Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.11.2022 – 19 CE 22.2179
Titel:

kein "Durchentscheiden" nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache

Normenkette:
VwGO § 161 Abs. 2
Leitsatz:
Nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache ist das Gericht im Rahmen der gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung von dem Gebot, anhand eingehender Erwägungen abschließend über den Streitstoff zu entscheiden, befreit. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Übereinstimmende Erledigungserklärung, Erledigung der Hauptsache, Durchentscheiden
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 26.09.2022 – B 6 E 22.798
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34033

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 26. September 2022 wird in den Nrn. 2 und 3 für unwirksam erklärt.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat der Antragsteller zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten (nach Ankündigung und sodann Erteilung einer Ermessensduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG für die Dauer von drei Monaten an den Antragsteller „der aktuellen Weisungslage folgend“) ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts insoweit für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
2
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. In der Regel entspricht es billigem Ermessen, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit jedoch nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache das Gericht von dem Gebot, anhand eingehender Erwägungen abschließend über den Streitstoff zu entscheiden (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2008 - 3 C 5/07 -, juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 24.6.2016 - 20 B 16.1178 - juris Rn. 2). Denn die zu treffende Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist nicht dazu bestimmt, trotz eingetretener Erledigung Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung „durchzuentscheiden“ (vgl. BVerwG, B.v. 16.10.2012 - 2 B 7/12 - juris Rn. 5).
3
Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da er unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.
4
Festzuhalten ist insbesondere, dass die Abschiebung des Antragstellers zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich war (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Unabhängig davon, dass (worauf das Verwaltungsgericht zurecht hinweist) die Erteilung einer rückwirkenden Duldung nicht in Betracht kommen kann, trifft es zwar zu, dass der Antragsteller bereits am 26. Januar 2022 dem Antragsgegner seinen Reisepass vorgelegt hat. Soweit der Antragsteller eine Unmöglichkeit der Abschiebung mit dem Argument begründen will, diese sei daraufhin in den folgenden Monaten nicht durchgeführt worden, äußert er sich nicht zu den Ausführungen des Antragsgegners im Ausgangsverfahren (Schreiben der Regierung von O. vom 8.9.2022), nach denen Abschiebungen von iranischen Staatsangehörigen aus diversen Gründen, (insbesondere) wegen der zur Wehrsetzung der Abzuschiebenden scheiterten. Eine Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers sei bislang nicht erfolgt, da (durch dessen Unterstützer) Eingaben an das Ministerium getätigt worden seien. Auch hat das Verwaltungsgericht zurecht in den Blick genommen, dass (nachdem sich die Eingaben als erfolglos herausgestellt hatten), die Rückführung des Antragstellers (eines wegen der Verbreitung von Jugendpornografie verurteilten Straftäters) vorangetrieben hat.
5
Soweit der Antragsteller auf eine Petition vom 12. Juli 2022 hinweist, äußert er sich zudem nicht zu den Ausführungen des Antragsgegners (Schreiben der Regierung von O. vom 8.9.2022 im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht), nachdem ihm durch das Ministerium mehrfach mitgeteilt worden sei, er habe keine Bleibeperspektive in Deutschland. Dahinstehen kann, ob den vorgelegten Anlagen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren (Petition vom 12.7.2022, textliche Ausführungen zur „Nichtbearbeitung des Antrags auf Beschäftigungserlaubnis“, Erwähnung von Daten, die nach dem 12.7.2012 liegen, fehlende Unterschrift) die Einlegung einer erneuten Petition entnommen werden könnte. Insoweit bleibt (ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt) anzumerken, dass die Entscheidung über eine Eingabe an den Petitionsausschuss des Landtags in einem auf Verhinderung einer Abschiebung gerichteten gerichtlichen Eilverfahren (durch das Gericht) nicht abgewartet werden muss (OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 7.8.2019 - 7 B 11071/19 - juris Rn. 3).
6
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des Streitwerts im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist (vgl. Nrn. 1.5, 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
7
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).