Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 24.10.2022 – AN 9 K 21.01995
Titel:

Zwangsgeld wegen nicht genehmigter Nutzungsänderung einer Ladenfläche als Wettbüro rechtmäßig

Normenkette:
VwZVG BY Art. 19, 29, 31 Abs. 2 S. 1, S. 4, 36
Leitsätze:
1. Ein Betrieb zur Vermittlung von (Sport-)Wetten ist als Wettbüro und damit als Vergnügungsstätte einzustufen, wenn - in Abgrenzung zu einer bloßen Wettannahmestelle vergleichbar einer Lotto-Toto-Annahmestelle als Laden - in den Räumlichkeiten nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen besteht, sondern diese auch zur kommerziellen Unterhaltung dienen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Einstufung als Wettbüro kommt es gerade nicht darauf an, ob Kunden die Räumlichkeiten nur kurz betreten und nach geringer Aufenthaltszeit wieder verlassen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine besondere Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses des Pflichtigen iSd Art. 31 Abs. 2 S. 4 VwZVG durch die Behörde ist regelmäßig nicht erforderlich. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Mitteilung über die Fälligstellung eines Zwangsgeldes hat nur deklaratorischen Charakter. (Rn. 50 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erneute Zwangsgeldandrohung, Fälligkeitsmitteilung, Wettbüro, Nutzungsänderung, Zwangsgeldandrohung, wirtschaftliches Interesse
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34071

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Fälligstellung eines Zwangsgeldes sowie eine erneute Zwangsgeldandrohung unter Nachfristsetzung.
2
Im Erdgeschoss des Anwesens …, FlNr. …, Gemarkung …, wurde mit Bescheid aus dem Jahr 1908 eine Nutzung als Laden genehmigt.
3
Das streitgegenständliche Anwesen befindet sich im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans … Bei einer Ortseinsicht durch den Außendienst der Bauordnungsbehörde der Beklagten wurde am 20. Februar 2019 festgestellt, dass im Anwesen … ein Wettbüro mit einer gewerblichen Nutzfläche von ca. 160 m² betrieben wird.
4
Laut Auskunft aus dem Gewerberegister wird im Anwesen … die Tätigkeit „Vermittlung von Wetten“ seit dem 15. April 2016 durch die Klägerin betrieben.
5
Mit Schreiben vom 4. März 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass es sich bei der Nutzung als Wettbüro um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung handele, die von der ursprünglichen Genehmigung einer Ladenfläche nicht mehr gedeckt sei. Die ausgeübte Nutzung sei planungsrechtlich als Vergnügungsstätte einzustufen. Zwar liege ein Bauantrag bezüglich einer vergleichbaren Nutzung eines Mitbewerbers vor, eine Genehmigung sei bisher aber nicht erteilt worden.
6
Das Vorhaben könne auch nicht im Nachhinein genehmigt werden. Das Vorhaben befinde sich in einem faktischen Mischgebiet. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche des Wettbüros handele es sich um ein kerngebietstypisches Vorhaben, das im Mischgebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig sei. Die Nutzung sei bis zum 23. April 2019 zu beenden.
7
Mit E-Mail vom 23. April 2019 teilte ein von der Klägerin beauftragter Architekt der Beklagten mit, dass er beauftragt worden sei, einen Nutzungsänderungsantrag einzureichen und dass um Fristverlängerung zur Einreichung der Unterlagen gebeten werde.
8
Mit E-Mail vom 24. April 2019 teilte die Beklagte dem von der Klägerin beauftragten Architekten mit, dass die erbetene Fristverlängerung so kurz vor Ablauf der Frist nicht zielführend erscheine und eine Genehmigung auch aktuell nicht in Aussicht gestellt werden könne.
9
Mit E-Mail vom 25. April 2019 teilte der von der Klägerin beauftragte Architekt mit, dass er sich bemühe, den Antrag umgehend einzureichen und dass die Nutzfläche auf unter 100 m² reduziert würde und deshalb von einer Genehmigungsfähigkeit auszugehen sei.
10
Bei einer weiteren Ortseinsicht am 6. Juni 2019 durch die Bauordnungsbehörde der Beklagten wurde festgestellt, dass die beanstandete Nutzung weiterhin in unveränderter Größe vorhanden sei.
11
Mit Schreiben vom 26. Juni 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die eingegangenen Antragsunterlagen unvollständig seien und deshalb nicht weiterbearbeitet werden könnten. Sie würden mit der Bitte um Ergänzung zurückgegeben.
12
Mit Bescheid vom 28. Juni 2019 (Az: …*) wurde gegenüber der Klägerin als Betreiberin angeordnet, die Nutzung der als Laden genehmigten Einheit im Erdgeschoss des Anwesens … als Wettbüro innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids einzustellen (Nr. 1 des Bescheids). Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde in Nr. 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR angedroht.
13
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich um eine nicht genehmigte Nutzungsänderung handele. Die aufgegriffene Nutzung stelle ein Wettbüro dar. Es handele sich um eine gewerbliche Nutzung, welche als Vergnügungsstätte einzustufen sei. Aufgrund der Ausstattung sowie der Art und Weise des Betriebs des Wettbüros stehe die Unterhaltung der Kunden durch die Teilnahme am Wettspiel in geselliger Runde im Vordergrund. Die genehmigungspflichtige Nutzungsänderung sei mangels einer erforderlichen Baugenehmigung für das Vorhaben formell baurechtswidrig, die ausgeübte Nutzung stehe im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die Nutzungsuntersagung sei verhältnismäßig, insbesondere sei das Vorhaben nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Das Vorhaben liege im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans, im Übrigen richte sich die Zulässigkeit nach § 34 BauGB.
14
Es sei von einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO auszugehen. Die bauplanungs-rechtliche Einstufung müsse hier nicht endgültig entschieden werden, denn keinesfalls liege das Baugrundstück in einem Kerngebiet oder dem gewerblich geprägten Teil eines Mischgebiets. Damit könne ungeachtet der konkreten Einstufung des Gebietes nicht davon ausgegangen werden, dass ein Wettbüro offenkundig zulässig wäre. Hinzu komme, dass nach der Berechnung des Stellplatzbedarfs zusätzliche Stellplätze nachzuweisen wären, was bisher ebenfalls nicht geschehen sei.
15
Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2019, ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage erheben. Mit Urteil vom 10. Juni 2021 wurde unter dem Aktenzeichen AN 9 K 19.01414 die Klage abgewiesen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 22. Juni 2021 wurde unter dem Aktenzeichen 9 ZB 20.1826 der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
16
Einem Aktenvermerk der Beklagten vom 7. Oktober 2021 ist zu entnehmen, dass bei einer Ortseinsicht am 29. September 2021 festgestellt worden sei, dass das Wettbüro weiter betrieben werde. Ein Mitarbeiter im Wettbüro habe als Betreiberin die Klägerin benannt. Die Behördenakte enthält mehrere anlässlich der Ortseinsicht gefertigte Lichtbilder.
17
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2021 (* …*) wurde der Klägerin zur Erfüllung der Anordnung Nr. 1 des Bescheids vom 28. Juni 2019 eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids bestimmt. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000,00 EUR angedroht. Zur Begründung wurde unter anderem auf die Bestandskraft des Bescheids vom 28. Juni 2019. Bei der durchgeführten Ortseinsicht am 29. September 2021 sei festgestellt worden, dass die als Laden genehmigte Einheit nach wie vor als Wettbüro genutzt werde. Es sei von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Verwaltungsakte mit Zwangsmitteln zu vollstrecken. Das unter Nr. 2 des unanfechtbaren Bescheids vom 28. Juni 2019 (Az. …*) angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR sei fällig geworden und entsprechend der beigefügten Zwangsgeldfestsetzung sofort zu bezahlen.
18
Ebenfalls mit Schreiben vom 13. Oktober 2021 übermittelte die Beklagte der Klägerin eine Fälligkeitsmitteilung dahingehend, dass das angedrohte Zwangsgeld aus vorangegangenem Androhungsbescheid in Höhe von 10.000,00 EUR zu sofortigen Zahlung fällig geworden sei.
19
Mit Schriftsatz vom 15. November 2021, bei Gericht am selben Tag eingegangen, erhob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die „Zwangsgeldfestsetzung als Fälligkeitsmitteilung“ das gleiche Aktenzeichen und das gleich Datum wie der Bescheid vom gleichen Tag trage. Damit sei aus Adressatensicht eindeutig und zweifelsfrei der Bezug zu der Verfügung vom gleichen Tage gegeben. Am 13. Oktober 2012 sei die Frist für die Erfüllung der Anordnung Nr. 1 des Bescheids noch nicht abgelaufen. Mithin seien die Fälligkeitsvoraussetzungen noch nicht eingetreten. Üblicherweise referenziere eine Fälligkeitsmitteilung klar und eindeutig auf den spezifisch zugrundeliegenden Zwangsgeldbescheid und beinhalte vor allen Dingen auch eine kurze Darlegung, wann und warum das Zwangsgeld fällig geworden sei. Die Fälligkeitsmitteilung enthalte keine weitere Spezifizierung des Androhungsbescheids. Das Zwangsgeld sei zwar in einem Bescheid vom 28. Juni 2019 angedroht worden, der Bescheid trage aber ein völlig anderes Aktenzeichen, nämlich … Auch ergebe sich aus dem Vortrag nicht, dass die Räumlichkeiten als Wettbüro genutzt würden. Zu einem etwaigen Kundenaufenthalt seien ebenso wenig Aussagen getätigt wie zum Wettprogramm und etwaigen Fernsehübertragungen von Sportereignissen. Es werde davon ausgegangen, dass der Betrieb, zu einer Zeit als noch die 14. BayIfSMV gegolten habe, durch Kunden geprägt gewesen sei, die allenfalls kurz die Wettannahmestelle betreten hätten und nach geringer Aufenthaltszeit wieder den Wettbetrieb verlassen hätten. Von einer Wettbüronutzung könne somit auf Grund der behördenseitig getätigten Darlegungen nicht ausgegangen werden. Die Fälligkeitsmitteilung selbst gehöre zur Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld. Es kämen als selbstständige Rechtsverletzung Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt in Betracht. Die Fälligkeitsmitteilung sei so unscharf formuliert, das nicht einmal erkennbar sei, worauf sie gestützt werde. Dies sei eine beachtliche selbstständige Rechtsverletzung im Sinne des Art. 38 Abs. 3 VwZVG. Es sei der Klägerin schlicht unmöglich, rechtssicher zu prüfen, ob und ggf. wie sie eine Fälligkeit ausgelöst haben solle. Ein Bezug auf eine im Ausgangsbescheid enthaltene Zwangsgeldandrohung sei nicht gegeben. Es gelte der objektive Empfängerhorizont; Unklarheiten gingen zu Lasten der Behörde.
20
Die Klägerin beantragt,
1.
den Bescheid vom 13.Oktober 2021, Az: … aufzuheben und
2.
festzustellen, dass entgegen der Feststellung des Schreibens der Beklagten vom 13. Oktober 2010 (sic!), „Zwangsgeldfestsetzung nach Fälligkeitsmittelung“, Az: … das Zwangsgeld nicht fällig geworden ist.
21
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
22
Zur Begründung wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Fälligkeitsmitteilung sich auf das in Nr. 2 des Bescheids vom 28. Juni 2019 angedrohte Zwangsgeld beziehe. Dies ergebe sich neben den Ausführungen in der Begründung des Bescheids vom 13. Oktober 2021 insbesondere auch aus der Tatsache, dass in der Fälligkeitsmitteilung das Zwangsgeld aus vorangegangenem Androhungsbescheid in Höhe von 10.000,00 EUR für fällig erklärt worden sei, was eine Verwechslung mit dem Zwangsgeld in Höhe von 15.000,00 EUR aus dem Bescheid vom 13. Oktober 2021 ausschließe. Die Fälligkeitsmitteilung müsse auch nicht besonders begründet werden, es handele sich nicht um einen Verwaltungsakt.
23
Mit Beschluss vom 12. Mai 2022 wurde der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen.
24
Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2022 und vom 30. Juni 2022 verzichteten die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
25
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten.

Entscheidungsgründe

A.
26
Streitgegenstand der vorliegenden Klagen ist zum einen der Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2021, mit dem der Klägerin ein weiteres Zwangsgeld unter Nachfristsetzung angedroht wurde, zum anderen die Fälligkeitsmitteilung vom 13. Oktober 2021.
27
Die zulässigen Klagen, über die auf Grund des Einverständnisses der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), sind unbegründet.
B.
28
Die gegen die Zwangsgeldandrohung gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
29
1. Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 19, 31, 36 und 37 Abs. 1 VwZVG. Gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG kann für den Fall, dass die Androhung - wie vorliegend - nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden ist und dieser unanfechtbar geworden ist, die Androhung nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird.
30
2. Verwaltungsakte können vollstreckt werden, wenn die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (letztere betreffen das jeweils gewählte Zwangsmittel) gegeben sind und keine Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. VG München, B.v. 16.12.2021 - M 8 S 21.4615 - juris Rn. 34).
31
2.1 Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind zu bejahen.
2.1.1
32
Die mit Bescheid vom 28. September 2019 verfügte Nutzungsuntersagung ist ein Verwaltungsakt, der zu einem Unterlassen verpflichtet (Art. 18, 19, 29 VwZVG).
2.1.2
33
Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt ist unanfechtbar im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG.
2.1.3
34
Auf die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes kommt es nicht an; dieser muss nur wirksam sein (vgl. VG München, B.v. 16.12.2021 - M 8 S 21.4615 - juris Rn. 34). Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit gem. Art. 44 BayVwVfG sind nicht ersichtlich.
2.1.4
35
Die Klägerin ist ihrer Unterlassensverpflichtung auch nicht nachgekommen (Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Beurteilung ist der Erlass der erneuten Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom 13. Oktober 2021. Es ist entscheidend, ob zu diesem Zeitpunkt die Erfüllung der Verpflichtung substantiiert geltend gemacht wurde oder für die Behörde unabhängig davon ersichtlich war (siehe BayVGH, B.v. 2.12.2019 - 9 ZB 19.999 - juris Rn. 8; B.v. 6.7.2021 - 9 ZB 19.1629 - juris Rn. 13).
36
Den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern über die Ortseinsicht am 29. September 2021 ist zu entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein Wettbüro betrieben wurde.
37
Ein Betrieb zur Vermittlung von (Sport-)Wetten ist nach ständiger Rechtsprechung als Wettbüro und damit als Vergnügungsstätte einzustufen, wenn - in Abgrenzung zu einer bloßen Wettannahmestelle vergleichbar einer Lotto-Toto-Annahmestelle als Laden - in den Räumlichkeiten nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen besteht, sondern diese auch zur kommerziellen Unterhaltung dienen. Dabei reicht es insoweit für die Annahme einer Vergnügungsstätte nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits aus, wenn im Wettbüro Livewetten vermittelt werden und die Möglichkeit besteht, sich in den Räumlichkeiten aufzuhalten, um die aktuellen Quotenergebnisse live zu verfolgen. Bereits daraus resultieren der Verweilcharakter und die Annahme einer kommerziellen Unterhaltung, wie sie eine Vergnügungsstätte bietet. Gerade Livewetten bilden nämlich eine rasche Aufeinanderfolge ständig aktualisierter Wettmöglichkeiten und sprechen damit den Spieltrieb besonders nachhaltig an und sind ähnlich wie Geld- oder Glücksspielautomaten auf Unterhaltung an Ort und Stelle angelegt. Die Ausstattung der Räumlichkeiten mit Sitzgruppen oder TV-Bildschirmen, das Bereitstellen von Getränken und Speisen oder das Vorhalten von Unterhaltungsspielen sind keine unabdingbaren Voraussetzungen für das Vorliegen eines als Vergnügungsstätte zu qualifizierenden Wettbüros, aber weitere Indizien hierfür; selbiges gilt hinsichtlich der Größe des Betriebs. Diese ist insbesondere relevantes Kriterium zur Unterscheidung von kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten (vgl. zum Ganzen BayVGH B.v. 21.5.2015 - 15 CS 15.9 - juris Rn. 15; B.v. 15.1.2016 - 9 ZB 14.1146 - juris Rn. 8; B.v. 19.5.2016 - 15 CS 16.300 - juris Rn. 24).
38
Die streitgegenständliche Nutzung stellt mit ihrem Erscheinungsbild, wie es den in der Behördenakte enthaltenen Lichtbildern zu entnehmen ist, zweifelsohne ein Wettbüro und somit eine Vergnügungsstätte dar. Dies ergibt sich primär aus der Vermittlung von Livewetten, daneben aber auch aus der Ausstattung mit Sitzgelegenheiten, mit verschiedenen Terminals und Geldspielautomaten sowie mit zahlreichen Bildschirmen. Auch das Vorhandensein eines Getränkeautomaten spricht dafür, dass eine längere Verweildauer der Kunden angestrebt wird.
39
Es kommt insoweit entgegen der Ansicht des Klägervertreters gerade nicht darauf an, ob Kunden die Räumlichkeiten nur kurz betreten haben und nach geringer Aufenthaltszeit wieder verlassen haben; die tatsächliche Ausgestaltung der Räumlichkeiten zum maßgeblichen Zeitpunkt entspricht einem Wettbüro, womit ein Verstoß gegen die Unterlassenspflicht vorliegt.
40
Es wurde auch weder substantiiert vorgetragen noch ist in sonstiger Weise ersichtlich, dass es im Zeitraum zwischen Ortseinsicht und Bescheidserlass zu wesentlichen Änderungen bezüglich der Nutzung gekommen sein sollte.
41
2.2 Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
2.2.1
42
Das angedrohte Zwangsgeld bewegt sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens von mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG). Bei der Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes ist nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 BayVwZVG das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen zu schätzen. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, soll das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens grundsätzlich ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigten sind. Eine besondere Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2010 - 1 CS 10.1803 - juris Rn. 23; B.v. 9.11.2021 - 9 ZB 19.1586 - juris Rn. 10). Die Zwangsgeldhöhe von 15.000,00 EUR ist unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um die Untersagung einer nicht genehmigten Nutzung handelt und bereits eine Androhung erfolglos geblieben war, nicht zu beanstanden.
2.2.2
43
Auch die Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids erscheint insbesondere angesichts des seit Erlass des Grundbescheids verstrichenen Zeitraums als angemessen (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
44
2.2.3 Ermessensfehler sind nicht ersichtlich
45
Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und ausgeübt. Dies belegen auch die Formulierungen im Bescheid „Es muss daher von der den Behörden in Art. 29 VwZVG gegebenen Möglichkeit, (…) Gebrauch gemacht werden“ sowie „das angedrohte Zwangsmittel steht in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck“.
C.
46
Die Klage gegen die Fälligkeitsmitteilung erweist sich ebenfalls als zulässig, aber unbegründet.
47
1. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig.
48
Die statthafte Klageart gegen eine Fälligkeitsmitteilung ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Die Statthaftigkeit der Feststellungsklage setzt voraus, dass die Kläger ihr Klagebegehren nicht durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können (§ 43 Abs. 2 VwGO). Da es sich bei der Fälligkeitsmitteilung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern nur um die Mitteilung eines Bedingungseintritts handelt, kommt eine Anfechtungsklage nicht in Betracht (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 24.1.2011 - 2 ZB 10.2365 - juris Rn. 3).
49
Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob und in welchem Umfang das Zwangsgeld fällig geworden ist.
50
2. Die Klage erweist sich als unbegründet, da die Fälligstellung des Zwangsgeldes zu Recht erfolgt ist.
51
Erfüllt ein Pflichtiger die ihm auferlegte Pflicht nicht bzw. nicht rechtzeitig, so wird die angedrohte Zwangsgeldforderung kraft Gesetzes fällig (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Die Voraussetzungen für die Vollstreckung des Leistungsbescheids liegen dann vor (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
52
Wie bereits oben ausgeführt, ist zur Überzeugung des Gerichts ein Verstoß gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung nach Bestandskraft der ersten mit Bescheid vom 28. Juni 2019 verfügten Zwangsgeldandrohung gegeben.
53
Aufgrund des nur deklaratorischen Charakters der Fälligkeitsmitteilung ist auch der klägerische Vortrag bezüglich des aus Klägersicht fehlerhaften Aktenzeichens und der fehlenden Spezifizierung des Aktenzeichens nicht zielführend. Die Zwangsgeldforderung ist unabhängig von der Ausgestaltung der Fälligkeitsmitteilung kraft Gesetzes fällig geworden (siehe hierzu BayVGH, B.v. 6.7.2021 - 9 ZB 19.1629 - juris Rn. 16). Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass sich schon aus der Höhe des festgsetzten Zwangsgeldes von 10.000,00 EUR und dem Verweis auf den vorausgegangegen Androhungsbescheid klar ergibt, worauf sich die Fälligkeitsmitteilung bezieht. Es gilt insoweit auch zu berücksichtigen, dass die Gründe des Bescheids vom 13. Oktober 2021, dem die Zwangsgeldfestsetzung beigefügt war, eindeutig auf den Ausgangsbescheid mit dem Aktenzeichen … verweisen.
D.
54
Nach alledem waren die Klagen vollumfänglich abzuweisen.
55
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.