Titel:
Wirksamkeit einer Mandatsniederlegung im Anwaltsprozess; Streitwert bei Zweitbescheiden zur Durchsetzung von Feuerstättenbescheiden
Normenketten:
VwGO § 67 Abs. 4, Abs. 6, § 173 S. 1
ZPO § 87 Abs. 1
SchfHwG § 14b
Leitsätze:
1. Nach § 173 S. 1 VwGO iVm § 87 Abs. 1 Alt. 2 ZPO erlangt die Kündigung des Vollmachtsvertrages in Anwaltsprozessen dem Gegner gegenüber erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit; dies gilt auch gegenüber dem Gericht. Der andere Rechtsanwalt muss namentlich benannt und seinerseits wirksam vom Vollmachtgeber bevollmächtigt worden sowie postulationsfähig sein. Die Bestellung des anderen Anwalts muss zumindest konkludent gegenüber dem Gericht erfolgen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 14b SchfHwG beträgt der Streitwert in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die einen Feuerstättenbescheid zum Gegenstand haben, 500 €. Davon sind nicht nur Feuerstättenbescheide selbst erfasst, sondern auch (Zweit-)Bescheide, die der behördlichen Durchsetzung bestandskräftiger Feuerstättenbescheide dienen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zustellung der Entscheidung an den Kläger persönlich nach Mandatsniederlegung durch einen Bevollmächtigten, Selbstvertretung durch einen Rechtsanwalt, Wirksamkeit einer Mandatsniederlegung im Anwaltsprozess, wenn der Kläger selbst Rechtsanwalt ist und den Willen zur Selbstvertretung gegenüber dem Gericht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, Streitwert bei Zweitbescheiden zur Durchsetzung von Feuerstättenbescheiden, Anwaltsprozess, Mandatsniederlegung, Wirksamkeit, Zustellung, Feuerstättenbescheid, Streitwert, Zweitbescheid
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 23.05.2022 – RO 5 K 19.2066
Fundstellen:
BayVBl 2023, 493
BeckRS 2022, 34044
LSK 2022, 34044
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Durch Urteil vom 23. Mai 2022 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage des Klägers gegen einen Zweitbescheid der Beklagten ab, mit welchem gegenüber dem Kläger die Durchführung näher bestimmter Schornsteinfegerarbeiten an seinem Anwesen angeordnet wurde. Das Urteil wurde dem Kläger am 20. August 2022 zugestellt.
2
Am 20. September 2022 beantragte der Kläger, der zugelassener Rechtsanwalt ist, selbst beim Verwaltungsgericht Regensburg zur Niederschrift die Zulassung der Berufung. Am gleichen Tag ließ er durch einen Bevollmächtigten unter Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs die Zulassung der Berufung beantragen. Der Bevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 6. Oktober 2022 mit, dass er den Kläger nicht mehr anwaltlich vertrete. Er bitte, Zustellungen direkt an den Kläger zu besorgen. Dieser sei zugelassener Rechtsanwalt.
3
Mit gerichtlichem Schreiben vom 25. Oktober 2022 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags bereits abgelaufen sei, und die Rücknahme des Rechtsmittels anheimgestellt. Der Kläger äußerte sich daraufhin nicht.
4
1. Auf das Schreiben des ursprünglichen Bevollmächtigten des Klägers vom 6. Oktober 2022 hin wurde das Rubrum geändert; die Entscheidung wird nicht dem früheren Bevollmächtigten (§ 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO), sondern dem Kläger persönlich zugestellt, da die Mandatsniederlegung durch den früheren Bevollmächtigten nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Alt. 2 ZPO wirksam ist. Nach der letztgenannten Vorschrift erlangt die Kündigung des Vollmachtsvertrages in Anwaltsprozessen dem Gegner gegenüber erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit; dies gilt auch gegenüber dem Gericht (vgl. BGH, U.v. 25.4.2007 - XII ZR 58.06 - juris Leitsatz). Der andere Rechtsanwalt muss namentlich benannt und seinerseits wirksam vom Vollmachtgeber bevollmächtigt worden (vgl. Toussaint in Münchner Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 87 Rn. 10) sowie postulationsfähig sein (vgl. BGH, U.v. 25.4.2007 - XII ZR 58.06 - juris Rn. 11). Die Bestellung des anderen Anwalts muss zumindest konkludent gegenüber dem Gericht erfolgen (vgl. BGH, B.v. 28.11.2006 - VIII Z 52.06 - juris Rn. 7).
5
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der frühere Bevollmächtigte des Klägers hat im Schreiben vom 6. Oktober 2022 mitgeteilt, dass der Kläger zugelassener Rechtsanwalt sei; dies entspricht der Aussage des Klägers in der Niederschrift des von ihm selbst gestellten Berufungszulassungsantrags. Der Kläger ist damit postulationsfähig, denn ein Rechtsanwalt kann sich im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof (§ 184 VwGO) selbst vertreten (§ 67 Abs. 4 Satz 8, Satz 3, Abs. 2 Satz 1 VwGO). Auch ist davon auszugehen, dass der Kläger sich als anderer Anwalt im Sinne von § 87 Abs. 1 ZPO gegenüber dem Gericht bestellt hat. Denn er hat, indem er am 20. September 2022 beim Verwaltungsgericht Regensburg selbst den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat, zum Ausdruck gebracht, dass er sich in dem Berufungszulassungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof auch selbst vertreten wollte, wie es im Übrigen auch schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht der Fall war. Auf eine Bevollmächtigung oder die Vorlage einer Vollmacht kommt es bei der Selbstvertretung nicht an. Auch spielt dabei keine Rolle, dass die Stellung des Berufungszulassungsantrags beim Verwaltungsgericht zur Niederschrift unwirksam war, weil der Kläger als Rechtsanwalt entgegen § 55d Satz 1 i.V.m. § 55a VwGO kein elektronisches Dokument übermittelt hat; maßgeblich ist insoweit allein der zum Ausdruck gebrachte Wille des Klägers, das Verfahren (auch) selbst zu führen. Die Situation entspricht mithin derjenigen, in der ein Kläger zwei Rechtsanwälte bevollmächtigt hat und einer der beiden das Mandat niederlegt. Die Mandatsniederlegung ist dann im Anwaltsprozess gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO wirksam, weil noch ein weiterer postulationsfähiger Rechtsanwalt bestellt ist. So liegt es auch hier.
6
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen, weil er entgegen § 124a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet worden ist. Diese Frist endete, da das Urteil mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrungversehen war (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO), mit Ablauf des 20. Oktober 2022 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). Der Ablauf der Frist wird durch die Mandatsniederlegung des früheren Bevollmächtigten des Klägers nicht berührt.
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG, § 14b SchfHwG. Nach § 14b SchfHwG beträgt der Streitwert in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die einen Feuerstättenbescheid zum Gegenstand haben, 500 €. Nach der Rechtsprechung des Senats sind davon nicht nur Feuerstättenbescheide selbst erfasst, sondern auch (Zweit-)Bescheide, die der behördlichen Durchsetzung bestandskräftiger Feuerstättenbescheide dienen (vgl. BayVGH, B.v. 13.9.2021 - 22 B 21.1495 - [nicht veröffentlicht] Rn. 7; B.v. 5.9.2018 - 22 ZB 18.1784 - juris Rn. 6; B.v. 21.12.2018 - 22 C 18.2138 - juris Rn. 17).
8
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.