Titel:
Spendenabzug für Spende an gemeinnützige Stiftung in der Schweiz
Normenketten:
AO § 164 Abs. 1
EStG § 10b Abs. 1 S. 1
AEUV Art. 63
Leitsätze:
1. Nach dem Wortlaut des § 10b I 2 EStG sind Spenden an Zuwendungsempfänger mit Sitz in sog. Drittstaaten, d.h. weder in einem EU-Mitgliedstaat noch in einem Staat des EWR, vom Spendenabzug ausgeschlossen, obwohl die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Fall des Fehlens einer Verpflichtung zur Gewährung von Amts- und Beitreibungshilfe eines Drittstaats scheidet trotz Erstreckung der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV auf Drittstaaten ein Abzug von Spenden an Zuwendungsempfänger mit Sitz in diesem Drittstaat aus (Anschluss an FG Köln v. 15.1.2014 – 13 K 3735/10, BeckRS 2014, 94659; FG Baden-Württemberg v. 23.4.2015 – 3 K 1766/13, DStRE 2016, 1495; gegen Ansicht im Schrifttum, wonach in Bezug auf Spenden in Drittstaaten aus europarechtlichen Gründen auch auf das Erfordernis der Verpflichtung zur Beitreibungshilfe verzichtet werden könne, wenn der Steuerpflichtige Nachweise vorlegen kann, die das Entstehen eines Haftungsfalls nach § 10b IV EStG als ausgeschlossen erscheinen lassen). (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Schweiz handelt es sich weder um einen Mitgliedstaat der EU noch um einen Staat des EWR iSd § 10b I 2 EStG, sondern um einen Drittstaat, der im Streitjahr 2017 gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nicht kumulativ zur Gewährung von sowohl Amtshilfe als auch Beitreibungshilfe iSv § 10b I 3–5 EStG verpflichtet war. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Spendenabzug für Spende an gemeinnützige Stiftung in der Schweiz, Steuerbegünstigte Zwecke
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – X R 20/22
Fundstellen:
ErbStB 2023, 68
npoR 2023, 199
DStRE 2023, 522
LSK 2022, 32940
BeckRS 2022, 32940
ZEV 2023, 124
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerrechtliche Anerkennung einer Spende an eine Stiftung mit Sitz in der Schweiz als Sonderausgaben im Jahr 2017.
2
Der Kläger ist Alleinerbe der am ... 2018 verstorbenen U. U spendete im Jahr 2017 Beträge i.H.v. 272.612,50 CHF und 292.609,62 USD an die A-Stiftung mit Sitz in der Schweiz. Die Stiftung wurde im Jahr 2001 unter dem Namen B-Stiftung mit Sitz in …/Schweiz gegründet und im Jahr 2002 in A-Stiftung umbenannt. Zweck der Stiftung ist die materielle und ideelle Unterstützung von erzieherischen, bildungsbezogenen und humanitären Anstrengungen und Projekten jeder erdenklichen Art zu Gunsten von Kindern und jungen Erwachsenen, vorab in … sowie im gesamten mittelamerikanischen Raum. Dabei können neben spezifischen Projekten auch individuelle Personen in Notlagen begünstigt werden. Die Stiftung ist nach einer schriftlichen Bestätigung des Kantonalen Steueramts des Kantons … vom 24. August 2004 nach schweizerischen Vorschriften steuerbefreit, da der Stiftungszweck ausschließlich auf das Wohl Dritter ausgerichtet ist und die Stiftung gemeinnützige Zwecke verfolgt.
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Mit Schreiben vom 17. April 2019 erklärte C gegenüber dem Beklagten (dem Finanzamt - FA -), dass sie seit dem 21. März 2019 Alleinerbin ihrer Mutter U sei und die von dieser an die A-Stiftung im Jahr 2017 getätigte Spende i.H.v. umgerechnet insgesamt 484.386 € als Spende im Rahmen der Veranlagung der verstorbenen U zur Einkommensteuer 2017 zu berücksichtigen sei. Zum weiteren Nachweis legte C eine schriftliche Bestätigung der A-Stiftung vom 3. August 2017 vor, wonach U die Stiftung mit Beträgen i.H.v. 272.602,50 CHF und 292.609,62 USD (Valuta 2. August 2017) unterstützt hat, und zwei Auszüge von Konten von U bei der X-Bank mit ausgewiesenen Belastungen zugunsten der A-Stiftung am 2. August 2017 i.H.v. 272.612,50 CHF bzw. 248.193,36 €.
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Am 17. Oktober 2019 erließ das FA gegenüber C als Gesamtrechtsnachfolgerin von U einen nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 2017, mit dem die Einkommensteuer i.H.v. 28.642 € festgesetzt wurde. Im Rahmen dieser Steuerfestsetzung erkannte das FA die Spende an die A-Stiftung nicht an.
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Am 17. Dezember 2019 erließ das FA gegenüber C als Gesamtrechtsnachfolgerin von U einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2017, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und die Einkommensteuer unverändert i.H.v. 28.642 € festgesetzt wurde. Zur Begründung wurde in streitgegenständlicher Hinsicht ausgeführt, dass die erklärte Spende nicht anerkannt werden könnte, da Spenden an eine Organisation in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) bzw. einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zwar grundsätzlich möglich seien, nicht jedoch an Organisationen in der Schweiz.
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Mit Schreiben vom 15. Januar 2020 legte C als Gesamtrechtsnachfolgerin von U hiergegen Einspruch ein.
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Mit Schriftsatz vom 30. März 2020 teilte nunmehr D (der Kläger) dem FA mit, dass er ausweislich des Europäischen Nachlasszeugnisses des Amtsgerichts … vom 19. Dezember 2019 Alleinerbe von U und damit Einspruchsführer in dem vorliegenden Einspruchsverfahren sei. Zur Begründung seines Einspruchs trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Nichtberücksichtigung der Spende an die A-Stiftung in der Schweiz verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die nicht nur zwischen Mitgliedstaaten, sondern auch gegenüber Drittstaaten gelte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) fielen auch Spenden in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Die A-Stiftung mit Sitz in der Schweiz sei im Juni 2001 gegründet worden und eine von Kirche und Politik unabhängige gemeinnützige Institution, die in der Schweiz von der Steuer befreit sei. Die Stiftung unterstehe der Aufsicht des eidgenössischen Departments des Inneren und unterliege der externen Revision. Mit ihrem Stiftungszweck verfolge die Stiftung zweifelsfrei gemeinnützige Zwecke i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO. Zum weiteren Nachweis legte der Kläger folgende Unterlagen vor, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird:
- Gründungsurkunde der A-Stiftung vom 26. April 2001 unter dem Namen B-Stiftung,
- Urkunde über die Namensänderung der Stiftung vom 13. November 2002,
- Bestätigung des Steueramts des Kantons … über die Steuerbefreiung der A-Stiftung wegen Gemeinnützigkeit vom 24. August 2004,
- Jahresbericht der A-Stiftung für 2017.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2020 wies das FA den Einspruch gegenüber dem Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Voraussetzung für einen Abzug von Auslandspenden nach § 10b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein doppelter Inlandsbezug sei, der sowohl den sachlichen als auch den persönlichen Bezug des Spendenempfängers zum Inland umfasse. Ab dem Veranlagungszeitraum 2010 seien die Abzugsmöglichkeiten auf Zuwendungen erweitert worden, die an Empfänger aus einem der anderen EU-Mitgliedstaaten oder einem Staat des EWR geleistet würden. Die Begünstigung von Zuwendungen an Empfänger im EU-/EWR-Ausland setze aber voraus, dass der jeweilige Sitzstaat Amtshilfe sowie Unterstützung bei der Beitreibung leiste. Zwar gelte die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Insoweit bedürfe die in § 10b EStG weiterhin enthaltene Einschränkung für Drittstaaten unionsrechtlich einer besonderen Rechtfertigung. Im Streitfall seien die Zahlungen an eine in der Schweiz im Kanton … ansässige Stiftung geleistet worden. Mit den vorgelegten Unterlagen sei nachgewiesen, dass sich der Sitz der Stiftung in der Schweiz und somit in einem Drittstaat und nicht in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR befinde. Zuwendungen an Empfänger in Drittstaaten seien nach § 10b Abs. 1 EStG einkommensteuerrechtlich weiterhin nicht abziehbar. Dies gelte trotz Erstreckung der Kapitalverkehrsfreiheit auf Drittstaatensachverhalte.
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Mit Schriftsatz vom 4. August 2020 - bei Gericht eingegangen am 5. August 2020 - erhob der Kläger hiergegen Klage, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Das FA habe die einkommensteuerliche Berücksichtigung der Spende unter Hinweis auf den Empfänger in einem Drittstaat wegen der Erstreckung der Kapitalverkehrsfreiheit auf Drittstaatensachverhalte zu Unrecht abgelehnt. Ein genereller Ausschluss des Abzugs von Spenden in Drittländer - wie vorliegend der Schweiz - stehe nicht im Einklang mit dem Europarecht in Form der Kapitalverkehrsfreiheit. Nach Art. 63 Abs. 1 AEUV seien alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Nach der Rechtsprechung des EuGH fielen auch Spenden in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Das FA berufe sich auf ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 15. Januar 2014 (13 K 3735/10, EFG 2014, 667), dem es entnehme, dass Zuwendungen an Empfänger in Drittstaaten auch nach der Erweiterung der Abziehbarkeit von Spenden in EU- und EWR-Staaten einkommensteuerlich in keinem Fall abziehbar seien. Diese Auffassung finde jedoch in dem zitierten Urteil keine Stütze. Das FG Köln sei vielmehr unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Auffassung des beklagten Finanzamts der Auffassung, dass die generelle Anwendbarkeit des Art. 63 Abs. 1 AEUV auf Spenden an Empfänger in Drittstaaten nach dem eindeutigen Wortlaut des AEUV und der Rechtsprechung des EuGH feststehe und auf den Streitfall anwendbar sei, in dem es um die Abziehbarkeit einer Spende an den Vatikan bzw. den Papst gegangen sei. Die Klage sei im Urteilsfall des FG Köln letztlich nur daran gescheitert, dass der Kläger keine Unterlagen vorgelegt habe, aus denen der tatsächliche Empfänger der Spende ersichtlich sei, und das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbegünstigung i.S.d. §§ 59 ff. AO nicht durch Vorlage von Unterlagen belegt sei.
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Der EuGH habe lediglich anerkannt, dass es einem Mitgliedstaat im Rahmen seiner Regelung zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden möglich sei, inländische und in anderen Mitgliedstaaten der EU bzw. Drittstaaten ansässige und als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen unterschiedlich zu behandeln, wenn letztere andere Ziele als die in seiner eigenen Regelung verfolgten (unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 27. Januar 2009 Rs. C-318/07 „Persche“, Slg. 2009, I-359). Auch seien die beteiligten Steuerbehörden nicht daran gehindert, vom Steuerpflichtigen sämtliche Belege zu verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erschienen, ob die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Ausgaben nach den einschlägigen Rechtsvorschriften erfüllt seien. Im Streitfall habe der Kläger belegt, dass die A-Stiftung die Voraussetzungen des deutschen Steuerrechts in Form des § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO erfülle. Auch der Empfang der Spende durch die Stiftung sei nachgewiesen worden. Hiergegen habe das FA keine Einwendungen erhoben. Somit sei im Streitfall die Spende der Rechtsvorgängerin des Klägers nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar.
den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 17. Dezember 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2020 dahingehend abzuändern, dass eine Spende i.H.v. 484.386 € als Sonderausgaben angesetzt wird und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
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Zur Begründung verweist das FA auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Akten des FA sowie die Gerichtsakte nebst Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zu Recht die Spenden an die A-Stiftung mit Sitz in der Schweiz nicht nach § 10b Abs. 1 EStG zum Abzug zugelassen.
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Zwar sind im Streitfall die Einkommensteuerbescheide 2017 vom 17. Oktober 2019 und 17. Dezember 2019 nicht gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger von U bekanntgegeben worden, der Bekanntgabemangel wurde jedoch durch die ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2020 gegenüber dem Kläger geheilt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Dezember 2004 II R 17/04, BStBl II 2005, 855). Im Übrigen hat der Kläger auch keine entsprechenden Einwendungen erhoben.
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a) aa) (1) Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S.d. §§ 52 bis 54 AO können nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG insgesamt bis zu 20% des Gesamtbetrags der Einkünfte (Nr. 1) oder 4 ‰ der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter (Nr. 2) als Sonderausgaben abgezogen werden. Voraussetzung für den Abzug ist nach § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG, dass die Zuwendungen geleistet werden an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder an eine öffentliche Dienststelle, die in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR belegen ist (Nr. 1), an eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (Nr. 2) oder an eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR belegen ist und die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 KStG steuerbefreit wäre, wenn sie inländische Einkünfte erzielen würde (Nr. 3). Für nicht im Inland ansässige Zuwendungsempfänger nach § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG ist weitere Voraussetzung nach § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG, dass durch diese Staaten Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung geleistet werden. Amtshilfe ist nach § 10b Abs. 1 Satz 4 EStG der Auskunftsaustausch im Sinne oder entsprechend der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Abs. 2 des EU-Amtshilfegesetzes. Beitreibung ist nach § 10b Abs. 1 Satz 5 EStG die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Sinne oder entsprechend der Beitreibungsrichtlinie einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsakts. Werden die steuerbegünstigten Zwecke des Zuwendungsempfängers i.S.d. § 10b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG nur im Ausland verwirklicht, ist für den Sonderausgabenabzug Voraussetzung, dass natürliche Personen gefördert werden, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann (§ 10b Abs. 1 Satz 6 EStG).
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(2) Der Steuerpflichtige darf nach § 10b Abs. 4 Satz 1 EStG auf die Richtigkeit der Bestätigung über Spenden und Mitgliedsbeiträge vertrauen, es sei denn, dass er die Bestätigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt hat oder dass ihm die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt oder veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden, haftet nach § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG für die entgangene Steuer. Diese ist nach § 10b Abs. 4 Satz 3 EStG mit 30% des zugewendeten Betrags anzusetzen. In den Fällen des § 10b Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 EStG (Veranlasserhaftung) ist nach § 10b Abs. 4 Satz 4 EStG vorrangig der Zuwendungsempfänger in Anspruch zu nehmen; die in diesen Fällen für den Zuwendungsempfänger handelnden natürlichen Personen sind nur in Anspruch zu nehmen, wenn die entgangene Steuer nicht nach § 47 AO erloschen ist und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Zuwendungsempfänger nicht erfolgreich sind.
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bb) Der Abzug von Auslandsspenden ist demnach von einem doppelten Inlandsbezug abhängig: Zum einen fordern § 51 Abs. 2 AO allgemein und § 10b Abs. 1 Satz 6 EStG speziell einen sachlichen Inlandsbezug der mit der Spende verwirklichten Zwecke eines öffentlichen Zuwendungsempfängers in der Weise, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses EStG (Inland) haben, gefördert werden oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann. Zum anderen fordert § 10b Abs. 1 Sätze 2 bis 6 EStG aus Gründen der Europarechtskonformität der Regelungen zum Spendenabzug seit dem Veranlagungszeitraum 2010 auch einen persönlichen Inlandsbezug in der Weise, dass der Zuwendungsempfänger seinen Sitz entweder in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem Staat des EWR hat. Hintergrund der Erstreckung des Kreises der Zuwendungsempfänger auch auf solche mit Sitz im EU-Ausland bzw. in Staaten des EWR war die Entscheidung des EuGH in der Rechtsache Persche, wonach der früher geltende generelle Ausschluss ausländischer Spendenempfänger wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV europarechtswidrig war (EuGH-Urteil Urteil vom 27. Januar 2009 Rs. C-318/07 „Persche“, Slg. 2009, I-359; hierzu auch Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 46 m.w.N.).
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cc) Nach dem Wortlaut des § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG sind Spenden an Zuwendungsempfänger mit Sitz in sog. Drittstaaten - d.h. weder in einem EU-Mitgliedstaat noch in einem Staat des EWR - vom Abzug ausgeschlossen, obwohl die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt. Der Ausschluss von Zuwendungsempfängern in Drittstaaten trotz der auf diese Staaten erstreckten Kapitalverkehrsfreiheit wird jedoch vor dem Hintergrund einer auf Seiten des jeweiligen Drittstaats nicht bestehenden Amtshilfe- oder Beitreibungsverpflichtung und der entsprechenden Einschränkung des EuGH in der Entscheidung zur Rechtsache Persche vor dem Hintergrund einer wirksamen Steueraufsicht (EuGH-Urteil vom 27. Januar 2009 Rs. C-318/07 „Persche“, Slg. 2009, I-359) von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (FG Köln, Urteil vom 15. Januar 2014 13 K 3735/10, EFG 2014, 667; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. April 2015 3 K 1766/13, DStRE 2016, 1495) und Teilen des Schrifttums für gerechtfertigt und damit europarechtskonform gehalten (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 47; Unger in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, 2020, § 10b Rn. 55.2; Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 10b Rn. 23). Eine Ausnahme soll nach einer Ansicht im Schrifttum allenfalls in Betracht kommen, wenn entweder eine Verpflichtung des betroffenen Staats zur Amts- oder Beitreibungshilfe besteht oder der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht sämtliche Nachweise erbringt, die die deutschen Finanzbehörden auch ohne Amtshilfe des Drittstaats in die Lage versetzen, die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Spendenabzug zu prüfen, und der Steuerpflichtige auch Nachweise zur tatsächlichen zweckentsprechenden Verwendung der Spende vorlegen kann, die es als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein Haftungsfall i.S.d. § 10b Abs. 4 EStG und damit einhergehend die Notwendigkeit einer Beitreibungshilfe des Drittstaats entstehen kann (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 55). Dem hält eine andere Ansicht im Schrifttum entgegen, dass die Frage der Substituierung der Verpflichtung zur Amtshilfe durch entsprechende Nachweise des Steuerpflichtigen dahingestellt bleiben könne, da in jedem Fall zusätzlich zu fordern sei, dass potentielle Haftungsansprüche im Drittstaat durch die zusätzliche Verpflichtung zur Gewährung von Beitreibungshilfe durchgesetzt werden können (Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 10b Rn. 105.2), was lediglich in den Fällen von Kanada (Förster, Grenzüberschreitende Gemeinnützigkeit - Spenden schwer gema…, BB 2011, 663, 665) und Norwegen (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 55) der Fall sei.
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b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FA zu Recht die Spende an die A-Stiftung mit Sitz in der Schweiz nicht nach § 10b EStG zum Abzug zugelassen.
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aa) (1) Bei der Schweiz handelt es sich weder um einen Mitgliedstaat der EU noch um einen Staat des EWR i.S.d. § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG, sondern um einen Drittstaat, der im Streitjahr 2017 gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nicht kumulativ zur Gewährung von sowohl Amtshilfe als auch Beitreibungshilfe i.S.d. § 10b Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG verpflichtet war. Der erkennende Senat schließt sich der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Ansicht im Schrifttum an, wonach im Fall des Fehlens einer Verpflichtung zur Gewährung von Amts- und Beitreibungshilfe des Drittstaats trotz Erstreckung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV auf diese Staaten bezogene Sachverhalte im Ergebnis ein Abzug von Spenden an Zuwendungsempfänger mit Sitz in diesem Drittstaat ausscheidet (FG Köln, Urteil vom 15. Januar 2014 13 K 3735/10, EFG 2014, 667; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. April 2015 3 K 1766/13, DStRE 2016, 1495; Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 10b Rn. 23). Der erkennende Senat folgt dabei nicht der von einer Ansicht im Schrifttum vertretenen Meinung, wonach in Bezug auf Spenden in Drittstaaten aus europarechtlichen Gründen auch auf das Erfordernis der Verpflichtung zur Beitreibungshilfe verzichtet werden könne, wenn der Steuerpflichtige Nachweise vorlegen kann, die das Entstehen eines Haftungsfalls nach § 10b Abs. 4 EStG als ausgeschlossen erscheinen lassen (so Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 55). Denn das Erfordernis der Verpflichtung zur Beitreibungshilfe soll gerade auf letzter Stufe sicherstellen, dass für den Fall, dass der Steuerpflichtige „nachträglich erkannt“ unzutreffende Belege zu den Voraussetzungen des Spendenabzugs vorgelegt hat, zumindest die Durchsetzung von Haftungsansprüchen im Drittstaat gewährleistet ist. Auch auf das Erfordernis der Beitreibungshilfe neben dem Erfordernis der Amtshilfe allein aufgrund von Nachweisen des Steuerpflichtigen zu verzichten, die einen sicheren Schluss auf die Einhaltung der Voraussetzungen für den Spendenabzug zulassen und gleichzeitig das Entstehen eines Haftungsanspruchs i.S.d. § 10b Abs. 4 EStG als ausgeschlossen erscheinen lassen, hieße in der Konsequenz, sich wegen des Verzichts auf das Erfordernis der Amtshilfe jeglicher behördlichen Kontrollmöglichkeit zu begeben und dies sowohl bezüglich der vorgelegten Nachweise zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für den Spendenabzug als auch zu der Frage eines möglicherweise bestehenden Haftungsanspruchs i.S.d. § 10b Abs. 4 EStG. Damit wäre jedoch in der Konsequenz das vom EuGH zur Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit akzeptierte Argument der wirksamen Steueraufsicht entleert (EuGH-Urteil vom 27. Januar 2009 Rs. C-318/07 „Persche“, Slg. 2009, I-359), denn eine wirksame Steueraufsicht wäre durch den Verzicht sowohl auf die Verpflichtung zur Amtshilfe als auch zur Beitreibungshilfe gerade nicht möglich, da auf der ersten Stufe eine Kontrolle der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Nachweise auf ihre Richtigkeit - so insbesondere im Fall von nicht auf den ersten Blick und ohne weitere Ermittlungen nicht erkennbaren unzutreffenden Nachweisen - nicht möglich wäre und auf der zweiten Stufe - sollte sich trotz fehlender Amtshilfe im Nachhinein die Unrichtigkeit der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Nachweise herausstellen - auch keine Möglichkeit der Durchsetzung von Haftungsansprüchen nach § 10b Abs. 4 EStG möglich wäre. Im Ergebnis hieße dies, bei Auslandsspenden - im Gegensatz zu Spenden in EU-Mitgliedstaaten oder Staaten des EWR - einen Spendenabzug allein aufgrund von Nachweisen des Steuerpflichtigen zuzulassen und dies letztlich ohne eine Möglichkeit der behördlichen Kontrolle der Richtigkeit der Nachweise des Steuerpflichtigen (gl.A. Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 10b Rn. 23).
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(2) Nach dem im Steuerrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz ermittelt vielmehr die Behörde gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AO den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen, wobei sie nach § 88 Abs. 2 Satz 1 AO Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit bestimmt und an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden ist. Wegen der nach dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip fehlenden Möglichkeit deutscher Behörden, auf fremdem Staatsgebiet hoheitliche Maßnahmen zur Sachverhaltserforschung zu entfalten, besteht einerseits eine erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO, der jedoch andererseits das Gebot der internationalen Amtshilfe zur Seite gestellt ist, um den Nachteil der fehlenden Ermittlungsmöglichkeit deutscher Finanzbehörden auf fremden Staatsgebiet auszugleichen und damit die Verpflichtung zur amtswegigen Sachverhaltsaufklärung, zu der notwendigerweise auch die Verpflichtung zur Kontrolle der vom Steuerpflichtigen qua gesteigerter Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO vorgelegten Nachweise zählt, effektiv ins Werk zu setzen. Das Erfordernis der Verpflichtung des Drittstaats zur Amts- und Beitreibungshilfe im Rahmen des Spendenabzugs nach § 10b Abs. 1 EStG ist damit nicht nur ein vom EuGH anerkannter Rechtfertigungsgrund zur Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit in Form der wirksamen Steueraufsicht, sondern letztlich auch notwendige Voraussetzung des Amtsermittlungsprinzips nach § 88 AO zur Wahrung der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (hierzu auch Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO Rn. 18, § 117 AO Rn. 4 ff.).
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bb) Damit scheitert im Streitfall ein Spendenabzug bereits an dem Umstand, dass die Schweiz als Drittstaat im Streitjahr 2017 gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nicht zur Gewährung von - kumulativ - Amts- und Beitreibungshilfe i.S.d. § 10b Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG verpflichtet war. Der erkennende Senat kann damit die Frage dahingestellt lassen, ob der Kläger mit der Vorlage die A-Stiftung betreffenden Unterlagen zumindest die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Spendenabzug in ausreichendem Maße nachgewiesen hat.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).