Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 28.10.2022 – RO 3 K 19.1653
Titel:

Vorläufiger Ausschluss vom Schulbesuch, Erledigung, Fortsetzungsfeststellungklage, Schulwechsel, berechtigtes Interesse an der Feststellung, Feststellunginteresse, Erledigungserklärung

Normenketten:
BayEUG Art. 87
BayEUG Art. 88
VwGO § 113
BayVwVPG Art. 35
BayVwVfG Art. 43
VwGO § 161
Schlagworte:
Vorläufiger Ausschluss vom Schulbesuch, Erledigung, Fortsetzungsfeststellungklage, Schulwechsel, berechtigtes Interesse an der Feststellung, Feststellunginteresse, Erledigungserklärung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32913

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen einen vorübergehenden Unterrichtsauschluss der Mittelschule N. … vom 10. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Staatlichen Schulamts im Landkreis S. vom 8. August 2019.
2
Die Klägerin zu 1 besuchte im Schuljahr 2018/19 die Jahrgangsstufe 7 an der Mittelschule N. … Die Kläger zu 2 und zu 3 sind die Eltern der Klägerin zu 1.
3
Mit Schreiben vom 5. April 2019 meldete die Schule dem Jugendamt im Landkreis S. eine Kindeswohlgefährdung der Klägerin zu 1. Dies begründete die Schule mit mehreren Vorfällen, u.a. damit, dass die Klägerin zu 1 sich geritzt und auf der Mädchentoilette weißes Pulver geschnupft und dies auch Mitschülern angeboten habe. Am 2. April 2019 habe sie im Technikunterricht der Lehrkraft erklärt, dass sie sehr aggressiv sei und niemanden verletzen wolle. Es sei im Unterricht mit Cuttermessern gearbeitet worden. Die Lehrkraft habe die Klägerin zu 1 sodann zur Schulleitung geschickt. Dort habe sie angegeben, dass sie sehr aggressiv sei und das Klassenzimmer verlassen wolle, bevor etwas passiere. Sie könne für nichts garantieren. Am 4. April 2019 hätten zwei Schülerinnen erklärt, dass die Klägerin zu 1 sich selbst verletze und ihnen im Unterricht eine Glasscherbe gezeigt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.
4
Am 10. April 2019, Kenntnisnahme der Kläger zu 2 und 3 durch Unterschrift bestätigt am selben Tag, erließ die Mittelschule N. … einen Ausschluss vom Unterricht, bis eine ärztliche Bestätigung vorliege, aus der hervorgehe, dass die Klägerin zu 1 nicht selbst- und/oder fremdgefährdend sei. Die Maßnahme wurde auf Art. 87 BayEUG gestützt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
5
Hiergegen ließen die Kläger zu 2 und 3 als Eltern der Klägerin zu 1 mit Schreiben vom 3. Mai 2019, eingegangen bei der Mittelschule N. … am 6. Mai 2019, Widerspruch einlegen. Sie begründeten diesen im Wesentlichen damit, dass ein Schulausschluss nicht gerechtfertigt sei und nicht erkennbar sei, inwieweit Schüler oder Lehrkräfte einer Gefahr ausgesetzt seien. Die Behauptung der Selbstverletzung der Klägerin zu 1 beruhe auf nicht glaubhaften Aussagen von angeblichen Mitschülerinnen. Es hätten keine frischen Verletzungen bei der Klägerin zu 1 vorgelegen und sie habe keine anderen Schüler verletzt. Zudem sei kein diesbezüglicher Vorfall in der Schule im Gespräch. Die fehlende Unterrichtsteilnahme beruhe auf Schwierigkeiten, die durch das Verhalten von Mitschülern und Lehrern gegenüber der Klägerin zu 1 zustande kämen. Ferner sei die Maßnahme für noch längere Zeit nicht gerechtfertigt, als dies die Klägerin zu 1 zusätzlich psychisch beeinträchtige und eine derart lange Ausschlusszeit Einfluss auf die schulischen Leistungen und das Erreichen des Klassenzieles haben werde. Die Klägerin zu 1 nehme an einer psychologischen Behandlung teil, um die Vorwürfe zu entkräften.
6
Am 3. Juni 2019 wurde die Klägerin zu 1, aufgrund des Umzugs der Kläger nach N.-W., von der Mittelschule N. … entlassen und zum 28. August 2019 an der D. … Schule in D. … aufgenommen.
7
Mit Bescheid vom 8. August 2019, gegen Empfangsbekenntnis beim Klägervertreter zugestellt am 14. August 2019, wies das Staatliche Schulamt im Landkreis S. den Widerspruch zurück. Dies wird im Wesentlichen mit den Vorfällen begründet, wie sie in der Meldung an das Jugendamt vom 5. April 2019 wiedergegeben wurden. Der Widerspruch sei zulässig. Der Wegzug aus B. habe nicht zu einer Erledigung gem. Art. 43 BayVwVfG geführt. Dies werde auf Art. 88 Abs. 6 BayEUG gestützt, wonach ein späterer Schulwechsel eine eingeleitete Ausschlussmaßnahme nicht berühre. Insofern gelte die Klägerin zu 1 bis zum Abschluss des Verfahrens in Bezug auf dieses Verfahren als Angehörige der Mittelschule N. … Jedoch sei der Widerspruch unbegründet. Dies werde auf Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BayEUG gestützt. Aufgrund der glaubhaften und nachgeprüften Aussagen von Mitschülern und Personal liege eine nicht abschätzbare Gefahr der Selbst- und Fremdgefährdung vor. Aufgrund eines einrichtungsinternen Beratungsgespräches vom 4. April 2019 schätze die Schule im Bereich einer möglichen Selbstgefährdung das Wohl der Klägerin zu 1 als akut gefährdet ein. Dies werde vor allem durch die mitgebrachten Gegenstände deutlich. Auch im Bereich der Fremdgefährdung bestehe eine latente Gefahr für andere Mitschüler, wenn die Klägerin zu 1 ihre Aggressionen nicht kontrollieren könne. Zudem hätten eine angeratene schulpsychologische Beratung sowie weitere Gespräche und angebotene Hilfestellungen zu keiner Abhilfe geführt.
8
Hiergegen haben die Kläger mit Schreiben vom 11. September 2019 durch den Klägervertreter, Eingang bei Gericht am 11. September 2019, Klage erhoben.
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Sie begründen dies mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2019 im Wesentlichen damit, dass weder eine Selbst- noch eine Fremdgefährdung vorgelegen habe. Bei dem weißen Pulver habe es sich lediglich um Traubenzucker gehandelt. Das Verlassen des Unterrichtes sei damals durch Beleidigungen und Attacken von Mitschülern verursacht gewesen, dem die Klägerin zu 1 hierdurch ein Ende bereiten wollte. Sie habe deshalb aus Wut etwas über das Cuttermesser gesagt, was aber nicht ernst gemeint und von den Mitschülern auch so erkannt worden sei, da diese nur gelacht hätten. In der Hand der Klägerin zu 1 habe sich zu keiner Zeit ein Cuttermesser befunden. Zudem seien diesbezügliche Aussagen auch nicht nachvollziehbar vorhanden oder seien nie den Klägern gegenüber bestätigt worden. Dass entsprechende Aussagen glaubhaft und nachgeprüft worden seien, sei nicht nachvollziehbar, da eine entsprechende Auseinandersetzung auch in den Bescheiden fehle. Die Maßnahmen seien unverhältnismäßig gewesen. Erziehungsmaßnahmen seien vorrangig anzuwenden. Erst wenn solche keine Früchte trügen, seien Ordnungsmaßnahmen möglich. An dieser Abstufung fehle es hier. Es seien Maßnahmen wie ein schriftlicher Verweis, zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht oder Umsetzung in eine Parallelklasse zu prüfen gewesen. Letzteres auch gerade deshalb, weil die Klägerin zu 1 zu einer Gruppe in ihrer Klasse gehört habe, die beleidigt und gemobbt worden sei.
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Mit Schriftsatz vom 30. August 2022 ließen die Kläger vortragen, dass sich die Maßnahme nicht erledigt habe.
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Die Kläger beantragten zuletzt,
Der Bescheid der Mittelschule N. … vom 10. April 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2019 wird aufgehoben.
Hilfsweise,
festzustellen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war und die Beklagte die Kosten des Verfahrens und des Vorverfahrens zu tragen hat,
weiter hilfsweise,
die Einstellung des Verfahrens und die Kostentragungspflicht durch die Beklagte, sollte das Gericht der Ansicht sein, dass eine Erledigung vorliegen würde.
12
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Der Beklagte begründet dies mit Schriftsatz vom 20. Januar 2020 im Wesentlichen damit, dass die Maßnahme auf Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BayEUG gestützt werden könne. Aufgrund des Verhaltens der Klägerin zu 1 bestehe eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit von Mitschülern, Lehrkräften oder sonstigem an der Schule tätigen Personal, die nicht anders abwendbar sei. Die Entscheidung beruhe auf einer Prognose, die sich auf mehrere Vorfälle stütze, die dem Schülerakt zu entnehmen seien. Auf die Stellungnahme der Mittelschule vom 3. Mai 2019 werde verwiesen. In der Gesamtschau habe daher der Schulausschluss ausgesprochen werden können.
14
Mit Schriftsatz vom 23. August 2022 trägt der Beklagte vor, dass sich der streitgegenständliche Verwaltungsakt zwischenzeitlich erledigt habe.
15
Mit Schriftsatz vom 12. September 2022 erklärten die Kläger Einverständnis mit Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. Der Vertreter des öffentlichen Interesses erklärte sein Einverständnis mit Schriftsatz vom 13. September 2022, der Beklagte mit Schriftsatz ebenfalls vom 13. September 2022.
16
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten umfassend verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Vorliegend kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entschieden werden, da alle Beteiligten hiermit einverstanden sind.
18
Die Klage ist abzuweisen, da keiner der gestellten Anträge erfolgreich ist.
19
A. Die Klage ist im Hauptantrag bereits unzulässig, da sie unstatthaft ist. Das klägerische Begehren ist auf eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gerichtet. Hierzu bedarf es jedoch eines noch wirksamen Verwaltungsaktes, Art. 43 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) (vgl. hierzu auch Sennekamp in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 42 Rn. 10). Der vorläufige Ausschluss vom Schulbesuch gem. Art. 87 Abs. 1 Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) stellt einen Verwaltungsakt gem. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar. Insbesondere kommt ihm Außenwirkung zu (Rux in Rux [Hrsg.], Schulrecht, 6. Auflage 2018, Rn. 1542). Dies wird in sogenannten Sonderstatusverhältnissen, zu denen auch das Schulverhältnis gehört, danach bestimmt, ob das Grundverhältnis oder das Betriebsverhältnis betroffen ist. Lediglich Maßnahmen, die das Grundverhältnis betreffen, haben Außenwirkung, weil sie eine Rechtsfolge setzen, die das bestehende Sonderstatusverhältnis verändert (vgl. zur Unterscheidung Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 135). Der vorübergehende Ausschluss vom Schulbesuch betrifft das Grundverhältnis, da er eine Veränderung der persönlichen Rechtsstellung des Schülers zur Folge hat. Der Ausschluss vom Schulbesuch wirkt über die Schulsphäre hinaus in das Leben des Betroffenen hinein. Der Schüler kann die Schule nicht wie gewohnt besuchen, sondern ist bei bestehender Schulpflicht angehalten, zuhause den Unterrichtsstoff eigenständig zu erarbeiten. Damit wird die im Gesetz vorgesehene Erfüllung der Schulpflicht durch Besuch der Pflichtschule (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG) dahingehend verändert, dass die Schulpflicht unter Ausschluss vom Schulbesuch zu erfüllen ist.
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Vorliegend hat sich der streitgegenständliche Ausschluss vom Unterricht erledigt, Art. 43 Abs. 2 a.E. BayVwVfG. Ein Verwaltungsakt erledigt sich insbesondere dann, wenn der Regelungsgegenstand endgültig entfallen ist (Wolff in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 260). Der vorläufige Unterrichtsausschluss gem. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schließt die Schülerin vom Besuch der Schule aus. Insoweit deutet schon der Wortlaut darauf hin, dass mit dem Wechsel auf eine andere Schule der Regelungsgegenstand entfällt. Dafür spricht auch der systematische Umkehrschluss zu Art. 86 Abs. 2 Nr. 11 und 12 BayEUG, die für Ordnungsmaßnahmen explizit den Ausschluss für alle Schulen einer Schulart oder alle Schulen mehrerer Schularten vorsehen, sodass umgekehrt davon auszugehen ist, dass ein Schulausschluss sich im Übrigen immer nur auf die konkrete Schule bezieht. Dies zeigt auch der Vergleich zu anderen schulischen Maßnahmen. In Fällen des Unterrichtsausschlusses gem. Art. 86 BayEUG tritt die Erledigung mit Wechsel der Schule ein (vgl. VG München, U. v. 3.5.2022 - M 3 K 17.2574 - juris Rn. 32). Anders ist es hingegen beim Schulausschluss, bei dem ein Schulwechsel lediglich die Befolgung des Verwaltungsaktes darstellt und noch weiterhin Rechtswirkungen entfaltet (vgl. VG Koblenz, U. v. 19.9.2019 - 4 K 368/19.KO - juris Rn. 18f.). Der vorläufige Ausschluss vom Unterrichtsbesuch verpflichtet den Betroffenen jedoch nicht zum Wechsel der Schule, sondern untersagt lediglich temporär den Schulbesuch. Der Wechsel der Schule stellt sich daher in diesem Fall nicht als bloße Befolgung des Verwaltungsaktes dar, sondern führt zum Wegfall des Regelungsgegenstandes.
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Daran ändert auch Art. 88 Abs. 6 Satz 1 BayEUG nichts. Zwar mag der Wortlaut des Art. 88 Abs. 6 Satz 2 BayEUG zunächst darauf hindeuten, dass der Wechsel der Schule den Regelungsgegenstand gerade nicht entfallen lässt, da auch nach dem Schulwechsel die Schülerin als Angehörige derjenigen Schule behandelt wird, die das Ausschlussverfahren eingeleitet hat. Jedoch lässt der Wortlaut offen, worin der Abschluss des Verfahrens besteht. Die zunächst naheliegende Auslegung, dass das Verfahren durch einen Ausschluss oder eine Entlassung beendet wird, wird durch die historische Auslegung widerlegt. Die Norm ermöglicht vielmehr nur noch die Feststellung, dass ein Ausschluss oder eine Entlassung erfolgt wäre. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, wonach Art. 88 Abs. 6 BayEUG die früher in den Schulordnungen befindlichen Regelungen einheitlich zusammenfassen soll (Bayerischer Landtag, Drucksache 17/10311, S. 15ff.). Diese Vorgängerregelungen sahen jeweils vor, dass nach einem Schulwechsel noch festgestellt werden konnte, dass einem Schüler die Entlassung angedroht worden wäre oder der Schüler entlassen worden wäre, vgl. § 16 Abs. 2 GSO a.F., § 16 Abs. 2 RSO a.F., § 15 Abs. 2 WSO a.F. Die geltende Regelung ermöglicht daher lediglich noch die Feststellung, dass ein Ausschluss erfolgt wäre, was eine qualitativ andere Regelung darstellt, als der ursprüngliche Ausschluss. Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerstreit zu Sinn und Zweck der Vorschrift. Schüler sollen sich durch einen Schulwechsel nicht einem Ausschluss oder der Entlassung entziehen können (Amberg/Falckenberg/Müller/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, 250. EL, Stand: August 2022, Art. 88 BayEUG Rn. 8). Dem widerspricht es jedoch nicht, wenn lediglich noch festgestellt wird, dass die Schülerin entlassen oder ausgeschlossen worden wäre. Dadurch wird es der Schule ermöglicht, ein eingeleitetes Verfahren gleichwohl zu einem Abschluss zu bringen. Schüler können sich daher insoweit nicht entziehen, als auch noch nach dem Wechsel der Schule festgestellt werden kann, dass eine Erziehungsmaßnahme verhängt worden wäre.
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Abgesehen von der Rechtsfolge, stellt sich darüber hinaus auch die Frage, ob Art. 88 Abs. 6 BayEUG überhaupt den vorübergehenden Ausschluss vom Schulbesuch von seinem Anwendungsbereich her mitumfasst. Dies kann aber im Ergebnis dahinstehen, da die Rechtsfolge des Art. 88 Abs. 6 BayEUG nicht dazu führt, dass eine bereits getroffene Maßnahme sich nach Schulwechsel nicht erledigt.
23
Selbst wenn aber Art. 88 Abs. 6 BayEUG dazu führt, dass der bloße Schulwechsel allein nicht zur Erledigung führt, ergibt sich die Erledigung darüber hinaus vorliegend aus dem Wegzug aus B.. Die Klägerin zu 1 ist nicht mehr in B. schulpflichtig und daher nicht mehr Schülerin i.S.d. BayEUG. Anlass der Regelung war vorliegend, dass die Klägerin zu 1 gem. Art. 56 Abs. 1 Satz 1 BayEUG Schülerin i.S.d. BayEUG war. Schüler ist jeder, der in einer Schule unterrichtet und erzogen wird. Mit Schule ist eine Schule innerhalb des Freistaats B. gemeint. Dies ergibt sich systematisch aus dem räumlichen Geltungsbereich des BayEUG. Seit Juni 2019 sind die Kläger aber aus B. weggezogen, sodass die Klägerin zu 1 nicht mehr Schülerin i.S.d. BayEUG ist. Zugleich ist sie damit mangels gewöhnlichen Aufenthaltes in B. gem. Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG in B. nicht mehr schulpflichtig. Damit ist über den bloßen Schulwechsel hinaus der Regelungsgegenstand des vorläufigen Unterrichtsausschlusses entfallen. Eine getroffene Erziehungsmaßnahme einer b. Schule hat damit keine Rechtswirkungen mehr. Daran vermag auch Art. 88 Abs. 6 BayEUG nichts zu ändern, da die Vorschrift lediglich den Wechsel der Schule für unerheblich erklärt. Den darüber hinausgehenden Wegfall des Regelungsanlasses, die Schulpflicht in B., erfasst diese Vorschrift jedoch schon ausweislich ihres Wortlauts nicht.
24
B. Die Klage im Hilfsantrag zu 1 ist ebenfalls unzulässig.
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I. Der Antrag ist ordnungsgemäß erhoben, § 81 VwGO. Er steht unter ein zulässigen innerprozessualen Bedingung (vgl. hierzu Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 81 VwGO Rn. 4a). Der Hilfsantrag zu 1 ist insoweit auflösend bedingt durch den Erfolg des Hauptantrags gestellt werden. Da dieser erfolglos ist, ist auch über den Hilfsantrag zu 1 zu entscheiden.
26
II. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft, da sich der streitgegenständliche Verwaltungsakt vor Klageerhebung durch den Schulwechsel erledigt hatte (vgl. zur analogen Anwendung Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 97).
27
III. Den Klägern fehlt jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog. Es genügt grundsätzlich jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 113 VwGO Rn. 123). Hierzu haben sich in der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppen herausgebildet, bei denen ein berechtigtes Interesse bejaht werden kann. Dies sind in den Fällen der Erledigung vor Klageerhebung namentlich die Fälle konkreter Wiederholungsgefahr, ein Rehabilitierungsinteresse bei diskriminierender Wirkung des Verwaltungsaktes und die Fälle typischerweise schneller Erledigung (Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 113 VwGO Rn. 125). Es ist Sache der Kläger, Tatsachen für ein berechtigtes Interesse an der Feststellung darzulegen (vgl. BVerwG, U. v. 15.11.1990 - 3 C 49/87 - NVwZ 1991, 570).
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Vorliegend wurde ein berechtigtes Interesse an der Feststellung seitens der Kläger nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus dem übrigen Vorbringen.
29
Ein Rehabilitationsinteresse liegt bei schulordnungsrechtlichen Maßnahmen regelmäßig vor, wenn diese im Einzelfall nachteilige Auswirkungen auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers haben kann (Eckhold in Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2017, § 15 Rn. 103). Hierzu führt das VG München, U. v. 3.5.2022 - M 3 K 17.2574 (juris Rn. 34) aus:
„Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit von nach Klageerhebung erledigten Ordnungsmaßnahmen, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und vergleichbaren Maßnahmen gegenüber Schülern besteht, wenn sich die Entscheidung der Schule auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des betroffenen Schülers nachteilig auswirken kann, ohne dass ein solcher Nachteil unmittelbar bevorstehen oder sich konkret abzeichnen muss. Ein berechtigtes Interesse kann auch sonst anzunehmen sein, wenn die Maßnahme den Schüler noch spürbar in seiner emotionalen Integrität oder in seinem sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt oder wenn die besondere Art des (Grundrechts-) Eingriffs im Hinblick auf den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz im Einzelfall eine Anerkennung des Feststellungsinteresses verlangt, weil in der Zeit bis zum Eintritt der Erledigung eine gerichtliche Entscheidung nicht herbeigeführt werden kann und die abträglichen Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsakts nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden können (BayVGH, B.v. 26.2.2013 - 7 ZB 12.2617 - NVwZ-RR 2013, 614f. m.w.N.).“
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Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht vorliegend an. Allein aus der Rechtsnatur der Maßnahme selbst lässt sich ein Rehabilitationsinteresse nicht herleiten. Es müssen darüber hinausgehende Umstände hinzutreten. Dies gilt umso mehr bei einer Maßnahme nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BayEUG, da diese als Sicherungsmaßnahme nicht an ein Fehlverhalten anknüpft, sondern an eine Gefahr, die nicht per se ehrenrührig sein oder einen Schuldvorwurf enthalten muss. Daher müssen sich im konkreten Fall Umstände ergeben, die ein Interesse der Klägerin begründen können, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch noch nach Erledigung festzustellen. Dass sich der vorläufige Unterrichtsausschluss auf die schulische oder berufliche Laufbahn der Klägerin zu 1 negativ auswirken könnte, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Es wäre aber Sache der Klägerin zu 1 gewesen, dies darzulegen. Die Klägerin zu 1 konnte ihre Schullaufbahn wohl in N.-W. ohne Weiteres fortführen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der vorläufige Unterrichtsausschluss sie in ihrem Fortkommen noch beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte. Dasselbe gilt für ihren sozialen Geltungsanspruch. Insoweit ist nicht dargelegt, inwiefern die mit dem vorläufigen Unterrichtsausschluss verbundenen Vorwürfe, die abstrakt unter Umständen geeignet wären, den sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen, die Klägerin zu 1 in ihrem neuen Umfeld in N.-W. noch spürbar beeinträchtigen können. Eine etwaige Rückkehr an die alte Schule oder an den alten Wohnort ist nicht ersichtlich oder vorgetragen worden.
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Bzgl. der Kläger zu 2 und zu 3 ist ein berechtigtes Interesse nicht erkennbar und auch nicht dargelegt worden und daher zu verneinen. Insoweit kann dahinstehen, inwiefern die Kläger zu 2 und zu 3 überhaupt eine eigene Rechtsverletzung geltend machen konnten, § 42 Abs. 2 VwGO. Da der Unterrichtsausschluss an das Verhalten der Tochter anknüpfte, besteht kein Raum dafür, dass sich auch die Kläger zu 2 und zu 3 als Eltern nach dessen Erledigung noch rehabilitieren müssten.
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C. Der Hilfsantrag zu 3 ist als Erledigungserklärung auszulegen und nicht als echter Klageantrag, §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in analoger Anwendung. Den Klägern kommt es ersichtlich darauf an, im Fall der Erledigung das Verfahren einzustellen und die Kosten den Beklagten aufzuerlegen. Hierzu bedarf es gem. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO übereinstimmender Erledigungserklärungen. Eine solche kann jedoch grundsätzlich nur unbedingt abgegeben werden, ausnahmsweise jedoch auch unter einer innerprozessualen Bedingung, wenn diese den Zweck der Erklärung nicht in Frage stellt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 9). Eine zulässige innerprozessuale Bedingung liegt nicht vor. Die Kläger wollen eine prozessbeendende Erklärung für den Fall abgeben, dass das Gericht die angegriffene Maßnahme für erledigt erachtet. Dies stellt jedoch den Zweck der Erklärung in Frage. Eine Erledigungserklärung hinter einem Sachantrag ist widersprüchlich, da dadurch gerade keine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO herbeigeführt werden kann und es zu einer Entscheidung über den Hauptantrag kommen muss (vgl. hierzu Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl. 2022, § 91a Rn. 76). Eine ggfs. im Zivilprozess vorzunehmende Umdeutung in eine Feststellungsklage darauf gerichtet, dass die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war (vgl. hierzu Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl. 2022, § 91a Rn. 76), ist im Verwaltungsprozess wegen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entbehrlich und offensichtlich von den Klägern vorliegend nicht gewollt, da sie zum einen einen Fortsetzungsfeststellungsantrag explizit gestellt haben und zum anderen ausdrücklich die Einstellung des Verfahrens und lediglich noch eine Kostenentscheidung mit ihrem weiteren Hilfsantrag begehren.
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D. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 2 VwGO.
34
E. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. Zivilprozessordnung (ZPO).