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AG Fürstenfeldbruck, Endurteil v. 25.10.2022 – 4 C 220/22
Titel:

Ersatz von Mietwagen- und Reparaturablaufplankosten nach Verkehrsunfall

Normenkette:
BGB § 249
Leitsätze:
1. Die Kosten für die Erstellung des Reparaturablaufplans stellen ein Schaden im Sinne des § 249 BGB dar. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Anmietung eines  gruppengleichen Ersatzfahrzeugs ist ein Abzug ersparter Aufwendungen von 10% gerechtfertigt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verlängert sich die Mietwagennutzung wegen einer verzögerten Reparatur, ändert dies nichts an der Ersatzfähigkeit der Kosten. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietwagen, Dauer, verzögerte Reparatur, Reparaturablaufplan
Fundstelle:
BeckRS 2022, 33474

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 212,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 248,96 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Danach steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes in Höhe von insgesamt 212,58 € gemäß §§ 7, 17 StVG, 823, 249, 250 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflichtVersG zu.
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1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 167,95 € zu.
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Zwar kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, Urteil vom 26.04. 2016 - VI ZR 563/15; BGH, Urteil vom 02.02.2010 - VI ZR 139/08, VersR 2010, 545 Rn. 10 = r+s 2010, 214 und vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11, VersR 2013, S. 330 Rn. 8 = r+s 2013, 149, jeweils m.w.N.).
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Der Geschädigte ist jedoch aufgrund der subjektiven Schadensbetrachtung nicht gehalten, hier eine Marktforschung durchzuführen. Anhaltspunkte für die Klägerin, dass die in Rechnung gestellten Mietwagenkosten überhöht sein könnten, liegen nicht vor, da die hier geltend gemachten Kosten sich im Rahmen der Schwacke-Liste halten.
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Diese kann auch vorliegend im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO herangezogen werden. Etwas anderes gilt nur, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (siehe BGH, Urteil vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11 m.w.N.). Die Anwendung von Listen im Rahmen der Schadensschätzung durch den Tatrichter begegnet also nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte hat sich vielmehr nur mit allgemein gehaltenen Ausführungen gegen die Anwendung der Schwacke-Liste ausgesprochen. Nach alledem sind der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten - wie von der Klägerin vorgenommen - die Sätze der Schwacke-Tabelle zugrundezulegen.
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Danach ergeben sich erforderliche Mietwagenkosten in Höhe von 727,70 €. Sofern die Beklagte einwendet, dass hier nur für 5 Tage, und nicht für 7 Tage, Mietwagenkosten anzusetzen waren, dringt die Beklagte insofern mit ihrem Einwand nicht durch. Insbesondere hat die Klägerin dargelegt und nachgewiesen, dass ihr eine Abholung des Fahrzeugs nach Fertigstellung der Reparatur am 30.03.2021 abends aufgrund der Öffnungszeiten der Reparaturwerkstatt nicht mehr möglich war. Sofern die Beklagte meint, dass die Reparaturwerkstatt die Reparatur schneller hätte durchführen können, insbesondere auch die Ersatzteile bereits vor Beginn der Reparatur hätte bestellen können, kann dahinstehen, ob insofern ein fehlerhaftes Verhalten auf Seiten der Werkstatt bestand. Denn die Klägerin hat als Geschädigte zum einen keinen Einfluss auf den Reparaturablauf. Zum anderen ist die Werkstatt auch nicht Erfüllungsgehilfin der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten. Ein etwaiges Verschulden der Werkstatt bei Ausführung der Reparatur kann ihr deshalb nicht zugerechnet werden. Ein Verschulden der Klägerin bei der Auswahl der Werkstatt oder während der Fahrzeugreparatur im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB ist nicht vorgetragen und ersichtlich. Verzögerungen in der Werkstatt, etwa im Zusammenhang mit der Ersatzteilbeschaffung und Lieferzeiten sind nicht dem Geschädigten anzulasten, sondern von dem Schädiger als Reparaturrisiko zu tragen.
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Darüber hinaus hat die Beklagte auch die Kosten für die Haftungsreduzierung zu tragen, nachdem die Klägerin nachgewiesen hat, dass auch das beschädigte Unfallfahrzeug vollkaskoversichert war. Insofern darf der Geschädigte nicht schlechter gestellt sein, wie wenn der Unfall nicht eingetreten wäre.
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Die Klägerin muss sich jedoch einen Abzug für ersparte Aufwendungen anrechnen lassen, da unstreitig ein gruppengleiches Ersatzfahrzeug angemietet wurde. Das Gericht schätzt die ersparten Aufwendungen gemäß § 287 ZPO auf 10 %. Das Gericht schließt sich insofern auch nicht der Auffassung der Klagepartei an, dass aufgrund der zurückgelegten Wegstrecke mit dem Mietwagen unter 1.000 km grundsätzlich ein Abzug der Eigenersparnis nicht in Betracht kommt. Denn auch bei einer mit dem Mietwagen zurückgelegten Strecke von knapp 300 km sind für den Kraftfahrzeughalter während der Zeit der Benutzung des Mietwagens gewisse Betriebskosten entfallen, die ihm bei Benutzung des eigenen Fahrzeugs entstanden wären. Zwar hat der Mieter des Ersatzfahrzeugs den Treibstoff durchweg selbst zu beschaffen, auch laufen - wenigstens bei kurzem Ausfall - die Kosten für Steuer, Versicherung und Garage weiter, so dass insoweit keine Ersparnis entsteht. Wohl aber fällt ins Gewicht, dass der Kraftfahrzeughalter für eine Fahrstrecke, die der vom Ersatzfahrzeug zurückgelegten Strecke entspricht, keine Aufwendungen für Öl- und Schmierstoffe zu machen braucht und dass er für diese Strecke auch von Kosten für Reifennutzung und Reparatur-(Inspektions-) Anteilen freigestellt wird (BGH, Urteil vom 10.5.1963 - VI ZR 235/62 (Celle). Das Gericht hält hier im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO einen Abzug in Höhe von 10 % für gerechtfertigt.
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Damit ergeben sich ersatzfähige Mietwagenkosten in Höhe von 654,93 €. Hiervon kann die Klägerin aufgrund der unstreitigen Haftungsverteilung 50 % von der Beklagten verlangen, mithin also 327,46 €. Nachdem die Beklagte auf die geltend gemachten Mietwagenkosten bereits einen Betrag in Höhe von 159,52 € bezahlt hat, steht der Klägerin gegen die Beklagte noch ein Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 167,95 € zu.
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2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte desweiteren ein Anspruch auf Zahlung der hälftigen Kosten für den erstellten Reparaturablaufplan in Höhe von 44,63 € zu.
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Die Kosten für die Erstellung des Reparaturablaufplans stellen ein Schaden im Sinne des § 249 BGB dar. Bei der Erstattungsfähigkeit kommt es darauf an, dass die Kosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (AG Springe, Urteil vom 13.02.2020 - 4 C 298/19).
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Dies ist vorliegend der Fall, nachdem die Beklagte mit erstem Schreiben vom 26.05.2021 unter Hinweis auf den beigefügten Prüfbericht die erforderliche Dauer der Reparatur bestritten hat. Sofern die Beklagte einwendet, dass detaillierte Angaben zum Ablaufplan genügt hätten, ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst weder Einblick in den konkreten Ablauf der Reparatur hatte noch diesen hätte beeinflussen können. Aus der Reparaturrechnung selbst war der genaue zeitliche Ablauf der Reparatur nicht ersichtlich. Der Klägerin blieb vorliegend deshalb nichts anderes übrig, als die Werkstatt mit der Erstellung eines Reparaturablaufplans zu beauftragen, insbesondere, da die tatsächliche Reparaturdauer die im Sachverständigengutachten prognostizierte Reparaturdauer auch deutlich überstiegen hat.
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3. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
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5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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6. Der Streitwert war gemäß §§ 3 ZPO, 63 GKG auf 248,96 € festzusetzen.