Titel:
Verbot des Besitzes erlaubnisfreier Waffen und Munition
Normenketten:
WaffG § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, lit. b, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Der Begriff der „erlaubnisfreien Waffen und Munition“ ist für jedermann hinreichend klar erkennbar; hierzu zählen alle vollumfänglich erlaubnisfreien Waffen, insbesondere sämtliche Waffen im technischen Sinn nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a (namentlich alle Hieb- und Stoßwaffen) und lit. b WaffG iVm Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2, jeweils soweit sie nicht den verbotenen Waffen nach Anlage 2 Abschnitt 1 unterfallen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit ein Gegenstand als Waffe im nichttechnischen Sinn zu qualifizieren ist, aber nicht in der Anlage zum Waffengesetz explizit aufgeführt ist, fällt er nicht in den Anwendungsbereich des Waffengesetzes und darf auch bei einem erlassenen Besitz- und Erwerbsverbot verwendet werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenbesitzverbot, erlaubnisfreie Waffen und Munition, erlaubnisfreie Waffen, Munition, Waffenbegriff
Vorinstanz:
VG München, Gerichtsbescheid vom 25.07.2022 – M 7 K 21.2936
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34079
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen ein Verbot betreffend den Besitz und den Erwerb erlaubnisfreier Waffen und Munition.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2022 die Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid vom 29. April 2021, mit dem das Waffenbesitzverbot ausgesprochen wurde, abgewiesen. Dieser Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG lägen vor. Der Kläger sei aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten waffenrechtlich unzuverlässig nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG. Des Weiteren sei der Kläger auch nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG unzuverlässig. Durch den Besitz von zwei Wurfsternen und zwei Nun-Chakus sowie von erlaubnispflichtiger Munition ohne die erforderliche Erlaubnis habe der Kläger gröblich gegen § 2 Abs. 2 und Abs. 3 WaffG verstoßen. Der Kläger sei mit rechtskräftigem Urteil des zuständigen Amtsgerichts vom 14. Mai 2020 u.a. wegen des vorsätzlichen Besitzes von vier verbotenen Waffen mit unerlaubtem Besitz von Munition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. b WaffG verurteilt worden. Dies begründe die Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Ein Ausnahmefall sei jeweils nicht ersichtlich. Die Ermessensausübung des Landratsamts sei nicht zu beanstanden. Das Waffenbesitz- und Erwerbsverbot sei verhältnismäßig und hinreichend bestimmt. Der Begriff der „erlaubnisfreien Waffen und Munition“ sei ausreichend bestimmbar. Der Kläger könne sich bei Zweifeln beim Landratsamt erkundigen.
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Mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend.
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Der Beklagte - Landesanwaltschaft B. - ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil.
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Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. November 2021, mit dem sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Dezember 2021 zurückgewiesen (Az. 24 C 21.2857).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 - 1 B 33.03 - NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 - BayVBl 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
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Der Kläger macht sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Solche liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.). Den Darlegungsvoraussetzungen wird nicht genügt, wenn sich das Vorbringen in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, ohne im Einzelnen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen (Seibert in Sodan/Ziedow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 m.w.N.).
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Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Gerichtsbescheid dargelegt, aus welchen Gründen das gegen den Kläger durch Bescheid vom 29. April 2021 erlassene Besitz- und Erwerbsverbot für erlaubnisfreie Waffen und erlaubnisfreie Munition rechtmäßig ist (Gerichtsbescheid S. 7 ff.).
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Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
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Die Zulassungsbegründung führt aus, der angefochtene Bescheid sei unklar. Er werde damit begründet, dass Waffen im nichttechnischen Sinn, die nicht ausdrücklich in der Anlage zum Waffengesetz aufgeführt seien, vom Kläger unzweifelhaft auch künftig verwendet werden dürften. Der Verweis auf Anlage 1, insbesondere Nr. 2.1.3 (Faustmesser) - dieser Begriff umfasse auch das Tafelmesser - beseitige gerade nicht die Zweifel des Klägers. Der Hinweis auf eine Erkundigungsmöglichkeit beim Landratsamt sei nicht ausreichend. Er stelle den Kläger vor die Frage, bei welchem Sachbearbeiter eine verbindliche Erklärung eingeholt werden solle.
13
Das Verwaltungsgericht hat ausführlich dargelegt, weshalb der Begriff der „erlaubnisfreien Waffen und Munition“ für jedermann, auch für den Kläger, hinreichend klar erkennbar ist. Hierzu zählen alle vollumfänglich erlaubnisfreien Waffen. Insbesondere sind hier sämtliche Waffen im technischen Sinn nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG (namentlich alle Hieb- und Stoßwaffen) gemeint, soweit sie nicht den verbotenen Waffen nach Anlage 2 (zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG) Abschnitt 1 unterfallen. Auch Waffen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG i.V.m. Anlage 1 (zu § 1 Abs. 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2 zählen hierher, soweit sie nicht den verbotenen Waffen nach Anlage 2 Abschnitt 1 unterfallen (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 41 Rn. 5).
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Weiter weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht jede Waffe im nichttechnischen Sinn auch gleichzeitig als Waffe im Sinne des Waffengesetzes eingestuft hat. Nur diejenigen Waffen im nichttechnischen Sinn sind vom Waffengesetz erfasst, die ausdrücklich dort benannt sind. Eine Aufzählung der Waffen im nichttechnischen Sinn erfolgt in Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2. Diese ist abschließend. Soweit ein Gegenstand als Waffe im nichttechnischen Sinn zu qualifizieren ist, aber nicht in der Anlage zum Waffengesetz explizit aufgeführt ist, fällt er nicht in den Anwendungsbereich des Waffengesetzes und damit des nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG erlassenen Besitz- und Erwerbsverbots und darf vom Antragsteller unzweifelhaft auch künftig verwendet werden (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 1 Rn. 17).
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In Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1.3 ist das vom Kläger zitierte Faustmesser genannt. Es ist ein Messer mit einem quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge verlaufenden Griff, das bestimmungsgemäß in der geschlossenen Faust geführt oder eingesetzt wird. Warum dieser Begriff auch das Tafelmesser umfassen soll, erschließt sich nicht.
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Der Hinweis auf Erkundigungsmöglichkeiten im Landratsamt im Gerichtsbescheid ist lediglich als Anregung für den Kläger zu werten. Mit der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids hat dieser Hinweis nichts zu tun.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der nicht in Frage gestellten erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).