Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.11.2022 – 22 ZB 22.799
Titel:

Lärmeinwirkungen aus Freibad

Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
18. BImSchV § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Freibad ist eine Sportanlage iSv § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV, wenn es bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung (noch) dazu bestimmt und geeignet ist, der Allgemeinheit die Ausübung des Breitensports „Schwimmen“ zu ermöglichen. Indiz hierfür kann sein, dass das Freibad jedenfalls eine Eignung zur Durchführung von Wettkämpfen bzw. für den Schul- oder Vereinssport besitzt und dafür auch regelmäßig genutzt wird, auch wenn diese Nutzung nicht den Schwerpunkt des Betriebs darstellt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung nicht ausgeschlossen, die konkrete Umgebung des betroffenen Grundstücks zu berücksichtigen und damit von denjenigen Immissionsrichtwerten abzuweichen, die nach der typisierenden Einstufung in eine der Gebietskategorien nach § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV im Ansatz gelten. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Liegt ein Grundstück am Rand der Wohnbebauung hin zum Außenbereich und nicht inmitten eines Wohngebietes, kann nicht darauf vertraut werden, dass die Immissionssituation unverändert bleiben wird und es nicht im Lauf der Zeit zu stärkeren Belastungen kommt, als sie im Zeitpunkt der Errichtung eines Wohnhauses bestanden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Freibad als Sportanlage, Minderung des Schutzniveaus für ein reines Wohngebiet, Breitensport Schwimmen, Spaß- oder Erlebnisbad, Lärmeinwirkungen, Vorbelastung, situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien, Grundstück am Rand der Wohnbebauung, Außenbereich, Aufklärungsrüge
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 27.09.2021 – M 28 K 19.6031
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34053

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin richtet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München, mit dem die Klage der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten, Lärmeinwirkungen aus einem von der Beklagten betriebenen Freibad, die die Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie, hilfsweise der 18. BImSchV, für ein reines Wohngebiet tags innerhalb und außerhalb der Ruhezeiten überschreiten, auf das klägerische Grundstück zu unterlassen, abgewiesen wurde.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus dem klägerischen Vorbringen im Zulassungsverfahren, auf dessen Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.) noch liegt ein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor bzw. ist ein solcher den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt (2.).
3
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Solche Zweifel ergeben sich aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungszulassungsverfahren (Schriftsätze vom 24.3.2022 und vom 30.6.2022) nicht.
4
1.1 Das Verwaltungsgericht hat sein klageabweisendes Urteil damit begründet, dass es sich bei dem Freibad um eine Sportanlage im Sinne des § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV handle, so dass zur Beurteilung der Frage, ob am Grundstück der Klägerin unzumutbare Umwelteinwirkungen aufträten, die einen Unterlassungsanspruch nach § 1004, § 906 BGB begründen könnten, die 18. BImSchV und nicht die Freizeitlärm-Richtlinie heranzuziehen sei. Es hat hierzu unter Berufung auf das Urteil des Senats vom 24. August 2007 (22 B 05.2870) ausgeführt, dass bereits die bauliche Gestaltung des Freibads sowie dessen Ausstattung dafürsprächen, dass es sich um eine Sportanlage handle. Sowohl das Mehrzweckschwimmbecken als auch das Kinderbecken dienten dem Bahnenschwimmen bzw. dem Erlernen des Schwimmens. Die wenigen Spaßelemente veränderten den Charakter des Freibads nicht dergestalt, dass dieses als Erlebnisbad anzusehen wäre. Zudem werde das Bad regelmäßig zu organisiertem Schwimm- und Vereinssport sowie zu Trainingszwecken bzw. zur Durchführung von Schwimm- und anderen Sportkursen benutzt. Die aufblasbaren Schwimmgeräte kämen inzwischen nicht mehr zum Einsatz.
5
Die Klägerin bringt diesbezüglich vor, dass das Freibad mit einer Liegewiese von 17.000 m² mit Tischtennis, Volleyballfeld, Kinderspielgeräten und Sandkasten über von der Beklagten selbst so bezeichnete Freizeit- und Erholungsangebote verfüge. Es gebe einen Kiosk. Das Wasser werde erwärmt. Zudem sei eine Wasserrutsche installiert worden, die in das Mehrzweckbecken münde. An stark frequentierten Tagen werde der Schwimmbereich eingeschränkt. Ferner würden mobile Spaßgeräte eingebracht. All dies sei darauf angelegt, Familien mit Kindern einen unbeschwerten Freizeittag zu gewähren. Diese Zweckbestimmung und die objektive Ausstattung sprächen für eine Freizeitanlage. Dass daneben Schwimmunterricht erteilt werde und das Becken an Vormittagen von Erwachsenen zum Schwimmen genutzt werde, ändere nichts am Schwerpunkt Freizeitangebot.
6
Mit diesen Ausführungen zieht die Klägerin die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht ernsthaft in Zweifel. Ein Freibad ist eine Sportanlage i.S.v. § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV, wenn es bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung (noch) dazu bestimmt und geeignet ist, der Allgemeinheit die Ausübung des Breitensports „Schwimmen“ zu ermöglichen. Indiz hierfür kann sein, dass das Freibad jedenfalls eine Eignung zur Durchführung von Wettkämpfen bzw. für den Schul- oder Vereinssport besitzt und dafür auch regelmäßig genutzt wird, auch wenn diese Nutzung nicht den Schwerpunkt des Betriebs darstellt (OVG Bln-Bbg, U.v. 28.11.2019 - OVG 2 A 9.16 - juris Rn. 39). Maßgeblich ist vorliegend, dass das streitgegenständliche Freibad mit seinem Mehrzweckbecken, das 50 Meter lang ist, in Schwimmbahnen eingeteilt und mit Startblöcken ausgestattet ist, wettkampftauglich ist, zumindest auch der Ausübung des Breitensports „Schwimmen“ dient und es nach Angaben der Beklagten auch für Schwimmunterricht und Schulsport genutzt wird. Das Mehrzweckbecken ist die zentrale Anlage des Freibades. Es tritt in Ausdehnung und Lage nicht etwa hinter das Volleyballfeld, das sich an der südöstlichen Ecke des Anlagengrundstücks befindet, zurück. Ein Kinderbecken gehört ebenfalls zur üblichen Ausstattung eines herkömmlichen, dem Breitensport „Schwimmen“ dienenden Freibades (OVG NW, U.v. 19.4.2010 - 7 A 2362/07 - juris Rn. 69). Auch einzelne Elemente eines Spaß- oder Erlebnisbades - wie die Wasserrutsche - ändern nichts am Vorliegen einer Sportanlage, solange sie bei einer Gesamtbetrachtung den Charakter der Anlage nicht prägen (BayVGH, U.v. 24.8.2007 - 22 B 05.2870 - juris Rn. 22 ff.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Wasserrutsche führt zwar in das Mehrzweckbecken, macht dieses aber nicht zum „Erlebnisbecken“. Der räumlichen Ausdehnung der Rutsche kommt gegenüber den Ausmaßen des Schwimmbeckens keine prägende Bedeutung zu. Nach Angaben der Beklagten wird allenfalls an Tagen mit sehr hohem Besucheraufkommen die direkt an der Wasserrutsche liegende Bahn für den Schwimmbetrieb gesperrt. Durch die Wasserrutsche hat sich der Gesamtcharakter der Anlage als Freibad im herkömmlichen Sinne nicht verändert. Die Größe der Liegewiese ist für die mögliche Besucheranzahl, aber nicht für die Zweckbestimmung des Freibads als Sportanlage relevant. Nach Angaben der Beklagten ist die Wiese naturbelassen und nicht durch besondere „Spaßelemente“ aufgewertet. Die Zweckbestimmung des Freibads als Anlage zum Schwimmen bzw. Erlernen des Schwimmens ist auch nicht an eine bestimmte Wassertemperatur gebunden.
7
1.2 Die Klägerin wendet weiter ein, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von einer Minderung des Schutzniveaus für ihr Grundstück gegenüber dem nach dem einschlägigen Regelwerk maßgeblichen Immissionsrichtwert ausgegangen sei.
8
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass bei der Bestimmung der vorliegend der Klägerin immissionsschutzrechtlich zumutbaren Schallimmissionen nach § 2 Abs. 6 Satz 1 der 18. BImSchV grundsätzlich von der bauplanungsrechtlichen Festsetzung des von der Klägerin bewohnten Gebiets als reines Wohngebiet auszugehen sei. Die Schutzbedürftigkeit der Wohnnutzung der Klägerin sei aber durch die konkreten Umstände der maßgeblichen Umgebung des Grundstücks gemindert. Das Grundstück liege am Rande des festgesetzten Wohngebiets zum Außenbereich. Zudem wirke der Betrieb des Freibads als solcher als schutzmindernde Vorbelastung. Das seit 1929 existierende Freibad werde spätestens seit 1984 in seiner nunmehr bestehenden Form betrieben und sei seither auch nicht mehr wesentlich verändert worden. Die Klägerin bzw. etwaige Rechtsvorgänger hätten sich nicht rechtzeitig gegen die damalige Baugenehmigung gewehrt. Die Klägerin könne von der Beklagten daher lediglich verlangen, dass diese beim Betrieb des Freibads den in § 2 Abs. 2 Nr. 3 der 18. BImSchV geregelten Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete innerhalb und außerhalb der Ruhezeiten von 55 dB(A) nicht überschreite.
9
Demgegenüber wendet die Klägerin ein, eine Vorbelastung sei nicht gegeben. Das ursprüngliche Staubecken sei zwar seit 1929 zum Baden genutzt worden, habe aber dem Hochwasserschutz gedient. 1965 habe die Beklagte zwar eine Uferbefestigung errichten lassen, eine Baugenehmigung für ein Freibad sei allerdings nicht erteilt worden. 1969 sei nur eine WC-Anlage, eine Umkleidekabine und eine Hausmeisterwohnung genehmigt worden. Erst mit Bescheid vom 24. Januar 1984 sei der Umbau und die Sanierung des Freibads genehmigt worden. Der Bebauungsplan M* …-Straße, der für das Grundstück der Klägerin ein reines Wohngebiet festsetze, sei dagegen bereits im Jahr 1976 erlassen worden. Die Nutzung des Staubeckens als Badegelegenheit habe keine besondere Belastung dargestellt, daher habe die Beklagte ein reines Wohngebiet festgesetzt. Aus der Missachtung städtebaulicher Grundsätze durch die Beklagte könne keine Vorbelastung zu Lasten der Klägerin konstruiert werden. Die Klägerin habe auch keinen Anlass gehabt, gegen die Baugenehmigung zu klagen, weil die unzumutbare Lärmbelästigung erst durch die Vergrößerung der Liegewiese und die Wasserrutsche begonnen habe.
10
Aus diesem Vorbringen ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von einem gegenüber einem reinen Wohngebiet geminderten Schutzniveau für das klägerische Grundstück ausgegangen ist. Es ist nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung nicht ausgeschlossen, die konkrete Umgebung des betroffenen Grundstücks zu berücksichtigen und damit von denjenigen Immissionsrichtwerten abzuweichen, die nach der typisierenden Einstufung in eine der Gebietskategorien nach § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV im Ansatz gelten. Die konkrete Betroffenheit der benachbarten Grundstücke kann im Einzelfall derart sein, dass die typisierende Betrachtungsweise des Verordnungsgebers unangemessen erscheint und der Ergänzung durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien bedarf (BVerwG, U.v. 10.5.2022 - 4 CN 2.20 - juris Rn. 16, 22; U.v. 23.9.1999 - 4 C 6.98 - juris Rn. 21 ff.). Hierbei bestimmen im Ausgangspunkt die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der von den Immissionen Betroffenen, wobei die Sportanlagenlärmschutzverordnung Raum lässt für die differenzierte Bewertung von Nutzungskonflikten zwischen Sportanlagen und Wohnbebauung (VGH BW, U.v. 3.7.2012 - 3 S 321/11 - juris Rn. 23).
11
Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass das zumutbare Maß an Lärmimmissionen für das klägerische Grundstück in Anknüpfung an die in § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV festgelegten Richtwerte zu bestimmen ist. Da es in einem durch Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebiet liegt, ist von dem in § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV genannten Immissionsrichtwert auszugehen (§ 2 Abs. 6 Satz 1 der 18. BImSchV). § 2 Abs. 6 Satz 1 der 18. BImSchV schließt es aber nicht aus, die konkreten Umstände der Lage des Grundstücks zu berücksichtigen (BayVGH, U.v. 24.8.2007 - 22 B 05.2870 - juris Rn. 29). Das Schutzniveau des Grundstücks der Klägerin ist bereits aufgrund der im Vergleich zu einem typischen WR-Gebietsgrundstück weniger geschützten Lage gemindert. Das Grundstück liegt am Rand der Wohnbebauung hin zum Außenbereich und nicht inmitten des WR-Gebiets. Die Klägerin konnte demnach nicht darauf vertrauen, dass die Immissionssituation unverändert bleiben würde und es nicht im Lauf der Zeit zu stärkeren Belastungen kommen würde, als sie im Zeitpunkt der Errichtung des Wohnhauses bestanden (vgl. etwa BayVGH, B.v. 3.2.2017 - 9 CS 16.2477 - juris Rn. 19), zumal die Fläche gegenüber dem klägerischen Grundstück in der Planzeichnung für den Bebauungsplan als öffentliche Grünfläche beschrieben war und im Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplans M* …-Straße der Freibadbetrieb der Beklagten - unabhängig von einer etwaigen Baugenehmigungspflicht - bereits seit langem bestand. In der Baugenehmigung vom 14. Mai 1969 für die WC-Anlage und die Umkleidekabinen wird das Bad schon als Freibad bezeichnet, ebenso ist ein Schwimmbecken eingezeichnet. Das Grundstück der Klägerin ist also alleine aufgrund der Lage zum Außenbereich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Freibad weniger schutzwürdig als ein Grundstück mitten im Wohngebiet. Mit dieser Argumentation des Verwaltungsgerichts setzt sich die Zulassungsbegründung nicht auseinander.
12
Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt auch nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, soweit das Verwaltungsgericht zur Begründung der verminderten Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks darauf abstellt, dass die Klägerin nicht gegen die entsprechenden Baugenehmigungen für die Umgestaltung des Freibads (24.1.1984) und die Wasserrutsche vorgegangen ist. Innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO (Fristende 28.3.2022) bringt die Klägerin hierzu vor, dass sie keinen Anlass gesehen habe, gegen die Baugenehmigung für das Freibad vorzugehen, weil die Wasserrutsche in der Baugenehmigung nicht eingezeichnet worden sei und die Liegewiese erst später von 4.000m² auf 17.000m² vergrößert worden sei. Die Baugenehmigung für die Wasserrutsche stammt aber bereits vom 21. Mai 1985. Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgänger haben den Lärm, der durch die Nutzung der Wasserrutsche im Freibad entsteht, also mehr als 30 Jahre hingenommen. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich auch nicht, inwieweit sich die Größe der Liegefläche auf die Lärmimmissionen, die durch den Badebetrieb entstehen, auswirken sollte. Ausschlaggebend hierfür ist ausschließlich, wie viele Personen sich auf der Liegewiese aufhalten. Dies ist anhand der Besucherzahlen und nicht der Größe der Liegewiese zu ermitteln.
13
In der Erwiderung vom 30. Juni 2022 auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17. Mai 2022 bringt die Klägerin zudem vor, dass die fehlende Anfechtung der Baugenehmigung aus gesetzessystematischen Gründen nicht zu einer Verminderung des immissionsschutzrechtlichen Schutzniveaus führen könne. Ihr Verweis auf § 17 BImSchG geht an der Sache vorbei, weil diese Norm nur für nach dem BImSchG genehmigungsbedürftige Anlagen Geltung beansprucht. Um eine solche handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen Sportanlage nicht. Auch das angeführte Urteil des OLG Schleswig vom 13. Juni 2019 (7 U 140/18) stützt die von der Klägerin geäußerte Auffassung, sie könne nicht darauf verwiesen werden, dass sie die betreffenden Baugenehmigungen hätte anfechten müssen, nicht. Diese Entscheidung befasst sich mit der zivilprozessualen Darlegungs- und (hieran unmittelbar anknüpfend) Beweislastverteilung im Rahmen des zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 1004, § 906 BGB. Da im öffentlichen Recht der Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO gilt, kommt es vorliegend auf solche Fragen nicht an. Zudem ist die Schutzwürdigkeit eines Grundstücks im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs bei der „Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung“ im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB zu prüfen und nicht bei der Beweislastverteilung.
14
2. Auch die Verfahrensrüge der Klägerin nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO führt nicht zur Zulassung der Berufung. Eine Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 VwGO setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (BVerwG, B.v. 8.7.2009 - 4 BN 12.09 - juris Rn. 7). Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Dass ein solcher Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist dabei nur dann erfolgreich, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätte sehen müssen. Außerdem muss der Kläger darlegen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für ihn günstigen Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2011 - 6 B 47.10 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 21.3.2012 - 10 ZB 10.100 - juris Rn. 22; B.v. 18.10.2013 - 10 ZB 11.618 - juris Rn. 25; B.v. 25.8.2014 - 10 ZB 12.2673 - juris Rn. 16; B.v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 52; B.v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.629 - juris Rn. 23).
15
Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass es dem in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag („für den Fall der Klageabweisung werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass bei einer Besucherzahl von weit über 1.000, mindestens 1.500, die Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie bzw. der 18. BImSchV für ein reines Wohngebiet an Werktagen tagsüber außerhalb und innerhalb von Ruhezeiten und desgleichen an den Sonn- und Feiertagen überschritten werden“) nicht nachkommen brauchte. Die Fragen seien nicht entscheidungserheblich, weil von der Anwendbarkeit der 18. BImSchV und der Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet auszugehen sei. Zudem sei der Antrag als Ausforschungsbeweisantrag unzulässig.
16
Im Zulassungsverfahren bringt die Klägerin vor, dass es sich um keinen Ausforschungsbeweisantrag gehandelt habe. Der Sachverständige habe seinen Berechnungen eine Besucherzahl von 1.000 im Zeitraum 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr an einem Sonntag zugrunde gelegt. Die Klägerin habe eine Besucherzahl von mindestens 1.500 Besuchern gefordert, weil sich diese aus der Statistik der Beklagten zu den tatsächlichen Besucherzahlen ergebe. Von der Statistik der Beklagten über die zahlenden Besucher seien Kinder unter 6 Jahren nicht erfasst, die aber erfahrungsgemäß insbesondere an Sonn- und Feiertagen das Freibad frequentieren würden. Das Gericht hätte also ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben müssen, um entweder nach Erhebung der tatsächlichen Besucherzahlen durch Berechnung oder mit einer Messung die wahre Lärmauswirkung festzustellen.
17
Aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, dass sich dem Verwaltungsgericht auch ohne förmlichen Beweisantrag der Klägerin eine weitere Aufklärung des Sachverhalts bezüglich der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch Lärm aus dem Freibad durch ein (weiteres) Sachverständigengutachten hätte aufdrängen müssen. Zunächst hätte nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts die Klage der Klägerin nur Erfolg gehabt, wenn an ihrem Anwesen der Immissionsrichtwert von 55 dB(A) - und nicht wie die Klägerin meint von 50 dB(A) - überschritten gewesen wäre. Dem Gutachten des Sachverständigen vom 6. September 2017 lässt sich entnehmen, dass dieser Wert am Immissionsort auf dem Grundstück der Klägerin deutlich unterschritten wird. Als maßgeblichen Beurteilungszeitraum benennt das Gutachten die Ruhezeit an Sonn- und Feiertagen, weil alle anderen Zeiträume geringere Anforderungen an die Einhaltung der Immissionsrichtwerte haben. Bezüglich der Besucherzahlen geht der Gutachter davon aus, dass das Freibad während dieses Beurteilungszeitraums von insgesamt 1.000 Personen gleichzeitig genutzt wird. Die Zahl 1.000 stellt also nicht - wie die Klägerin meint - die Besucherzahl für den ganzen Tag dar, sondern nur die im Zeitraum 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr am Sonntag anwesenden Personen. In dieser Zahl sind auch Kinder unter 6 Jahren enthalten. Die von der Beklagten vorgelegte Statistik zu den zahlenden Besuchern hat die Sachverständige nur als Grundlage für seine Annahme herangezogen, dass sich im maßgeblichen Beurteilungszeitraum zwischen 13:00 Uhr und 15:00 Uhr 1.000 Personen, darunter auch Kinder unter 6 Jahren, im Freibad aufhielten. Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Zeitraum 1.500 Personen im Freibad anwesend sein könnten, ergeben sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Denn sie geht bei ihrer Betrachtung von der von der Beklagten an Sonntagen durchschnittlich erfassten Besucherzahl für den ganzen Tag aus und rechnet noch einen Zuschlag für Kinder über 6 Jahren hinzu, ohne die Besucherfluktuation während des Tages zu berücksichtigen.
18
Auch der von der Klägerin erstmals im Zulassungsverfahren vorgebrachte Einwand, die vom Gutachter der Immissionsberechnung zugrunde gelegte „Schallleistung“ entspräche nicht der Realität, vermag einen Aufklärungsmangel nicht zu begründen. Der Gutachter hat für das Kinderbecken und die Rutsche einen der VDI 3770 entnommenen Schalleistungspegel von jeweils 80 dB(A) angenommen und mit der Anzahl der Kinder, die sich bezogen auf die jeweilige Fläche maximal über zwei Stunden gleichzeitig an der Rutsche bzw. im Kinderbecken aufhalten können, einen Emissionspegel von 103,2 dB(A) bzw. 97,5 dB(A) errechnet. Der Gutachter ist also nicht irrig von zu wenig Kindern ausgegangen - wie die Klägerin meint -, sondern hat die Anzahl der Kinder, die er seiner Immissionsberechnung zugrunde gelegt hat, flächenbezogen bestimmt. Der vom Gutachter angenommene Schallleistungspegel von 80 dB(A) hält sich auch im Rahmen des von der Klägerin im Zulassungsvorbringen genannten Werts. Soweit die Klägerin meint, dass die Zahl von 70 Kindern zu gering sei, weil die Kinder auch mit der Rutsche in das Mehrzweckbecken rutschten und nicht nur das Kinderbecken nutzten, ist die Anzahl dieser Kinder im Gutachten bei der Rutsche erfasst.
19
Zudem musste sich dem Verwaltungsgericht die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens auch deshalb nicht aufdrängen, weil die schalltechnische Untersuchung vom 6. September 2017 eine durch Messung ermittelte Geräuschentwicklung bei einer Spitzenauslastung abbildet und das Verwaltungsgericht angesichts der deutlichen Unterschreitung (6 dB(A)) des maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 55 dB(A) zu Recht davon ausgegangen ist, dass selbst eine höhere Besucherzahl als vom Gutachter angenommen zu keiner Überschreitung des Immissionsrichtwerts führen würde.
20
Bei der Stellungnahme des Sachverständigen vom 20. April 2022 handelt es ich im Übrigen um keine neue immissionsschutzfachliche Beurteilung, sondern lediglich um eine Erläuterung wie der Gutachter bei der Erstellung der Untersuchung vom 6. September 2017 vorgegangen ist.
21
Zudem erfüllt das Zulassungsvorbringen die oben dargestellten Darlegungsanforderungen nicht, weil die Klägerin keine Ausführungen dazu macht, zu welchem Ergebnis ein Sachverständigengutachten voraussichtlich geführt hätte und weshalb es sich zu Gunsten der Klägerin ausgewirkt hätte. Dies wäre angesichts der prognostizierten deutlichen Unterschreitung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts durch die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung vom 6. September 2017 jedoch erforderlich gewesen.
22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG (vgl. BayVGH, U.v. 6.2.2015 - 22 B 12.269 - juris Rn. 68 f).
23
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).