Inhalt

LG Memmingen, Beschluss v. 02.06.2022 – 35 O 753/20
Titel:

Keine Zwangsgeldfestsetzung bei zwischenzeitlicher Beauftragung eines Notars zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses

Normenkette:
ZPO § 888 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Beauftragt der Schuldner nach Zustellung des Antrages auf Verhängung eines Zwangsgeldes einen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses, liegen die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht mehr vor. (Rn. 3 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zwangsgeld, Festsetzung, Nachlassverzeichnis, Notar
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 10.11.2022 – 33 W 775/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 33163

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Beklagten vom 12.01.2022 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

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1. Die Parteien streiten vorliegend über die Verhängung eines Zwangsgeldes im Rahmen der Zwangsvollstreckung des Teil-Anerkenntnis-, Teil-Versäumnis- und Teilurteils des Landgerichts Memmingen vom 16.12.2020.
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Im Rahmen dieses Urteils wurde der Beklagte dazu verurteilt, ein notarielles Nachlassverzeichnis der am 12.01.2019 verstorbenen Mutter des Klägers und Ehefrau des Beklagten, … zum Zeitpunkt ihres Todes zu erteilen. Der Beklagte hatte diesen Anspruch - mit Ausnahme der Rechnungslegung - bereits mit Schriftsatz vom 28.07.2020 anerkannt und mit Schreiben vom 30.07.2020 die Notarin … mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragt (Anlage B1). Mit Schriftsatz vom 12.01.2022 beantragte der Kläger, gegen den Beklagten ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 € festzusetzen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, die Anordnung von Zwangshaft zur Erzwingung der ihm nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 03.12.2020 (gemeint ist wohl 16.12.2020) obliegenden unvertretbaren Handlung. Der Beklagte trägt hierzu vor, ihm sei die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses selbst unmöglich, da dies von der Mitwirkung des Notars abhängig sei. Die beauftragte Notarin leide an einer erheblichen Arbeitsüberlastung und sei noch nicht dazu gekommen. Der Kläger führt hierzu aus, dass notfalls dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Notar eingeleitet werden müssen. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Mit anwaltlichen Schreiben vom 11.02.2022 beauftragte der Beklagte den Notar … mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses (Anlage B4). Der Notar … forderte mit Schreiben vom 28.02.2022 mehrere Unterlagen und Informationen vom Beklagten an, die ihm mit Schreiben vom 04.03.2022 übersandt wurden. Mit Schreiben vom 04.04.2022 stellte der Notar weitere Fragen an den Beklagten, die ihm mit Schreiben vom 08.04.2022 beantwortet wurden.
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2. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes liegen nicht vor. Dem Kläger ist natürlich zuzugestehen, dass seit der Verkündung des Urteils zwischenzeitlich knapp 1,5 Jahre vergangen sind, ohne dass ihm bislang das notarielle Nachlassverzeichnis vorliegt. Die Ansicht des Klägers ist auch dahingehend zutreffend, dass vom Beklagten verlangt werden kann, dass, wenn seine Verpflichtung von der Handlung eines Dritten abhängt, er diesen mit geeigneten Maßnahmen dazu anzuhalten hat, die notwendigen Handlungen vorzunehmen. Hierzu gehört auch, gegebenenfalls gegen den mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen wegen Untätigkeit einzuleiten. Der Normzweck des § 888 ZPO steht derzeit der Verhängung eines Zwangsgeldes jedoch entgegen. Dieser ist die unmittelbare Durchsetzung solcher Ansprüche, die eine nur vom Schuldnervornehmbare Handlung zum Gegenstand haben. Dem Gläubiger wird bei unvertretbaren Handlungen die Möglichkeit eingeräumt, sein Primärinteresse zu befriedigen. Da ein unmittelbarer körperlicher Zwang nach unserem Vollstreckungsrechtsverständnis ausscheidet, kann es nur darum gehen, dem Schuldner bestimmte Rechtsnachteile anzudrohen und ggf. auch zuzufügen, um zu erreichen, dass er sich zur Vornahme der geschuldeten Handlung entschließt (MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2020, ZPO § 888 Rn. 1). Es geht also darum, den untätigen Schuldner dazu zu bringen, seiner Verpflichtung aus dem Urteil nachzukommen.
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Vorliegend hat der Beklagte - der unstreitig selbst das notarielle Nachlassverzeichnis nicht erstellen kann und auf die Mitwirkung eines Notars angewiesen ist - zwar über einen sehr langen Zeitraum die beauftragte Notarin … unbehelligt gelassen und keine
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Maßnahmen gegen deren Untätigkeit ergriffen. Als der Kläger jedoch mit Schriftsatz vom 11.02.2022 den Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes stellte, wurde der Beklagte aktiv und beauftragte nunmehr den Notar … mit der Erstellung des notariellen
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Nachlassverzeichnisses. Mit diesem kam es auch bis vor kurzem zu einem Schriftverkehr, dieser forderte zuletzt weitere Unterlagen und Informationen vom Beklagten an. Es ist nunmehr davon auszugehen, dass in einem absehbaren, dem Umfang des Arbeitsaufwandes aber auch gerecht werdenden Zeitraum mit der Fertigstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses gerechnet werden kann.
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Der Normzweck des § 888 ZPO wurde somit bereits durch die Beantragung des Zwangsgeldes mit Schriftsatz vom 11.02.2022 erreicht. Nunmehr hätte die Verhängung eines Zwangsgeldes eine reine Sanktionswirkung im Hinblick auf die Untätigkeit des Beklagten in der Vergangenheit zwischen der Verkündung des Urteils und der Beauftragung des Notars Arnold Voran. Dies läuft jedoch dem Sinn und Zweck des § 888 ZPO zuwider, der den Schuldner zur Vornahme der geschuldeten Handlungen bringen soll. Eine Sanktionierung für eine zurückliegende, zwischenzeitlich jedoch nicht mehr vorliegende Untätigkeit ist nicht im Sinn und Zweck dieser Vorschrift.
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Der Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes war somit derzeit zurückzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 ZPO.
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4. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO. Der Streitwert in der Zwangsvollstreckung bestimmt sich im Falle eines Gläubigerantrags nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Dieser Wert entspricht in den auf endgültige Erfüllung des titulierten Anspruchs gerichteten Verfahren nach den §§ 887,888 ZPO in der Regel dem Wert der Hauptsache (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.10.2011 - 5 W 211-11/93; BeckRS 2011, 24585). Zu berücksichtigen ist aber, dass die nach § 888 ZPO vollstreckte Hauptsache der Auskunftsanspruch des Klägers auf der ersten Stufe der Stufenklage ist. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs ist nach § 3 ZPO ein Bruchteil zwischen 1/10 bis 1/4 vom Wert des Anspruchs anzunehmen, dessen Geltendmachung vorbereitet werden soll (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.). Der Kläger hat den in der 3. Stufe zu beziffernden Betrag vorläufig mit noch 75.000 € angegeben (20.000 € sind bereits bezahlt), so dass der vom Gericht gewählte Bruchteil von 1/10 den 7.500 € entsprechen.