Titel:
Kostenersatzanspruch für Ausrücken der Feuerwehr ohne anschließendes Tätigwerden in einem Einsatz
Normenkette:
BayFwG Art. 28
Leitsatz:
Eine Kostenerstattungspflicht nach Art. 28 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 iVm Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BayFwG setzt einen Einsatz der betreffenden Feuerwehr voraus. Hierfür ist es notwendig, dass Personal und Gerät unmittelbar zur Brandbekämpfung oder Hilfeleistung eingesetzt wird; eine über das bloße Ausrücken hinausgehende Erkundung der Lage vor Ort durch die Feuerwehr, mit dem Ziel festzustellen, ob überhaupt Anlass zum Eingreifen besteht, führt hingegen nicht zum Vorliegen eines Einsatzes. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenersatz für gemeindliche Feuerwehr, Ausrücken wegen vermeintlicher Gefahr (Brand) ohne anschließenden Einsatz (Brandbekämpfung), Kostenersatz, Feuerwehr, Lagerfeuer, Einsatz, Ausrücken, Brandmeldung, Falschalarmierungsfälle
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 15.10.2020 – M 30 K 18.1052
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34090
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 658,64 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen die Inanspruchnahme für Kosten einer Feuerwehrausrückfahrt, die wegen eines vermeintlichen Containerbrandes auf einem Grundstück in seinem Miteigentum veranlasst wurde.
2
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 nahm die Beklagte den Kläger gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayFwG für entstandene Personal- und Fahrzeugkosten in Höhe von 658,64 Euro in Anspruch.
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Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid des Landratsamtes Fr. vom 7. Februar 2018 zurückgewiesen. Darin wurde der Kostenersatzanspruch auf Art. 28 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayFwG gestützt.
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Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2020 wurde der Ausgangsbescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2018 aufgehoben.
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Gegen das Urteil richtet sich der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit die geltend gemachten Zulassungsgründe den Darlegungsanforderungen genügen, greifen sie nicht durch (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO).
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a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beklagte hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
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Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, ihre Feuerwehr sei verpflichtet gewesen, wegen des auf dem klägerischen Grundstück vorsätzlich angezündeten Lagerfeuers auszurücken. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, mangels tatsächlicher Brandbekämpfung habe kein „Einsatz“ im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG vorgelegen, sei unzutreffend. Bei einer Auslegung nach dem Wortsinn beginne ein Einsatz bereits mit dem Ausrücken aus der Feuerwache, spätestens aber mit einem aktiven Tätigwerden der Einsatzkräfte durch Anlegen der Ausrüstung zur Brandbekämpfung. Bei einer Brandmeldung rücke die Feuerwehr bereits mit angelegter Ausrüstung einsatzfertig aus, um beim späteren Eintreffen am Brandort keine Zeit zu verlieren. Der Einsatz der Feuerwehr sei auch grob fahrlässig verursacht worden. Der Kläger habe damit rechnen müssen, dass das ohne Kenntnis der Feuerwehr entzündete Lagerfeuer eine Brandmeldung und das Ausrücken der gemeindlichen Feuerwehr auslösen könnte.
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Damit wird die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht (UA S. 4 f.) hat zutreffend angenommen, dass eine Kostenerstattungspflicht nach Art. 28 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayFwG einen Einsatz der betreffenden Feuerwehr voraussetzt. Weiter hat es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 27.6.2012 - 4 BV 11.2549 - VGH n.F. 65, 142 Rn. 32 f.) ausgeführt, hierfür sei es notwendig, dass Personal und Gerät unmittelbar zur Brandbekämpfung oder Hilfeleistung eingesetzt würden; eine über das bloße Ausrücken hinausgehende Erkundung der Lage vor Ort durch die Feuerwehr, mit dem Ziel festzustellen, ob überhaupt Anlass zum Eingreifen bestehe, führe hingegen nicht zum Vorliegen eines Einsatzes.
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Das Argument der Beklagten, die Auslegung des Art. 28 BayFwG nach dessen Wortlaut spreche für einen Beginn des Einsatzes bereits mit dem Ausrücken, überzeugt nicht. Aus der Systematik der bereits bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2017 maßgeblichen Fassung des Art. 28 BayFwG vom 27. Juni 2017 folgt, dass im Hinblick auf einen Kostenersatzanspruch zwischen dem Ausrücken und einem nachfolgenden Einsatz zu unterscheiden ist. So besteht gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 7 BayFwG dem Grunde nach ein Kostenersatzanspruch nach Abs. 1 der Vorschrift für das Ausrücken einer alarmierten Feuerwehr zu einem Einsatz, für den die Gemeinden der eingesetzten Feuerwehren die Aufwendungen nach den Nrn. 1, 2 oder 4 ersetzt verlangen können, deren eigenes Tätigwerden aber nicht erforderlich geworden ist. Auch in den Falschalarmierungsfällen (Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayFwG) kann ein Ersatz der Ausrückkosten nach Maßgabe des Abs. 1 verlangt werden (vgl. BayVGH, U.v. 8.7.2016 - 4 B 15.1285 - VGH n.F. Rn. 26), naturgemäß ohne dass dies einen Einsatz voraussetzt; die jeweils alarmierte Feuerwehr stellt vor Ort fest, dass keine objektiv gefahrträchtige Situation gegeben ist, die ein Tätigwerden erfordern würde. Aus dem Vorstehenden ergibt sich im Umkehrschluss, dass einer Gemeinde kein Kostenersatzanspruch für das Ausrücken ihrer Feuerwehr ohne anschließendes Tätigwerden in einem Einsatz zusteht, wenn - wie vorliegend - keiner dieser Ausnahmetatbestände vorliegt (wie hier Forster/Pemler/Remmele, Bayerisches Feuerwehrgesetz, Stand 12/2021, Art. 28 Rn. 54 b).
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Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2016 - 4 ZB 15.2030 - BayVBl 2016, 460 -, auf den die Beklagte Bezug nimmt. Darin (Rn. 10) wird auf die Grundsätze Bezug genommen, die auch in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Weiter (Rn. 11) wird insbesondere klargestellt, dass ein unmittelbar der technischen Hilfeleistung (Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG) dienender Personaleinsatz schon dann vorliegen kann, wenn aus der maßgeblichen ex ante-Sicht der Feuerwehr die vorsorgliche Anwesenheit von Einsatzkräften erforderlich erscheint, weil eine gefahrenträchtige Situation noch nicht endgültig bereinigt ist. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben; nach ihrem Eintreffen vor Ort stellte die Feuerwehr der Beklagten fest, dass keine gefahrenträchtige Situation vorlag.
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Der Hinweis des Klägers, die Feuerwehr der Beklagten habe bereits vor dem Ausrücken Ausrüstung angelegt, ändert nichts daran, dass aufgrund des vor Ort festgestellten Lagebilds keine Brandbekämpfung erforderlich war (vgl. BayVGH, U. v. 27.6.2012 - 4 BV 11.2549 - VGH n.F. 65, 142 Rn. 32). Ob der Kläger die Alarmierung und das Ausrücken der Feuerwehr grob fahrlässig herbeigeführt hat, wie die Beklagte meint, ist nicht entscheidungserheblich. Es fehlt bereits an einem Feuerwehreinsatz, wie ihn die hier in Betracht kommenden Anspruchstatbestände voraussetzen.
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b) Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, welche vorbereitenden Tätigkeiten zur Brandbekämpfung erforderlich seien, um von einem Einsatz im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG auszugehen. Unter welchen Voraussetzungen das „Ausrücken“ der Feuerwehr zu einem „Einsatz“ im kostenrechtlichen Sinne wird, ist durch die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bereits grundsätzlich geklärt. Ob danach ein solcher „Einsatz“ vorliegt, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und ist keiner weiteren grundsätzlichen Klärung zugänglich. Im Übrigen sind jedenfalls die von der Beklagten genannten Vorbereitungstätigkeiten wie das Anlegen der Ausrüstung nach den vorgenannten Grundsätzen nicht geeignet, einen „Einsatz“ im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayFwG anzunehmen.
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c) Soweit die Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht habe mit einem späten und überraschenden Hinweis entweder gegen den Amtsermittlungsgrundsatz oder gegen Hinweispflichten verstoßen, macht sie der Sache nach geltend, es liege ein Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor.
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Das Verwaltungsgericht hat nach dem Vortrag der Beklagten darauf hingewiesen, dass für ein Ausrücken der Feuerwehr ohne tatsächliche Brandbekämpfung keine Rechtsgrundlage für einen Kostenersatz existiere. Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar, inwieweit eine Hinweispflicht verletzt worden wäre und von einem zu späten oder überraschenden Hinweis gesprochen werden könnte. Es kann dahinstehen, ob die von der Beklagten herangezogene Vorschrift des § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO im Verwaltungsprozess über § 173 VwGO anwendbar ist (dagegen Meissner/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Februar 2022, § 173 VwGO Rn. 153) oder insoweit kein Ergänzungsbedarf besteht. Jedenfalls ergibt sich aus dieser Regelung kein genereller Anspruch der Beteiligten auf Erteilung rechtlicher Hinweise bereits vor der mündlichen Verhandlung (vgl. Fritsche in MüKo ZPO, 6. Aufl. 2020, § 139 Rn. 52). Im Übrigen hat der Bevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, keine weiteren Rechtsausführungen machen zu wollen, nachdem das Verwaltungsgericht auf die seines Erachtens fehlende Rechtsgrundlage für einen Aufwendungsersatz hingewiesen hatte. Auch erfolgte der Hinweis, bevor die Zeugen entlassen wurden (vgl. Sitzungsprotokoll vom 15.10.2020, S. 3). Die Beklagte hatte demnach Gelegenheit gehabt, auf den Hinweis des Gerichts zu reagieren.
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Auch hat das Verwaltungsgericht das Amtsermittlungsgebot (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Die Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht hätte durch eine Zeugeneinvernahme feststellen können, dass die Einsatzkräfte während des Ausrückens ihre Feuerwehrausrüstung angelegt hätten. Nach der für den Umfang der gebotenen Amtsermittlung maßgeblichen (und im Übrigen zutreffenden) Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts setzt ein Kostenersatzanspruch der Beklagten voraus, dass ein unmittelbar der Brandbekämpfung oder Hilfeleistung dienender Personal- und Geräteeinsatz erfolgt; nach den Feststellungen vor Ort, wie sie die Beklagte selbst schildert, war keine solche Brandbekämpfung erforderlich. Die einen eventuellen Einsatz vorbereitende Tätigkeit der Feuerwehr in der Ausrückphase war folglich nicht entscheidungserheblich. Zum anderen hat die Beklagte nicht dargelegt, inwiefern sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufgedrängt hätte. Auch hat sie in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).