Titel:
Widerruf einer Gaststättenerlaubnis wegen Steuerhinterziehung
Normenketten:
GastG § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
Um darzulegen, dass die tatsächlichen Feststellungen eines Strafgerichts unrichtig sind und daher nicht negativ bei der Beurteilung der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit berücksichtigt werden dürfen, muss ein Kläger dartun, dass bzw. inwieweit er seine steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten (hier: trotz eingeräumter nicht ordnungsgemäßer Aufzeichnungen) erfüllt hat und es insbesondere nicht zur Verkürzung von Steuern gekommen ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf einer Gaststättenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit, gewerbebezogene Straftat (Steuerhinterziehung), Hinzuschätzung wegen nicht ordnungsgemäßer Aufzeichnung steuerlicher Vorgänge, keine gewichtigen Gründe für eine Abweichung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts, Gaststättenerlaubnis, Widerruf, Unzuverlässigkeit, Steuerhinterziehung, Hinzuschätzung, nicht ordnungsgemäße Aufzeichnung, Strafgericht
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 17.08.2021 – M 16 K 19.3540
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34051
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter, welches auf die Aufhebung des von der Beklagten verfügten Widerrufs der ihm erteilten gaststättenrechtlichen Erlaubnis zielte.
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Mit Bescheid vom 12. Juni 2019 widerrief die Beklagte die dem Kläger mit Bescheid vom 26. Mai 2014 erteilte Erlaubnis zum Betrieb einer Gaststätte in M gem. § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Die Einstellung des Gaststättenbetriebs wurde verfügt; dem Kläger wurde eine Abwicklungsfrist von zwei Wochen ab Bestandskraft des Bescheids eingeräumt. Für den Fall der Nichtbeachtung der Schließungsanordnung wurde die Schließung im Wege des unmittelbaren Zwangs angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei unzuverlässig i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Der Kläger sei mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts München wegen Steuerhinterziehung in vier tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit zwei weiteren Fällen der Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, verurteilt worden. Der Kläger habe in den Jahren 2008 bis 2011 als Betreiber eines Chinarestaurants in E falsche Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Er habe in größerem Umfang Barumsätze nicht erfasst, welche aber, wie er gewusst habe, dem Finanzamt vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen gewesen seien. In dem genannten Zeitraum seien insgesamt Gewerbesteuern in Höhe von 24.924,20 Euro, Umsatzsteuern in Höhe von 35.616,00 Euro, Einkommensteuern in Höhe von 45.842,00 Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.521,31 Euro verkürzt worden. Bei einer Steuerhinterziehung handele es sich um einen gravierenden Eingriff in die Rechtsordnung, so dass hieraus mangelnde Rechtstreue des Gewerbetreibenden unterstellt werden könne. Auch wenn im amtsgerichtlichen Verfahren Schadenswiedergutmachung geleistet worden sei, sei für den Kläger keine positive Zuverlässigkeitsprognose zu treffen. Die Wiedergutmachung sei offensichtlich unter dem Druck des Steuerstrafverfahrens erfolgt. Dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei, rechtfertige ebenfalls keine günstige gewerberechtliche Zuverlässigkeitsprognose; insoweit gälten unterschiedliche Gefahrenmaßstäbe. Auch seien trotz der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers erneut Rückstände angefallen, insbesondere beim Finanzamt München und bei der Beklagten. Die letzten Zahlungen seien zum Teil erst nach der Anhörung zum beabsichtigten Erlaubniswiderruf getätigt worden. In die Beurteilung der Zuverlässigkeit seien auch vom Landratsamt F festgestellte lebensmittelrechtliche Verstöße (zwangsgeldbewehrter Auflagenbescheid vom 13.4.2016) eingeflossen.
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Auf die gegen den Bescheid vom 12. Juni 2019 gerichtete Klage hin hob das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 17. August 2021, dem früheren Klägerbevollmächtigten mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 17. Dezember 2021, den Bescheid insoweit auf, als eine Bescheidsgebühr von mehr als 500 Euro festgesetzt worden war; im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
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Mit Schriftsatz seines nunmehrigen Bevollmächtigten vom 14. Januar 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Er begründete diesen Antrag mit Schriftsätzen vom 16. Februar 2022 und vom 16. Mai 2022, jeweils eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend.
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Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Solche Zweifel ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren (Schriftsätze vom 16.2.2022 und vom 16.5.2022) nicht.
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1.1 Keine ernstlichen Zweifel bestehen hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht zur Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers zugrunde gelegten Tatsachen, die sich aus der Verurteilung des Klägers wegen Steuerhinterziehung ergaben.
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1.1.1 Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass der Kläger nach den nicht bestrittenen tatsächlichen Feststellungen, die dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Amtsgerichts München vom 19. September 2017 zugrunde lägen, im Zeitraum 2008 bis 2011 ein Chinarestaurant als Einzelunternehmen betrieben und hieraus einkommen- und gewerbesteuerpflichtige Gewinne sowie umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt habe. Der Kläger sei dabei - wie er gewusst habe - seiner Verpflichtung, in seinen Steuererklärungen betreffend Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen, nicht nachgekommen. Der Kläger habe sein Vorgehen bei der Abgabe falscher Steuererklärungen in der Klagebegründung dahin erläutert, dass er aus für ihn praktikablen Gründen zur Bereithaltung eines Bargeldvorrats neben seinem Kassenbuch eine private Excel-Tabelle geführt habe, in der er Entnahmen aus der Kasse aufgelistet habe. Diese Art der Kassenbuchführung (bzw. Aufzeichnungen) entspreche - wie der Kläger eingeräumt habe - nicht den steuerrechtlichen Vorgaben. Denn die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Aufzeichnung steuerlicher Vorgänge erforderten ebenso wie die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Buchführung die Aufzeichnung jeder Betriebseinnahme und Betriebsausgabe, jeder Einlage und Entnahme in einem Umfang, der einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit eine lückenlose Überprüfung der Grundlagen, des Inhalts, der Entstehung und Abwicklung und der Bedeutung für den Betrieb ermögliche (§§ 145 ff. AO). Dass sich der Kläger durch seine nicht ordnungsgemäßen Aufzeichnungen über Jahre hinweg einen erheblichen Steuervorteil verschafft habe, stehe für das Gericht außer Frage. Auch das Strafgericht habe erkannt, dass die Verkürzungsberechnung auf einer Schätzung beruhe. Soweit es die Schadenshöhe betreffe, sei, so das Verwaltungsgericht, zulasten des Klägers zu werten, dass er den Schätzungsfall bewusst und eigenverantwortlich herbeigeführt habe, weil die wahren Besteuerungsgrundlagen aufgrund von nicht ordnungsgemäß aufgezeichneten Bargeldentnahmen nicht zu ermitteln gewesen seien. Fest stehe für das Verwaltungsgericht jedenfalls, dass der Kläger wissentlich falsche Steuererklärungen abgegeben und sich hierdurch einen Vorteil verschafft habe, weil er Barumsätze in größerem Umfang nicht erfasst habe. Gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen insoweit unrichtig seien, seien nicht dargetan. Die Steuerhinterziehung sei ein gewerbebezogenes und hier - angesichts des verhängten Strafmaßes - nicht nur geringfügiges Vergehen, das für sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers begründe. Die Verurteilung sei im Widerrufsverfahren verwertbar gewesen. In der über die Veranlagungsjahre 2008 bis 2011 begangenen Steuerstraftat komme zum einen ein besonderes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber der Erfüllung der steuerrechtlichen Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten zum Ausdruck, welches bereits für sich die Prognose zugelassen habe, vom Kläger sei auch künftig keine dahingehende ordnungsgemäße Betriebsführung zu erwarten. Zudem habe es der Kläger über Jahre hinweg unterlassen, seine Einnahmen und Umsätze wahrheitsgemäß festzuhalten und anzugeben, indem er Bargeld entnommen habe, ohne dies in einer den vorstehend beschriebenen Anforderungen entsprechenden Weise zu dokumentieren und anzuzeigen. Dadurch habe der Kläger seine tatsächlichen Einnahmen und Umsätze bewusst verschleiert, um sich auf diese Weise beachtliche wirtschaftliche Vorteile zu Lasten des Steueraufkommens und damit der Solidargemeinschaft zu verschaffen. Wenngleich die Verkürzungsrechnung auf einer Schätzung beruhe, bestünden an einer hohen Schadenssumme aus der Nichterfassung seiner Barumsätze in größerem Umfang und der Anzahl an Delikten über einen beachtlichen Zeitraum keine vernünftigen Zweifel. Soweit der Kläger beanstande, das Finanzamt habe den Verstoß gegen steuerrechtliche Aufzeichnungspflichten zum Anlass genommen, einen Aufschlag von bis zu 513% auf den Wareneinkauf vorzunehmen und dem Umsatz hinzuzurechnen, fehle es dem Vortrag an substantiellen Darlegungen dahin, dass die Schätzung des Finanzamts evident falsch sei. Fest stehe damit, dass der Kläger einen ungerechtfertigten Steuervorteil in beträchtlicher Höhe erlangt habe und auch habe erlangen wollen. Sein Verhalten lasse erkennen, dass er seinen finanziellen Vorteil über seine Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen gegenüber dem Finanzamt gestellt habe und nicht willens gewesen sei, Steuern in ordnungsgemäßer Höhe an den Staat abzuführen. Dafür, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids seine Zuverlässigkeit wiedererlangt habe, bestünden keine tragfähigen Anhaltspunkte. Die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung sei zwar für die Prognose von tatsächlichem Gewicht, aber nicht bindend. Aus der während und unter dem Druck eines anhängigen Strafverfahrens und eines Bewährungszeitraums gezeigten Phase des Wohlverhaltens könne nicht ohne Weiteres auf einen grundlegenden Einstellungswandel geschlossen werden.
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1.1.2 Der Kläger trägt vor (Schriftsatz vom 16.2.2022, wiederholt und ergänzt mit Schriftsatz vom 16.5.2022), dass das Urteil des Amtsgerichts vom 19. September 2017, besonders der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung, bei der Entscheidung über die gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit nicht habe berücksichtigt werden dürfen, weil das Strafgericht den Sachverhalt (einschließlich der Schadenshöhe) nicht nach den Vorschriften der StPO festgestellt habe; das Urteil habe daher so nicht ergehen dürfen. Das Verwaltungsgericht habe jedoch maßgeblich auf die Feststellungen des Strafgerichts abgestellt.
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Der Bundesgerichtshof fordere für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung u.a. Feststellungen des Tatgerichts dazu, welche inhaltlich falschen Steuererklärungen abgegeben worden seien, welche Steuererklärungen gegebenenfalls - pflichtwidrig - nicht abgegeben worden seien und welche innere Einstellung der Steuerpflichtige jeweils dazu gehabt habe; ferner müsse dem Urteil zu entnehmen sein, welche Steuerbescheide daraufhin ergangen seien. Demgegenüber lasse das vom Verwaltungsgericht herangezogene Strafurteil jede Feststellung darüber vermissen, welche konkreten Steuererklärungen - bezeichnet nach der Steuerart, dem Datum der Erklärung und dem Inhalt der Erklärung - inhaltlich falsch abgegeben worden und welche konkreten Steuerbescheide - bezeichnet nach Steuerart sowie dem Datum und dem Inhalt des Bescheids - aufgrund dieser Steuererklärungen ergangen seien. Das Strafgericht dürfe sich nicht allein mit dem Verweis allenfalls auf eine Verkürzungsberechnung und ein von den Ermittlungsbehörden erstelltes Zahlenwerk stützen, aus dem sich die hinterzogenen Steuern ergeben sollten. In der gesamten strafrechtlichen Ermittlungsakte fänden sich keine Steuererklärungen und keine Steuerbescheide.
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Das Urteil des Amtsgerichts lasse auch nicht erkennen, aufgrund welcher Feststellungen es den angeblichen Steuerschaden ermittelt habe. Der Bundesgerichtshof fordere in ständiger Rechtsprechung, dass die Berechnung der jeweils hinterzogenen Steuern nachvollziehbar dargestellt werden müsse. Soweit der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Hinterziehungsbeträge nicht einräume, müsse das Urteil auch die Berechnung der jeweils hinterzogenen Steuern nachvollziehbar darstellen. Die Wiedergabe eines Betriebsprüfungsberichtes oder die Bezugnahme auf ein von den Ermittlungsbehörden erstelltes Zahlenwerk, aus dem sich die hinterzogenen Steuern ergeben sollten, ersetze nicht die zusammenhängende Darstellung des strafrechtlich erheblichen Tatgeschehens. Denn es lasse nicht erkennen, auf welcher Grundlage der Tatrichter die rechtliche Beurteilung vorgenommen habe. Diesen Anforderungen genüge das Urteil des Strafgerichts nicht. Das Strafgericht habe nicht die Besteuerungsgrundlagen, die in die Verkürzungsberechnung eingestellt worden seien, geprüft, geschweige denn habe es selbst die Besteuerungsgrundlagen ermittelt. Nach Aktenlage seien die Steuerakten, besonders die Betriebsprüfungsakte, nicht zum Steuerstrafverfahren beigezogen worden. Eine Überprüfung/Berechnung der Verkürzung sei dem Urteil nicht zu entnehmen. Wie das Strafgericht die Besteuerungsgrundlagen geprüft bzw. ermittelt habe, sei ohne Steuererklärungen, ohne Steuerbescheide, oder weitere Grundlagen für die Ermittlung der Höhe der „Zuschätzung“ durch die Betriebsprüfung nicht nachvollziehbar.
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Der Kläger habe die Höhe der angeblich hinterzogenen Steuern in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht ausdrücklich bestritten. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht daher von nicht bestrittenen tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils ausgegangen. Zwar sei das Strafgericht davon ausgegangen, dass der Kläger „teilgeständig“ gewesen sei. Aus der im Protokoll des Strafgerichts festgehaltenen Einlassung des Klägers in der Hauptverhandlung folge aber, dass der Kläger die Höhe der durch die Betriebsprüfung geschätzten Besteuerungsgrundlagen für das Steuerstrafverfahren gerade nicht akzeptiert, sondern die Besteuerungsgrundlagen der Höhe nach bestritten habe, weil diese für ihn „viel zu hoch angesetzt“ gewesen seien. Inwieweit der Kläger die festgesetzten Besteuerungsgrundlagen im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahren hingenommen habe, weil er „keinen Ärger“ gewollt habe, sei für das Strafverfahren ohne Bedeutung. Die festgesetzten Steuern habe der Kläger bezahlt.
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Nicht nachvollziehbar sei auch, wie das Verwaltungsgericht „keine vernünftigen Zweifel“ an der Verkürzungsberechnung und der hohen Schadenssumme haben und diese zugrunde legen könne, da es in der Akte des Verwaltungsgerichts keine Grundlagen für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gebe. Die Besteuerungsgrundlagen habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigen dürfen, weil diese nach der Akte gerade nicht nachvollziehbar seien.
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Die Schätzung des Finanzamts F, Abteilung Betriebsprüfung, sei evident falsch. Im Ausgangspunkt habe das Finanzamt eine Getränkekalkulation und keine Speisenkalkulation aufgestellt, obwohl es selbst festgestellt habe, dass etwa 79% der Einnahmen aus dem asiatischen Spezialitätenrestaurant solche aus Speisen und 21% der Einnahmen solche aus Getränken seien. Bereits dies sei fragwürdig. Grundlage für die Vollschätzung des Finanzamts für alle Betriebsprüfungsjahre sei eine Getränkekalkulation für das Jahr 2009. Nach der Ermittlung des Getränkeaufschlags in Höhe von 513% und der Ermittlung des Getränkeanteils in Höhe von 21% sei ein ungeprüfter Übertrag dieser Werte auf die übrigen Jahre der Betriebsprüfung 2008, 2010 und 2011 erfolgt. Der Rohgewinnaufschlagssatz und das Verhältnis seien aber für jeden Veranlagungszeitraum einzeln zu ermitteln. Das Finanzamt habe nicht dargestellt, dass die Kassenauslesung vom 27. Oktober 2014 die Daten für das Jahr 2009 so abgebildet habe, dass von einem repräsentativen Zeitraum der Datenerfassung für 2009 ausgegangen werden könne. Nicht nachvollziehbar sei daher, ob das Verhältnis von Speisen zu Getränken zutreffend ermittelt worden sei. Nicht mitgeteilt worden sei, ob für die übrigen Jahre der Betriebsprüfung 2008, 2010 und 2011 eine Kassenauslesung möglich gewesen sei und hätte durchgeführt werden können; hiervon sei aber auszugehen. Dann hätten die Besteuerungsgrundlagen in den übrigen Zeiträumen ermittelt werden können.
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Das Finanzamt habe auch nicht berücksichtigt, dass eine Kassenmanipulation nicht festgestellt habe werden können. Trotzdem habe es sich berechtigt gesehen, über die Höchstwerte der Richtsätze in 2008 und 2009 hinaus schätzen zu dürfen. Das sei evident falsch. Nicht nachvollziehbar sei, inwieweit die angebliche Excel-Liste des Beschwerdeführers ausgewertet und bei der Schätzung berücksichtigt worden sei, die die Barumsätze enthalten sollte. Pflaumenwein sei entgegen der bei einem asiatischen Speisenrestaurant plausiblen Aussage des Klägers (Gratisgetränk; werde verschenkt) nicht vollständig aus der Getränkekalkulation entfernt, sondern mit der Hälfte angesetzt worden. Nicht in der Kalkulation berücksichtigt worden sei auch, dass der Kläger für den „Hausbesitzer extra Wein bestellt“ habe. Der Wareneinkauf oder jedenfalls der Rohgewinnaufschlagssatz hätten korrigiert werden müssen. Ferner habe der Kläger plausibel mitgeteilt, „Schnäpse ausgegeben“ zu haben. Auch die Angabe des Klägers, dass für Bier eine Mindestabnahmemenge vereinbart gewesen und Bier an das Personal verschenkt worden sei, sei plausibel. All dies hätten weder die Betriebsprüfung noch das Strafgericht berücksichtigt. Eine Nachberechnung sei jeweils nicht erfolgt. Diese Abweichungen in der Getränkekalkulation seien gravierend und nähmen der Kalkulation insgesamt die Aussagekraft. Zu berücksichtigen sei auch, dass die fehlerhaften Besteuerungsgrundlagen bei der Getränkekalkulation und die Fortführung der Kalkulation bei den Speisen zu einer Vervielfältigung der Fehler („Hebelwirkung“) bei der Speisenkalkulation führe und die Ergebnisse insgesamt viel zu hoch seien. Dies sei evident falsch. Das Verwaltungsgericht habe daher die Schätzung nicht berücksichtigen dürfen.
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1.1.3 Unzuverlässig i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist - entsprechend dem Zuverlässigkeitsbegriff des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO - derjenige Gewerbetreibende, der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also des Bescheiderlasses, nach dem Gesamteindruck seines Verhaltes nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt (BVerwG, B.v. 10.1.1996 - 1 B 202.95 - juris Rn. 5; B.v. 23.9.1991 - 1 B 96.91 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 19.10.2020 - 22 ZB 20.363 - juris Rn.12). Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen u.a. bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14 ff.). Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden kommt es aber nicht auf das Strafurteil als solches und die ausgesprochene strafrechtliche Sanktion an, sondern auf das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zur Verurteilung geführt hat (vgl. BVerwG, B.v. 23.5.1995 - 1 B 78.95 - juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.1.2022 - 22 ZB 21.229 - juris Rn. 15; B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.284 - juris Rn. 10). Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte haben demzufolge nicht nachzuprüfen, ob im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung des Gewerbetreibenden dem Strafgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist oder nicht (OVG RhPf, U.v. 1.2.1967 - 2 A 56/66 - GewArch 1967, 204). Schon deshalb vermag sich aus dem umfangreichen Vortrag des Klägers dazu, das Strafgericht habe die Steuerstraftat und die Höhe des Steuerschadens „evident“ nicht nach den Vorschriften der StPO und den Vorgaben des Bundesgerichtshofs für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung festgestellt, für sich genommen nicht zu ergeben, dass das Verwaltungsgericht die Feststellungen des Strafgerichts nicht hätte berücksichtigen dürfen.
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Zwar müssen sich die Gewerbebehörden und die Verwaltungsgerichte selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Bestrafung zugrunde gelegen hat, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die zur Bestrafung führenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 - 1 B 34.97 - juris Rn. 10; B.v. 17.1.1964 - VII B 159/63 - GewArch 1964, 113/114; BayVGH, B.v. 2.8.2021 - 22 ZB 21.1302 - juris Rn. 15). Der von dem Widerruf einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis Betroffene ist auch nicht gehindert, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung mit dem Argument anzugreifen, eine strafgerichtliche Verurteilung, auf die sich der Unzuverlässigkeitsvorwurf stützt, sei unzutreffend. Da die einer strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nicht an der Rechtskraft einer solchen Entscheidung teilnehmen, ist ein solcher Einwand auch dann nicht schlechthin ausgeschlossen, wenn die Verurteilung - wie hier - unanfechtbar geworden ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.2017 - 22 ZB 17.244 - juris Rn. 22). In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass Gerichte und Behörden in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters ausgehen und diese regelmäßig ohne eigene Ermittlungen zugrunde legen dürfen (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 - 1 B 34.97 - juris Rn. 10; B.v. 17.1.1964 - VII B 159/63 - GewArch 1964, 113/114; BayVGH, B.v. 29.3.2017 - 22 ZB 17.244 - juris Rn. 22; B.v. 7.10.2016 - 22 ZB 16.722 - juris Rn. 10; B.v. 24.9.2015 - 22 ZB 15.1722 - juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 27.4.2020 - 4 B 1611/19 - juris Rn. 11 f.). Eine Ausnahme hiervon greift nur Platz, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen, was insbesondere dann der Fall ist, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die gemäß § 359 Nr. 5 StPO eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würden (vgl. die soeben genannten Beschlüsse des BayVGH, jeweils, a.a.O., m.w.N.). Dabei reicht die bloße Geltendmachung von Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus. Vielmehr muss substantiiert dargelegt werden, dass und inwieweit die der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen der Strafgerichte den Tatsachen nicht entsprochen haben sollen (vgl. BVerwG, U.v. 21.7.1964 - I C 102/61 - GewArch 1965, 7/8; Ennuschat in ders./Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 189; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand September 2021, § 35 Rn. 142); dies gilt im Berufungszulassungsverfahren angesichts der oben dargestellten Darlegungserfordernisse des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erst recht. Gemessen hieran ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht, dass ein solcher Ausnahmefall hier gegeben ist.
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Dem Strafurteil zufolge hatte der Kläger in den Veranlagungszeiträumen 2008 bis 2011 auf Grund unrichtiger Steuererklärungen fehlerhafte Steuerbescheide erwirkt und damit Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuern verkürzt; Näheres lässt sich einer im Strafurteil enthaltenen Aufstellung (S. 4) entnehmen. Dabei hatte der Kläger nach den Feststellungen des Strafgerichts (S. 2) in größerem Umfang Barumsätze nicht erfasst, so dass diese Umsätze zugeschätzt worden waren. Der Kläger hält zwar die Darstellung im Strafurteil (insbesondere den bloßen Verweis auf eine Verkürzungsberechnung und ein von den Ermittlungsbehörden erstelltes Zahlenwerk) und das Vorgehen des Strafgerichts bei der Entscheidungsfindung (insbesondere das Außerachtlassen des Fehlens von Steuererklärungen und Steuerbescheiden in der Ermittlungsakte) für unvereinbar mit vom Bundesgerichtshof gestellten Anforderungen an eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Diese Einwände betreffen indes nur das - als solches nicht relevante (vgl. oben) - Strafurteil selbst, welches der Kläger im Übrigen - trotz der von ihm geltend gemachten „evidenten“ Verstöße gegen die StPO - nicht mit Rechtsmitteln angegriffen hat (vgl. zur Rechtskraft im Hinblick auf die Frist des § 314 Abs. 1 StPO Behördenakte Bl. 105). Hingegen hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht dargelegt, inwieweit gerade die im Strafurteil enthaltenen Tatsachenfeststellungen - unabhängig von ihrer Darstellung im Urteil und ihren Grundlagen in der Ermittlungsakte - unrichtig gewesen sein sollen. Hierzu hat er auch keine neuen Tatsachen und Beweismittel i.S.d. § 359 Nr. 5 StPO vorgelegt, sondern letztlich nur geltend gemacht, dass das Strafgericht angesichts der ihm vorliegenden Akten nicht so habe entscheiden dürfen wie geschehen.
21
Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Kläger die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts erstinstanzlich - worauf auch das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat (UA Rn. 21) - weder schriftsätzlich (vgl. Klagebegründung vom 26.9.2019) noch in der mündlichen Verhandlung (substantiiert) in Frage gestellt hat. Eine solche Geltendmachung etwaiger Unrichtigkeiten in den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts gegenüber dem Verwaltungsgericht hätte aber umso nähergelegen, als der Kläger vor dem Verwaltungsgericht von dem Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, der ihn im Strafverfahren verteidigt hatte und der insbesondere an der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht teilgenommen hatte. Keine solche Infragestellung der Feststellungen des Strafgerichts liegt jedenfalls in dem Vortrag aus der erstinstanzlichen Klagebegründung, dass die Verkürzungsberechnung nicht auf einem Nachweis der Nichterfassung von Barumsätzen, sondern auf einer Schätzung des Finanzamts beruht habe. Denn das Strafgericht war ebenfalls von einer Schätzung ausgegangen (Strafurteil S. 3) und hatte u.a. dies - also das Nichtfeststehen der exakten Höhe der verkürzten Steuern - bei der Strafzumessung zu Gunsten des Klägers berücksichtigt (Strafurteil S. 5). Zudem hat der Kläger erstinstanzlich eingeräumt, dass er zusätzlich zu seiner Kassenbuchführung eine private Excel-Tabelle mit Entnahmen aus der Kasse geführt habe und dass diese Art der Kassenbuchführung nicht ordnungsgemäß gewesen sei (Klagebegründung S. 2); hiervon ist auch das Verwaltungsgericht (UA Rn. 22) ausgegangen, ohne dass der Kläger hiergegen im Zulassungsverfahren substantiierte Einwände erhoben hätte. Der Kläger hat also - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - den Schätzungsfall bewusst und eigenverantwortlich herbeigeführt, weil die wahren Besteuerungsgrundlagen aufgrund der nicht ordnungsgemäß aufgezeichneten Bargeldentnahmen nicht zu ermitteln gewesen waren.
22
Gegen das Vorliegen gewichtiger Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen tatsächlichen Feststellungen spricht ferner, dass der Kläger ausweislich der Strafzumessungserwägungen des Strafgerichts zumindest teilgeständig war. Soweit der Kläger geltend macht, dass er jedenfalls die Höhe der Steuern ausdrücklich bestritten habe, ergibt sich daraus nichts zu seinen Gunsten. Zum einen stellt der Kläger damit gerade nicht in Frage, dass es dem Grunde nach über mehrere Jahre zu Steuerverkürzungen gekommen ist, welche ihre Ursache (vgl. oben) in der nicht ordnungsgemäßen Erfassung von Barumsätzen hatten. Zum anderen können mit dem Hinweis darauf, dass der Gewerbetreibende einzelne zu seiner Verurteilung führende Tatsachen und Umstände vor dem Strafgericht bestritten habe, für sich genommen keine gewichtigen Zweifel an der Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil begründet werden, weil damit letztlich nur das Vorbringen aus dem Strafverfahren wiederholt wird. Insbesondere aber ergibt sich aus dem Vortrag, die Höhe der verkürzten Steuern sei bestritten worden, deshalb nichts zugunsten des Klägers, weil die Schätzung, welche die Höhe der dem Kläger zur Last gelegten Steuerverkürzung ergab, vom Kläger selbst herbeigeführt worden war (vgl. oben). Hatte der Kläger also gerade - unter Verstoß gegen seine Pflichten als Gewerbetreibender und damit in einer gegen seine Zuverlässigkeit sprechenden Weise - verhindert, dass die Höhe der ihn treffenden Steuerlast exakt ermittelt werden konnte (vgl. generell zur Erfüllung steuerlicher Zahlungs- und Erklärungspflichten als Voraussetzung für die gewerberechtliche Zuverlässigkeit etwa BVerwG, B.v. 22.6.1994 - 1 B 114.94 - juris Rn. 9; B.v. 23.9.1991 - 1 B 96.91 - juris Rn. 4), kann ihm sein Einwand, die Höhe der Steuerlast stehe nicht fest und sei von ihm bestritten worden, nicht zugutekommen. Die Prognose über die künftige Rechtskonformität der beruflichen Betätigung eines Gewerbetreibenden, dessen Steuerpflichten zusätzlich geschätzt werden mussten, stellt sich nicht günstiger dar als bei einem „bloßen“ Nichtbegleichen aufgelaufener Steuerforderungen (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 22 ZB 19.172 - juris Rn. 27 m.w.N.). Zudem waren zwar ausweislich des Strafurteils die Höhe der verkürzten Steuern und der Umstand, dass die Verkürzungsberechnung auf einer Schätzung beruhte, für die Strafzumessung gem. § 46 StPO von Bedeutung. Grundlage für den vorliegenden Widerruf einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit ist jedoch gerade nicht die strafrechtliche Verurteilung an sich und insbesondere nicht die Schuld des Täters i.S.v. § 46 Abs. 1 Satz 1 StPO, sondern der Umstand, dass aus dem Verhalten des Klägers bei der Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten (Steuerverkürzung durch nicht ordnungsgemäß erfasste Bareinnahmen) zu schließen war, dass er künftig sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß betreiben würde.
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Aus den vorstehenden Gründen reicht aber auch die Geltendmachung von Fehlern in der Schätzung des Finanzamts nicht aus; der Kläger kann daher mit seinem Vortrag dazu nicht durchdringen, die Schätzung des Finanzamts sei evident falsch gewesen (Schriftsatz vom 16.2.2022 S. 10 - 13). Um darzulegen, dass die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts unrichtig gewesen seien und daher nicht negativ bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers hätten berücksichtigt werden dürfen, hätte der Kläger vielmehr dartun müssen, dass bzw. inwieweit er seine steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten trotz der von ihm eingeräumten nicht ordnungsgemäßen Aufzeichnungen erfüllt hatte und es insbesondere nicht zur Verkürzung von Steuern gekommen war. Derartiges lässt sich der Antragsbegründung nicht entnehmen. Soweit der Kläger vereinzelt die von ihm angegebenen Einnahmen mit Vorgängen in seinem gastronomischen Betrieb zu erklären versucht, lassen diese die nötige Konkretisierung vermissen und fügen sich eher in das Bild nicht ordnungsgemäß geführter Aufzeichnungen ein (Verschenken von Pflaumenwein, Ausgeben von Schnäpsen, Verschenken von Bier an das Personal); soweit der Kläger konkrete Werte aus seinem betrieblichen Geschehen angeben hat, lassen diese nicht erkennen, dass die Schätzung evident falsch gewesen ist (Getränkeanteil gemäß Schätzung 21%; Angabe des Klägers gegenüber dem Strafgericht „ca. 25%“).
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Damit ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht, dass das Verwaltungsgericht die vom Strafgericht festgestellten Tatsachen nicht zur Grundlage der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers machen konnte. Mit den ausführlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, welche Schlussfolgerungen aus den strafgerichtlichen Feststellungen für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers zu ziehen sind, setzt dieser sich ohnehin nicht in einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise auseinander.
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1.2 Ohne Erfolg wendet der Kläger ferner ein, er habe seine Steuerrückstände im Zeitpunkt des Bescheiderlasses getilgt gehabt. Denn das Verwaltungsgericht hat dies nicht verkannt (UA Rn. 25). Es hat aber gleichwohl den im Laufe des Widerrufsverfahrens bekannt gewordenen Rückständen bei der Beurteilung der Frage Bedeutung zugemessen, ob beim Kläger in Ansehung seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ein Einstellungswandel eingetreten sei, soweit dies auch seine Verpflichtung betreffe, Steuerforderungen mit deren Fälligkeit zu begleichen. Hierzu hat es sich auf Rechtsprechung u.a. des Verwaltungsgerichtshofs bezogen, wonach einem Wohlverhalten unter dem Druck eines Widerrufsverfahrens nur ein geringer Indizwert zukommt. Mit diesen Ausführungen setzt sich der Kläger ebenfalls nicht auseinander.
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1.3 Zudem ist das Verwaltungsgericht (UA Rn. 16) gem. § 117 Abs. 5 VwGO der Begründung des angefochtenen Widerrufsbescheids auch insoweit gefolgt, als bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers auch lebensmittelrechtliche Verstöße berücksichtigt wurden (Verstoß gegen einen zwangsgeldbewehrten Auflagenbescheid mit der Folge der Androhung erhöhter Zwangsgelder, vgl. Widerrufsbescheid S. 2 und S. 5). Auch hiermit setzt sich der Kläger nicht auseinander.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nrn. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).