2009 - 1 CS 09.1774 - BauR 2010, 506), weil die von dem Nutzungsmaß ausgehende Prägung in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen zurückbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2005 - 1 CS 043461 - juris Rn. 18; OVG NRW, U.v. 7.11.1996 - 7 A 4820/95 - juris Rn. 36).
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Für die Beurteilung, ob sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung einfügt, ist auf den nördlichen Teil des „...“, bestehend aus der ...-...-Straße und der ...-...-Straße, abzustellen. Der südliche Teil des „...“, bestehend aus ... Straße und ...-...-Straße, wirkt hingegen aufgrund der Entfernung, einer fehlenden direkten Zuwegung und weitgehend fehlender Blickbeziehungen nicht mehr prägend auf das Vorhabengrundstück ein. Dies gilt umso mehr, als der geplante Anbau im rückwärtigen Bereich des Bestandsgebäudes errichtet werden soll und von diesem optisch abgeschirmt wird.
57
(2) Maßgebend für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung (BayVGH, U.v. 22.9.2020 - 15 B 19.1495, 15 B 19.1496 - juris Rn. 19). Sachgerechte Beurteilungsmaßstäbe sind damit in erster Linie diejenigen Kriterien der Baunutzungsverordnung zur Bestimmung des Nutzungsmaßes, welche die Baukörpergröße durch absolute Maße begrenzen (BVerwG, U.v. 3.4.2014 - 4 B 12.14 - juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 18.7.2013 - 14 B 11.1238 - juris Rn. 25). Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung sind nicht die Feinheiten der Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung bezüglich Grund- oder Geschossflächenzahl ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das Gebäude als solches in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, U.v. 23.3.1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277). Demzufolge ist bei der Prüfung des „Einfügens“ i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Dies sind in erster Linie die flächenmäßige Ausdehnung, d. h. die (absolute) Grundfläche, die - das Dachgeschoss mit umfassende - Geschosszahl und die Höhe eines Gebäudes (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2013 - 2 B 13.1995 - juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 23.3.1994 a.a.O. Rn. 12). Bei offener Bebauung kann zusätzlich auch das Verhältnis des Gebäudes zur umgebenden Freifläche prägend sein (BVerwG, U.v. 3.4.2014 a.a.O.). Die Übereinstimmung in nur einem Maßfaktor genügt jedoch nicht, weil sie dazu führen könnte, dass durch eine Kombination von Bestimmungsgrößen, die einzelnen Gebäuden in der näheren Umgebung jeweils separat entnommen werden, Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben (BVerwG, U.v. 8.12.2016 - 4 C 7.15 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 22.9.2020 - 15 B 19.1495, 15 B 19.1496 - juris Rn. 19). Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung ist alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Außer Acht gelassen werden darf lediglich, was die Bebauung nicht prägt, weil es nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint (BVerwG, U.v. 8.12.2016 a.a.O. Rn. 13; U.v. 15.2.1990 - 4 C 23.86 - BVerwGE 84, 322).
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(3) Unter Beachtung dieser Maßstäbe fügt sich das Vorhaben der Klägerin hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein.
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Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich lediglich um einen Anbau, der in seinen Ausmaßen im Hinblick auf die Maßkriterien Höhe und Geschosszahl hinter dem die Umgebung prägenden Bestandsgebäude zurückbleibt. Nach Fertigstellung des Vorhabens ist lediglich der den First um 5,15 m überragende Kamin des Kremationsofens optisch zusätzlich wahrnehmbar. Dieser ist als singuläres Element bezogen auf die geplante Ausführung nicht in der Lage, die Maßkriterien im Hinblick auf künftige Bauvorhaben zu verschieben. Insoweit ist ein Einfügen des Vorhabens unproblematisch gegeben.
60
Im Hinblick auf die Grundfläche fällt das Vorhaben bei Betrachtung der überbauten Flächen im Verhältnis zur maßgeblichen Umgebung nicht aus dem Rahmen des Vorhandenen. Setzt man die überbaute Fläche des Vorhabengrundstücks zur Grundstücksgröße ins Verhältnis, so ergibt sich unter Berücksichtigung des geplanten Anbaus eine Bebauung von ca. 36%. Im Vergleich hierzu weist beispielsweise das Grundstück mit der Fl.Nr.-Nr. ... eine (Wohn-)Bebauung von ca. 27% auf. Insoweit kann in Bezug auf das klägerische Vorhaben nicht von einer signifikanten Abweichung von der übrigen maßgeblichen Bebauung bezogen auf die Grundfläche ausgegangen werden. Im Übrigen ist die Vergleichbarkeit vorliegend ohnehin durch den Umstand relativiert, dass sich im maßgeblichen Quartier Grundstücke mit wesentlich differierenden Größen finden. So weisen insbesondere die westlich gegenüber dem Vorhabengrundstück liegenden Grundstücke im Vergleich zum streitgegenständlichen Grundstück bereits eine deutlich abweichende Struktur auf, da der Bereich hier augenfällig kleinparzellierter ist. Auch dies relativiert eine Vergleichbarkeit in Bezug auf das Kriterium der Grundfläche.
61
Zudem ist vorliegend aufgrund der fehlenden optischen Wahrnehmbarkeit des Anbaus im rückwärtigen Bereich, der hinter den Ausmaßen des Bestandsgebäudes zurückbleibt, bereits fraglich, ob die Grundfläche hier überhaupt ein für das Einfügen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB taugliches Kriterium darstellen kann.
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(4) Jedenfalls aber wäre das streitgegenständliche Vorhaben als Fremdkörper außerhalb des prägenden Rahmens ausnahmsweise zuzulassen, weil es nicht geeignet ist, bodenrechtliche Spannungen zu begründen oder zu erhöhen.
63
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 26.5.1978 - 4 C 9.77 - juris) folgt aus der bloßen Feststellung, dass ein Vorhaben den aus seiner Umgebung ableitbaren Rahmen überschreitet, nicht zwingend, dass es sich nicht in die nähere Umgebung einfügt. Denn bei der Einfügung geht es nicht um Einheitlichkeit der Bebauung. Daraus, dass ein Vorhaben in seiner Umgebung - überhaupt oder in einzelnen Beziehungen - ohne ein Vorbild ist, folgt noch nicht, dass es ihm an der („harmonischen“) Einfügung fehlt. Das Erfordernis des Einfügens hindert nicht schlechthin daran, den vorgegebenen Rahmen zu überschreiten. Aber es hindert daran, dies in einer Weise zu tun, die - sei es schon selbst oder sei es infolge der Vorbildwirkung - geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichungsbedürftige Spannungen zu begründen oder die vorhandenen Spannungen zu erhöhen (BVerwG, U.v. 26.5.1978 a.a.O. Leitsatz Nr. 9).
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Gemessen hieran sind mit dem Vorhaben der Klägerin keine bewältigungsbedürftigen bodenrechtlichen Spannungen verbunden. Insbesondere geht von dem geplanten Anbau für die nähere Umgebung keine negative Vorbildwirkung im Hinblick auf die Grundfläche aus.
65
Angesichts der im Gebiet bereits vorhandenen und auch im Hinblick auf die Grundfläche zum Teil massiven Bestandsbebauung führt der geplante Anbau im Ergebnis nicht zu einer weitergehenden Verfestigung der baulichen Dimensionen der näheren Umgebung, die mit der derzeitigen städtebaulichen Prägung des Gebiets nicht mehr vereinbar wären. Die vorhandenen Dimensionen des Bestandsgebäudes des Betriebs der Klägerin, der angrenzenden LKW-Werkstatt und der umliegenden Wohnbebauung - insbesondere auf den dem Vorhaben nächstgelegenen Grundstücken mit den Flurnummern, ... und ... - haben sich im Hinblick auf die Grundfläche bereits derart manifestiert, dass das Vorhaben der Klägerin dabei im Ergebnis nicht mehr ins Gewicht fallen kann. Die vom Beklagten lediglich befürchtete großflächige Bebauung der noch unbebauten Grundstücke mit den Flurnummern,,, ... und ... ist deshalb schon bereits aufgrund der bestehenden Situation nicht auszuschließen. Zudem ist keines dieser derzeit unbebauten Grundstücke seiner Größe nach mit dem Vorhabengrundstück vergleichbar, sodass dessen Referenzwirkung bereits zweifelhaft erscheint. Jedenfalls ist nicht erkennbar, wie sich die durch die vorhandene Bebauung bereits manifestierten baulichen Dimensionen durch den geplanten Anbau wesentlich verändern sollten. Insbesondere wird das geplante Kleintierkrematorium im rückwärtigen Bereich des Bestandsgebäudes und unmittelbar angrenzend an die Bundesstraße ... angesiedelt, sodass das Vorhaben - mit Ausnahme des über den First des Bestandsgebäudes hinausragenden Kamin - für die nähere Umgebung nicht einmal sichtbar sein wird. Die Kammer vermag deshalb im Ergebnis nicht zu erkennen, inwieweit der Anbau zu bodenrechtlichen Spannungen führen sollte. Die wenn überhaupt nur abstrakt und entfernt gegebene Möglichkeit, dass ein Vorhaben Konflikte auslöst, schließt die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB jedenfalls nicht aus (BVerwG, U.v. 18.2.1983 - 4 C 18.81 - juris).
66
dd) Im Hinblick auf das Einfügen des Vorhabens nach der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Gesichtspunkte, die gegen ein Einfügen des klägerischen Vorhabens nach diesen Kriterien sprechen würden, wurden weder vorgetragen, noch sind solche für die Kammer ersichtlich.
67
ee) Da das geplante Kleintierkrematorium der Klägerin lediglich als Anbau zum bereits bestehenden Bestattungsunternehmen beabsichtigt ist und daher auf die bestehenden Zufahrtswege zurückgegriffen werden kann, ist letztlich auch die Erschließung des streitgegenständlichen Vorhabens gesichert.
68
ff) Nach alledem kam es im Ergebnis auf die Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3a BauGB vorliegen, nicht (mehr) entscheidungserheblich an.
69
3. Zuletzt liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BImSchG vor, sodass der von der Klägerin beantragte Vorbescheid zu erteilen ist.
70
a) Die Auswirkungen der geplanten Anlage sind ausreichend beurteilungsfähig. Erforderlich ist dabei ein vorläufiges positives Gesamturteil über die Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens. Es genügt insoweit jedoch, wenn dem Vorhaben keine von vornherein unüberwindlichen rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 9 Rn. 8a). Solche sind hier weder vorgetragen, noch ersichtlich. Auf Grundlage des mit dem Antrag vorgelegten Immissionsschutzgutachtens ist vielmehr von der Genehmigungsfähigkeit des geplanten Kleintierkrematoriums auszugehen, da hiernach von der Anlage ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu erwarten sind.
71
b) Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des beantragten Vorbescheids. Ein solches kann angenommen werden, wenn vernünftige Gründe für ein gestuftes Vorgehen vorhanden sind (vgl. Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 97. EL Dezember 2021, § 9 Rn. 49). Im Ergebnis genügt deshalb bereits die Verringerung des Investitionsrisikos (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 9 Rn. 6). Ein solches Interesse kann der Klägerin vorliegend im Ergebnis auch unproblematisch zugesprochen werden.
72
c) Letztlich steht der Erteilung des beantragten Vorbescheids nach Ansicht der Kammer auch nicht entgegen, dass der geplante Kremationsofen dem Grunde nach eine Kapazität von über 50 kg je Stunde und 50 kg je Charge aufweist, da das von der Klägerin konkret geplante Kleintierkrematorium nur einen Durchsatz von weniger als 50 kg je Stunde und weniger als 50 kg je Charge aufweisen soll. In der mündlichen Verhandlung wurde insoweit ergänzend ausgeführt, dass der Ofen hierfür mit einer technischen Wiegeeinrichtung ausgestattet wird, die sicherstellt, dass ein Betrieb des Ofens bei einem größeren Durchsatz ausgeschlossen ist.
73
Die Befürchtung des Beklagten, dass es nach der Erteilung des beantragten Vorbescheids seitens der Klägerin entgegen ihres ausdrücklich auf einen Durchsatz von weniger als 50 kg je Stunde und weniger als 50 kg je Charge beschränkten Antrags zu einer die volle Kapazität des Ofens ausschöpfenden Nutzung kommen könnte und durch den streitgegenständlichen Vorbescheid die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gleichzeitig aber mit Bindungswirkung feststehen würde, ist nicht zutreffend. Denn eine wesentliche Planänderung der Klägerin würde sich auch auf die Bindungswirkung des Vorbescheids auswirken (vgl. Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 97. EL Dezember 2021, § 9 BImSchG Rn. 78). Stellt das geänderte Vorhaben im Verhältnis zu dem im Vorbescheid geregelten Vorhaben ein „Aliud“ dar, so wird es von der Bindungswirkung des Vorbescheids nicht erfasst (vgl. Perschau, in: Feldhaus, BImSchG, Stand: Juni 2018, § 9 Rn. 28; OVG Lüneburg, U.v. 24.10.2019 - 12 KS 127/17 - BeckRS 2019, 33381). Die Bindungswirkung des streitgegenständlichen Vorbescheids erstreckt sich damit allein auf das von der Klägerin konkret zur Entscheidung gestellte Kleintierkrematorium mit einem Durchsatz von weniger als 50 kg je Stunde und weniger als 50 kg je Charge.
74
III. Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Als im Verfahren unterlegen hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).