Inhalt

VGH München, Urteil v. 18.10.2022 – 1 B 21.672
Titel:

Denkmaleigenschaft einer ehemaligen Eisenbahnersiedlung

Normenketten:
VwGO § 43
BayDSchG Art. 1 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ergibt sich die Denkmalbedeutung aus einem Gesamtkomplex baulicher Anlagen, so sind diese als einheitliches Denkmal zu behandeln. Auch voneinander räumlich getrennte, als Einzelanlagen sichtbare bauliche Anlagen können in ihrer Gesamtheit ein Baudenkmal iSv Art. 1 Abs. 2 S. 1 BayDSchG darstellen, wenn die Denkmaleigenschaft gerade durch den Zusammenhang der baulichen Anlagen anzunehmen ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Stellungnahme staatlicher Fachstellen, die sich durch die jahrelange Bearbeitung eines bestimmten Gebiets auszeichnen und nicht nur Aktenvorgänge im Einzelfall auswerten, ist anerkannt, dass sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten haben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da es für die Denkmaleigenschaft auf die Beurteilung durch einen sachverständigen Betrachter ankommt, schmälert das Fehlen einzelner früher vorhandener, möglicherweise für den Laien besser verständlicher Merkmale, den Denkmalwert des Denkmals nicht, sondern unterstreicht die Erforderlichkeit der Unterschutzstellung. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Denkmaleigenschaft einer ehemaligen Eisenbahnersiedlung, Einheitliches, aus mehreren Einzelgebäuden bestehendes Denkmal, Einheitliches aus mehreren Einzelgebäuden bestehendes Denkmal, Verbot der Doppelklage, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, Stellungnahme staatlicher Fachstellen, vorhandene Bausubstanz, Erforderlichkeit der Unterschutzstellung, Bebauung in der näheren Umgebung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 20.06.2018 – M 9 K 17.3942
Fundstelle:
BeckRS 2022, 33978

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.     
II.    Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.     
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.   
 IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die beiden Gebäude K.straße 8 und 10 auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück FlNr. …34, Gemarkung K., kein Denkmal im Sinn des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes darstellen.
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Diese Gebäude wurden im Jahr 1905/1906 als Teil einer aus insgesamt sieben Häusern bestehenden Eisenbahner- bzw. Schwellenfabrikarbeitersiedlung geplant und errichtet. Am 13. Mai 2013 erfolgte hierzu folgender Eintrag in die Landesdenkmalliste:
„D- …
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K.straße 1; 5; 8; 10; 11; 14; 24 Ehem. Eisenbahner- bzw. Schwellenfabrikarbeitersiedlung, Kleinwohnungsanlage bestehend aus sieben Häusern, beidseits einer Straße gereihte, teils giebel-, teils traufständige, ein- bis zweigeschossige Satteldachbauten mit weitem Dachüberstand, mittels hölzernen oder gemauerten Außentreppen, hölzernen Balkonen und Klappläden, verbretterten Giebeln und Obergeschossen, Fenstererkern und Erkern in Formen des Heimatstils gestaltet, wohl vom Baubüro der Kgl. Bayerischen Eisenbahn, 1905/1906; Ziegenstall bei Nr. 24, bauzeitlich.
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FlStNr. … … … … … [Gemarkung K.]“
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Die Klägerin beantragte am 20. Oktober 2015 die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zur Beseitigung der Gebäude K.straße 8 und 10 auf dem Grundstück FlNr. …34. Sie legte hierzu im Verwaltungsverfahren ein Gutachten eines Sachverständigen für den Denkmalschutz vom 24. Februar 2017 vor, das im weiteren Verfahren ergänzt wurde. Hiernach hätten die Planer aus dem Hochbaubüro der Königlich Bayerischen Staatseisenbahn sieben unterschiedlich detaillierte Wohngebäude auf großen Grundstücken vorgeschlagen, die eine weitgehende Selbstversorgung ermöglichen sollten. Sie hätten sich der bestehenden dörflichen Struktur mit großen naturbelassenen Bereichen zwischen den Grundstücken untergeordnet und seien nicht als einheitliche Siedlung zu erkennen gewesen. Der Entwurf sei in dieser Form realisiert worden, die Gebäude seien in ihrem Volumen bis heute weitgehend erhalten, in äußeren Details und im Inneren teilweise erheblich verändert. Es habe sich zum Zeitpunkt der Verabschiedung des BayDSchG 1973 um ein Denkmalensemble gehandelt. Die Denkmalbeschreibung beziehe sich auf den bauzeitlichen Zustand und ignoriere die inzwischen erfolgte Verdichtung sowie die Verwandlung des Dorfes zur vorstädtischen Siedlung mit guter Verkehrsanbindung. Die Anlage habe, vor allem für den informierten Spezialisten, noch eine gewisse historische und sozialhistorische, vielleicht in Teilen auch eine künstlerische Bedeutung. Das Interesse der Allgemeinheit an ihrer Erhaltung könne jedoch nicht mehr unterstellt werden. Es fehle an der Denkmalwürdigkeit. Gerade die Gebäudegruppe K.straße 8/10 sei durch die Neubauten in direkter Nachbarschaft extrem entstellt. Man habe ihr jeglichen Freiraum genommen, der an die historische Selbstversorgung erinnere.
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Das Landratsamt lehnte den Antrag zur Beseitigung der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude ab. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Gebäude sanierungsfähig seien. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen seien vom Landratsamt derzeit nicht zu prüfen, da der konkrete Antrag zur Sanierungsabsicht fehle. Hierauf erhob die Klägerin am 19. August 2017 Klage beim Verwaltungsgericht, mit der sie die Feststellung begehrte, dass der Abbruch der Gebäude K.straße 8 und 10 keiner denkmalrechtlichen Erlaubnis und keiner sonstigen öffentlich-rechtlichen Zulassung bedarf. Hilfsweise beantragte sie die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis bzw. zur erneuten Entscheidung hierüber. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hob das Landratsamt den Versagungsbescheid auf Anregung der Kammer auf und sagte eine erneute Überprüfung der Denkmaleigenschaft zu. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Haupt- und Hilfsantrag mit Urteil vom 20. Juni 2018 als unzulässig abgewiesen. Es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis, da der Vertreter des Landratsamts zu Protokoll erklärt habe, dass die Denkmaleigenschaft durch die zuständigen Fachbehörden erneut geprüft werde.
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Die Klägerin beantragt in dem vom Senat mit Beschluss vom 1. März 2021 zugelassenen Berufungsverfahren zuletzt,
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unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 20. Juni 2018 festzustellen, dass es sich bei den Häusern K.str. 8 und 10 in K. nicht um ein Denkmal im Sinne des Bayer. Denkmalschutzgesetzes handelt.
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Den Gebäuden komme nach den Ausführungen des von ihr beauftragten Gutachtens keine Denkmaleigenschaft zu. Es fehle zumindest an der Denkmalwürdigkeit, da insbesondere die großen Gartengrundstücke, die die Eigenversorgung der Arbeiter ermöglichen sollten und prägend für die Siedlung gewesen seien, nicht mehr vorhanden seien. Die Zufahrt zu den Gebäuden 8 und 10 erfolge nicht mehr über die K.straße, sondern nunmehr über die R.straße. Die denkmalschutzrechtliche Bedeutung sei durch die inzwischen erfolgte Verdichtung sowie die Verwandlung der dörflichen Umgebung zu einer vorstädtischen Siedlung verloren gegangen. Das Landesamt für Denkmalschutz habe zudem nicht die jeweiligen Einzelgebäude als denkmalwürdig angesehen, sondern diese erst in ihrem Miteinander. Eine gemeinsame Erlebbarkeit der Objekte sei jedoch infolge der Nachverdichtung nicht mehr vorhanden. Gerade die Gebäude K.straße 8 und 10 seien durch Neubauten von den übrigen historischen Bauten abgeschirmt. Durch die Aufteilung der Grundstücke und die Bebauung in den früheren großen Gärten sei der Siedlungszusammenhang vollständig zerstört worden. Im Übrigen sehe es das Denkmalschutzgesetz nicht vor, dass ein Baudenkmal sich aus mehreren einzelnen Gebäuden zusammensetze. Von einem Ensemble gehe der Beklagte selbst nicht aus. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich die Gebäude nicht mehr im Originalzustand befänden, sondern zahlreiche Veränderungen vorgenommen worden seien. Gegen die Denkmalwürdigkeit spreche weiter, dass das Landesamt für Denkmalpflege jahrzehntelang die Siedlung nicht unter Schutz gestellt habe.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufung sei bereits unzulässig. Das Landratsamt habe am 12. Mai 2020 den Abbruchantrag vom 19. Oktober 2015 erneut abgelehnt. Im Rahmen der hiergegen erhobenen Klage vor dem Verwaltungsgericht München werde ebenfalls die Feststellung begehrt, dass es keiner denkmalrechtlichen Erlaubnis für den Abbruch bedürfe. Es liege daher ein Fall der doppelten Rechtshängigkeit vor. Jedenfalls sei die Klage im Hauptantrag unbegründet. Das Landesamt für Denkmalpflege habe die Frage der Denkmaleigenschaft erneut geprüft und die Denkmaleigenschaft weiterhin bejaht. Die Gebäude seien Teil eines einheitlichen Baudenkmals, da die einzelnen Bauten auf Grund des gemeinsamen Entwurfs und der gemeinsamen Entstehung eine zusammengehörige bauliche Anlage im Sinn des Denkmalschutzrechts bildeten. Voneinander räumlich getrennte, als Einzelanlagen sichtbare bauliche Anlagen könnten in ihrer Mehrheit ein Baudenkmal im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG darstellen, wenn die Denkmaleigenschaft - wie hier - gerade durch den Zusammenhang der baulichen Anlagen anzunehmen sei.
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Der Beigeladene stellte keinen Antrag.
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Der Senat hat am 18. Oktober 2022 eine Ortseinsicht genommen. Für die dortigen Feststellungen und die gefertigten Fotos sowie den Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2022 wird auf die jeweiligen Protokolle verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet
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1. Die Klage ist zulässig.
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Die zwischenzeitlich erhobene Klage beim Verwaltungsgericht, die ebenfalls auf Feststellung der fehlenden Denkmaleigenschaft der Gebäude K.straße 8 und 10 abzielt, steht der Zulässigkeit der Klage im hiesigen Verfahren nicht entgegen. Nach § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG kann die Sache während der Rechtshängigkeit nicht anderweitig anhängig gemacht werden. Das Verbot der Doppelklage führt zur Unzulässigkeit der später erhobenen Klage, es hat jedoch keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit des vom Senat zu entscheidenden Verfahrens. Der Feststellungsantrag ist seit seiner Geltendmachung mit Schriftsatz vom 6. Juni 2018 durchgehend rechtshängig gewesen (§ 90 VwGO).
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Die Klage ist auch als Feststellungsklage zulässig. Bei der Frage der Denkmaleigenschaft der Gebäude handelt es sich um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Die Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO greift nicht, da für dieses Rechtsschutzbegehren keine andere Klageart zur Verfügung steht (vgl. SächsOVG, 28.4.2022 - 1 A 295/19 - juris Rn. 20; VGH BW, U.v. 3.11.2020 - 1 S 581/18 - juris Rn. 46).
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da es sich bei den Gebäuden K.straße 8 und 10 um Teile eines einheitlichen Denkmals handelt.
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Baudenkmäler sind bauliche Anlagen oder Teile davon aus vergangener Zeit (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG), deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt (Art. 1 Abs. 1 BayDSchG). Eine „Bedeutung“ in diesem Sinn erfordert zwar nicht, dass das Gebäude Hervorragendes oder Einzigartiges repräsentiert. Sie setzt jedoch voraus, dass das Gebäude in besonderer Weise geeignet ist, geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, wissenschaftlich oder volkskundlich Relevantes zu dokumentieren (BayVGH, U.v. 16.7.2015 - 1 B 11.2137 - juris Rn. 17). Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf, historische Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage oder einer Mehrheit baulicher Anlagen in der Gegenwart zu veranschaulichen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.2001 - 4 CN 4.00 - BVerwGE 114, 247). Die den Denkmalwert begründende geschichtliche Bedeutung muss nicht unmittelbar am Objekt ablesbar sein, es kann ausreichen, wenn das Objekt zusammen mit anderen Quellen seinem Betrachter die geschichtlichen Zusammenhänge vor Augen führen kann (vgl. OVG Hamburg, U. v. 16.5.2007 - 2 Bf 298/02 - NVwZ-RR 2008, 300). Es kommt dabei nicht auf den Erkenntnisstand eines unbefangenen Betrachters, sondern auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern an (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2015 - 1 ZB 13.1334 - BayVBl 2016, 456). Ergibt sich die Denkmalbedeutung aus einem Gesamtkomplex baulicher Anlagen, so sind diese als einheitliches Denkmal zu behandeln. Auch voneinander räumlich getrennte, als Einzelanlagen sichtbare bauliche Anlagen können in ihrer Gesamtheit ein Baudenkmal im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG darstellen, wenn die Denkmaleigenschaft gerade durch den Zusammenhang der baulichen Anlagen anzunehmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2018 - 1 ZB 16.1358 - juris Rn. 6). Für die Beurteilung der Denkmaleigenschaft kommt nach ständiger Rechtsprechung der Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege ein erhebliches tatsächliches Gewicht zu. Hierbei handelt es sich gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG um eine staatliche Fachbehörde für alle Fragen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Für die Stellungnahme staatlicher Fachstellen, die sich durch die jahrelange Bearbeitung eines bestimmten Gebiets auszeichnen und nicht nur Aktenvorgänge im Einzelfall auswerten, ist anerkannt, dass sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten haben (BayVGH, U.v. 2.8. 2018 - 2 B 18.742 - BayVBl 2019, 346). Dabei ist das Gericht rechtlich nicht an die fachliche Beurteilung des Landesamts gebunden. Das Gericht hat deren Aussage- und Überzeugungskraft nachvollziehend zu überprüfen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine eigene Überzeugung zu bilden (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 - 22 B 12.1741 - juris Rn. 27).
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Hieran gemessen erfüllen die Gebäude K.straße 1, 5, 8, 10, 11, 14 und 24 in ihrer Gesamtheit die Merkmale eines Baudenkmals im Sinn von Art. 1 Abs. 1 und 2 BayDSchG. Die einzelnen Bauten der ehemaligen Kleinwohnungsanlage für Eisenbahner- bzw. Schwellenfabrikarbeiter bilden auf Grund des gemeinsamen Entwurfs und der gemeinsamen Entstehung im Jahr 1905/1906 eine zusammengehörige bauliche Anlage aus vergangener Zeit, die geschichtliche und künstlerische Bedeutung aufweist und deren Erhaltung im Interesse der Allgemeinheit liegt.
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Die Ausführungen des Landesamts für Denkmalpflege zur geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung der ehemaligen Eisenbahner- bzw. Schwellenfabrikarbeitersiedlung sind für den Senat anhand der vorhandenen Bausubstanz ablesbar und nachvollziehbar. Hiernach spiegele sich in der Konzeption der Siedlung, die den Eisenbahner-Familien und vor allem den im Schwellenwerk Beschäftigten preiswerte Wohnungen mit viel Licht und Luft und einem Gartenanteil zur Verfügung stelle, die wohnpolitischen Reformbestrebungen der Zeit wieder, die sich als Gegenentwurf zum beengten Wohnen in urbanen Mietskasernen verstehe. Die Bauweise greife hierzu auf ländlich-traditionelle Formen, der Verwendung einheimischer Materialien und handwerklich gestaltete Details zurück, um entsprechend der Zwecksetzung der Siedlung den Bewohnern Geborgenheit zu vermitteln. Diese Zwecksetzung und die damit einhergehende geschichtliche Bedeutung wird im Wege einer Gesamtbetrachtung der aus einzelnen Gebäuden bestehenden, einheitlich konzipierten Siedlung greifbar, sodass die Annahme des Landesamts für Denkmalpflege, es handle sich um ein aus mehreren baulichen Anlagen bestehendes Einzeldenkmal, nicht zu beanstanden ist. Den Gebäuden kommt in ihrer Gesamtheit auch die vom Landesamt für Denkmalpflege angenommene geschichtliche und künstlerische Bedeutung zu. Zur geschichtlichen Bedeutung wurden alte Pläne und archivalische Belege vorgelegt. Mit der Kleinwohnungsanlage sollten im Gegensatz zu verdichteten urbanen Strukturen gesunde, günstige und nicht zu kleine Wohnungen geschaffen werden, die den menschlichen Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten, den Witterungsverhältnissen und der örtlichen Bauweise angepasst sind, um durch diese Wohnbedingungen den Standort für Eisenbahn- bzw. Schwellenfabrikarbeiter attraktiv zu machen. Die künstlerische Bedeutung ergibt sich aus der Verwendung traditioneller Bauformen, insbesondere der äußeren Gestaltung mit Sprossenfenstern, Erkern, Holzbalkonen, Lauben, Außentreppen, hölzernen Zierelementen und Rundbögen, die einer Facette des damals aufkommenden Heimatstils zuzurechnen sind. Die äußeren Gestaltungselemente waren, wovon sich der Senat beim Augenschein überzeugen konnte, bei allen Gebäuden gut ablesbar und bei einzelnen Gebäude teilweise identisch (z.B. die Gestaltung die Fensterläden). Die Gebäude befinden sich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild her - abgesehen von kleineren Veränderungen wie beispielsweise Austausch der Außentüren, teilweiser Entfernung der ursprünglichen Holzfensterläden und teilweise erfolgter Neueindeckung des Dachs - noch weitgehend im bauzeitlichen Zustand und sind in ihrer Gesamtheit weiterhin in der Lage, ihre (sozial-)geschichtliche und künstlerische Bedeutung zu vermitteln.
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Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, dass die Denkmaleigenschaft bzw. die Denkmalwürdigkeit durch die erfolgte Bebauung in der näheren Umgebung entfallen sei. Die Zusammengehörigkeit der Gebäude sticht bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ins Auge. Sie heben sich in ihrer Bauweise im Heimatstil des frühen 20. Jahrhunderts, die weitgehend bauzeitlich erhalten ist, deutlich von den in neuerer Zeit entstandenen baulichen Anlagen ab und lassen sie auf Grund der Gestaltungselemente und der Formensprache auch heute noch zweifelsfrei als einheitlich konzipierte Siedlung erkennen. Die Zugehörigkeit der Gebäude K.straße 8 und 10 zur Gruppe der Arbeiterwohnhäuser wird auch nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Bebauung auf dem Grundstück FlNr. … (K.straße 4) aufgelöst. Der dortige Baukörper wurde im nördlichen Bereich platziert, sodass ein Bezug zu den übrigen Gebäuden der Siedlung nicht aufgehoben wird, zumal das Gebäude K.straße 10 auf Grund der topographisch etwas erhöhten Lage und den stattlichen Maßen auch weiterhin gut als Bestandteil der Siedlung wahrnehm- und erlebbar ist. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die großen Gärten, die im Hinblick auf die Selbstversorgung der Arbeiter der Siedlung wesentliches Merkmal der ursprünglichen Planung gewesen seien, als Folge der Nachverdichtung nicht mehr vorhanden seien und auch dies gegen die Denkmaleigenschaft spreche, hat die Ortseinsicht ergeben, dass zwar auf dem Grundstück mit den Gebäuden K.straße 8 und 10 nur noch ein verhältnismäßig kleiner Garten vorhanden ist, bei den restlichen Gebäuden der Siedlung jedoch noch großzügige Gartenbereiche bestehen. Insoweit hat sich keine wesentliche Änderung im Vergleich zum historischen Zustand ergeben, wie auch der Vergleich mit dem von den Parteien vorgelegten Lageplan aus dem Jahr 1908 zeigt. Da es für die Denkmaleigenschaft auf die Beurteilung durch einen sachverständigen Betrachter ankommt, schmälert das Fehlen einzelner früher vorhandener, möglicherweise für den Laien besser verständlicher Merkmale, den Denkmalwert des Denkmals nicht, sondern unterstreicht die Erforderlichkeit der Unterschutzstellung. Im Übrigen dienten die Gärten nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Vertreters des Landesamts für Denkmalpflege in der mündlichen Verhandlung ursprünglich nur dem Aufenthalt im Freien, während der Gedanke der Selbstversorgung erst im Verlauf des Ersten Weltkriegs aufgekommen sei. Auch der Umstand, dass die Gebäude K.straße 8 und 10 ursprünglich über eine Zufahrt von der K.straße her erschlossen wurden, rechtfertigt keine andere Einschätzung, denn es besteht nach wie vor über das Grundstück FlNr. …179 eine Anbindung an die K.straße.
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Die Erhaltung der Gesamtanlage als Denkmal liegt mit ihrer geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit. Die ehemalige Eisenbahnersiedlung ist in dieser Ausprägung in Bayern selten und stellt ein wichtiges bauliches Zeugnis des frühen 20. Jahrhunderts dar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § § 708 Nr. 11 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.