Titel:
Maulkorbpflicht nach Beißvorfall
Normenketten:
LStVG Art. 18 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsätze:
1. Innerorts ist jederzeit mit überraschenden Begegnungen zwischen Menschen und Hunden zu rechnen, wobei die Nutzung einer Leine nicht ausreicht, eine effektive Gefahrenabwehr sicherzustellen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein erfolgter Beißvorfall zeigt, dass eine konkrete Gefahr besteht und eine Wiederholung gerade nicht ausgeschlossen ist, da es jederzeit wieder zu einer überraschenden Begegnung zwischen dem Hund und Personen kommen und der Hund dabei aufgrund eines „Erschreckens“ zubeißen kann. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, Hundehaltung, Maulkorbpflicht innerorts, Anordnung nach Beißvorfall, Offener Sachverhalt zum Beißvorfall, Interessenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34254
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen eine sicherheitsrechtliche Anordnung betreffend die von ihr gehaltene Hündin sowie die diesbezügliche Zwangsgeldandrohung.
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1. Die Antragstellerin ist seit Anfang 2022 Halterin einer Hündin der Rasse Jack Russell Terrier-Dackel-Mischung, Rufname „L.“, Wurfzeitpunkt September 2018.
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Am 9. Juli 2022 gegen 20.00 Uhr kam es auf einer Freifläche bei dem von der Antragstellerin bewohnten Mehrfamilienwohnhaus zu einem Beißvorfall. Die von der Antragstellerin an einer Leine geführte Hündin hat dabei ein auf der Freifläche mit anderen Kindern spielendes Mädchen in das linke Bein gebissen.
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Die durch den Biss der Hündin eingetretene Verletzung bei dem Kind ist unstrittig. Jedoch wird der genaue Hergang des Vorfalls von den vor Ort anwesenden Beteiligten unterschiedlich geschildert: Die Antragstellerin lässt im Anhörungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren, auch unter Vorlage von schriftlichen Äußerungen von Nachbarn bzw. Bekannten, vortragen, dass sich das Mädchen trotz der gegenteiligen Aufforderung durch die Antragstellerin überraschend der Hündin genähert und das Tier dann das Kind lediglich gezwickt habe. Die ebenfalls vor Ort anwesende Mutter des Mädchens hat gegenüber der Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren angegeben, dass sich die Hündin von der Leine losgerissen habe, auf das etwa vier Meter entfernte Mädchen losgelaufen sei und in das linke Bein gebissen habe. Das Mädchen sei dabei umgefallen und über den Boden gerutscht.
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Nach Anhörung der Antragstellerin ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18. August 2022 an, dass die Hündin von der Antragstellerin oder einer dritten Person innerorts nur noch mit einem beißsicheren Gittermaulkorb ausgeführt wird und dieser bereits vor dem Verlassen der Wohnung oder des umfriedeten Privatgrundstücks bzw. vor dem Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug oder dem Verlassen eines Transportmittels anzulegen ist (Ziffer 1). Für den Fall des Verstoßes gegen die Anordnung in Ziffer 1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- EUR für fällig erklärt (Ziffer 2), die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 3).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids auf Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützt sei. Damit werde eine Gefahr für Leib und Leben anderer abgewendet, die sich in dem angezeigten Beißvorfall bereits realisiert habe. Da die Hündin der Antragstellerin bei dem Vorfall angeleint gewesen sei, sei die Anordnung des Maulkorbzwangs erforderlich, um eine Wiederholung des Vorfalls zu verhindern. Innerorts sei immer wieder mit überraschenden Begegnungen zwischen Hund und Mensch zu rechnen, das bloße Anleinen der Hündin sei in dieser Situation nicht ausreichend. Unter Abwägung der gegenseitigen Interessen habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen dahin ausgeübt, dass sie sich für die Anordnung der Maulkorbpflicht entschieden habe. Die Anordnung sei verhältnismäßig, es müsse aufgrund des Vorfalls von einer konkreten Gefährdung für Leben und Gesundheit von Menschen und Eigentum ausgegangen werden. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf die Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die sofortige Vollziehung sei gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse geboten. Es sei nur so auch unabhängig von der Bestandskraft des Bescheids sichergestellt, dass sofort eine Beseitigung der von der Hundehaltung ausgehenden Gefahr erfolge. Hinzu kämen generalpräventive Erwägungen.
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2. Hiergegen ließ die Antragstellerin am 8. September 2022 Klage mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids erheben (Au 8 K 22.1811). Über die Klage ist noch nicht entschieden.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 21. September 2022 ließ die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes beantragen.
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Zur Begründung im Klage- und Antragsverfahren wurde unter Wiederholung des Vorbringens im Anhörungsverfahren im Wesentlichen vorgetragen, dass sich der Vorfall nicht wie von der Mutter des geschädigten Kindes geschildert zugetragen habe. Aus mehreren Stellungnahmen von Freunden und Bekannten der Antragstellerin ergebe sich, dass die Hündin der Antragstellerin immer angeleint und nicht aggressiv sei. Die Antragstellerin habe das Tier jederzeit unter Kontrolle. Das Kind sei auf die Hündin zugelaufen, so dass das Tier erschrocken sei. Die Verpflichtung zur Anlegung eines Maulkorbs sei unverhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzugs leide bereits an einem formellen Mangel. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung werde lediglich pauschal begründet, ohne sich mit dem Einzelfall auseinanderzusetzen.
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Die Antragstellerin lässt beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage wird wiederhergestellt.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Am Wohnort der Antragstellerin befänden sich mehrere Mehrfamilienhäuser, in denen aktuell über 20 Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren gemeldet seien. Eine überraschende Begegnung zwischen der Hündin der Antragstellerin und den Kindern sei deshalb wahrscheinlich, die Hündin erscheine als unsicher und reizbar. In dieser Situation und wegen der Tatsache, dass bereits ein Beißvorfall stattgefunden habe, sei neben dem Anleinen der Hündin das Tragen eines Maulkorbs innerorts notwendig. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maulkorbpflicht sei in dieser Situation begründet, um eine erneute Verletzung von Personen wirksam zu verhindern.
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Unter Vorlage der notwendigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist für die Antragstellerin weiter die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren Au 8 K 22.1811, und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
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Der bei verständiger Auslegung des Begehrens (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) zulässig nach § 80 Abs. 5 VwGO erhobene Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen, bleibt erfolglos. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht vorzunehmende eigenständige Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dürften sich die Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids als rechtmäßig erweisen und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gründe gleichwohl im Interesse der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen sind nicht ersichtlich.
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In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Es hat zu prüfen, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse der Antragstellerin an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich Erfolg versprechend, so wird das Interesse der Antragstellerin an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse der Antragsgegnerin. Umgekehrt wird eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern nur tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen - dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin einerseits und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin andererseits - nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 - 7 VR 5.20 u.a. - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369).
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1. Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als ausreichend erweist. Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 98).
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung in Bezug auf die in Ziffer 1 verfügte Maulkorbpflicht formell rechtmäßig, insbesondere sind die sich aus der Regelung in § 80 Abs. 3 VwGO ergebenden Begründungserfordernisse gewahrt.
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An die im Bescheid gegebene Begründung für die sofortige Vollziehung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen, soweit darin der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung für die Behörde erkennbar wird (Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 54 ff.). Vorliegend genügt die Begründung den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dabei kann es dahinstehen, ob die von der Antragsgegnerin genannten generalpräventiven Interessen eine hinreichende Begründung des Sofortvollzugs tragen können. Denn jedenfalls setzt sich die Antragsgegnerin in ihrer Begründung (auch) hinreichend mit den Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der typischen Interessen bei einer sicherheitsrechtlichen Anordnung für die Haltung eines Hundes auseinander (vgl. VG Bayreuth, B.v. 17.3.2022 - B 1 S 22.166 - juris Rn. 32).
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Die Antragsgegnerin berücksichtigt in ihrer Begründung insbesondere die Gesamtumstände des Einzelfalls und die bereits eingetretene Verletzung Dritter und verfolgt das Ziel einer effektiven Gefahrenabwehr. Dabei wurden zutreffend die widerstreitenden Interessen erkannt und der konkreten Abwägung und Prüfung zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung auch zu erkennen gegeben, weswegen sie eine Anordnung des Sofortvollzugs des Verwaltungsakts für geboten erachtet. Eine bloß formelhafte Begründung liegt entgegen der Auffassung der Antragstellerseite nicht vor.
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2. Die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Klage gegen Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheides voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Der in Ziffer 1 des Bescheides verfügte Maulkorbzwang beim Ausführen der Hündin innerorts ist voraussichtlich rechtmäßig. Es wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und die dortigen Ausführungen zur Rechtsgrundlage für die Anordnung Bezug genommen (§§ 122 Abs. 2, 117 Abs. 5 (analog) VwGO).
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b) Soweit in der Klagebegründung zur Frage der Unverhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnung vorgetragen wird, wird ergänzend ausgeführt:
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aa) Die zutreffend auf Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützte Anordnung dient der Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum. Die insoweit notwendige konkrete Gefahr, d.h. die „bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in dem zu beurteilenden Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ bestehende Gefahr des Schadenseintritts für die betreffenden Schutzgüter (VG Bayreuth, B.v. 17.3.2022 - B 1 S 22.166 - juris Rn. 36; vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2014 - 10 B 14.1235 - juris Rn. 20; stRspr), hat sich vorliegend bereits tatsächlich realisiert. Denn unabhängig vom tatsächlichen Ablauf des Geschehens am 9. Juli 2022, der von den vor Ort anwesenden Personen unterschiedlich dargestellt wird, besteht objektiv die Gefahr der Verletzung von Menschen durch die Hündin der Antragstellerin. Die in den Mehrfamilienhäusern wohnenden Kinder, die auf der Freifläche vor den Häusern spielen, können jederzeit (wieder) in einer vergleichbaren Situation von der Hündin der Antragstellerin verletzt werden. Die von der Antragstellerin beim Ausführen benutzte Leine lässt diese Gefahr offensichtlich nicht entfallen, da gerade bei der - überraschenden - Begegnung von Menschen mit dem Tier eine derartige Reaktion der Hündin der Antragstellerin konkret erneut zu erwarten ist.
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Aufgrund dieser tatsächlichen Situation kann die Pflicht zur Nutzung eines Maulkorbs beim Ausführen der Hündin auch zusätzlich zu der von der Antragstellerin benutzten Leine angeordnet werden. Denn gerade innerorts ist jederzeit mit - vor allem bei Kindern in besonderer Weise - überraschenden Begegnungen zwischen Menschen und der Hündin der Antragstellerin zu rechnen. In dieser Situation reicht offensichtlich die Nutzung einer Leine nicht aus, eine effektive Gefahrenabwehr sicherzustellen (vgl. dazu BayVGH, B.v. 29.4.2013 - 10 ZB 10.2523 - juris Rn. 4 zur Frage eines Maulkorbzwangs für Hunde außerhalb des Bereichs von Straßen und öffentlichen Plätzen, in dem mit „relevantem Publikumsverkehr“ zu rechnen ist; vgl. auch BayVGH, B.v. 17.4.2013 - 10 ZB 12.2706 - juris Rn. 5; Schenk in Bengl/Berner/Emmerich, LStVG, 38. Lfg. Oktober 2019, Art. 18 Rn. 70).
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bb) Diese Beurteilung wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass nach den von der Antragstellerseite vorgelegten Äußerungen von Nachbarn und Bekannten der Antragstellerin deren Hündin als „nicht aggressiv“ beschrieben wird und die Antragstellerin die Hündin „immer an der Leine“ führt. Der unstreitig - unabhängig von der Frage des tatsächlichen Ablaufs des Vorgangs - erfolgte Beißvorfall zeigt, dass die konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter besteht (vgl. zum Maulkorbzwang bei bereits erfolgtem Beißvorfall: VG Bayreuth, B.v. 17.3.2022 - B 1 S 22.166 - juris Rn. 36). Eine Wiederholung ist gerade nicht ausgeschlossen, da es jederzeit wieder zu einer - wenn auch von der Antragstellerin ungewollten - überraschenden Begegnung zwischen der Hündin der Antragstellerin und Personen kommen und die Hündin der Antragstellerin dabei aufgrund eines „Erschreckens“ zubeißen kann.
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Ein derartiges für die Hündin der Antragstellerin „typisches“ Verhalten (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2022 - 10 CS 22.865 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 31.3.2022 - 10 CS 21.2222 - juris Rn. 10 f.; VG Ansbach, B.v. 14.7.2021 - AN 15 S 21.23 - BeckRS 2021, 51665 Rn. 36) wird durch die vorgelegten Äußerungen gerade nicht wiederlegt, sondern im Kern bestätigt. Wenn in den einzelnen Äußerungen wiederholt ausgeführt wird, dass die Hündin der Antragstellerin im Zusammenhang mit dem Vorfall „mit dem Kind spielen“ wollte, das verletzte Kind aber wohl „überraschend“ auf die Hündin zugegangen sei, ist offensichtlich ein erneutes Zubeißen in vergleichbaren Situationen nicht ausgeschlossen. Als Reaktion der Hündin auf ein überraschendes Verhalten der - im unmittelbaren Wohnumfeld der Antragstellerin - spielenden Kinder ist vielmehr in konkreter Weise mit einer erneuten Gefährdung für Leib und Leben zu rechnen. Hinzukommt, dass bei den bei einer Verletzung betroffenen höchstrangigen Rechtsgütern (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gering(er) sind (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2003 - 24 CS 03.2796 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 15.4.2021 - 10 NE 20.2831; stRspr).
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c) Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, die kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (Art. 21a VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Diese findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des Zwangsgeldes ist in Anbetracht der möglichen Gefährdung von Personen und Sachwerten nicht unangemessen (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Weitere Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die mit der Klage ebenfalls angefochtene Zwangsgeldandrohung, für die im vorliegenden Verfahren damit (sinngemäß; §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verfolgt wird, erweist sich somit als rechtmäßig, der vorläufige Rechtsschutz war deshalb auch insoweit abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG zu bestimmen. Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (dort Nrn. 1.5, 35.2)
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist abzulehnen, weil es an den hinreichenden Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung fehlt (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
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Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. etwa BVerfG, B.v. 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 - NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (vgl. etwa Eyermann/Happ, VwGO, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (vgl. Eyermann/Happ, a.a.O., Rn. 38).
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Nach diesen Grundsätzen kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Eilverfahren nicht in Betracht, da nach den obigen Ausführungen (unter II.), auf die Bezug genommen wird, der Eilantrag nicht erfolgreich ist.