Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.11.2022 – 9 CS 22.2043
Titel:

Wiederholte Zwangsgeldandrohung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 19, Art. 31, Art. 36, Art. 37
Leitsätze:
1. Die Schwelle zur Vergnügungsstätte ist überschritten ist, wenn Live-Wetten vermittelt werden und der Kunde die aktuellen Quoten sowie die Ergebnisse der Wettkämpfe auf Monitoren verfolgen und ggf. seine weiteren Wetten danach ausrichten kann. Dabei ist nicht entscheidend auf das Vorhandensein von benutzbaren Sitzgelegenheiten oder auf das Anbieten gastronomischer Leistungen abzustellen. Die Ausstattung eines Wettbüros mit Sitzgruppen oder TV-Bildschirmen, das Bereitstellen von Getränken und Speisen oder das Vorhalten von Unterhaltungsspielen sind weitere Indizien für das Vorliegen einer Vergnügungsstätte, aber keine unabdingbare Voraussetzung hierfür. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine fortgesetzte Missachtung eines Verbots rechtfertigt regelmäßig die Steigerung der Zwangsgeldhöhe. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wiederholte Androhung eines Zwangsgelds, Nutzungsuntersagung Wettbüro., Androhung, Zwangsgeld, wiederholt, Wettbüro, Nutzungsuntersagung, Nachfrist, Bestandskraft, Beschwerde, Höhe, Ermessen, Abgrenzung, Vergnügungsstätte
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 17.08.2022 – AN 9 S 22.1489
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34105

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2022, mit dem ihr eine Nachfrist gesetzt und ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 40.000,- Euro angedroht wurde.
2
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Juni 2018 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens B.straße, FlNr. …, Gemarkung G. als Wettbüro (Nr. 2 des Bescheidtenors). Das zugleich angedrohte Zwangsgeld (in Höhe von 20.000,- Euro) sowie ein weiteres mit Bescheid vom 8. April 2019 angedrohtes Zwangsgeld (in Höhe von 30.000,- Euro) wurden zwischenzeitlich fällig gestellt. Am 8. und am 21. Februar 2022 erfolgte eine Kontrolle durch die Bauaufsicht der Antragsgegnerin, die daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 6. Mai 2022 erneut ein Zwangsgeld (in Höhe von 40.000,- Euro) androhte und eine Frist zur Erfüllung der angeordneten Nutzungsuntersagung von einem Monat ab Zustellung setzte. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Besichtigung eine Nutzung als Wettbüro festgestellt und durch Fotos dokumentiert worden sei. Im Eingangsbereich seien entsprechende Werbeaufschriften angebracht und der Innenbereich sei mit mehreren Flachbildschirmen, Wettautomaten, einem Kassenbereich sowie Tischen und Stühlen ausgestattet gewesen. Auf den Tischen hätten Wettscheine ausgelegen. Die Höhe des Zwangsgeldes sei dem Zweck, die Durchsetzung des Verwaltungsaktes zu erreichen, angemessen.
3
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 13. Juni 2022 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhoben. Ihren Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. August 2022 abgelehnt. Die allgemeinen und die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen lägen vor und es seien keine Ermessensfehler ersichtlich, weshalb die Klage voraussichtlich keinen Erfolg habe. Vor allem sei der Grundbescheid bestandskräftig und die Antragstellerin habe nach Überzeugung des Gerichts ihre Pflicht, eine Nutzung der Räumlichkeiten als Wettbüro zu unterlassen, zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht erfüllt. Aus der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 8. August 2022 ergebe sich vielmehr, dass die Nutzung selbst Anfang August noch fortgesetzt worden sei. Eine weitere Ortseinsicht durch die Baukontrolle habe nämlich ergeben, dass auf den in den Räumen befindlichen Bildschirmen Wettquoten angezeigt worden seien. Dort hätten sich auch weiterhin Sitzgelegenheiten befunden, die lediglich beiseitegeschoben und mit Absperrband umwickelt gewesen seien, was ein hohes Missbrauchsrisiko in sich berge. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter.
4
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
5
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen folgendes zu bemerken:
6
Mit dem Einwand, die Räume seien nur noch als Wettannahmestelle und damit als Gewerbebetrieb genutzt worden, vergleichbar einer Toto-Annahmestelle, kann die Antragstellerin nicht durchdringen. Es fehlt an einem nachvollziehbaren Vortrag, der die schlüssigen Darlegungen des Verwaltungsgerichts widerlegt. Das Beschwerdevorbringen verweist zwar zutreffend auf die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien, wonach die Schwelle zur Vergnügungsstätte überschritten ist, wenn - etwa ausweislich der Schaufensterwerbung - Live-Wetten vermittelt werden und der Kunde die aktuellen Quoten sowie die Ergebnisse der Wettkämpfe auf Monitoren verfolgen und ggf. seine weiteren Wetten danach ausrichten kann (BayVGH, B.v. 15.1.2016 - 9 ZB 14.1146 - juris Rn. 7 f.; B.v. 15.6.2021 - 9 ZB 19.2484 - juris Rn. 12). Es wird aber verkannt, dass nicht entscheidend auf das Vorhandensein von benutzbaren Sitzgelegenheiten oder auf das Anbieten gastronomischer Leistungen abzustellen ist. Der Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 15. Januar 2016 (Az.: 9 ZB 14.1146, a.a.O. Rn. 8) ausgeführt: „Die Ausstattung eines Wettbüros mit Sitzgruppen oder TV-Bildschirmen, das Bereitstellen von Getränken und Speisen oder das Vorhalten von Unterhaltungsspielen sind weitere Indizien für das Vorliegen einer Vergnügungsstätte, aber keine unabdingbare Voraussetzung hierfür“. Daran ist festzuhalten. Die Beschwerdebegründung geht auf die Werbung im Eingangsbereich, die Live-Wettangebote nahelegt, nicht näher ein. Die Erklärung dafür, dass die Bauordnungsbehörde noch bei der Ortseinsicht am 1. August 2022 gegen 12.00 Uhr zahlreiche Bildschirme mit aktuellen Wettquoten vorgefunden und dokumentiert hat, überzeugt nicht. Der Vortrag, die automatisierte Steuerung schalte die Monitore stets um 10.00 Uhr morgens an, weshalb sie zum Zeitpunkt der Ortseinsicht kurz nach Ladenöffnung in Betrieb gewesen seien, ist nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich Bildschirme ohne Weiteres dauerhaft abschalten oder von der Stromversorgung trennen lassen und dass eine elektronische Steuerung erfahrungsgemäß programmierbar ist, so dass es zur Außerbetriebnahme während der Geschäftszeiten regelmäßig keines kompletten Ausbaus der Anlage bedarf. Vor allem ist schon nicht nachvollziehbar, warum die Mitarbeiter die von der Antragstellerin behauptete tägliche manuelle Einzelabschaltung nicht bereits kurz vor Öffnung der Geschäftsräume um 12.00 Uhr vorgenommen haben. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin zu Recht auf die Missbrauchsgefahr hingewiesen hat. Sie besteht auch im Hinblick auf die nur zur Seite geräumte Möblierung, die augenscheinlich mit geringem Aufwand wieder funktionsfähig gemacht werden kann. Dies bestätigen auch die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Lichtbilder.
7
Die Beschwerde legt auch nicht dar, warum die Höhe des Zwangsgelds unangemessen oder dessen Festsetzung ermessensfehlerhaft sein soll. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze abgestellt, wonach die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Vorteils nur einen Aspekt darstellt, und zu Recht darauf hingewiesen, dass die Höhe des Zwangsgeldes auch darauf ausgerichtet sein muss, den Verpflichteten effektiv zur Befolgung der jeweiligen Anordnung anzuhalten. Die fortgesetzte Missachtung eines Verbots rechtfertigt regelmäßig die Steigerung der Zwangsgeldhöhe (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 4.7.2022 - 1 ZB 22.323 - juris Rn. 6 f. m.w.N.). Zudem müssen in Fällen, in denen für die Bestimmung der Zwangsgeldhöhe nicht allein auf das wirtschaftliche Interesse der Betroffenen abgestellt wird, hierzu in der Regel keine dezidierten Überlegungen angestellt werden (BayVGH, B.v. 4.7.2022 - 1 ZB 22.323 - a.a.O.; vgl. auch B.v. 9.11.2021 - 9 ZB 19.1586 - juris Rn. 10).
8
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
9
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).