Titel:
zur Verteilung von Ausschusssitzen
Normenketten:
BayGO Art. 33 Abs. 1 S. 2, S. 5
BayLKrO Art. 27 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 5, Art. 29 Abs. 2 S. 3
Leitsatz:
Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Spiegelbildlichkeit dürfen in den kommunalen Vertretungskörperschaften die Vorschriften über Ausschussgemeinschaften (Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO; Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO) bei der Verteilung der Ausschusssitze keine Anwendung finden, wenn dadurch eine nach ihrer Größe ausschussfähige Fraktion oder Gruppe nicht mehr in den Ausschüssen vertreten wäre. (Rn. 25 – 33)
Schlagworte:
Sitzverteilung in den Ausschüssen kommunaler Vertretungskörperschaften, Anspruch der Fraktionen auf gleiche Teilhabe, Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, Sitzvergabe an Ausschussgemeinschaften, Gebot der verfassungskonformen Auslegung, keine vollständige Verdrängung ausschussfähiger Fraktionen oder Gruppen, D'Hondtsches Höchstzahlenverfahren, Durchbrechung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes, Ausschussbesetzung, Ausschussgemeinschaft
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 09.02.2022 – M 7 K 21.3224
Fundstellen:
BayVBl 2023, 301
LSK 2022, 34091
DÖV 2023, 436
BeckRS 2022, 34091
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Zusammensetzung von vier Ausschüssen des Kreistags des Beklagten.
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1. Die Kreistagswahl 2020 führte laut amtlichem Endergebnis bei insgesamt 70 zu vergebenden Sitzen zu der folgenden Sitzverteilung im Kreistag:
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Gesamtzahl der Stimmen (%)
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Anzahl Sitze
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CSU
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1.661.476 39.1
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Bündnis 90/Die Grünen
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704.399 16,6
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Freie Wähler
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458.936 10,8
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AfD
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238.838 5,6
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SPD
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512.091 12,0
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FDP
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90.886 2,1
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ÖDP
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181.492 4,3
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Freie Wähler D. e.V.
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164.794 3,9
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Bündnis für D.
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119.201 2,8
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Die Linke/Die Partei
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57.928 1,4
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Wir e.V.
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63.865 1,5
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4
Die Klägerin ist die aus den vier gewählten Kreistagsmitgliedern bestehende Fraktion der AfD.
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In seiner konstituierenden Sitzung am 8. Mai 2020 beschloss der Kreistag des Beklagten mit 43 zu 28 Stimmen, für die Besetzung der Ausschüsse das Verteilungsverfahren nach ... anzuwenden und „bei einer unzulässigen sog. Überkompensation“ im Einzelfall auf das Verfahren nach H.-N. zurückzugreifen.
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In der nachfolgenden Kreistagssitzung am 15. Mai 2020 wurde einstimmig die Geschäftsordnung des Kreistags (GeschO) verabschiedet, wonach außer dem Kreisausschuss (§ 33 GeschO; Art. 27 Abs. 1 LKrO) auch dem Schulausschuss (§ 37 Abs. 3 GeschO), dem Umwelt- und Verkehrsausschuss (§ 38 Abs. 3 GeschO) sowie dem Kulturausschuss (§ 39 Abs. 2 GeschO) neben dem Landrat jeweils 14 Kreisrätinnen bzw. Kreisräte angehören. Von den 14 Sitzen der genannten Ausschüsse wurden aufgrund einstimmiger Beschlüsse jeweils sechs Sitze an die CSU, drei Sitze an Bündnis 90/Die Grünen, zwei Sitze an die Freien Wähler, zwei Sitze an die SPD und ein Sitz an eine Ausschussgemeinschaft (Beigeladene zu 7) vergeben, zu der sich die sechs Kreistagsmitglieder (Beigeladene zu 1 bis 6) der Parteien bzw. Wählergruppen ÖDP, Bündnis für D. und Die Linke/Die Partei zusammengeschlossen hatten. Die AfD ging bei dieser Verteilung der Ausschusssitze leer aus.
7
2. Nachdem der Vertreter der Klägerin die Ausschussbesetzung zunächst erfolglos bei der Rechtsaufsicht gerügt hatte, erhoben die vier Mitglieder der AfD-Fraktion am 18. Juni 2021 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Ziel einer erneuten Entscheidung über die Besetzung der Kreistagsausschüsse.
8
Aufgrund ihres gleichzeitig gestellten Antrags nach § 123 VwGO verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten mit Beschluss vom 6. August 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung, über die Besetzung der genannten vier Ausschüsse des Kreistags unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts bis zum 30. September 2021 neu zu beschließen. Der Kreistag des Beklagten beschloss daraufhin in seiner Sitzung vom 16. September 2021, die zuvor an die Ausschussgemeinschaft vergebenen Ausschusssitze mit Vertretern der Klägerin zu besetzen.
9
Einer im Hinblick auf den Eilbeschluss abgegebenen Erledigungserklärung der Klägerseite im Hauptsacheverfahren widersprach der Beklagte. Der Klägervertreter nahm daraufhin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. Februar 2022 die Erklärung der Hauptsacheerledigung zurück.
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3. Mit Urteil vom 9. Februar 2022 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, über die Besetzung des Kreisausschusses, des Schulausschusses, des Umwelt- und Verkehrsausschusses und des Kulturausschusses seines Kreistags unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beschließen. Die Erledigungserklärung sei in der mündlichen Verhandlung wirksam widerrufen worden. Die Klagebefugnis ergebe sich aus einer möglichen Verletzung des Rechts aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO auf eine dem Gebot der Spiegelbildlichkeit entsprechende Zahl von Ausschusssitzen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehle nicht deshalb, weil die Kreistagsmitglieder der Klägerin der Verteilung der Ausschusssitze in der Sitzung am 15. Mai 2000 zugestimmt hätten. Die Verteilung der Ausschusssitze habe der damaligen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen; die danach erfolgte Änderung dieser Rechtsprechung sei nicht vorhersehbar gewesen. Eine prozessuale Verwirkung des Klagerechts sei mangels eines entsprechenden Vertrauenstatbestands ebenfalls nicht anzunehmen. Die Klage sei auch begründet. Die Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaft führe bei der Verteilung der Sitze in den streitgegenständlichen Ausschüssen dazu, dass die Klägerin jeweils den einzigen, ihr ohne Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaft zustehenden Ausschusssitz verliere und von einer Vertretung in diesen Ausschüssen gänzlich ausgeschlossen sei. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften kleinerer, ansonsten nicht in den Ausschüssen vertretener Gruppen nur insoweit zur Vergabe von Ausschusssitzen führen dürfe, als damit nicht eine größere Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliere. Dies gelte auch für Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO. Eine solche verfassungskonforme Auslegung sei zulässig, weil sie weder die Grenze des Wortlauts überschreite noch mit dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch trete. Sie führe nicht zu einer Unmöglichkeit der Bildung von Ausschussgemeinschaften und zu einer Aushebelung des Minderheitenschutzes. Der Einwand der Beigeladenen, sie seien bei der Listenaufstellung davon ausgegangen, sich zu einer Ausschussgemeinschaft zusammenschließen zu können, führe zu keiner anderen Bewertung. Bei der Listenaufstellung vor der Wahl habe weder das Wahlergebnis noch das Berechnungsverfahren festgestanden.
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4. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Eine verfassungskonforme Auslegung der vorbehaltlosen Regelung in Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO sei unzulässig; sie verstoße gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip. Die Verweigerung der konkreten Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG entziehe dem Beklagten das Recht auf den gesetzlichen Richter. Eine verfassungskonforme Auslegung komme grundsätzlich nur zur Anwendung, wenn bei der Auslegung mehrere Deutungen möglich seien; sie finde ihre Grenzen dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch trete. Vorliegend sei der Wortlaut eindeutig, die Möglichkeit eines Zusammenschlusses bestehe vorbehaltlos. Der Gesetzgeber habe damit eine Durchbrechung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes in Kauf genommen. Auch der systematische Zusammenhang, in den die Norm gestellt sei, ermögliche keine einschränkende Auslegung. Mit der geänderten Auslegung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verliere die Ausschussgemeinschaft ihre wesentliche Daseinsberechtigung. Wenn die Ausschussgemeinschaft als statthafte Durchbrechung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes anerkannt sei, müssten die vereinten Stimmen als eine politische Kraft gesehen werden. Erst damit sei die Umsetzung des Wahlergebnisses abgeschlossen. Bereits an der zu Grunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere aber an der weiterführenden Rezeption derselben durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, bestünden erhebliche rechtliche Zweifel. Mit der Durchbrechung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit belohne der Gesetzgeber kooperationsbereite Minderheiten im Ergebnis mit Sitz- und Stimmrecht.
12
Der Beklagte beantragt,
13
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Februar 2022 zu ändern und die Klage abzuweisen.
14
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
16
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
19
I. Die von den vier Mitgliedern der AfD-Fraktion gemeinschaftlich erhobene Klage mit dem Ziel, in den mit 14 gewählten Kreistagsmitgliedern besetzten Ausschüssen als Fraktion vertreten zu sein, betrifft nach dem erkennbaren Inhalt des Rechtsschutzbegehrens (§ 88 VwGO) nicht eine den einzelnen Mandatsträgern zustehende Rechtsposition, sondern den aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 und Art. 29 Abs. 1 Satz 3 LKrO abgeleiteten Anspruch der im Kreistag vertretenen Parteien und Wählergruppen auf eine ihrem Stärkeverhältnis entsprechende Sitzverteilung in den Ausschüssen. Da es sich demnach um eine Klage der insoweit beteiligungsfähigen (§ 61 Nr. 2 VwGO) Fraktion handelt, wie der Klägervertreter in der Berufungsverhandlung bestätigt hat, ist das Rubrum entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 22.3.2001 - 8 B 262.00 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 20).
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II. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, über die Besetzung der im Urteil genannten Ausschüsse des Kreistags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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1. Die auf eine nochmalige Beschlussfassung des Kreistags über die Verteilung der Ausschusssitze und damit auf eine innerorganisatorische Maßnahme ohne Verwaltungsaktsqualität gerichtete allgemeine Leistungsklage ist zulässig.
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Der Klägerin steht die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis zu. Sie kann sich auf eine mögliche Verletzung ihres aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO abzuleitenden Rechts auf eine dem Gesetz entsprechende Vertretung in den Ausschüssen berufen (vgl. bereits BayVGH, U.v. 15.7.1955 - 97 IV 54 - VGH n.F. 8, 97; U.v. 8.6.1988 - 4 B 87.00574 - NVwZ-RR 1990/91). Die geltend gemachte Rechtsverletzung ist nicht dadurch dauerhaft entfallen, dass der Kreistag des Beklagten in seiner Sitzung vom 16. September 2021 der Klägerin in Abänderung seiner Entscheidung vom 15. Mai 2020 die begehrten Ausschusssitze zugewiesen hat. Denn darin lag, wie die näheren Umstände der Beschlussfassung erkennen lassen, lediglich eine der einstweiligen Anordnung Rechnung tragende vorläufige Regelung bis zur Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache.
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Aus den vom Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegten Gründen fehlt es für die erst mehr als ein Jahr nach der Ausschussbesetzung erhobene Leistungsklage weder an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis noch steht ihr der Einwand der Verwirkung entgegen.
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2. Die Klage ist begründet, da die in der Kreistagssitzung am 15. Mai 2020 getroffenen Beschlüsse über die Sitzverteilung im Kreisausschuss, im Schulausschuss, im Umwelt- und Verkehrsausschuss sowie im Kulturausschuss rechtswidrig waren und die Klägerin in ihrem organschaftlichen Recht aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO verletzt haben. Sie kann daher verlangen, dass der Kreistag des Beklagten über die Besetzung dieser Ausschüsse neu beschließt.
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Die Berücksichtigung der aus drei kleineren Parteien bzw. Wählergruppen (ÖDP, Bündnis für D., Die Linke/Die Partei) gebildeten Ausschussgemeinschaft (Beigeladene zu 7) bei der Vergabe der Ausschusssitze im Kreistag zu Lasten der Klägerin war von Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO nicht gedeckt. Die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, mittels eines Zusammenschlusses von Kreisräten gemeinsame Vertreter in die Ausschüsse zu entsenden, darf nicht zur Folge haben, dass eine größere Fraktion oder Gruppe aus den Ausschüssen vollständig verdrängt wird (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 4 CE 20.1442 - BayVBl 2020, 743 Rn. 31 ff.; B.v. 26.10.2020 - 4 CE 20.2238 - BayVBl 2021, 387 Rn. 25; ebenso VG Gera, U.v. 30.9.2020 - 2 K 468/20 Ge - juris Rn. 45 ff.; M. Wolff in BeckOK KommR, Stand 1.8.2022, GO, Art. 33 Rn. 9; Wachsmuth in PdK, GO, Art. 33 Erl. 7.1; a.A. Leisner, BayVBl 2021, 433). Dieses einschränkende Normverständnis folgt bereits aus dem Regelungszusammenhang sowie dem erkennbaren Zweck der Vorschrift (nachfolgend a) und ist auch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zwingend geboten (nachfolgend b).
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a) Nach Art. 27 Abs. 2 LKrO, der für den Kreisausschuss unmittelbar und für die weiteren Ausschüsse gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 3 LKrO entsprechend gilt, werden die Ausschussmitglieder vom Kreistag für die Dauer der Wahlzeit aus seiner Mitte bestellt (Satz 1), wobei der Kreistag dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen hat (Satz 2); Kreisräte können sich zur Entsendung gemeinsamer Ausschussvertreter zusammenschließen (Satz 5). Diese Vorschriften waren fast wortgleich schon in der Ursprungsfassung des Art. 27 der Landkreisordnung vom 16. Februar 1952 (GVBl S. 39) bzw. - bezogen auf die Ausschüsse des Gemeinderats - in der Parallelnorm des Art. 33 der Gemeindeordnung vom 25. Januar 1952 (GVBl S. 19) enthalten. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kommt dabei dem Satz 2 die „Hauptbedeutung“ zu (BayVGH, U.v. 26.11.1954 - 91 IV 54 - VGH n.F. 8, 5/7; U.v. 15.7.1955 - 97 IV 54 - VGH n.F. 8, 97/99). Der Sinn und Zweck dieser an Art. 10 des früheren Landkreiswahlgesetzes vom 27. Februar 1948 (GVBl S. 17) anknüpfenden Regelung liegt darin, die Ausschüsse in ihrer Zusammensetzung möglichst zu einem verkleinerten Abbild des Kreistags bzw. Gemeinderats zu machen (vgl. bereits BayVGH, U.v. 23.7.1951 - 26 IV 49 - VGH n.F. 4, 114/123). Die „Parteien und Wählergruppen”, also die Fraktionen und die Gruppierungen unterhalb der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Fraktionsstärke, haben danach einen einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihnen in dem Ausschuss so viele Sitze zugeteilt werden, wie es ihrem Stärkeverhältnis zueinander entspricht (BayVGH, U.v. 17.4.2004 - 4 BV 03.117 - VGH n.F. 57, 56/57 m.w.N.). Auch die Ausschussgröße darf hiernach nicht so gering bemessen werden, dass selbst ansehnlich große Fraktionen und Gruppen von einer Vertretung in den Ausschüssen ausgeschlossen werden und der Ausschuss kein Spiegelbild des Gemeinderats bzw. Kreistags mehr darstellt (BayVGH, U.v. 26.11.1954, a.a.O., 7 f.; U.v. 8.5.1968 - 20 IV 68 - VGH n.F. 21, 74/78; B.v. 21.10.2021 - 4 ZB 21.1776 - BayVBl 2022, 674 Rn. 12).
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Bereits in seinen 1954 und 1955 erlassenen Urteilen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof betont, dass alle Auslegungen des (damals in Art. 33 Abs. 1 Satz 3 GO bzw. Art. 27 Abs. 2 Satz 4 LKrO, heute jeweils in Satz 5 enthaltenen) Rechts, sich zur Entsendung gemeinsamer Ausschussvertreter zusammenzuschließen, abzulehnen sind, die mit dem in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO bzw. Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO als vorrangig bestimmten Wesensmerkmal der Ausschüsse als verkleinerte Abbilder des Gemeinderats bzw. Kreistags nicht im Einklang stehen (BayVGH, U.v. 26.11.1954, a.a.O., 9; U.v. 15.7.1955, a.a.O., 102). Er hat daher die Auffassung, auch größere, ohnehin bereits in den Ausschüssen vertretene Parteien und Wählergruppen könnten sich an einer Ausschussgemeinschaft beteiligen, als zwar mit dem Wortlaut, nicht aber mit dem Sinngehalt der Vorschrift vereinbar angesehen. Zusammenschließen dürften sich vielmehr nur Einzelgänger und solche Fraktionen bzw. Gruppen, die sonst keine Vertretung im Ausschuss erhalten würden. Begründet wurde diese einschränkende Auslegung mit der Erwägung, dass zwar jeder Zusammenschluss zu einer Ausschussgemeinschaft eine Schmälerung des Leitbildes bedeute, wonach der Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Gemeinderats bzw. Kreistags darstellen solle. Die Beschränkung auf Zusammenschlüsse von zunächst nicht in den Ausschüssen vertretenen Einzelgängern und Fraktionen lasse aber den Grundsatz der verhältnismäßigen Vertretung „ungleich mehr in Geltung“ als alle anderen in Betracht kommenden Auslegungen (BayVGH, U.v. 26.11.1954, a.a.O., 10; U.v. 15.7.1955, a.a.O., 103).
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Diese Vorgehensweise zur Auflösung des im Gesetz angelegten Normkonflikts muss auch für die hier vorliegende Fallkonstellation Anwendung finden. Ergibt sich infolge der Ausschussgröße, die vom Gemeinderat bzw. Kreistag oder - wie beim Kreisausschuss (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 LKrO) - vom Gesetzgeber festgelegt wurde, dass nach dem für die Sitzvergabe gewählten Verteilungsverfahren (hier: d’Hondt) einer bestimmten Fraktion oder Gruppe ein eigener Ausschusssitz zusteht, dann darf dieses auf ihrer relativen Stärke beruhende originäre Mitwirkungsrecht nicht durch einen erst nach der Wahl erfolgten Zusammenschluss kleinerer Gruppen zu einer Ausschussgemeinschaft vollständig zunichtegemacht werden. Denn auch dadurch würde entgegen der zitierten Rechtsprechung eine ansehnlich große Fraktion oder Gruppe von einer Vertretung in den Ausschüssen gänzlich ausgeschlossen. Das im Gesetz verankerte Leitbild, wonach die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Kreistags bzw. Gemeinderats sein müssen, bleibt „ungleich mehr in Geltung“, wenn die an eine Ausschussgemeinschaft abgegebenen Sitze von einer Fraktion stammen, die auch danach noch an der Ausschussarbeit teilnehmen kann, als wenn es sich um die jeweils einzigen Sitze der abgebenden Fraktion oder sonstigen Gruppe handelt. Im letztgenannten Fall darf daher eine Ausschussgemeinschaft nicht bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden.
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b) Dasselbe Ergebnis folgt aus einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften über die Bildung von Ausschussgemeinschaften.
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aa) Die in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO und Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO enthaltene Forderung, dass der Gemeinderat bzw. Kreistag bei der Bestellung der Ausschussmitglieder dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen hat, ist verfassungsrechtlich zwingend vorgegeben. Die Ausschüsse nehmen als Untergliederungen der gewählten Volksvertretung einzelne Aufgaben dieses Repräsentationsorgans wahr und müssen daher in ihrer Zusammensetzung das Plenum in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln (BVerfG, U.v.13.6.1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188/222; U.v. 28.12.2012 - 2 BvE 8/11 - BVerfGE 130, 318/354). Dieses aus der Verfassung abgeleitete Spiegelbildlichkeitsprinzip, das auch den Anspruch der Fraktionen auf gleiche Teilhabe an der Willensbildung in dem gewählten Vertretungsorgan absichert (BVerfG, U.v. 13.3.2014 - 2 BvE 6/12 - BVerfGE 135, 317 Rn. 153), erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum vertretenen Fraktionen (BVerfG, U.v. 22.9.2015 - 2 BvE 1/11 - BVerfGE 140, 115 Rn. 93 m.w.N.; BayVerfGH, E.v. 26.11.2009 - Vf. 32-IVa-09 - VerfGHE 62, 208/218).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat diese zunächst im Parlamentsrecht entwickelten Verfassungsgrundsätze auf die gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gewählten Volksvertretungen in den Gemeinden und Landkreisen übertragen. Da die Fraktionen als Zusammenschlüsse politisch gleichgesinnter Mitglieder der Volksvertretung auch auf kommunaler Ebene grundsätzlich gleichberechtigt an der kollektiven Willensbildung zu beteiligen sind, muss auch hier über den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit sichergestellt werden, dass die Ausschüsse die Zusammensetzung des Plenums in seiner konkreten, durch die Fraktionen geprägten organisatorischen Gestalt verkleinernd abbilden (BVerwG, U.v. 9.12.2009 - 8 C 17.08 - BayVBl 2010, 632 Rn. 18 ff.; U.v. 28.4.2010 - 8 C 18.08 - BVerwGE 137, 21 Rn. 20). Gegenstand und Bezugspunkt der Abbildung ist dabei das Stärkeverhältnis der politischen Kräfte, die sich zur Wahl gestellt und zwischen denen die Wähler entschieden haben, und nicht das Stärkeverhältnis der politischen Mehrheiten, die sich erst nach der Wahl in der kommunalen Vertretungskörperschaft ergeben haben. Sitzverschiebungen etwa zu Gunsten einer erst nachträglich gebildeten Koalitionsmehrheit können daher allenfalls durch kollidierende verfassungsrechtliche Vorgaben, die dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz gleichrangig sind, gerechtfertigt werden (BVerwG, U.v. 9.12.2009, a.a.O., Rn. 22).
32
Hiernach könnten zwar begrenzte Abweichungen vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit z.B. dann zulässig sein, wenn nur dadurch in den Ausschüssen Sachentscheidungen ermöglicht werden, die eine realistische Aussicht haben, mit dem Willen einer im Plenum bestehenden politischen „Regierungsmehrheit“ übereinzustimmen (BVerwG, a.a.O., Rn. 23 f.). Auch das damit verfolgte verfassungslegitime Ziel einer stabilen Mehrheitsbildung in der kommunalen Vertretungskörperschaft kann aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Zulassung gemeinsamer Wahlvorschläge von bloßen Zählgemeinschaften nicht rechtfertigen, wenn dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, andere Fraktionen, die entsprechend dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz bei der Ausschussbesetzung berücksichtigt werden müssten, hiervon auszuschließen (BVerwG, a.a.O., Rn. 25). Darin läge eine unzulässige Beeinträchtigung der im Grundsatz gleicher Repräsentation zum Ausdruck kommenden Erfolgswertgleichheit der kommunalen Wählerstimmen. Die Zulassung gemeinsamer Wahlvorschläge zur Sicherung des Mehrheitsprinzips ist in einem solchen Fall nicht nach dem Grundsatz des schonendsten Ausgleiches widerstreitender verfassungsrechtlicher Positionen zu rechtfertigen, weil sie den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Spiegelbildlichkeit über das zur Realisierung des Mehrheitsprinzips erforderliche Maß hinaus einschränkt. Im Sinne optimaler praktischer Konkordanz darf jedes der beiden konkurrierenden Gebote durch das andere nur soweit eingeschränkt werden, wie es zu dessen Verwirklichung im konkreten Fall erforderlich ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 26).
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bb) Überträgt man diese höchstrichterliche Judikatur auf die Möglichkeit zur Bildung von Ausschuss- bzw. Zählgemeinschaften in den kommunalen Vertretungsorganen, so bestehen nach Auffassung des Senats gegen die diesbezüglichen Regelungen in Bayern (Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO, Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO), Thüringen (§ 27 Abs. 1 Satz 5 ThürKG) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 32 Abs. 2 Satz 2, 3 KV M-V) zwar nicht schon deshalb Bedenken, weil es an einem die partielle Abweichung vom Spiegelbildlichkeitsgrundsatz legitimierenden entgegenstehenden Verfassungsbelang fehlen würde (so aber Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, Kap. 6 Rn. 143 mit Fn. 407; wie hier Randak, BayVBl 2004, 705/713; Lohner/Zieglmeier, BayVBl 2007, 481/486). Das Prinzip der demokratischen Repräsentation (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG) umfasst auch den Schutz der im Parlament vertretenen Minderheit (BVerfG, U.v. 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 - BVerfGE 70, 324/363; U.v. 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188/220). Dieser Grundsatz muss auch auf Gemeinde- und Landkreisebene gelten. Mit der Zulassung von Ausschussgemeinschaften erhalten die in die kommunale Vertretungskörperschaft gewählten Mitglieder kleiner, nicht ausschussfähiger Gruppen sowie die fraktionslosen Mandatsträger die Möglichkeit, in einzelne Ausschüsse entsandt zu werden und an der dortigen Willensbildung punktuell teilzunehmen. Die Regelung hat damit erkennbar zum Ziel, die - durch das Fehlen einer Sperrklausel begünstigte - Vielfalt der im Plenum vertretenen Grundpositionen in den Ausschüssen deutlicher zum Ausdruck zu bringen, als dies durch eine rein proportionale Verteilung anhand der Stärkeverhältnisse möglich ist.
34
Diese vom Kommunalgesetzgeber zulässigerweise angestrebte Verbreiterung des in den einzelnen Ausschüssen vertretenen Meinungsspektrums kann aber im Einzelfall nur erreicht werden, wenn die an eine Ausschussgemeinschaft vergebenen Sitze von einer Fraktion oder einer sonstigen Gruppe stammen, die auch danach noch (mit zumindest einem Mitglied) in den Ausschüssen vertreten ist. Die vollständige Verdrängung der kleinsten „an sich“ ausschussfähigen Gruppe zugunsten einer bloßen Zählgemeinschaft von noch kleineren Gruppierungen oder gar eines Zusammenschlusses von Einzelpersonen kann dagegen nicht mehr als taugliches Instrument des Minderheitenschutzes angesehen und daher als zulässige Durchbrechung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes gerechtfertigt werden. Denn damit würde einer gewichtigeren Minderheit, die immerhin so groß ist, dass ihr ein originärer Ausschusssitz zusteht, jede Möglichkeit der Mitwirkung in den Ausschüssen genommen. Zur Vermeidung dieser unzulässigen Rechtsfolge bedarf es einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO und der vergleichbaren kommunalrechtlichen Vorschriften dahingehend, dass die Sitzvergabe an Ausschussgemeinschaften nicht zum völligen Ausschluss einer aus eigener Kraft ausschussfähigen Fraktion oder Gruppe führen darf.
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Dass dieses einschränkende Normverständnis zwingend geboten ist, wird besonders augenfällig, wenn man mögliche Extremfälle der Anwendung des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO in den Blick nimmt. Gäbe es z. B. im Kreistag des Beklagten, der 70 Kreisräte umfasst (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 LKrO), eine große Fraktion A mit dreizehn Sitzen, vier Fraktionen B, C, D und E mit jeweils fünf Sitzen und zehn kleinere Fraktionen mit nur vier oder drei Sitzen, so würden bei der Besetzung eines achtköpfigen Ausschusses nach dem ... Höchstzahlverfahren ohne die Bildung von Ausschussgemeinschaften auf die Fraktion A drei Sitze, auf die Fraktionen B, C, D und E jeweils ein Sitz und - im Losverfahren - auf eine der vierköpfigen Fraktionen der achte Sitz entfallen. Schlössen sich die zehn kleineren Fraktionen dagegen zu zwei gleich großen Ausschussgemeinschaften zusammen, so erhielte die Fraktion A nur noch zwei Sitze und die nächstgrößeren Fraktionen B, C, D und E wären allesamt nicht mehr in den Ausschüssen vertreten, während auf die beiden Ausschussgemeinschaften zusammen sechs Sitze, mithin drei Viertel der Gesamtzahl entfielen. Eine solche weit überproportionale Besetzung mit Vertretern von Fraktionen, die aufgrund ihrer geringen Größe keinen eigenen Ausschusssitz beanspruchen könnten, würde zu einer Dominanz heterogen zusammengesetzter Minderheiten in den einzelnen Ausschüssen führen und wäre mit dem Verfassungsgrundsatz der Spiegelbildlichkeit unvereinbar.
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Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass in solchen Fällen nur durch die Berücksichtigung von Ausschussgemeinschaften einem (in der Summe) beträchtlichen Anteil des Plenums Sitz und Stimme in den Ausschüssen gegeben werden könne. Diese Betrachtungsweise verkennt, dass das Recht, grundsätzlich gleichberechtigt an der Willensbildung in den Ausschüssen beteiligt zu sein, nur den als Fraktion oder in anderer Form gebildeten Zusammenschlüssen von politisch gleichgesinnten Mitgliedern der Volksvertretung zusteht (BVerwG, U.v. 10.12.2003 - 8 C 18.03 - BVerwGE 119, 305/307). Grundlage der Sitzverteilung in den Ausschüssen muss die jeweilige Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum sein. Bloße Zählgemeinschaften, die sich nur ad hoc zur Gewinnung von Ausschusssitzen gebildet haben, wurden weder als solche vom Volk gewählt noch verfolgen sie über die Ausschusswahlen hinausgehende gemeinsame politische Ziele (BVerwG, a.a.O., 308). Ihre Berücksichtigung aus Gründen des Minderheitenschutzes darf daher nicht zu einer erheblichen Verzerrung der Kräfteverhältnisse in den Ausschüssen führen, wie dies bei der völligen Verdrängung einer ansonsten ausschussfähigen Fraktion oder Gruppe der Fall wäre.
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Der in dem Verlust des einzigen Ausschusssitzes liegende gravierende Eingriff in das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Ausschussarbeit lässt sich auch nicht dadurch legitimieren oder relativieren, dass es der betroffenen Fraktion oder Gruppe freistehe, sich ihrerseits mit anderen zu einer Ausschussgemeinschaft zusammenzuschließen oder sich einer bestehenden Ausschussgemeinschaft anzuschließen (so in einem obiter dictum BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.1159 - VGH n.F. 57, 56/59). Erfüllt eine Gruppierung aufgrund ihrer Größe alle Voraussetzungen für die Zuteilung von Ausschusssitzen, kann ihr daraus folgendes Recht, in allen Ausschüssen vertreten zu sein, nicht von der Kooperationsbereitschaft konkurrierender kleinerer Gruppen abhängig gemacht werden (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 4 CE 20.144 - BayVBl 2020, 743 Rn. 33).
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cc) Das hiernach gebotene einschränkende Verständnis des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO, wonach Ausschussgemeinschaften nur insoweit Ausschusssitze erhalten, als damit nicht eine größere im Kreistag vertretene Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliert, überschreitet entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung.
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Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten (BVerfG, B.v. 30.3.1993 - 1 BvR 1045/89 u.a. - BVerfGE 88, 145/166). Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (BVerfG, B.v. 10.7.1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71/78 f.). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, B.v. 3.6.1992 - 2 BvR 1041/88 u.a. - BVerfGE 86, 288/320). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (BVerfG, B.v. 18.5.2022 - 2 BvR 1667/20 - NVwZ 2022, 1129 Rn. 40 m.w.N.; vgl. BVerwG, B.v. 27.9.2021 - 10 B 4.20 - NVwZ 2022, 82 Rn. 16).
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Hiernach bestehen gegen die verfassungskonforme Reduktion des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO keine Bedenken. Der Gesetzeswortlaut schließt ein enges Normverständnis, das dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz in der von der Verfassung geforderten Weise Rechnung trägt, nicht ausdrücklich aus (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2003 - 8 C 18.03 - BVerwGE 119, 305/311). Da sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nichts Gegenteiliges ergibt, kommt es bei der Bestimmung des normativen Gehalts maßgebend auf den Regelungszusammenhang und den erkennbaren Gesetzeszweck an. Danach steht bei der Sitzzuteilung das in Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO enthaltene Gebot einer die Stärkeverhältnisse im Kreistag widerspiegelnden Ausschussbesetzung im Vordergrund. Die Berücksichtigung nachträglich gebildeter Ausschussgemeinschaften soll dieses Prinzip nicht in Frage stellen, sondern nur punktuelle Ergänzungen ermöglichen. Die Regelung zielt ersichtlich nicht darauf ab, den lediglich zu einer Zählgemeinschaft verbundenen Kleingruppen einen Repräsentationsvorrang gegenüber größeren Gruppen oder gar eine dominierende Rolle in den Ausschüssen zu ermöglichen.
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Es kann auch keine Rede davon sein, dass die verfassungskonforme Begrenzung des Anwendungsbereichs die Vorschrift praktisch leerlaufen ließe und damit die gesetzgeberische Regelungsabsicht zunichtemachen würde. Die an eine Ausschussgemeinschaft fallenden Sitze müssen keineswegs zwingend von der jeweils kleinsten im Ausschuss vertretenen Fraktion oder Gruppierung stammen und deren einziger Sitz sein. Es hängt vielmehr im Einzelfall von den Stärkeverhältnissen im Plenum wie auch von dem gewählten Verteilungsverfahren (d’Hondt; Hare-Niemeyer; St. Laguë/Schepers) ab, wer infolge des Hinzutretens einer Ausschussgemeinschaft Ausschusssitze verliert und ob die betroffene Fraktion oder Gruppierung auch danach weiterhin in den Ausschüssen vertreten ist. Nur wenn und soweit einer (oder gar mehreren) aus eigener Kraft ausschussfähigen Gruppe(n) durch die Abgabe von Sitzen jegliche Mitwirkung in den Ausschüssen verwehrt würde, wie dies bei der Klägerin unstreitig der Fall ist, steht das Verfassungsgebot der Spiegelbildlichkeit einer Anwendung der Vorschrift entgegen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen, die sich auf der Seite des unterlegenen Beklagten am Verfahren beteiligt haben, ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegen.