Titel:
Untersagung der Haltung gefährlicher Hunde
Normenketten:
LStVG 37 Abs. 1 S. 2
BayGefHundeV § 1
Leitsatz:
Bei Kampfhunden kraft Gesetzes ist von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen, welche auch nicht vorübergehend hingenommen werden kann. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Untersagung der Hundehaltung, Kampfhunde, sofortige Vollziehung, Interessenabwägung, Hundehaltung, gefährlicher Hund, Kampfhund, Wesenstest
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 09.05.2022 – RN 4 S 22.900
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34004
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz nur teilweise erfolgreichen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bezüglich einer Untersagung der Hundehaltung weiter.
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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Februar 2022 hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Haltung und die Inbesitznahme der Hunde „S.“, „T.“, „F.“ und „J.“ untersagt und ihn verpflichtet, die (bereits erfolgte) Unterbringung der genannten Hunde im Tierheim zu dulden; die sofortige Vollziehung dieser Verpflichtungen sowie von Folgeverfügungen wurde angeordnet. Dem Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage (RN 4 K 22.899) nach § 80 Abs. 5 VwGO gab das Verwaltungsgericht nur hinsichtlich der Hunde „J.“ und „F.“ statt, im Übrigen - also bezüglich der Hunde „S.“ und „T.“ - lehnte es den Antrag ab.
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Hinsichtlich der Hunde „S.“ und „T.“ führte das Verwaltungsgericht aus, insoweit seien die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache offen. Aufgrund der vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen sei es offen, ob es sich bei diesen Hunden tatsächlich um American-Staffordshire-Terrier-Mischlinge und damit um Kampfhunde im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LStVG (sog. Kategorie-1-Hunde) handele. Eine Klärung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Die aufgrund der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmende Folgenabwägung führe zum Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin. Zugunsten des Antragstellers sei zwar zu berücksichtigen, dass - sollten sich die streitgegenständlichen Anordnungen später als rechtswidrig erweisen - die Gefahr bestünde, dass „T.“ und „S.“ zu Unrecht im Tierheim untergebracht gewesen und ggf. vermittelt worden wären. Demgegenüber bestehe aber ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass mit dem Vollzug der Verfügung nicht zugewartet werde, bis der Bescheid bestandskräftig sei. Denn dies hätte zur Folge, dass der Antragsteller weiterhin bis zu einer abschließenden Klärung in Hauptsache zwei Hunde halte, deren Haltung möglicherweise verboten sei. Handele es sich bei den Tieren um Kampfhunde im Sinne von § 1 Abs. 1 KampfhundeV, so werde deren gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit kraft Gesetzes vermutet. Von Kampfhunden im Sinne von § 1 Abs. 1 KampfhundeV gehe grundsätzlich eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit Dritter aus, die auch nicht vorübergehend hingenommen werden könne. Hinzu komme, dass die Hunde nach Aktenlage bereits einmal eine Passantin „gestellt“, also angegangen, hätten, als sie im Stadtgebiet der Antragsgegnerin (entgegen deren Verordnung zur Einschränkung der Beweglichkeit von Hunden im gesamten Stadtbereich, wonach große Hunde - unabhängig von ihrer Kampfhundeeigenschaft - in bestimmten Bereichen des Stadtgebietes an der Leine zu führen seien) ohne Leine unterwegs gewesen seien. Vor diesem Hintergrund überwiege das Interesse der Öffentlichkeit, von der weiteren Haltung eines potentiellen Kampfhundes im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LStVG verschont zu bleiben, ersichtlich das Interesse des Antragstellers, die Tiere einstweilen, möglicherwiese bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, wie bisher weiter halten zu können.
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Der Einwand der Antragstellerseite, in dem Tierheim, in dem die Hunde untergebracht seien, grassiere der sog. „Zwingerhusten“, könne zu keiner anderen Einschätzung führen. Zwar habe die Behörde für den Fall, dass Tiere behördlich untergebracht würden, dafür zu sorgen, dass diese Unterbringung artgerecht erfolge, wozu unter anderem auch Gesundheitsfürsorge und Pflege der Tiere gehörten. Allerdings würde dies - selbst für den Fall, dass in dem Tierheim tatsächlich der „Zwingerhusten“ ausgebrochen wäre - nicht dazu führen, dass die Tiere an den Antragsteller herausgegeben werden müssten. Vielmehr wären seitens des Tierheims, ggf. auch der Behörde, andere Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass „S.“ und „T.“ sich nicht anstecken, zum Beispiel Trennung von gesunden und kranken Tieren und - im äußersten Fall - Unterbringung von „S.“ und „T.“ in einer anderen Unterkunft. Unabhängig davon sei der Ausbruch von „Zwingerhusten“ lediglich unsubstantiiert behauptet und in keiner Weise nachgewiesen worden und bleibe deshalb bei der Interessenabwägung unberücksichtigt.
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Mit ihrer Beschwerde beantragt der Antragsteller sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Klage auch im Übrigen, also auch bezüglich der Hunde „S.“ und „T.“, wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Die Begründung der Beschwerde wendet sich allein gegen die dargelegte Interessen- bzw. Folgenabwägung des Verwaltungsgerichts. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass von den Hunden grundsätzlich eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit Dritter ausgehe, denn nach dem von der Antragstellerseite vorgelegten Gutachten handele es sich bei den Hunden um solche der sog. Kategorie 2. Zu dem angeführten Vorfall des „Stellens“ einer Passantin sei auszuführen, dass die Hunde - welche, könne nicht nachvollzogen werden - in freundlicher Absicht auf eine Person zugelaufen seien, ohne in irgendeiner Weise ein aggressives Verhalten zu zeigen. Dies zeige sich auch dadurch, dass diese Person weder zu Fall gekommen sei noch irgendwelche Verletzungen davongetragen habe. Solche Vorfälle ereigneten sich wohl viele Male täglich, ohne dass diese registriert werden würden. Dem könnte im Übrigen auch mit wesentlich weniger einschneidenden Maßnahmen, wie einer Anlein- oder Maulkorbpflicht, begegnet werden; dem würde sich der Antragsteller nicht widersetzten. Die Situation habe sich durch die zwischenzeitlich sehr lange Unterbringung der Hunde also wesentlich geändert, so dass die weitere Unterbringung nicht vor dem Hintergrund begründet werden könne, dass die Hunde ohne Leine unterwegs gewesen seien.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der angegriffenen Entscheidung in dem beantragten Umfang.
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Der Antragsteller kann mit seinem Vorbringen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägung im Sinn von § 80 Abs. 5 VwGO nicht durchgreifend in Frage stellen.
10
Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass bei Kampfhunden kraft Gesetzes (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LStVG) von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist, welche auch nicht vorübergehend hingenommen werden kann. Dies betrifft nicht nur den Fall, dass sich die Hunde „T.“ und „S.“ als sog. Kategorie-1-Kampfhunde (§ 1 Abs. 1 Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit - sog. KampfhundeV) herausstellen sollten. Soweit der Antragsteller vorträgt, nach dem von ihm veranlassten Gutachten handle es sich um Hunde der „Kategorie 2“ (§ 1 Abs. 2 KampfhundeV), lässt er dabei außer Acht, dass auch bei solchen Hunden die Eigenschaft als Kampfhunde vermutet wird, solange nicht der zuständigen Behörde für die einzelnen Hunde nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KampfhundeV). Ein solcher Nachweis in Form eines sog. Wesenstests (vgl. Nr. 37.3.2 und Nr. 37.3.4 VollzBek zum LStVG) liegt bisher nicht vor. Die im bisherigen Verfahren eingeholten Gutachten befassen sich ausschließlich mit der Rassen- (bzw. Gruppen-) Zugehörigkeit der Hunde.
11
Ob der erwähnte Vorfall des „Stellens“ einer Passantin so „harmlos“ war, wie es der Antragsteller darstellt, ist nach dem Akteninhalt fraglich. Nach dem in den Akten enthaltenen Vermerk vom 6. Oktober 2021 hat die betroffene Passantin an diesem Tag im Ordnungsamt der Antragsgegnerin angerufen und mitgeteilt, sie sei am 1. Oktober 2021 von den frei laufenden vier Hunden des Antragstellers bzw. seiner Familienangehörigen „angegangen und bedroht“ worden, die Hunde seien an ihr hochgesprungen. Sie habe große Angst gehabt. Die hinzukommenden Hundehalter (nach Angabe der Antragsteller und sein „Schwiegersohn“) hätten die Hunde nicht abrufen und nur mit Mühe anleinen können. Nach diesen Angaben hat offensichtlich jedenfalls die betroffene Passantin die rein „freundliche Absicht“ der Hunde nicht wahrgenommen, auch wenn sie nicht zu Fall gekommen oder verletzt worden ist. Das Hochspringen an einer fremden Person ist jedenfalls nicht dafür geeignet, eine mögliche bzw. gesetzlich vermutete Gefährlichkeit von Hunden zu widerlegen.
12
Ebenso stellt die Möglichkeit einer Anlein- oder Maulkorbpflicht die Abwägung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Eine derartige Anordnung kommt nur in Betracht, wenn im Hauptsacheverfahren festgestellt werden würde, dass die streitgegenständlichen Hunde keine Kampfhunde der Kategorie 1 sind und als Kampfhunde der Kategorie 2 ihre Kampfhunde-Eigenschaft durch einen positiven Wesenstest widerlegt wird. Solange dies nicht der Fall ist, hätte die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung zur Folge, dass der Antragsteller vorläufig weiterhin ohne Erlaubnis Kampfhunde halten dürfte.
13
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).