Titel:
rechtmäßige Abschiebungsanordnung nach Bulgarien im Dublin-Verfahren
Normenkette:
AsylG § 29, § 34a
Leitsätze:
1. Die Angabe eines Asylbewerbers, in Bulgarien keinen Asylantrag gestellt, sondern nur seine Fingerabdrücke zu erkennungsdienstlichen Zwecken abgegeben zu haben, vermag den Beweiswert eines Eurodac-Treffers nicht zu erschüttern. (Rn. 17) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Soweit einzelne Menschenrechtsorganisationen von Pushbacks, Gewalt, Diebstählen oder erniedrigenden Praktiken an der Grenze von Bulgarien zur Türkei berichten, liegen hierin einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten bzw. Asylbewerber, die jedoch ein systematisches Vorgehen durch bulgarische Sicherheitskräfte nicht begründen. (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Systemische Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSv Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen würden, sind aktuell nicht ersichtlich (VGH Mannheim BeckRS 2022, 3974). (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Asyl, Afghanistan, Abschiebungsanordnung nach Bulgarien, Grundsätzlich keine systemischen Schwachstellen im Asylverfahren bei Dublin-Rückkehrern, Rückkehr nach Bulgarien für alleinstehenden Mann zumutbar, afghanischer Asylbewerber, Abschiebungsanordnung, Bulgarien, systemische Schwachstellen, Eurodac-Treffer, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34257
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung nach Bulgarien.
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Der Antragsteller ist seinen eigenen Angaben nach afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Pashtunen und sunnitischen Glaubens. Er reiste am 7. Juni 2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 9. Juni 2022 Kenntnis erlangte. Am 17. August 2022 stellte der Antragsteller einen förmlichen Asylantrag.
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Nach den Erkenntnissen des Bundesamts lagen aufgrund des Fingerabdruckdatenabgleichs Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor. Das Bundesamt richtete daher am 1. August 2022 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 10. August 2022 ihre Zuständigkeit. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er sich circa einen Monat in Bulgarien aufgehalten habe. Er sei in Bulgarien von der Polizei geschlagen worden. Er habe an der rechten Seite seines Kopfes eine Narbe, wo er geblutet habe. Er sei mit einem Pistolengriff geschlagen worden. Sein rechtes Knie sei noch immer verletzt. Er habe auch dort eine Narbe und Schmerzen am rechten Bein. Sie seien in einem geschlossenen Camp untergebracht gewesen. Die Stimmung sei wie in einem Gefängnis gewesen. Sie hätten in dem Camp Essen bekommen, das Essen habe nicht gereicht. Ihm seien Fingerabdrücke abgenommen worden bzw. er habe irgendetwas unterschrieben, sonst hätte er in diesem „Gefängnis“ bleiben müssen oder wäre nach Afghanistan abgeschoben worden. Er hätte in Bulgarien ein „Interview“ gehabt. Er habe in Bulgarien nicht gearbeitet. In dem Camp habe es auch deutsches Personal gegeben. Er habe gesehen, dass diese gute Menschen gewesen seien. Von da an habe er nur noch nach Deutschland gewollt. Wenn die Deutschen nicht da gewesen wären, sei sehr schlecht mit ihnen umgegangen worden. Es habe eine Person gegeben, die aus Hass mit einem Stock zugeschlagen habe. Er wolle nicht zurück nach Bulgarien. Für ihn sei es dort nicht gut. Besonders schlimm sei gewesen, dass nachts die Türen zugesperrt worden wären und er nicht auf die Toilette habe gehen können. Er sei ok gewesen, bis er nach Bulgarien gekommen wäre. Nach der Gewalt durch die Polizei sei es anders. Die Schläge auf seinen Kopf hätten sein Leben verändert. Er sei jetzt ein kranker Mensch und habe starke Schmerzen, Angst, Konzentrationsprobleme und Alpträume. Er sei beim Arzt gewesen. Dieser habe ihm Tabletten und einen weiteren Termin gegeben. Er habe keine Papiere bekommen, beim nächsten Termin bekomme er ein Attest. Er nehme Ibuprofen und Mirtazapin ein. Sein volljähriger Bruder und seine entfernte Verwandtschaft würden im Bundesgebiet leben.
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Mit Bescheid vom 27. September 2022, dem Antragsteller zugestellt am 30. September 2022, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien wurde angeordnet (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf elf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Am 4. Oktober 2022 erhob der Antragsteller hiergegen Klage (Au 8 K 22.50250), über welche noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig begehrt er einstweiligen Rechtsschutz und beantragt (sinngemäß),
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Eine Begründung des Antrags erfolgte nicht.
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Das Bundesamt hat (bisweilen) keinen Antrag gestellt; es hat die Behördenakte des Asylverfahrens auf elektronischem Weg vorgelegt.
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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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1. Der Antrag ist statthaft und wurde fristgerecht erhoben. Die Klage des Antragstellers hat keine aufschiebende Wirkung (§ 75 AsylG). Nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG können Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe gestellt werden. Diese Antragsfrist ist im vorliegenden Falle gewahrt worden.
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung ist allerdings unbegründet. Es wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie lediglich ergänzend ausgeführt:
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Nach der im vorliegenden Eilverfahren durchzuführenden Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin einerseits mit dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers andererseits, die sich maßgeblich - allerdings nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, fällt die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragsgegnerin aus. Die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
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a) Die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich.
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Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO).
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aa) Vorliegend ist davon auszugehen, dass für die Durchführung des Asylverfahrens nach Maßgabe der Dublin III-VO nicht die Antragsgegnerin, sondern Bulgarien zuständig ist, § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG. Die Zuständigkeit Bulgariens für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 b) der Dublin-III VO. Die bulgarischen Behörden haben mit Schreiben vom 10. August 2022 Ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO erklärt. Die Überstellungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Da Bulgarien das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 1. August 2022 akzeptiert hat, ist es verpflichtet, den Antragsteller aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Asylantrag des Antragstellers in Bulgarien bereits inhaltlich abgelehnt wurde, ergeben sich weder aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte noch aus dem Vorbringen des Antragstellers gegenüber dem Bundesamt. Zuvörderst geht aus dem Schreiben der bulgarischen Behörden vom 10. August 2022 hervor, dass ihre Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO vorliege. Diese Regelung greift ein, wenn ein Asylantrag gestellt, allerdings noch nicht verbeschieden wurde. Des Weiteren ergibt sich auch aus dem völlig unsubstantiierten Vorbringen des Antragstellers, dass er ein „Interview“ gehabt habe, nichts dafür, dass über seinen in Bulgarien gestellten Asylantrag bereits entschieden worden wäre. Für den Fall, dass eine asylsuchende Person innerhalb von 10 Werktagen nicht zu einem Termin mit den Behörden erscheint oder ihre Adresse ändert, ohne die Behörde davon in Kenntnis zu setzten, wird das Asylverfahren ausgesetzt. Nach weiteren drei Monaten wird das Asylverfahren beendet. In diesen Fällen wird nach der Rückkehr des jeweiligen Asylantragstellers das Verfahren neu eröffnet (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Bulgarien, Gesamtaktualisierung 24. Juli 2020 (BFA), S. 7). Nach Auffassung des Gerichts ist nach alledem vorliegend davon auszugehen, dass über den Asylantrag des Antragstellers in Bulgarien noch nicht inhaltlich entschieden wurde.
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Soweit der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt (sinngemäß) angab, in Bulgarien keinen Antrag gestellt, sondern nur seine Fingerabdrücke (zu erkennungsdienstlichen Zwecken etc.) abgegeben zu haben, so vermag die reine Behauptung nicht glaubhaft den Beweiswert des Eurodac-Treffers zu erschüttern (vgl. auch Art. 23 Abs. 4 UAbs. 1, Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO i.V.m. Anhang II Verzeichnis der VO(EG) Nr. 1560/2003). Darauf, ob der Antragsteller in Bulgarien einen Antrag stellen wollte oder nicht, kommt es insoweit nicht an. Insbesondere besteht kein Recht auf Wahl des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutzes zuständigen Mitgliedstaats.
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bb) Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann. Die Überstellung nach Bulgarien ist indes nicht unmöglich, denn es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.
19
Nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO kann es sich als unmöglich erweisen, einen Asylbewerber an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, soweit es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta - GRCh - mit sich bringen (vgl. hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011, C-411/10 u.a., juris; U.v. 14.11.2013, C-4/11, juris; U.v. 10.12.2013, C-394/12, juris). Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder Verstöße im Einzelfall gegen einschlägige EU-Richtlinien genügen somit, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln; nur soweit das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist eine Überstellung mit Art. 4 GRCh unvereinbar (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Leitsatz und Rn. 6). Ergänzend hat der Europäische Gerichtshof (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17, Abubacarr Jawo, BeckRS Leitsatz) ausgeführt, dass das Unionsrecht dahingehend auszulegen ist, dass der Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt, in einen für diese Prüfung zuständigen Mitgliedsstaat nur dann Art. 4 GRCh entgegenstehen kann, wenn die Person dort dem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, unabhängig von ihrem Willen und ihrer persönlichen Entscheidungen sich in einer Situation extremer materieller Not zu befinden. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats muss zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17 - juris Rn. 92 f.).
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Entsprechend vorstehender Ausführungen geht das Gericht im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) davon aus, dass das Asylverfahren in Bulgarien grundsätzlich unionsrechtlichen Maßstäben nicht widerspricht bzw. dort keine unzureichenden Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte führen. Bulgarien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards eines gemeinsamen Asylsystems verpflichtet und somit ein sicherer Drittstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG. In Bulgarien ist die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt, das Asylverfahren in Bulgarien ist gegenwärtig weitestgehend regelgerecht (VGH BW, B.v. 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 - juris Rn. 10). Soweit einzelne Menschenrechtsorganisationen etwa von Pushbacks, Gewalt, Diebstählen sowie erniedrigenden Praktiken (an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei) berichten, ist dazu auszuführen: Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten/Asylbewerber sind nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch bulgarischen Sicherheitskräfte bzw. Behörden besteht indes nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird streng ausgelegt, etwaige Täter haben mit sofortiger Entlassung zu rechnen (vgl. BFA a.a.O. S. 6; VG Aachen, U.v. 15.4.2021 - 8 K 2760/18.A - juris Rn. 242 ff.). Systemische Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen würden, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich (vgl. VGH BW, U.v. 24.2.2022 - A 4 S 162/22 - juris; OVG NRW, B.v. 15.2.2022 - 11 A 1625/21.A - juris; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 1.7.2020 - 13 A 10424/19 - juris; OVG Sachsen, U.v. 13.11.2019 - 4 A 947/17.A - juris; VGH BW, 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 - juris; vgl. auch VG Aachen, U.v. 15.4.2021 - 8 K 2760/18.A - juris; VG Lüneburg, U.v. 12.12.2019 - 8 B 180/19 - juris; VG Würzburg, B.v. 27.10.2021 - W 1 S 21.50279 - juris Rn. 20; VG Kassel, B.v. 29.4.2022 - 5 L 598/22.KS.A, 8610535 - juris; VG München, B.v. 24.3.2022 - M 5 S 22.50150 - juris; B.v. 2.6.2022 - M 10 S 22.50254 - juris Rn. 22 m.w.N.; vgl. zudem VG Augsburg, Gb.v. 29.7.2022 - Au 8 K 22.50160; U.v. 14.9.2022 - Au 8 K 22.50177). Dies gilt auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ukraine-Krise (vgl. VG Kassel, B.v. 29.4.2022 - 5 L 598/22.KS.A, 8610535 - juris; VG Münster, B.v. 5.5.2022 - 8 L 362/22.A, 8505567 - juris; VG Minden, B.v. 22.4.2022 - 12 L 350/22.A, 8672769 - juris; VG München, B.v. 2.6.2022 - M 10 S 22.50254 - juris; VG München, B.v. 9.6.2022 - M 30 S 22.50328 - juris). Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien. Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der noch nicht inhaltlich geprüft wurde, wird das Verfahren automatisch wiedereröffnet (BFA a.a.O. S. 7). In der Praxis werden in Sofia ankommende Personen nach der Überstellung unterrichtet, dass sie verpflichtet sind, sich bei der staatlichen Asylbehörde vorzustellen, meist schon am folgenden Tag. Wenn sie dort vorstellig werden, erhalten sie die Entscheidung, dass das Verfahren wiedereröffnet wird (BFA, a.a.O. S. 8). Auch die Aufnahmebedingungen in Bulgarien entsprechen gegenwärtig im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards (BFA, a.a.O. S. 9). Aus dem Vorbringen des Antragstellers lassen sich keine Rückschlüsse auf nach o.g. Maßstäben systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Bulgarien ziehen. Sein Vorbringen bleibt - im Ganzen - nicht ausreichend substantiiert. Unabhängig hiervon steht seinem Vortrag die (bereits dargestellte) Erkenntnismittellage entgegen. Darüber hinaus konnte der Antragsteller belastbare Erkenntnisse über die Lage der Menschenrechte in Bulgarien und deren Gewährung im Asylverfahren angesichts seiner kurzen Aufenthaltsdauer nicht gewinnen. Vorliegend kann daher dahingestellt bleiben, ob das (schemenhafte) Vorbringen des Antragstellers bezüglich der Behandlung in Bulgarien glaubhaft ist, weil jedenfalls allein im Einzelfall des Antragstellers u.U. erfolgte Verstöße/Grundrechtsverletzungen nicht geeignet sind, das Vorliegen systemischer Schwachstellen zu begründen. Im Übrigen wird hierzu auf die detaillierten Ausführungen im Bescheid Bezug genommen.
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cc) Auch aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt. Der Vortrag des Antragstellers, dass sich sein volljähriger Bruder/ seine entfernte Verwandtschaft im Bundesgebiet aufhalten, führt nicht dazu, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsste. Jene persönlichen Bindungen werden von Art. 2 g) Dublin III-VO nicht umfasst.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei einer Rückführung nach Bulgarien erhebliche Gefahren für Leib und Leben befürchten müsste, die einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen ließen, sind - wie bereits ausgeführt - nicht ersichtlich. Eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben aus gesundheitlichen Gründen läge nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung nach Bulgarien wesentlich verschlechtern würden. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Erheblich ist eine Gefahr, wenn der Umfang der Gefahrenrealisierung von bedeutendem Gewicht ist. Das ist der Fall, wenn sich durch die Abschiebung der unter dem Gesichtspunkt der Leibes- und Lebensgefahr hier allein in Betracht kommende Gesundheitszustand des Betroffenen wegen geltend gemachter unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung - vorliegend Bulgarien - in einem angemessenen Prognosezeitraum wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
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Dabei muss der Betroffene eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen und muss diese ärztliche Bescheinigung insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
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Soweit der Antragsteller vorbringt, dass er an starken Schmerzen, Angst, Alpträumen und Konzentrationsproblemen leide und seinen eigenen Angaben nach Ibuprofen und Mirtazapin gegen seine Beschwerden einnehme, fehlt es bereits an einer ärztlichen Bescheinigung. Die gesundheitlichen Beschwerden sind nur behauptet; es sind auch keine ärztlichen Behandlungen i.e.S. angegeben. Die vorgetragenen Beschwerden sind hiervon unabhängig nicht als lebensbedrohlich bzw. schwerwiegend in o.g. Sinne einzustufen. Des Weiteren steht es nicht zu erwarten, dass beim Antragsteller durch eine Abschiebung nach Bulgarien eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eintreten wird. Es ist zu erwarten, dass es für ihn in Bulgarien möglich sein wird, eine u.U. notwendige medizinische Behandlung zu erhalten; in Bulgarien bestehen eine hinreichende medizinische Versorgung bzw. hinreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten (vgl. ausführlich BFA, a.a.O. S. 17 f.; vgl. auch statt vieler VG München, B.v. 24.3.2022 - M 5 S 22.50150 - juris m.w.N.). Es sind schließlich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller von einer u.U. notwendigen medizinischen (Not-)Versorgung in Bulgarien ausgeschlossen wäre. Im Übrigen wird hierzu auf die detaillierten Ausführungen im Bescheid Bezug genommen.
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b) Die Abschiebung nach Bulgarien kann auch durchgeführt werden. Die Feststellung im streitgegenständlichen Bescheid, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig.
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Der Antragsteller kann sich auf zielstaatsbezogene - bezogen auf Bulgarien - oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 - 11 ZB 15.50050 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris; OVG Hamburg, B.v. 3.12.2010 - 4 Bs 223/10 - juris), nicht berufen.
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Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgarien sind - nach den obigen Ausführungen, auf die entsprechend Bezug genommen wird - nicht ersichtlich. Insbesondere ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist hinsichtlich Bulgarien zu verneinen. Ein solches käme nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen in Betracht, welche sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dies ist jedoch vorliegend - wie bereits dargelegt - nicht der Fall. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Reisefähigkeit des Antragstellers (aus gesundheitlichen Gründen) eingeschränkt wäre. Abschiebungsverbote bezogen auf Afghanistan sind im Dublin-Verfahren nicht zu prüfen. Eine Einreise nach Bulgarien ist - auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie - zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) tatsächlich möglich, § 34a Abs. 1 AsylG. Es bestehen keine pandemiebedingten Beschränkungen für die Einreise nach Bulgarien (www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bulgarien-node/bulgariensicherheit/211834, Stand: 10. Oktober 2022).
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Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls war daher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vor allem im Hinblick auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Klage abzulehnen. Besondere Umstände, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage entgegen der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides im Wege der Interessenabwägung erforderlich erscheinen ließen, liegen nicht vor.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).