Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.11.2022 – 1 ZB 22.597
Titel:

Keine nachträgliche Genehmigung für Gewächshaus mit Aufzucht und Labor

Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2
Leitsätze:
1. Von einem Tekturantrag oder einer Tekturgenehmigung kann nur gesprochen werden, wenn die Identität des (genehmigten) Vorhabens gewahrt bleibt. Es kommt entscheidend darauf an, ob durch eine Änderung Belange, die bei der ursprünglichen Genehmigung des Vorhabens zu berücksichtigen waren, neuerlich oder andere Belange erstmals so erheblich berührt werden, dass sich die Zulässigkeitsfrage neu stellt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Auslegung des Merkmals „Dienen“ (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BauGB) ist maßgeblich, ob ein vernünftiger Landwirt bzw. Erwerbsgärtner - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tekturgenehmigung, Planabweichende Bebauung, Aliud, Einschränkung der Privilegierung durch das Merkmal „Dienen“, Außenbereich, vernünftiger Erwerbsgärtner, Edelreiserzucht
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 16.09.2021 – M 11 K 21.4366
Fundstelle:
BeckRS 2022, 33997

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 125.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt im Zulassungsverfahren die (nachträgliche) Genehmigung für das bereits errichtete Gewächshaus mit Aufzucht und Labor auf den Grundstücken FlNr. …6 und …4, Gemarkung D.
2
Das Vorhabengrundstück liegt an der Straße S. in der Gemeinde D. am A.see im Außenbereich. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2013 genehmigte das Landratsamt den Neubau eines Gewächshauses mit Aufzucht und Labor. Die Genehmigung umfasst ein erdgeschossiges Gebäude mit einem sog. kalten Speicher. Im südlichen Bereich wurden Räume für eine Nutzung als Labor bzw. Anzuchtbereich mit massiven Wänden sowie einem geschlossenen Dach genehmigt, im daran anschließenden mittleren Bereich ein Raum für die Produktion/Aufzucht mit Wänden aus Glasflächen sowie einem Glasdach. Der nördliche Bereich des Gebäudes - als Wuchsfläche bezeichnet - sieht einen Freibereich ohne umschließende Wände mit einer Überdachung aus Glas vor. In diesem Bereich wurde eine Unterkellerung zur Unterbringung einer Heizung sowie der Lagerung von Hackschnitzeln genehmigt. Mit Bescheid vom 24. September 2014 erteilte das Landratsamt eine Tekturgenehmigung für die Vergrößerung und Verschiebung der genehmigten Unterkellerung vom nördlichen in den südlichen Bereich des Gebäudes zum Zwecke der Lagerung, der technischen Ausstattung und der Vorbereitung des Versands sowie für eine Gefrierzelle. Anlässlich einer Ortsbesichtigung im Februar 2015 wurden Abweichungen von den erteilten Genehmigungen festgestellt. Daraufhin stellte der Kläger am 22. Juni 2015 einen Antrag auf Genehmigung für den „Neubau eines Gewächshauses mit Aufzucht und Labor; hier: geänderte Höheneinstellung, Änderung der Geschosshöhen und Fassade, Betriebsräume im Dachgeschoss, allseitige Verglasung der Wuchsfläche, als Tektur zur erteilten Baugenehmigung, den das Landratsamt mit Bescheid vom 4. April 2018 ablehnte. Gleichzeitig wurde unter Androhung eines Zwangsgeldes die Rückbauverpflichtung und eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen.
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Auf die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht die Rückbauverpflichtung und die Nutzungsuntersagung sowie die Zwangsgeldandrohung aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Bei der beantragten Genehmigung handle es sich nicht um eine bloße Tekturgenehmigung, sondern um einen Antrag auf Erteilung einer neuen (eigenständigen) Baugenehmigung für das bereits errichtete Gebäude. Nach den eingereichten Planunterlagen weiche das zur Genehmigung gestellte Vorhaben in wesentlichen Merkmalen nicht unerheblich von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben ab, sodass eine Identität des Bauvorhabens nicht mehr bestehe. Es sei nunmehr ein einheitliches Vorhaben insgesamt neu zur Genehmigung gestellt worden. Im südlichen Bereich solle die Anlage statt eines kalten Speichers ein zusätzliches Geschoss in Form eines ausgebauten Dachgeschosses erhalten. Die Wand- und Firsthöhe erhöhe sich ausgehend von der natürlichen Geländeoberfläche jeweils um 0,5 m, die Dachneigung gegenüber der ursprünglichen Genehmigung von 28,92° auf 30,00°. Da nunmehr die Genehmigung für ein vollständig umbautes Gebäude begehrt werde, während die ursprüngliche Genehmigung im nördlichen Bereich eine überdachte Freifläche umfasst habe, werde der mit Produktion/Aufzucht bezeichnete Raum deutlich vergrößert. Dies führe zu einer deutlichen Vergrößerung der Baumasse. Die massive Veränderung des Erscheinungsbildes des Gebäudes werde dadurch verstärkt, dass das Dach in diesem Bereich entgegen der früheren Genehmigung nicht mehr als Glasdach, sondern als geschlossenes Dach mit einem schmalen Lichtband ausgeführt werden solle. Neben etwaigen Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes führe dies auch dazu, dass sich die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit neu stelle. Das Vorhaben sei aufgrund der Außenbereichslage der Vorhabengrundstücke nicht genehmigungsfähig. Es handle sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben, da es keinem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung diene. Das Vorhaben weise eine sehr massive und für Gewächshäuser untypische Ausstattung auf und verfüge über eine sehr hochwertige Ausstattung, wie sie im Rahmen einer Nutzung zu Aufenthaltszwecken bis hin zu einer wohnähnlichen Nutzung typisch sei. Dies sei weder Voraussetzung für die angestrebte Zucht der Edelreiser noch für deren Vermarktung, zumal in den Bauplänen kein Bereich für Verkauf und Kundenverkehr vorgesehen sei. Das Gebäude werde nicht durch den Betrieb zur Zucht von Edelreisern äußerlich erkennbar geprägt. Der Eindruck, dass das Gebäude für Veranstaltungen und Feiern (Eventlocation) vorgesehen sei, werde durch die im Gewächshausbereich fest eingebaute Theke zum Ausschank von Getränken und einer Musikanlage verstärkt. Ohne dass es entscheidend darauf ankäme, bestünden zudem Zweifel daran, ob es sich bei der Edelreiserzucht um einen Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung handle. Dem nicht privilegierten Vorhaben stünden die öffentliche Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 BauGB entgegen. Für diese Beurteilung müsse sich der Kläger so behandeln lassen, als wenn an der vorgesehenen Stelle erstmalig ein Gebäude errichtet werde.
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Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, dass es sich bei dem abgelehnten Bauantrag nicht um ein „aliud“ im Vergleich zu dem bestandsgeschützt genehmigten Bauvorhaben handle. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass wesentliche Merkmale des Bauvorhabens, insbesondere dessen Standort, Grundfläche, Bauvolumen, Nutzung, Dachform und Erscheinungsbild nicht von den bestandsgeschützt genehmigten Bauvorlagen abweichen würden. Das Vorhaben diene einem privilegierten Betrieb, insbesondere hätten in dem gemauerten Teilbereich des Vorhabens von Anfang an Labor- und Verwaltungsräumlichkeiten untergebracht werden sollen. Die Dreifachverglasung diene gegenüber einem herkömmlichen Gewächshaus einem erhöhten Dämmwert und weise eine gesteigerte Energieeffizienz auf, die sich in Folge der weltweiten Verknappung von Energie durch den Ukrainekrieg bewährt und rentiert habe. Aufgrund der Nutzungsuntersagung hätten die Laborbereiche und das Gewächshaus nicht genutzt werden können. Das Verwaltungsgericht unterliege auch insoweit einem Fehl- und Trugschluss als es - hier nicht entscheidungserheblich - Zweifel daran geäußert habe, ob ein Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung vorliege.
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Der Beklagte und der Beigeladene treten dem Zulassungsantrag entgegen.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der sinngemäß geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 - 2 BvR 657/19 - juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das abweichend von der erteilten Baugenehmigung vom 16. Dezember 2013 und der Tekturgenehmigung vom 24. September 2014 errichtete Vorhaben in seiner Gesamtheit genehmigungsbedürftig ist und der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Genehmigung hat.
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1.1 Soweit der Kläger vorträgt, dass es sich bei seinem Bauantrag im Vergleich zu dem „bestandsgeschützten Vorhaben“ nicht um ein „aliud“ handle, zeigt das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung auf.
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Mit dem in der BayBO nicht enthaltenen Begriff der Tekturgenehmigung wird in der Baupraxis üblicherweise eine Genehmigung für geringfügige oder kleinere, das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berührende Änderungen eines bereits genehmigten Vorhabens bezeichnet, die sich während des Genehmigungsverfahrens oder nach Erteilung der Genehmigung ergeben haben bzw. ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2022 - 1 B 19.362 - juris Rn. 20; U.v. 26.10.2021 - 15 B 19.2130 - juris Rn. 28). Von einem Tekturantrag oder einer Tekturgenehmigung kann aber nur gesprochen werden, wenn die Identität des (genehmigten) Vorhabens gewahrt bleibt. Als für die Identität eines Bauvorhabens wesentliche Merkmale werden in der Rechtsprechung Standort, Grundfläche, Bauvolumen, Zweckbestimmung, Höhe, Dachform oder Erscheinungsbild herausgestellt. Ob eine Veränderung dieser für ein Vorhaben charakteristischen Merkmale die Identität von genehmigten und errichteten Vorhaben aufhebt, hängt vom Umfang der Abweichungen und von der Bewertung ihrer Erheblichkeit im jeweiligen Einzelfall ab. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob durch die Änderung Belange, die bei der ursprünglichen Genehmigung des Vorhabens zu berücksichtigen waren, neuerlich oder andere Belange erstmals so erheblich berührt werden, dass sich die Zulässigkeitsfrage neu stellt (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.2021 a.a.O.). Auf ein „aliud“ weist auch hin, dass ein Vorhaben ohne Zerstörung seiner Substanz oder wesentlicher Teile mit der erteilten Baugenehmigung nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2020 - 1 ZB 18.1164 - juris Rn. 7).
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Diese Grundsätze hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt und ist aufgrund einer umfassenden Bewertung und der gebotenen Gesamtschau zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger ein anderes als das genehmigte Vorhaben errichtet hat. Entgegen der genehmigten Eingabeplanung wurde im südlichen Bereich statt eines kalten Speichers ein zusätzliches Geschoss in Form eines ausgebauten Dachgeschosses eingerichtet. Das Gebäude ist höher geworden und hat ein größeres Bauvolumen erhalten. Die Wand- und Firsthöhe hat sich ausgehend von der natürlichen Geländeoberfläche jeweils um rd. 0,5 m erhöht und die Vergrößerung des Raumes für die Produktion/Aufzucht infolge der vollständigen Umbauung des Gebäudes anstelle einer überdachten Freifläche führt zu einer Erhöhung der Baumasse. Insbesondere aufgrund der Ausführung des Dachs in dem gesamten Produktions- und Aufzuchtbereich als geschlossenes Dach mit einem schmalen Lichtschacht anstelle des vorgesehenen Glasdachs wird die Veränderung des Erscheinungsbildes des Gebäudes deutlich erkennbar, das Vorhaben erscheint deutlich massiver als die genehmigte Planung. Die wesentlichen Abweichungen werden durch einen Vergleich zwischen den Bauvorlagen des genehmigten Vorhabens und den beantragten umfangreichen Änderungen deutlich.
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Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Wand- und Firsthöhe und die Baumasse geltend macht, dass es sich nur um nicht erhebliche Änderungen handle und die Anhebung der Wandhöhe dem Umstand geschuldet sei, dass das Gebäude tiefer in das Gelände gesetzt worden sei, beschränkt er die Auswirkungen des Bauantrags auf die Auswirkungen auf das Landschaftsbild in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung, ohne sich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, wonach sich hier aufgrund der zahlreichen Änderungen bei maßgeblichen Merkmalen die Frage neu stelle, ob das Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB privilegiert ist. Im Übrigen ist nach den vorliegenden Planunterlagen erkennbar, dass der Gebäudeteil mit der durchgehenden Glasfront und dem geschlossenen Dach im Gegensatz zu dem ursprünglichen gläsernen und teilweise offenen Gebäudeteil deutlich massiver in Erscheinung tritt. Für die Beurteilung dieser Frage ist auch nicht entscheidend, dass der Gebäudeteil unterhalb der Überdachung schon immer als Fläche für die Produktion und Aufzucht vorgesehen war; das Erscheinungsbild einer Freifläche, die nur mit einem Glasdach versehen ist, ist mit der Einbeziehung dieser Fläche in ein Gebäude nicht vergleichbar. Die Ausführungen des Klägers, dass die Beschaffenheit des Dachs in der Baugenehmigung nicht „abschließend und konkret“ definiert worden sei, treffen ausweislich der genehmigten Eingabepläne nicht zu. Danach ist der Dachbereich mit einer wärmedämmenden Sicherheitsverglasung zu versehen, nicht mit einem geschlossenen Dach. Die abweichende und massive Dachausführung wirkt sich auch auf die Dachgestaltung an dem Gebäude aus. Die vom Kläger unter Vorlage eines Aufwuchsgutachtens angeführten energetischen und wirtschaftlichen Gründe für die geschlossene Dacheindeckung, mit denen er für das Vorhaben gleichwertige Wuchsvoraussetzungen schaffen möchte, sind bei der Frage zu prüfen, ob das nunmehr beantragte Vorhaben einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient.
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1.2 Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Vorhaben - ohne dass es auf die Frage des Bestehens eines gartenbaulichen Betriebs ankommt - jedenfalls nicht dienlich im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist.
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Bei der Auslegung des Merkmals „Dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Ein Vorhaben „dient“ einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht schon dann, wenn es nach den Vorstellungen des Betriebsinhabers für seinen Betrieb förderlich ist. Da aber auch nicht verlangt werden kann, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist, bilden die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Maßgeblich ist innerhalb dieses Rahmens, ob ein vernünftiger Landwirt bzw. Erwerbsgärtner - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Mit dem Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2012 - 4 B 56.12 - juris Rn. 4; U.v. 19.6.1991 - 4 C 11.89 - NVwZ-RR 1992, 401; U.v. 16.5.1991 - 4 C 2.89 - NVwZ-RR 1992, 400; BayVGH, U.v. 29.1.2019 - 1 BV 16.232 - BayVBl 2019, 562; U.v. 11.4.2017 - 1 B 16.2509 - BayVBl 2018, 168; U.v. 28.4.2015 - 15 B 13.2262 - juris Rn. 4). Der eigentliche Zweck des Erfordernisses des „Dienens“ liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Nicht der behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion nach den objektiven Gegebenheiten ist entscheidend. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.1993 - 4 B 254.92 - juris Rn. 5; U.v. 16.5.1991 a.a.O.).
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Gemessen an diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht das Merkmal des Dienens aus der Perspektive eines „vernünftigen Erwerbsgärtners“ zu Recht verneint. Es ist nach den vorliegenden Planunterlagen, dem Eindruck, den es sich beim Augenscheintermin verschafft hat, sowie der Stellungnahme des AELF vom 17. Oktober 2017 zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorhaben aufgrund der massiven und für Gewächshäuser untypischen Ausführung, der sehr hochwertigen Ausstattung des Gewächshauses sowie der Ausführung der Fenster und Türen mit Dreifachverglasung nicht einem Betrieb für die Zucht von Edelreisern dient, sondern vielmehr eine Nutzung zu Aufenthaltszwecken (Wohn-/Seminar-/Veranstaltungsnutzung) umgesetzt worden ist. Denn auch nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten zur „Beobachtung eines Feldversuchs mit Obstbäumen“ ist eine entsprechende Zucht in klassischen vollverglasten Gewächshäusern möglich. Die vom Kläger geltend gemachten Anforderungen der Innenausstattung des Gebäudes im Hinblick auf die Vermarktung sind nicht nachvollziehbar, zumal den Bauplänen kein Bereich für Verkauf und Kundenverkehr zu entnehmen ist und die - nach den vorliegenden Bildern - fest eingebaute größere Theke sowie die Musikanlage dafür nicht erforderlich sind. Auch die angeführten energetischen und wirtschaftlichen Gründe für die kostenintensiven Änderungsmaßnahmen überzeugen nicht. Denn diese sind ausweislich des vorgelegten Gutachtens zur Aufzucht von Edelreisern objektiv nicht erforderlich, weil die bloße Frostfreihaltung im Winter genügt und diese mit dem genehmigten Gewächshaus sichergestellt ist. Ein vernünftiger Erwerbsgärtner würde daher nicht unerhebliche Mehrkosten in Kauf nehmen. Hinzu kommt, dass mit dem geschlossenen Dach auch eine zusätzliche künstliche Beleuchtung erforderlich ist. Soweit sich der Kläger weiter darauf beruft, dass sein Vorhaben innovativ sei, übersieht er, dass die Anforderungen an ein Vorhaben im Außenbereich aufgrund des Schutzes des Außenbereichs an den Erfordernissen eines privilegierten Betriebs gemessen werden müssen. Schließlich vermag der Kläger auch nicht mit seinen Ausführungen zu überzeugen, dass eine erkennbare äußerliche Prägung durch einen Betrieb zur Zucht von Edelreisern aufgrund der Nutzungsuntersagung des Beklagten nicht möglich gewesen sei. Es kommt nicht darauf an, ob in dem errichteten Gebäude auch ein Erwerbsgartenbau untergebracht werden kann, sondern ob das Gebäude nach seiner Gestaltung und Ausstattung durch den betrieblichen Verwendungszweck geprägt ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.1991 - 4 C 2.89 - NVwZ-RR 1992, 400).
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1.3 Dass das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt, da sich der Kläger im Zusammenhang mit § 35 Abs. 2 BauGB so behandeln lassen muss, als wenn er an der vorgesehenen Stelle erstmalig ein Gebäude errichten wollte, und das Vorhaben insbesondere zu einer städtebaulich zu missbilligenden Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedung im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB führt, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht ansatzweise in Frage gestellt. Soweit der Kläger hierzu auf eine bestandsgeschützte Baugenehmigung abstellt, verkennt er, dass ein etwaiger Bestandsschutz jedenfalls aufgrund der Umbaumaßnahmen erloschen ist.
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2. Soweit sich der Kläger gegen die Zweifel des Verwaltungsgerichts wendet, dass es sich bei der Edelreiserzucht um einen Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung handelt und beanstandet, dass Zweifel an der vorhandenen Wirtschaftlichkeitsberechnung zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden seien, macht er sinngemäß einen Verfahrensfehler in Gestalt einer Überraschungsentscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend. Ein solcher Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor. Denn diese Frage war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits nicht entscheidungserheblich.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).