Titel:
Vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, Untersagung des Betriebs einer Wettvermittlungsstelle, Mindestabstandsregelung zu Schulen, Unions- und Verfassungsrechtskonformität der Mindestabstandsregelung, Verhältnismäßigkeit, Kohärenzgebot, Zwangsgeldandrohungen
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
GlüStV 2021 § 4
AGGlüStV Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 2 ,
AEUV § 56
GG § 3 Abs. 1, 12, 14
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, Untersagung des Betriebs einer Wettvermittlungsstelle, Mindestabstandsregelung zu Schulen, Unions- und Verfassungsrechtskonformität der Mindestabstandsregelung, Verhältnismäßigkeit, Kohärenzgebot, Zwangsgeldandrohungen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32912
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin - die Betreiberin einer Vermittlungsstelle für Sportwetten - begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Anordnungen in einem Bescheid des Antragsgegners, mit dem ihr die Vermittlung von Sportwetten in ihrer Vermittlungsstelle in X. … unter Androhung von Zwangsgeld untersagt worden ist.
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Die Firma Y. … mit Sitz in M. ist im Besitz einer Konzession zur terrestrischen Vermittlung von Sportwetten, die ihr am 10.11.2020 durch das Regierungspräsidium D. erteilt worden ist. Mit Schreiben vom 18.6.2021 beantragte die Firma Y. … bei der Regierung von Niederbayern für die Antragstellerin - einer Vertragspartnerin der Firma Y. … - die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift Z. … Im Verlauf des Antragsverfahrens teilte das Landratsamt Rottal-Inn der Regierung von Niederbayern mit, dass sich die fragliche Wettvermittlungsstelle direkt neben dem Haupteingang der Realschule X. … befinde, weshalb die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) nicht erfüllt seien. Die Wettvermittlungsstelle habe darüber hinaus einen Eingang an der Gebäuderückseite. Der Schulweg aller Kinder, die vom Busbahnhof zur Realschule laufen, führe an dem Hintereingang direkt vorbei. Der Abstand zwischen dem Haupteingang der Realschule und der Weltvermittlungsstelle betrage ca. 20 m.
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Mit Schreiben vom 11.8.2021 hörte die Regierung die Firma Y. … zur beabsichtigten Versagung der beantragten Erlaubnis an, woraufhin die Firma Y. … durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 25.8.2021 sowie vom 5.10.2021 vortragen ließ, dass die fragliche Wettvermittlungsstelle bereits seit mehreren Jahren, mindestens seit 2018, bestehe. In der Vergangenheit seien Wettvermittlungsstellen bundesweit ohne Erlaubnis in zulässiger Weise geführt worden, weil es über fast ein Jahrzehnt eine gemeinschafts- und verfassungswidrige Monopolregelung gegeben habe und im Anschluss daran ein Erlaubnisverfahren eröffnet worden sei, das ebenfalls mit höherrangigem Recht unvereinbar gewesen sei. Die Folge sei gewesen, dass Sportwettvermittlungsstellen bundesweit auch ohne Erlaubnis hätten betrieben werden dürfen. Dies habe auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof so gesehen. In der Vergangenheit seien daher alle Wettvermittlungsstellen geduldet worden. Wenn nun der Gesetzgeber neue Abstandsregelungen einführen wolle, so müsse er berücksichtigen, dass die vorhandenen Betriebe im Vertrauen auf ihren Bestand investiert hätten. Die Einführung neuer Abstandsregelungen setze die Schaffung von Übergangs- und Vertrauensschutzregelungen voraus, die es in Bayern offenbar nicht gebe. Im Gegensatz dazu existiere in Baden-Württemberg eine Regelung, wonach alle Wettvermittlungsstellen, die bereits seit April 2020 gewerberechtlich angemeldet gewesen seien, sich eine etwaige Abstandsregelung zu Kinder- und Jugendeinrichtungen aus Bestandsschutzgründen nicht entgegenhalten lassen müssten. Das Fehlen einer derartigen Regelung in Bayern sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Außerdem liege eine Ungleichbehandlung zu Lotto-Annahmestellen vor, die ebenfalls Sportwetten anbieten und für die keine Abstandsregelungen gelten. Fraglich sei darüber hinaus die Verhältnismäßigkeit von Abstandsregelungen, da es keine wissenschaftlichen Grundlagen zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gebe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass parallel der Online-Glücksspielmarkt mit einem breiten Angebot geöffnet worden sei, obwohl dort Abstandsregelungen nicht möglich seien.
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Mit Schreiben vom 24.1.2022 hörte die Regierung von Niederbayern auch die Antragstellerin zur beabsichtigten Versagung der für sie beantragten Erlaubnis an. Mit Schreiben vom 16.2.2022 verwies der Bevollmächtigte der Antragstellerin, der auch die Firma Y. … vertritt, auf die bereits abgegebenen Stellungnahmen. Auch das nunmehr geltende Konzessionsverfahren für Wettvermittler sei mit höherrangigem Recht unvereinbar, weshalb eine Versagung der beantragten Erlaubnis nicht erfolgen dürfe.
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Mit an die Antragstellerin gerichtetem Bescheid vom 12.4.2022 lehnte die Regierung von Niederbayern den Antrag der Firma Y. … auf Erteilung einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten durch die Antragstellerin in der Wettvermittlungsstelle am Standort Z. … (Ziffer 1). Der Antragstellerin, vertreten u.a. durch Herrn D. H. wurde untersagt, weiter Sportwetten in der Wettvermittlungsstelle am Standort Z. … zu vermitteln sowie hierfür zu werben (Ziffer 2). Dabei gelte Folgendes: Der Abschluss und die Vermittlung neuer Wettverträge (Wettannahme) sei mit der Bekanntgabe des Bescheids sofort zu unterlassen (Ziffer 2.1). Die Abwicklung bereits geschlossener und vermittelter Wettverträge sei spätestens bis zum Ablauf von 90 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu unterlassen (Ziffer 2.2). Wettunterlagen, Werbeeinrichtungen, technische Einrichtungen und sonstige für den Wettbetrieb erforderliche Gegenstände seien spätestens bis zum Ablauf von 95 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids aus den Geschäftsräumen zu entfernen. Gesetzliche Aufbewahrungsfristen für Unterlagen blieben durch diesen Bescheid unberührt (Ziffer 2.3). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2.1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR (Ziffer 3.1), für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2.2 ein solches in Höhe von 2.000,- EUR (Ziffer 3.2) und für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2.3 ein solches in Höhe von 2.000,- EUR (Ziffer 3.3) angedroht. Die Antragstellerin habe die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziffer 4). Die Höhe der erhobenen Gebühren ist in Ziffer 5 des Bescheids geregelt.
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Die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrages 2021 (GlüStV 2021) erforderliche Erlaubnis könne nicht erteilt werden, da der Versagungsgrund des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegenstehe und der Betrieb der Wettvermittlungsstelle den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages zuwiderlaufe. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV sei der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis sei zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt würden, ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen einzuhalten. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Standort der Wettvermittlungsstelle befinde sich die staatliche Realschule X. … Die Luftlinienentfernung von Eingangstür zu Eingangstür betrage ca. 21 m, sodass der gesetzlich vorgesehene Radius von 250 m deutlich unterschritten sei. Die Regierung von Niederbayern habe die Mindestabstandsregelung uneingeschränkt anzuwenden. Als Verwaltungsbehörde stehe ihr keine Normverwerfungskompetenz zu. Im Übrigen habe weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Normen festgestellt. Eine Verfassungs- bzw. Unionsrechtswidrigkeit liege nicht offensichtlich auf der Hand. Die Normen würden den Geboten der Normenklarheit und der Transparenz Rechnung tragen. Die mit den Regelungen verbundenen Eingriffe in die Grundrechte bzw. Grundfreiheiten seien durch Gründe des Allgemeinwohls (Suchtprävention im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021, Art. 1 Abs. 1 AGGlüStV) gedeckt. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin stehe dem nicht entgegen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Kohärenz sei nicht ersichtlich.
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Auch werde eine Ausnahme vom Versagungsgrund des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nicht erteilt. Ein atypischer Einzelfall im Sinne besonderer örtlicher Verhältnisse, der ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen könne, liege erkennbar nicht vor. Die Vermittlungsstelle befinde sich direkt neben dem Haupteingang zur Realschule und damit im unmittelbaren Wahrnehmungsbereich der Schülerinnen und Schüler. Darüber hinaus verfüge die Vermittlungsstelle noch über einen zusätzlichen Hintereingang an der Gebäuderückseite. Der Schulweg der meisten Kinder und Jugendlichen, die vom Busbahnhof in X. … zur Realschule laufen, führe direkt an dieser Hintertür vorbei. Das Gebäude selbst werde beim Vorbeilaufen eindeutig als Wettvermittlungsstelle wahrgenommen. Deshalb müssten die Interessen des Wettvermittlers an der Ausübung seines Gewerbes am fraglichen Standort hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels zurücktreten. Insbesondere seien auf der Verbindungsstrecke zwischen Schule und Wettvermittlungsstelle auch keine natürlichen Geländehindernisse oder andere örtlichen Gegebenheiten wie etwa eine dazwischenliegende Bahnstrecke vorhanden, die eine andere Sichtweise erfordern würden als die pauschalierende Bemessung des Abstands mittels Luftlinie.
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Auch Bestands- bzw. Vertrauensschutzgesichtspunkte der Antragstellerin stünden der Anwendung der Abstandsregelung nicht entgegen. Es liege weder eine glücksspielrechtliche Erlaubnis noch eine formale Duldung vor. Insbesondere greife die Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV erkennbar nicht ein. Ein formaler Duldungsbescheid zum Stichtag 16.6.2020 liege nicht vor. Alleine der Umstand, dass die Wettvermittlungsstelle am Standort seit mehreren Jahren bestehe, führe nicht automatisch dazu, dass von einer Duldung durch die Erlaubnisbehörde gesprochen werden könne. Auch wirtschaftliche Interessen (Investitionen) der Antragstellerin rechtfertigten keine abweichende Beurteilung. Eine Ausnahmegenehmigung könne nur aufgrund örtlicher Verhältnisse erteilt werden. Der Gesetzgeber berücksichtige wirtschaftliche Interessen von bestehenden Wettvermittlungsstellen nur im Rahmen der befristeten Übergangsregelung der Art. 15 Abs. 2, 16 Abs. 2 AGGlüStV, wenn ein Duldungsbescheid vorliege. Außerdem behaupte die Antragstellerin ein wirtschaftliches Interesse lediglich pauschal, ohne dieses zu belegen. Weder die Baugenehmigung noch die gewerberechtliche Anmeldung des Betriebes habe bei der Antragstellerin ein schutzwürdiges Vertrauen in Bezug auf die glücksspielrechtliche Zulässigkeit der Wettvermittlungsstelle hervorrufen können. Ferner habe kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der vorherigen (unionsrechtswidrigen) Rechtslage entstehen können. Schließlich sei der Gesetzesentwurf für die bayerische Neuregelung bereits seit Mitte Dezember 2019 parallel zur Verbandsanhörung im Internet veröffentlicht worden.
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Ferner liege auch keine Ungleichbehandlung zur Wettvermittlung in Annahmestellen im Sinne des Art. 7a AGGlüStV vor. Die streitige Abstandsregelung gelte bewusst nur für Vermittlungsstellen, in denen Sportwetten im Hauptgeschäft angeboten werden und nicht für die Wettvermittlung im Nebengeschäft in Annahmestellen. Bei Annahmestellen rechtfertige es das geringere Wettangebot (keine Live-Wetten), die zurückhaltende Außendarstellung sowie das Gesamtgepräge einer Sportwettvermittlung im Nebengeschäft (eingebunden in das jeweilige Hauptgewerbe wie zum Beispiel Kiosk, Schreibwarengeschäft, Tankstelle etc.) auf Abstandsgebote zu verzichten. Der Anziehungs- und Werbeeffekt einer Annahmestelle sei geringer als bei reinen Wettvermittlungsstellen, deren Hauptzweck die Vermittlung von Glücksspielen sei. Darüber hinaus werde mit der Abstandsregelung ein Gleichlauf zum Jugendschutzgesetz erreicht. Danach sei Jugendlichen die Anwesenheit nur in Räumen verboten, die vorwiegend dem Spielbetrieb dienen.
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Die Untersagung des weiteren Betriebs der Wettvermittlungsstelle Erfolge als Maßnahme der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV 2021. Danach könne die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen erlassen, insbesondere könne sie die Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Eine Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten könne der Antragstellerin am streitgegenständlichen Standort nicht erteilt werden. Ferner liege eine förmliche Duldung der Sportwettvermittlung nicht vor. Die Wettvermittlungsstelle werde derzeit durch die Antragstellerin aktiv betrieben. Diese sei als Handlungsstörerin in Anspruch genommen worden.
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Auf der Rechtsfolgenseite räume § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV 2021 der Verwaltung einen Ermessensspielraum ein. Die Untersagung des weiteren Wettbetriebs sei notwendig, um den Schutz der im neuen Glücksspielstaatsvertrag benannten öffentlichen Schutzgüter zu gewährleisten. Die Untersagungsverfügung sei auch verhältnismäßig. Ein milderes und ebenso effektives Mittel als die Unterbindung des unerlaubten Angebots sei nicht ersichtlich. Insbesondere habe aufgrund des vorherrschenden Standortkonfliktes keine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten erteilt werden können. Die Untersagungsanordnung sei zudem angemessen, da das Interesse der Antragstellerin an der Weiterführung der Wettvermittlung an diesem Standort gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung des Abschlusses von Wetten in illegalen Wettvermittlungsstellen zurückstehen müsse. Durch die vorgenommene Staffelung der einzelnen Anordnungen unter Ziffer 2 des Bescheides werde den unterschiedlichen Interessen Rechnung getragen. Zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands sei das unerlaubte Vermitteln von Sportwetten sofort einzustellen. Um darüber hinaus dem berechtigten Interesse der Antragstellerin und ihrer Kunden an einer geordneten Abwicklung des begonnenen Betriebes Rechnung zu tragen, sei eine ausreichend lange Auslauffrist für bereits in der Vergangenheit abgeschlossene Wettverträge gesetzt worden. Da die Antragstellerin bereits seit dem Anhörungsschreiben vom 24.1.2022 gewusst habe, dass eine Untersagung erfolgen werde, sei es auch zumutbar, die Wettannahme sofort nach Bekanntgabe des Bescheides zu beenden. Der Abschluss und die Vermittlung neuer Wettverträge in Form eines Unterlassens könne faktisch ohne weitere Maßnahmen erfolgen. Gewinnauszahlungen aus bereits abgeschlossenen Wettverträgen könnten vorgenommen werden. Hierzu würden dem Wettvermittler 90 Tage lang die entsprechenden technischen Einrichtungen zur Verfügung stehen.
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Die Anordnung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, 29, 30 Abs. 1 Satz 1, 31, 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021. Die Höhe der angedrohten Zwangsgelder entspreche dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Fortführung des Wettbetriebs.
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Am 4.5.2022 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 12.4.2022 erheben, die unter dem Az. RN 5 K 22.1322 geführt wird. Diese ist im Hauptantrag auf die Aufhebung des Bescheids vom 12.4.2022 gerichtet und im Hilfsantrag auf die Abänderung des genannten Bescheids und die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der am 18.6.2021 beantragten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten.
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Am 6.5.2022 ließ die Antragstellerin darüber hinaus um vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nachsuchen, und zwar ausschließlich in Bezug auf die Untersagungsverfügungen in Ziffer 2 sowie im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids. Zur Begründung wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
- Die Antragstellerin im Eilrechtschutzverfahren sei nicht die Antragstellerin auf Erteilung der glückspielrechtlichen Erlaubnis, weshalb der gesamte Bescheid rechtswidrig sei. Nach der Konzeption des Glücksspielstaatsvertrages und der dazu ergangenen Ausführungsgesetze der Länder könne die Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle nur von dem die Sportwettkonzession innehabenden Unternehmen beantragt werden. Dementsprechend müsse auch die Entscheidung über den Antrag diesem Unternehmen gegenüber ergehen. Dies sei vorliegend die Y. … und nicht die Antragstellerin. Werde der Bescheid - wie geschehen - gegenüber dem Betreiber der Vermittlungsstelle erlassen, sei er fehlerhaft adressiert. Gegenüber der Firma Y. … sei der Erlaubnisantrag somit noch gar nicht verbeschieden, weshalb auch die Untersagungsverfügungen rechtswidrig seien; denn nur bei einer Ablehnung des Erlaubnisantrags könne eine Untersagungsverfügung gerechtfertigt sein.
- Die in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV enthaltene Abstandsregelung verstoße gegen höherrangiges Recht. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass bezüglich der Vereinbarkeit von Abstandsregelungen mit höherrangigem Recht nur bedingt auf die ergangene Rechtsprechung aus dem Bereich des Spielhallenrechts zurückgegriffen werden könne. Im Hinblick auf die Öffnung des Online-Glücksspiels auch im Bereich des virtuellen Automatenspiels sei eine neue Tatsachengrundlage entstanden, die eine Neubeurteilung erfordere. Außerdem sei die Sach- und Rechtslage bei der Sportwettvermittlung und -veranstaltung eine gänzlich andere. Die vielfältigen Neuregelungen mit den in den einzelnen Ländergesetzen enthaltenen Übergangs- und Bestandsschutzregelungen würden eine völlige Neubewertung erforderlich machen.
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Die innerhalb des Unionsrechts gebotene Kohärenzprüfung mache eine sektorübergreifende Betrachtung des Glücksspielangebots erforderlich, weshalb die Regelungen im Bereich der Wettveranstaltung und -vermittlung mit denen des Spielhallengewerbes rechtlich vergleichend bewertet werden müssten. Insoweit sei auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2010 (8 C 15.09 - juris) zu verweisen, in dem der Prüfungsmaßstab des Europäischen Gerichtshofs bestätigt werde. Für die Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit und der damit verbundenen Kohärenzprüfung müsse der gesamte Glücksspielbereich betrachtet werden. Die derzeitigen Regelungen würden gegen Art. 12, 14 und 3 GG verstoßen und die europarechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit unzulässig beschränken.
- Es liege im Hinblick auf Art. 7a AGGlüStV eine verfassungs- und gemeinschaftsrechstwidrige Ungleichbehandlung von Annahmestellen des staatlichen Anbieters (Lotto) und den Wettvermittlungsstellen privater Wettveranstalter vor. Nach der genannten Vorschrift dürfe der staatliche Anbieter Sportwetten ausdrücklich im Nebengeschäft anbieten, was privaten Anbietern verwehrt sei. Diese Ungleichbehandlung sei umso weniger gerechtfertigt, als die Landeslotteriegesellschaften aktuell noch immer über keine Sportwettenkonzessionen verfügen würden und es grundsätzlich bereits fraglich sei, auf welcher rechtlichen Grundlage deren Vermittlungsstellen aktuell betrieben werden. Jedenfalls sei kein sachgerechter Grund dafür ersichtlich, dass ODDSET-Annahmestellen anders behandelt werden als die Vermittlungsstelle der Antragstellerin. Dies führe zu Verstößen gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sowie zu einer unzulässige Diskriminierung des Wettveranstalters. Zugleich bestehe eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit der privaten Anbieter.
- Das Sportwettenkonzessionsverfahren sei verfassungs- und europarechtswidrig, was zur Unanwendbarkeit des landesrechtlichen Erlaubnisverfahrens für die Vermittler führe und deshalb auch keine Untersagung ausgesprochen werden könne. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Darmstadt (B.v. 1.4.2020 - 3 L 446/20.DA - juris) sei das Konzessionsverfahren nicht transparent und damit gemeinschaftsrechtswidrig und zudem voraussichtlich auch wegen der unveränderten und damit unzulässigen Beteiligung des Glücksspielkollegiums verfassungswidrig. Die Folge dieser Rechtswidrigkeit sei, dass auch das auf dem Konzessionsverfahren basierende Erlaubnisverfahren für die Wettvermittlungsstellen keine Grundlage habe und unangewendet bleiben müsse, weshalb weder Wettveranstalter noch Wettvermittler derzeit eine Erlaubnis benötigten. Die streitgegenständliche Abstandsregelung könne deshalb schon gar nicht angewendet werden.
- Die Sportwettvermittlungsstelle der Antragstellerin genieße Vertrauensschutz. Sie bestehe bereits seit Juni 2018. Seitdem habe die Antragstellerin ihre Vermittlungsstelle in zulässiger Form betrieben. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung sei die Vermittlung von Sportwetten in der Vergangenheit auch ohne behördliche Erlaubnis aufgrund eines nicht vorhandenen verfassungs- und gemeinschaftskonformen Erlaubnisverfahrens nicht verboten und mithin zulässig gewesen. Im Bereich der Spielhallen sei im Jahr 2012 nach altem Recht eine 5-jährige Übergangszeit geschaffen worden, innerhalb derer die damals ebenfalls neu eingeführten Abstandsregelungen nicht hätten eingehalten werden müssen. Den privatrechtlichen Wettvermittlungsstellen hätte mindestens eine ähnliche Übergangsregelung eingeräumt werden müssen, da auch diese langjährig laufende Mietverträge, Arbeitsverträge und Darlehensverträge abgeschlossen und erhebliche Investitionen getätigt hätten.
- Für die eingeführte Abstandsregelung gebe es keine wissenschaftliche Grundlage. Der Gesetzgeber habe ohne eine belastbare wissenschaftliche Untersuchung einen Abstand nach „Gutdünken“ festgelegt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liege die Nachweispflicht zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit einer die Grundfreiheiten einschränkenden Regelung beim Mitgliedstaat. Das Nichtvorliegen eines entsprechenden Nachweises führe zur Inkohärenz der entsprechenden Regelung.
- Die Inkohärenz der Abstandsregelung ergebe sich auch wegen der bestehenden Internetangebote von Sportwetten und anderen Glücksspielen. Es sei bereits seit vielen Jahren zulässig, Sportwetten im Internet anzubieten. Der neue Glücksspielstaatsvertrag lasse nunmehr auch virtuelle Automatenspiele und Poker im Internet zu. Diese Angebote seien bereits seit längerer Zeit aktiv geduldet worden. Vor diesem Hintergrund lasse sich eine Abstandsregelung im stationären Bereich nicht rechtfertigen.
- Die Abstandsregelung in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV sei zu pauschal gehalten. Der Gesetzgeber habe nach dem Alter der Kinder und dem Umstand, ob diese sich überhaupt von einem solchen Betrieb angezogen fühlen könnten, differenzieren müssen.
- Selbst wenn man grundsätzlich von der Verhältnismäßigkeit der Abstandsregelung ausgehen wolle, sei die Regelung in Bayern rechtswidrig, weil sie Bestandsschutzinteressen nicht hinreichend berücksichtige. Nach Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV werde Bestandsschutz im Hinblick auf die Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nur für Betriebe gewährt, für die ein Duldungsbescheid vorliege. Nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV trete diese Bestandsschutzregelung zudem bereits am 31.12.2022 außer Kraft. Auch insoweit liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Darüber hinaus knüpfe die Regelung an einen verfassungswidrigen Zustand an, nämlich an den Erlass eines Duldungsbescheids bzw. an die Teilnahme an einem Duldungsverfahren, das vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als mit höherrangigem Recht unvereinbar angesehen worden sei (BayVGH, U.v. 8.3.2018 - 10 B 15.990 - juris). Diese Rechtsprechung habe in der Folge bewirkt, dass das rechtswidrige Duldungsverfahren nicht mehr angewendet worden sei. Für alle danach in den Markt eintretenden Unternehmen bestehe somit überhaupt keine Übergangsregelung. Die meisten Anbieter hätten sich nach alledem an einem Duldungsverfahren nicht beteiligt und auch nicht beteiligen müssen. Die ohnehin zu enge bayerische Bestandsschutzregelung habe somit einen rechtswidrigen Anknüpfungspunkt - nämlich einen nicht erforderlichen Duldungsbescheid.
- Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass auch ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Wettvermittlungserlaubnis bestehe, weshalb eine Betriebsuntersagung nicht möglich sei. Der Bescheid gehe von falschen Tatsachen aus; denn die Wettvermittlungsstelle der Antragstellerin sei im März 2020 innerhalb des Gebäudekomplexes, in dem sie sich befinde, umgezogen. Nachdem die Betriebsstätte zunächst tatsächlich nur etwa 25 m Luftlinie von der genannten Schule entfernt gewesen sei, habe der Betrieb im März 2020 wegen eines Wasserschadens innerhalb des Gebäudes umziehen müssen. Nunmehr befinde sich die Vermittlungsstelle etwa 60 m weiter entfernt von der Schule. Insgesamt betrage die Entfernung nunmehr geschätzte 80 m Luftlinie, wobei sich der Ausgang jetzt auf der anderen Seite des Gebäudes befinde und nicht mehr in Richtung Schule. Dies habe die Behörde verkannt und nicht in ihre Ermessenserwägungen in Bezug auf eine in Betracht zu ziehende Ausnahme eingestellt, was zu einem Ermessensfehler führe.
- Außerdem sei für die Einstellung der Wettvermittlungstätigkeit keine angemessene Frist gesetzt worden. Dies erscheine unverhältnismäßig, wenn man berücksichtige, dass deutschlandweit 99% aller Betriebe ohne Erlaubnis weitergeführt würden und der Betrieb der Antragstellerin seit Jahren mit Kenntnis der Behörden geduldet worden sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Ziffern 2 und 3 (2.1, 2.2, 2.3 und 3.1, 3.2, 3.3) des Bescheides des Antragsgegners vom 12.4.2022 anzuordnen.
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Der Antragsgegner beantragt,
18
Die Klage werde in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben, weshalb der Antrag abzulehnen sei. Die streitgegenständlichen Anordnungen stützten sich auf § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 GlüStV 2021. Beim Vermitteln von Sportwetten ohne Erlaubnis handele es sich um unerlaubtes Glücksspiel, das gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV verboten sei. Der Betrieb der Wettvermittlungsstelle sei somit formell illegal und könne zumindest dann untersagt werden, wenn die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen nicht gegeben seien.
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Der streitgegenständliche Bescheid sei richtig adressiert, was insbesondere auch für die Antragsablehnung unter Ziffer 1 gelte. Er sei dem Bevollmächtigten der Antragstellerin wirksam bekannt gegeben worden. Inhaltsadressatin der Ablehnung sei die Antragstellerin in ihrer Funktion als Wettvermittlerin. Sie sei vom Regelungsgehalt des Verwaltungsakts unmittelbar betroffen, weshalb ihr gegenüber auch die Erlaubnisablehnung bekannt gegeben worden sei. Dass die Erlaubnis vom Wettveranstalter beantragt worden sei, ändere hieran nichts.
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Die Versagung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis sei rechtmäßig, da der in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV festgelegte Abstand zur Realschule nicht eingehalten werde.
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Europarechtlich bestünden keine Bedenken gegen die Abstandsregelung. Die Regelung diene dem Schutz der Jugend und dem Spielerschutz und verfolge somit einen legitimen Zweck. Bei der Festlegung des Mindestabstands habe der Gesetzgeber einen Beurteilungs- und Prognosespielraum, ohne dass er gezwungen sei, eine Untersuchung zum erforderlichen Mindestabstand vorzulegen. Sportwettangebote verfügten über ein hohes Gefährdungspotenzial für Kinder und Jugendliche. Diese müssten vor der Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Sportwettangebots in ihrem täglichen Lebensumfeld um allgemeinbildende Schulen geschützt werden. Die Abstandsregelung diene dazu, die Wahrnehmung des Glücksspiels als alltäglicher Bestandteil des Lebens zu verhindern. Insoweit bestehe kein relevanter Unterschied zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen. Von einer offensichtlichen Ungeeignetheit der Abstandsregelung zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels könne trotz der festzustellenden Verlagerung des Glücksspiels in das Internet nicht gesprochen werden.
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Auch das unionsrechtlich zu beachtende Kohärenzgebot sei nicht verletzt. Dieses verlange keine Uniformität sämtlicher Regelungen im Glücksspielrecht. Das Abstandsgebot sei konsequent am Ziel der Spielsuchtbekämpfung und dem Schutz vulnerabler Bevölkerungsteile ausgerichtet und werde nicht durch etwaige Maßnahmen oder Ausnahmen derart konterkariert, dass eine systematische Zielverfolgung ausscheide. Für Lotto-Annahmestellen gelte zwar kein Mindestabstand zu allgemeinbildenden Schulen. Dies sei jedoch durch das geringere Wettangebot (keine Live-Wetten), die zurückhaltende Außendarstellung sowie das Gesamtgepräge einer Sportwettvermittlung im Nebengeschäft (eingebunden in das jeweilige Hauptgewerbe wie zum Beispiel Kiosk, Schreibwarengeschäft, Tankstelle etc.) zu rechtfertigen. Der Anziehungs- und Werbeeffekt einer Annahmestelle sei geringer als bei reinen Wettvermittlungsstellen.
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Ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 GG liege nicht vor. Die Abstandsregelung sei eine Berufsausübungsregelung, die ein verfassungslegitimes Ziel (Jugend- und Spielerschutz) verfolge. Sie sei verhältnismäßig, da dem Betreiber einer Wettvermittlungsstelle nur aufgegeben werde, den Betrieb in einem bestimmten örtlichen Umfeld zu unterlassen.
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Auch Bestands- bzw. Vertrauensschutzgesichtspunkte könnten der Abstandsregelung nicht entgegengehalten werden. Mangels des Vorliegens eines formalen Duldungsbescheids sei kein Vertrauen in den Fortbestand der Wettvermittlungsstelle am fraglichen Standort erzeugt worden. Der bloße Betrieb ohne Erlaubnis oder formale Duldung könne keinen Vertrauensschutz erzeugen. Die Antragstellerin habe aufgrund der zu Ende gehenden Laufzeit des alten Glücksspielstaatsvertrages mit einer Änderung der Rechtslage und einer weitgehenden den Betrieb von Wettvermittlungsstellen betreffenden Neuregelung rechnen müssen.
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Für den streitgegenständlichen Standort habe somit eine Erlaubnis nicht erteilt werden können, weshalb der weitere Betrieb der Vermittlungsstelle generell habe untersagt werden können. Dabei habe der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Die ausgesprochene Untersagung sei geeignet und erforderlich, die unerlaubte und nicht erlaubnisfähige Wettvermittlung am Standort zu unterbinden. Bei fehlender Erlaubnisfähigkeit bei festgestelltem aktiven Betrieb sei das Ermessen bezüglich der Untersagung der weiteren Wettvermittlung zumindest eingeschränkt. Außergewöhnliche Umstände, die im konkreten Fall dazu führen müssten, ausnahmsweise von einer Untersagung abzusehen, seien nicht vorhanden. Das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände überwiege das Interesse der Antragstellerin ihren nicht erlaubnisfähigen Betrieb fortführen zu dürfen. Auch die gesetzten Fristen seien angemessen. Der Abschluss und die Vermittlung neuer Wettverträge könne faktisch ohne weitere Maßnahmen sofort erfolgen. Gründe, warum bei festgestellter Illegalität eine längere Frist bezüglich des Vermittelns neuer Verträge ausgesprochen werden müsste, seien nicht ersichtlich. Gewinnauszahlungen aus bereits abgeschlossenen Wettverträgen könnten noch für einen längeren Zeitraum vorgenommen werden. Die der Antragstellerin eingeräumte Frist von 90 Tagen sei hierzu ausreichend.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im Eilrechtschutzsowie im Hauptsacheverfahren und auf die dem Gericht vorliegenden elektronischen Behördenakten Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
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A. Der Antrag ist zulässig.
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Er ist insbesondere statthaft. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn die Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Im Hinblick auf die Untersagungsverfügungen in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides ist dies nach § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 der Fall, während sich die sofortige Vollziehbarkeit im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohungen Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides aus Art. 21a Satz 1 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) ergibt.
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B. Der Antrag ist unbegründet.
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Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs der Nrn. 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids überwiegt das Interesse der Antragstellerin, den Bescheid bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht befolgen zu müssen.
32
Bei der Begründetheitsprüfung hat das Gericht eine eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dem öffentlichen Vollzugsinteresse gegenüberzustellen ist. Hierbei spielen die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs eine maßgebliche Rolle; denn grundsätzlich besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, während umgekehrt ein starkes öffentliches Interesse an der baldigen Realisierung des Verwaltungsaktes besteht, wenn dieser erkennbar rechtmäßig ist. Lässt sich deshalb aufgrund der im Eilrechtschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hinreichend eindeutig feststellen, dass der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, kann regelmäßig kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Lassen sich dagegen nach summarischer Prüfung keine Aussagen über die Erfolgsaussichten der Klage machen, muss eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Interessenabwägung stattfinden (vgl. zur Interessenabwägung: BVerwG, B.v. 11.11.2020 - 7 VR 5.20 - juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 23.1.2015 - 7 VR 6.14 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 4.12.2019 - 15 CS 19.2048 - juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 21.3.2011 - 10 AS 10.2499 - juris Rn. 20; Eyermann/Hoppe, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 Rn. 85 ff.; Schoch/Schneider/Schoch, 42. EL Februar 2022, VwGO § 80 Rn. 372 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 152 ff.).
33
1. Die (gestaffelte) Untersagung der Wettvermittlung am Standort X. … in Ziff. 2 des angegriffenen Bescheides ist mit den einfachgesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts vereinbar. Aufgrund der im Eilrechtschutzverfahren erforderlichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Gericht auch keine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der nationalen Rechtsgrundlagen mit Verfassungs- und/oder Europarecht.
34
a) Rechtsgrundlage für die verfügte Untersagung ist § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021. Danach kann die Glücksspielaufsicht die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall treffen, um die Erfüllung der nach dem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund des Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen und darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüStV 2021). Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 kann die Glückspielaufsichtsbehörde insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Ausweislich § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 stellt das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele ohne eine Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes ein unerlaubtes Glücksspiel dar.
35
Die Wettvermittlungsstelle der Antragstellerin wird ohne die nach §§ 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021, Art. 2 und 7 AGGlüStV notwendige glücksspielrechtliche Erlaubnis und damit formal unerlaubt betrieben. Nach § 21a Abs. 2 GlüStV 2021 ist ein stationärer Vertrieb oder die Vermittlung von Sportwetten außerhalb von Wettvermittlungsstellen verboten, sodass die von der Antragstellerin betriebene Vermittlung von Sportwetten allein in einer Wettvermittlungsstelle i.S.d. § 21a Abs. 1 GlüStV 2021 erfolgen kann und demzufolge einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 bedarf. Dabei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass weder der in dem am 1.1.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag normierte Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV noch Art. 2 AGGlüStV (unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols) verfassungskonform waren und nicht gegen Unionsrecht verstießen (so zutreffend VG Augsburg in ähnlich gelagerten Fällen, U.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - BeckRS 2022, 27665 Rn. 51 und Au 8 S 22.1487 Rn. 21 - bislang unveröffentlicht unter Hinweis auf: BVerfG, B.v. 14.10.2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338, juris Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 24.11.2010 - 8 C 13.09 - NVwZ 2011, 549, juris Rn. 73 ff.; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 53; U.v. 20.6.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 50; B.v. 25.2.2015 - 8 B 36.14 - juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 32 f.).
36
b) Für die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Untersagung des Betriebs vorliegen, kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Versagung der beantragten glücksspielrechtlichen Erlaubnis in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht an. Diesbezüglich ist allein die materielle Genehmigungsfähigkeit ausschlaggebend. Deshalb ist die Frage, ob die Erlaubnis bzw. deren Versagung gegenüber der Veranstalterin oder der Betreiberin erklärt werden muss, nicht im hier zu entscheidenden Verfahren zu beantworten. Diese Problematik wird erst im Hauptsacheverfahren an Bedeutung gewinnen, da dort seitens der Antragstellerin - also der Betreiberin - die Verpflichtung des Antragsgegners auf Erteilung der Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten in der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle beantragt ist (so auch VG Bremen, B.v. 10.6.2022 - 5 V 389/22 - juris Rn. 31 f.; VG Augsburg, B.v. 29.7.2022 - Au 8 S 22.1487 Rn. 22 - bislang unveröffentlicht).
37
c) Vorliegend steht der Erteilung der beantragten Erlaubnis die Mindestabstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Danach ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Sportwetten ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatung- und sucht Behandlungsstellen vermittelt werden. Dass dieser Mindestabstand hier nicht eingehalten wird, ist zwischen den Beteiligten im Ergebnis unstreitig. Im Verwaltungsverfahren teilte das Landratsamt Rottal-Inn dem Antragsgegner dazu mit, der Haupteingang der Schule liege nur etwa 20 m Luftlinie vom Haupteingang der Wettvermittlungsstelle entfernt. Zwar hat die Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dazu vortragen lassen, die Wettvermittlungsstelle sei bereits im März 2020 wegen eines Wasserschadens innerhalb des Gebäudes umgezogen. Der Eingang liege nunmehr etwa 80 m Luftlinie vom Eingang der Schule entfernt, und zwar jetzt auf der Gebäuderückseite. Auch dieser Abstand liegt jedoch weit unterhalb des zulässigen Mindestabstands.
38
d) Nach dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung liegen auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme vom Mindestabstand nicht vor. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 AGGlüStV kann die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung steht somit im Ermessen der Erlaubnisbehörde. Allerdings ist ein entsprechender Ermessensspielraum erst dann eröffnet, wenn ein atypischer Einzelfall aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse vorliegt, was schon aus der Formulierung der Ausnahmevorschrift folgt. Ausnahmevorschriften dienen grundsätzlich dazu, unbillige Härten aufgrund besonderer Umstände, welche die allgemeine und abstrakte gesetzliche Regelung aufgrund ihrer generellen Geltung nicht im Blick haben konnte, auszugleichen. Dementsprechend geht der Beklagte zu Recht davon aus, dass bezüglich der Erteilung einer Ausnahme nur dann ein Ermessensspielraum für ihn eröffnet ist, wenn im Einzelfall besondere Umstände hierfür vorliegen, wie etwa eine „räumliche Abtrennung“ einer Wettvermittlungsstelle von einer Schule durch eine nicht leicht zu überwindende Barriere, wie etwa eine Bahnstrecke etc. (vgl. auch SächsOVG, B.v. 29.11.2019 - 6 B 143/18 - juris Rn. 41; VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - BeckRS 27665 Rn.59; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 35; zum vergleichbaren Erfordernis eines atypischen Falles für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie: VG Regensburg, B.v. 3.3.2021 - RN 5 E 21.323 - juris Rn. 27 ff. und B.v. 23.12.2020 - RO 14 E 20.3170 - juris Rn. 39). Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht ersichtlich, was auch aus den sich in den Akten des Beklagten befindlichen Lichtbildern folgt. Insbesondere führt die im gerichtlichen Verfahren seitens der Klägerin vorgetragene Verlagerung des Haupteingangs der Wettvermittlungsstelle auf die Gebäuderückseite und die dadurch bewirkte Vergrößerung des Abstands zum Eingang der Realschule nicht zu einem solchen atypischen Fall. Der Eingang der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle liegt - auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin, wonach die Wettvermittlungsstelle innerhalb des Gebäudes umgezogen ist - immer noch nur etwa 80 m vom Eingang der Schule entfernt. Er beträgt somit nur etwa ein Drittel des gesetzlich erforderlichen Mindestabstands. Außerdem hat das Landratsamt Rottal-Inn im Erlaubnisverfahren gegenüber der Regierung von Niederbayern ausgeführt, dass der Schulweg aller Kinder, die vom Busbahnhof zur Realschule laufen, an der Gebäuderückseite des Gebäudekomplexes, in dem sich die Wettvermittlungsstelle befindet - also am nunmehrigen Haupteingang - vorbeiführt.
39
e) Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf die Ausnahmeregelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV berufen. Danach findet die Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV keine Anwendung für Wettvermittlungsstellen, für die am 16.6.2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10.12.2019 beantragt worden ist. Ein derartiger Duldungsbescheid existiert nicht und wurde seitens der Antragstellerin auch nicht beantragt.
40
f) Der Antragsgegner hat schließlich erkannt, dass die Untersagung der Vermittlung unerlaubten Glücksspiels nach § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde erfordert. Ermessensfehler, die zur Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügungen führen könnten, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Insoweit ist zu beachten, dass das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO im Rahmen der Überprüfung von Ermessensentscheidungen lediglich prüft, ob die Behördenentscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dass dies hier der Fall sein könnte, ist nicht ersichtlich.
41
aa) Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Antragstellerin als Betreiberin der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle die richtige Adressatin der Untersagungsverfügung ist. Sie ist Handlungsstörerin und somit zu allererst in der Lage, die Gefahr der illegalen Sportwettenvermittlung effektiv zu beseitigen. Ein Vorgehen gegenüber der Firma Y. … könnte allenfalls verhindern, dass seitens der Antragstellerin von der Firma Y. … veranstaltete Wetten vermittelt werden. Sie könnte jedoch nicht verhindern, dass die Antragstellerin ihre Vermittlungsstelle weiterhin betreibt und etwa an andere Veranstalter entsprechende Wetten vermittelt.
42
bb) Im Rahmen der eigentlichen Ermessensausübung hat der Antragsgegner den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet. Insoweit ist im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, dass es sich um ein legitimes gesetzgeberisches Ziel handele, illegales Glücksspiel zu unterbinden. Dies könne nur durch die Unterbindung unerlaubter Angebote erreicht bzw. sichergestellt werden. Ein milderes, gleich effektives Mittel sei nicht ersichtlich. Die Untersagung sei geeignet und auch erforderlich. Ferner hat der Antragsgegner dem Interesse der Allgemeinheit, illegales Glücksspiel zu unterbinden, das Interesse der Antragstellerin an der Weiterführung der Sportwettenvermittlung am streitgegenständlichen Standort gegenübergestellt. Dem Interesse der Antragstellerin sei insbesondere durch die Staffelung der Untersagungsverfügung in den Ziffern 2.1, 2.2 und 2.3 Rechnung getragen worden. Diese Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden; zumal durch die Staffelung - gegen die keine rechtlichen Bedenken bestehen und die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar geboten sein dürfte - eine geordnete Betriebsabwicklung sichergestellt ist (vgl. ausführlich zur Rechtmäßigkeit der „gestaffelten Fristen“: VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - BeckRS 27655 Rn. 70 ff.).
43
Dass der Antragsgegner den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin im Rahmen der Abwägungsentscheidung keine maßgebliche Relevanz beigemessen hat, ist nicht zu beanstanden. Diese vermögen keine besondere Härte zu begründen. Solche monetären Folgen ergeben sich zwangsläufig aus dem Gesetzeszweck, das Angebot an Spielmöglichkeiten zur Bekämpfung der Spielsucht einzudämmen. Eine verlustfreie Abwicklung ihrer zu schließenden Einrichtungen können Betreiber nicht verlangen (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 193 = BVerfGE 145, 20, VG Augsburg, B.v 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - BeckRs 2022, 27655 Rn. 66 sowie B.v. B.v. 297.2022 - Au 8 S 22.1487 - bislang unveröffentlicht Rn. 30). Dabei ist auch zu bedenken, dass für die Vermittlungsstelle genutzte Räumlichkeiten und die Betriebsmittel grundsätzlich auch anderweitig nutzbar sind (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 41 m.w.N.).
44
g) Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen auch keine durchgreifenden europa- und/oder verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV.
45
Seitens der Antragstellerin wird vorgetragen, die geltenden glücksspielerechtlichen Regelungen würden gegen Europarecht - insbesondere gegen das Kohärenzgebot - wie auch gegen Verfassungsrecht verstoßen. Im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung sind somit auch diese vorgetragenen Gesichtspunkte zu überprüfen.
46
Bezüglich möglicher Verstöße gegen Europarecht bestehen keine verfahrensrechtlichen Europarechtsregeln, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann. Hält ein Gericht daher die geltenden nationalen Regelungen, aufgrund derer ein Verwaltungsakt erlassen worden ist, für europarechtswidrig, so beurteilt sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ausschließlich nach nationalem Recht. Insbesondere besteht keine Verpflichtung, die Sache gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen (vgl. dazu: EuGH, U.v. 13.5.2007 - C-432/05 - Slg. 2007, I-2271 Rn. 79 ff; Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018 Rn. 16 ff; SchochKoVwGO/Schoch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 80 Rn. 396, Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 164).
47
Ist das Gericht dagegen von der Verfassungswidrigkeit der einem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Rechtsnorm überzeugt, so besteht ein Konflikt zwischen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und dem Normverwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts (Art. 100 Abs. 1 GG). Ist ein Fachgericht nämlich in einem Hauptsacheverfahren von der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm überzeugt, so darf es die Rechtsnorm nicht selbst verwerfen, sondern muss die Frage der Verfassungswidrigkeit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen. Da diese Vorlageverpflichtung der Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Eilrechtschutzverfahren zuwiderläuft, geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass ein Fachgericht durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert ist, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird. Durch die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird in diesem Fall der Eintritt von Nachteilen während der Durchführung des Hauptsacheverfahrens, in dem dann die Vorlageverpflichtung zum Tragen kommt, verhindert (BVerfG, B.v. 24.6.1992 -1 BvR 1028/91 - juris Rn. 29 = BVerfGE 86, 382). Art. 19 Abs. 4 GG genießt deshalb im Eilrechtschutzverfahren einen relativen Vorrang gegenüber Art. 100 Abs. 1 GG (ausführlich zum Ganzen: SchochKoVwGO/Schoch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 80 Rn. 389 ff.; Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018 Rn. 134; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 161 ff.).
48
aa) Mit den europa- und verfassungsrechtlichen Fragen um die Zulässigkeit von Abstandsregelungen im Glücksspielrecht hat sich die außerbayerische Rechtsprechung bereits im Zusammenhang mit dem seit längerem in anderen Bundesländern geltenden Mindestabstand zwischen allgemeinbildenden Schulen und Spielhallen befasst. (In Bayern bestand dagegen nur die Verpflichtung zur Einhaltung eines Mindestabstands zwischen Spielhallen, nicht auch zwischen Spielhallen und Schulen.) Auf die dort gefundenen Ergebnisse kann zunächst im Grundsatz verwiesen werden (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 - juris = BVerfGE 145, 20; BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - juris = BVerwGE 157, 127; SächsOVG, U.v. 11.5.2016 - 3 A 314/15 - juris). Wettvermittlungsstellen besitzen keine Besonderheiten, die eine andere rechtliche Beurteilung zuließen (so VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 56; VG Augsburg, B.v. 4.6.2022 - Au 8 S 22.765 - juris Rn. 82 und B.v. 29.7.2022 - Au 8 S 22.1487 - bislang unveröffentlicht Rn. 50).
49
In der Regelung eines Mindestabstands zwischen allgemeinbildenden Schulen und Wettvermittlungsstellen ist aus Sicht der zur Entscheidung berufenen Kammer weder ein unverhältnismäßiger Eingriff in Grundfreiheiten noch ein Verstoß gegen das unionsrechtlichen Kohärenzgebot zu erblicken. Der Gesetzgeber durfte den Betrieb von Wettvermittlungsstellen aufgrund deren Gefährlichkeit für Kinder und Jugendliche weitergehend reglementieren. Er hat sich damit auch nicht in Widerspruch zu seinem Regelungskonzept gesetzt, indem er von vergleichbaren Abstandsregelungen für Lotto-Annahmestellen abgesehen hat. Das Verwaltungsgericht Leipzig führt dazu in seinem Beschluss vom 31.1.2022 (5 L 23/22 juris Rn. 58 ff.) Folgendes aus:
„Eine nationale Regelung, welche die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit einschränkt, wird nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur dann als zur Zielerreichung geeignet angesehen, wenn sie in kohärenter und systematischer Weise seiner Verwirklichung dient (vgl. EuGH, Urt. v. 6.3.2007 - C-338/04 u. a. „Placanica u. a“ - Rn. 53 und 58; für glücksspielrechtliche Monopolregelungen EuGH, Urt. v. 8.9.2010 - C-316/07 „Markus Stoß u. a“ -, Rn. 97 ff.; Urt. v. 8.9.2010 - C- 46/08 „Carmen Media“ -, Rn. 57 ff.). Das Gebot der Kohärenz hat der Gerichtshof insbesondere herangezogen, wenn ein Mitgliedstaat ein Glücksspiel- oder Wettmonopol errichtet hatte (oder sonst einen numerus clausus an Glücksspiel- oder Wettveranstaltern einführte), um mit ihm auf die Vermeidung von widersprüchlichen Verhaltensweisen bei der „Ausübung“ der monopolisierten Rechte hinzuwirken. Letztlich geht es also darum, eine Umgehung von Rechtfertigungsanforderungen zu vermeiden. In Bereichen, in denen das Glücksspiel nicht monopolisiert ist, sondern lediglich Beschränkungen der Freiheit der Berufsausübung zu beobachten sind, bedarf es hingegen einer Sicherung nicht in gleichem Maße. Deshalb wird auch keine bereichsübergreifende, einheitliche Regelung verlangt, sondern ausdrücklich ein den Besonderheiten des jeweiligen Bereichs Rechnung tragender Ansatz akzeptiert. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen sind dabei zu berücksichtigen. Die mitgliedstaatlichen Gerichte haben mithin lediglich eine bereichsspezifische Prüfung der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Regelungen vorzunehmen (vgl. EuGH, Urt. v. 08.9.2010 - C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 -, juris, Rn. 96; Kluth, Die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Spielhallen nach der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, Hallesche Schriften zum Öffentlichen Recht, 2010, S. 71 ff.; vgl. auch SächsOVG, Beschluss vom 22.8.2017 - 3 B 189/17 -, juris Rn. 8).
50
In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Bekämpfung der Spielsucht und der Jugendschutz Einschränkungen der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen, wenn sich die hierzu getroffenen Maßnahmen im Rahmen der Erforderlichkeit halten und dazu beitragen, die Gelegenheiten zum Spiel vor allem auch für Jugendliche zu verringern (vgl. EuGH, Urt. v. 6.3.2007 - C-338/04 u. a. „Placanica u. a“ -, juris Rn. 52 f.; BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017, a. a. O. Rn. 124). Dem Gesetzgeber kommt hierbei ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu (EuGH, Urt. v. 8.9.2010 - C-316/07 u. a. -, juris Rn. 91 f.). Er ist nicht gezwungen, vor der Einführung von Maßnahmen eine Untersuchung vorzulegen, die deren Verhältnismäßigkeit belegt (vgl. EuGH, Urt. v. 8.9.2010, a. a. O., Rn. 107; SächsOVG, Beschluss vom 2.12.2021 - 6 A 617/20 -, juris). Die im (nicht monopolisierten) Bereich des Glücksspiels bestehenden Regelungen eines Mindestabstands zu Schulen sind grundsätzlich zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels der Bekämpfung von Spielsucht geeignet, erforderlich und zumutbar (vgl. grundlegend zu den Abständen bei Spielhallen: BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017, a. a. O., Rn. 124; BVerwG, Urt. v. 16.12.2016, a. a. O., Rn. 42 ff.).
51
(1) Die Abstandsregelung ist geeignet, erforderlich und angemessen (verhältnismäßig).
52
Diesbezüglich verweist die streitentscheidende Kammer vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Augsburg in seinem Beschluss vom 4.7.2022 (Au 8 S 22.765 - juris Rn. 87 ff.), der einen vergleichbaren Fall betraf. Dort ist Folgendes ausgeführt:
„Zur Überzeugung des Gerichts hat jüngst das Verwaltungsgericht Leipzig in seinem Beschluss vom 31. Januar 2022 (5 L 23/22) zur Rechtslage in Sachsen und einem mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbaren Sachverhalt zutreffend herausgearbeitet, dass ähnlich wie Geldspielgeräte in Spielhallen auch Sportwettangebote ein hohes Gefährdungspotenzial, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, besitzen und deshalb mindestens vergleichbare Maßnahmen rechtfertigen. Kinder und Jugendliche sollen vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Wettvermittlungsstellen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. geschützt werden. Dies gilt entsprechend auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen. Für jenen Ausgangspunkt des Gesetzgebers, der auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt (LT-Drs. 18/5861, S. 9), lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur hinreichende Belege finden. So weist schon der - von der Antragstellerin in Bezug genommene - aktuelle Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (BZgA-Forschungsbericht, „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland - Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends“, Januar 2020; abrufbar unter: www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/BZgA-Forschungsbericht_Gluecksspielsurvey_2019.pdf; zuletzt abgerufen am 8. Juni 2022) auf die von Sportwetten ausgehenden Gefahren hin. Dort wird verschiedentlich dargelegt und näher begründet, dass neben den Automaten- und Casinospielen auch Sportwetten ein erhöhtes Risiko für problematisches Spielverhalten aufwiesen (vgl. ebd., S. 13, 160). Während sich im Falle der Teilnahme an Lotterien vergleichsweise geringe Risiken einer Glücksspielproblematik ergäben, seien relativ deutliche Zusammenhänge zwischen Glücksspielautomaten, Casinospielen, Glücksspielen im Internet und Sportwetten zu finden. Für die besondere Vulnerabilität von Jugendlichen gebe es dabei verschiedene Erklärungsansätze. In Betracht komme eine besondere Experimentierfreudigkeit bzw. ein ausgeprägtes Risikoverhalten, eine hohe Verführbarkeit durch verbreitete Glücksspielangebote im Internet oder im öffentlichen Raum (Wettbüros, Sportbars usw.), aber auch eine scheinbar hohe Akzeptanz in der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 27). Angesichts dessen ist die Momentaufnahme eines generell starken Rückgangs der Glücksspielteilnahme Jugendlicher, auch ob der Suchtprävention, unerheblich (vgl. ebd.). Nach den aktuellen Zahlen liegt die 12-Monats-Prävalenz bei Automaten- und Casinospielen bei 4,1%, bei Sportwetten immerhin bei 2,2%. Nach einem langen Abwärtstrend der Prävalenz ist diese im Jahre 2019 erstmals wieder geringfügig angestiegen. In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen betrug sie für das Jahr 2019 14,5%, jeder siebte Angehörige dieser Altersgruppe hatte also in den letzten 12 Monaten an einem Glücksspiel teilgenommen (vgl. ebd., S. 72 ff.). Auch beim Korrespondenzverhalten zeigt sich das große Suchtpotenzial von Sportwetten. Denn Personen, die Sportwetten spielen, nehmen mehr als doppelt so häufig auch an Automatenspielen teil im Vergleich mit Personen, die Lotterien nachfragen (vgl. ebd., S. 80). Bei einer Betrachtung der glücksspielassoziierten Probleme ergibt sich, dass zwar Automaten- und Casinospiele als am gefährlichsten einzustufen sind, Sportwetten aber ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko besitzen und Lotterien das geringste Risiko einer Glücksspielproblematik aufweisen (vgl. ebd., S. 84). Knapp 10% aller Automaten- und Casinospieler zeigen ein mindestens problematisches Spielverhalten, 14,8% spielen auffällig bzw. risikoreich. Sportwetten weisen sogar einen noch höheren Anteil an mindestens problematischem Spielverhalten auf, der Unterschied ist aber nicht signifikant. Die Chance, bei Sportwetten auffällig bzw. risikoreich zu spielen, ist mithin signifikant erhöht. Lotterien (mit Ausnahme der Lotterie Keno) weisen insgesamt das geringste Gefährdungspotenzial auf (vgl. ebd., S. 90 f.). Bei der Lebenszeitprävalenz liegen alle Formen der Lotterien mit insgesamt 68,4% vor den Automaten- und Casinospielen mit insgesamt 30% und den Sportwetten mit insgesamt 6,6%. Auf einen Wert von 17,6% kommen Geldspielautomaten (vgl. ebd., S. 142). Bei den 12-Monats-Prävalenzen ist der Unterschied zwischen Automaten- und Casinospielen einerseits sowie Sportwetten andererseits jedoch wesentlich geringer mit 4,1 bzw. 2,2% (vgl. ebd., S. 143). Die Prävalenzen nach Altersgruppen gegliedert sind ebenso aussagekräftig. In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen haben danach 2,6% der Befragten bereits einmal an Geldautomaten gespielt, während es bei den Sportwetten sogar 2,8% sind. An Lotterien haben in dieser Altersklasse bereits 26% teilgenommen (vgl. ebd., S. 146 f.). Bei den Spielorten zeigen sich ähnliche Tendenzen: In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen haben 3,5% der Befragten in einer Lotto-Annahmestelle Glücksspiel betrieben, 0,1% in einer Spielhalle und immerhin 0,6% in einem Wettbüro oder auf der Rennbahn (vgl. ebd., S. 153). Im Internet lag der entsprechende Wert bei 2,6% (vgl. ebd., S. 153). Im Ergebnis zeigen sich bei einer Risikobewertung der Glücksspielformen sowohl bei Automaten- und Casinospielen einerseits wie auch Sportwetten andererseits deutlich erhöhte Werte auffälligen bzw. risikoreichen und mindestens problematischen Spielverhaltens, während diese bei den Lotterien wesentlich niedriger liegen (vgl. ebd., S. 160) (vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 61).
Der Antragsgegner hat zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Untersagung in Bezug auf die (etwaigen) wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin auf die gesetzgeberischen Ziele des § 1 GlüStV 2021, namentlich die Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie den Jugend- und Spielerschutz (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9) abgestellt. Im Lichte des weiten Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers, wie ihn auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Rechtsprechung anerkennt (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 91 f.), lagen damit unter Berücksichtigung des Vorstehenden hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse dazu vor, dass von Sportwetten mindestens vergleichbare Gefährdungen ausgehen wie von Spielhallen. Gerade auch die Prävalenzen in der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen zeigen ein ausgeprägtes Interesse dieser Altersklasse an Sportwetten. Deren Gefährdungspotenzial wird von der BZgA als hoch eingeordnet (vgl. auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 63).
Obzwar in der aktuellen Studie der BZgA nicht eigens betont wird, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Sportwetten und der Erreichbarkeit insbesondere für Kinder und Jugendliche im näheren Umfeld ihres täglichen Lebens gebe, kann insoweit jedoch auf die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und dem Spielverhalten bei Spielhallen zurückgegriffen werden (vgl. a.a.O.). Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen keine beachtlichen Unterschiede (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64). Eine etwaig geringere „Anziehungskraft“ wegen des von der Antragstellerin angebotenen Verzichts auf Außenwerbung und -darstellung ändert an einer leichten und alltäglichen Erreichbarkeit nichts.
Dessen ungeachtet gilt es zu berücksichtigen, dass es dem Gesetzgeber mit dem Abstandsgebot nicht nur darum geht, eine tatsächliche Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Glücksspielen zu verhindern, welche auch bereits rechtlich ausgeschlossen ist. Spielhallen wie auch Wettvermittlungsstellen im täglichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen begründen - was entsprechend für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen gilt - darüber hinaus die Gefahr, dass Glückspiel als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen wird. Gerade auch dieser Wirkung soll entgegengetreten werden, zumal wenn Kinder und Jugendliche aufgrund der Schulpflicht oder Betroffene ob einer Suchtberatung/ -behandlung auf ihrem (S.)Weg zu Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen zwingend (respektive notwendig) einem Angebot an Sportwetten ausgesetzt sind; eine geringere „Anziehungskraft“ wird durch den von der Antragstellerin angebotenen Verzicht auf Außenwerbung sowie -darstellung nicht in dem gleichen Maße erreicht, sondern mag vielmehr den „Reiz des Verbotenen“ zu verstärken (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 152 ff.; SächsOVG, B.v. 20.8.2019 - 6 B 295/18 - juris Rn. 9; B.v. 29.11.2019 - 6 B 143/18 - juris Rn. 68; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64 m.w.N.). Auf diesen Gesichtspunkt bezogen sind keine Unterschiede zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen dergestalt auszumachen, als letzteren ein geringeres Gefährdungspotenzial zukäme. Gegenläufig kann wegen eines starken Bezugs zum Sport und deren Akteuren zur Überzeugung des Gerichts davon ausgegangen werden, dass Sportwetten, was die Gestaltung und Angebote angeht, noch deutlich attraktiver auf (sportbegeisterte) Kinder und Jugendliche wirken (können) bzw. sie solche in ihrem täglichen Umfeld entsprechend deutlich stärker wahrnehmen als Geldspielautomaten, was damit nicht nur vergleichbare, sondern insoweit „strengere“ Maßnahmen in Bezug auf Wettvermittlungsstellen zu rechtfertigen vermag (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. im Ansatz ebenso VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64), zumal auch in der aktuellen Studie der BZgA 0,6% der befragten 16- und 17-jährigen angaben, bereits Wettbüro/ Rennbahn genutzt zu haben, während lediglich 0,1% Glücksspiel in einer Spielhalle betrieben hätten (vgl. ebd., S. 153). In höheren Altersgruppen kommt es dann zwar zu einer Angleichung beider Glücksspielformen (vgl. ebd.). Für Sportwetten gilt es allerdings zu beachten, dass viele (potentielle) Sportwetter meinen, sich durch ihr „(Sport-)Fachwissen“ besonders gut auszukennen und Sportwetten lediglich eingeschränkt als Glücksspiel wahrnehmen (vgl. ebd., S. 92). Vor diesem Hintergrund gelten obige Ausführungen auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen analog. Betroffene sind (unabhängig von der Sucht) im besonderen Maße - ähnlich wie auch Kinder und Jugendliche - für eine (solche) Kompetenzüberschätzung vulnerabel. Die Suchtprävention (§ 1 GlüStV 2021), die gegenüber vulnerablen Bevölkerungsteilen a priori besonderes Gewicht erfährt, rechtfertigt es, die insoweit spezifische Gefahr, ein Angebot an Sportwetten als Gut des täglichen Lebens wahrzunehmen, zu verhindern, zumal aufgrund eines (gesellschaftlich gemeinhin) „leichten“ Zugangs über den starken Bezug zum Sport und deren Akteuren.
(i) Der Einwand der Antragstellerin einer fehlenden wissenschaftlichen Grundlage (zur Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Mindestabstände) verfängt daher nicht. Dabei begegnet es insoweit auch keinen rechtlichen Bedenken, als die Bundesländer unter Umständen unterschiedliche Mindestabstände vorgeben. Zum einen hat der Gesetzgeber einen weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum. Zum anderen ist eine Festlegung unterschiedlicher Abstandsregelungen insbesondere in Bezug auf eine unterschiedliche Verbreitung des Sportwettangebots und länderspezifische Gegebenheiten unbedenklich (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 111). Eine Unverhältnismäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Abstandsregelung von 250 m Luftlinie ist vor allem in Bezug darauf, Sportwetten nicht als Gut des alltäglichen Lebens wahrzunehmen, jedenfalls nicht ersichtlich.
(ii) Soweit die Antragstellerin eine Unverhältnismäßigkeit des Abstandsgebots auf die fehlende Differenzierung nach dem Alter der Kinder und Jugendlichen stützt, weil bei Einrichtungen für Kinder im Grundschulalter eine geringere Schutzbedürftigkeit bestehe, geht dieser Einwand fehl. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Schutzbedürftigkeit von Kindern in erheblichem Maße von der jeweiligen Altersstufe abhänge bzw. es fernliegend erscheine, dass etwa schon Kinder im Grundschulalter von den „Reizen“ des Sportwettangebots angezogen werden könnten (vgl. VG Arnsberg, B.v. 21.10.2013 - 1 L 395/13 - juris Rn. 11). Gegen ein solches Verständnis spricht bereits, dass das Abstandsgebot, gerade auch einem (frühzeitigen) Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen entgegenwirken will. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf kleinere Kinder, auch bereits im Grundschulalter (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 4.16 - juris Rn. 22; VG Köln, U.v. 10.9.2021 - 24 L 1199/21 - juris Rn. 28 f. m.w.N.). Unerheblich ist daher, dass Kindern und Jugendlichen der Aufenthalt ohnehin nicht gestattet ist. Dessen ungeachtet ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg - fußend auf der damaligen NRWGlüSpVO - ob des weiteren Beurteilungs- und Prognosespielraums des bayerischen Landesgesetzgebers bei seiner Regelung durch Parlamentsgesetz, soweit ersichtlich, nicht übertragbar (vgl. Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 80 Rn. 21 ff.). Die Abstandsregelung genügt auch dem Bestimmtheitsgrundsatz, insbesondere soweit sich die Regelung auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahre „richten“, erstreckt und damit hinreichend bestimmbar den geschützten Kreis nach dem Angebot bzw. Zuschnitt einer Einrichtung festlegt bzw. abgrenzt.
(iii) Auch unter den von der Antragstellerin angeführten Vertrauensschutzgesichtspunkten ist eine Unverhältnismäßigkeit nicht zu erkennen. Die Situation stellt sich insoweit deutlich anders dar, als bei der Schaffung der Abstandsregelungen für Spielhallen, die mit entsprechenden Übergangs- bzw. Befreiungsregeln (vgl. näher zum Hintergrund nur LT-Drs. 18/11128, S. 160 f.) einherging. Denn bei den Spielhallen wurde seinerzeit eine erstmalige glücksspielrechtliche Erlaubnispflichtigkeit geschaffen, die neben die gewerberechtliche Erlaubnispflicht nach § 33i GewO trat. Damit wurde bei Bestandsspielhallen in eine unanfechtbare, regelmäßig auch zeitlich unbefristete Genehmigung eingegriffen, aus der sich möglicherweise eine wehrfähige Rechtsposition ergeben könnte (vgl. hierzu etwa VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 76 m.w.N.) Vorliegend verhält es sich aber deutlich anders. Denn bereits der Glücksspielstaatvertrag vom 15. Dezember 2011 sah in § 10a Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 die Erlaubnispflichtigkeit eines Betriebs von Wettvermittlungsstellen für Sportwetten vor. Letztlich konnten solche Erlaubnisse nicht erteilt werden, da das Konzessionierungsverfahren für die Veranstalter von Sportwetten nicht beendet wurde. Der Betrieb von entsprechenden Einrichtungen wurde deshalb mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts lediglich geduldet. Das bloße Absehen von einem repressiven Einschreiten gegen ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten lässt sich mit einer behördlichen Genehmigung, die eine Legalisierungswirkung für die von ihr erlaubte Tätigkeit entfaltet, indes nicht gleichsetzen (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 45). Auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. u.a. OVG NRW, U.v. 23.1.2017 - 4 A 3244/06 - juris; B.v. 20.2.2017 - 4 B 609/16 - juris; B.v. 29.3.2017 - 4 B 919/16 - juris) steht dem nicht entgegen. Die Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da in Bayern keine rechtmäßigen Wettvermittlungsstellen bestanden. Ein Vertrauen auf den weiteren, längerfristigen oder gar zeitlich unbefristeten Betrieb der Wettvermittlungsstellen konnten Inhaber von Wettvermittlungsstellen nach alledem von vornherein nicht bilden. Vielmehr mussten sie jederzeit, insbesondere auch bei der aufgrund der Laufzeit absehbaren Verabschiedung eines neuen Glückspielstaatsvertrages, mit einer Änderung der Rechtslage und weitergehenden Anforderungen an den Betrieb der Wettvermittlungsstellen rechnen. Dies galt umso mehr, als in anderen Bundesländern, wie beispielsweise in Berlin, schon nach der alten Rechtslage Abstandregelungen für Wettvermittlungsstellen vorgesehen waren. Soweit die Betreiber vor diesem Hintergrund unter Berufung auf die unionsrechtswidrige Ausgestaltung des Sportwettmonopols und ihre Grundfreiheiten längerfristige Verbindlichkeiten eingingen oder größere Investitionen tätigten, geschah dies bewusst unter der Inkaufnahme des Risikos zeitnaher Rechtsänderungen, die zur Überwindung der im bisherigen System vorhandenen Defizite in jedem Fall erfolgen mussten. Insbesondere verlangt auch das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des damaligen Sportwettmonopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es einem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 35; vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 77). Daran gemessen bestand - ungeachtet eines etwaigen formalen Duldungsbescheids für Wettvermittlungsstellen, demgemäß Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV eine entsprechende Übergangsregelung vorsieht - kein (schutzwürdiges) Vertrauen von Betreibern einer Wettvermittlungsstelle, dem mit Blick auf die getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen durch angemessene Übergangs- bzw. Befreiungsregelungen zu begegnen gewesen wäre.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre die Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens mit der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs als LT-Drs. 18/5861 vom 28. Januar 2020 beseitigt worden, weil ein schutzwürdiges Vertrauen in die geltende Rechtslage bereits dann entfällt, wenn - wie hier ab 28. Januar 2020 - mit einer Neuregelung ernsthaft zu rechnen war (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 199). Der bis zum Inkrafttreten der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV am 17. Juni 2020 (GVBl Nr. 17/2020, S. 287) jedenfalls „faktisch“ geschaffene Übergang von etwa vier Monaten erweist sich vor dem obigen Hintergrund als (noch) ausreichend. Innerhalb dieser Frist lassen sich in der Regel die mit der ggf. notwendigen Aufgabe des Betriebs verbundenen Maßnahmen, wie etwa die Kündigung von Arbeitsverträgen oder des Mietvertrages für Räumlichkeiten und Geräte ergreifen, jedenfalls hinreichend einleiten (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 77 zu einer neunmonatigen Frist). Dabei drohte wegen der Eingliederung in die Vertriebsorganisation eines Sportwettveranstalters außerdem lediglich in begrenztem Maße ein Verlust des Kundenstamms (vgl. ebd.). Ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen besteht gerade nicht (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 199).
(iv) Entgegen dem Einwand der Antragstellerin liegt in diesem Kontext auch keine rechtswidrige Anknüpfung an den „Duldungsbescheid“ nach Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV vor. Wie bereits dargelegt konnten Betreiber einer Wettvermittlungsstelle im Grunde von vornherein kein (schutzwürdiges) Vertrauen bilden, dem mit Blick auf getroffene wirtschaftliche Dispositionen durch angemessene Übergangs- und Befreiungsregelungen wie im Spielhallenbereich zu begegnen gewesen wäre. Gleichwohl bestimmt die nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft tretende Regelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV, dass das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war, keine Anwendung findet. Aufgrund des damals gestoppten Verfahrens zur Erteilung der Konzessionen für Sportwettveranstalter konnten keine Erlaubnisse für Wettvermittlungsstellen erteilt werden. Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben insbesondere zur Zuverlässigkeit des Betreibers und zum Spielerschutz effektiver überprüfen zu können, hat Bayern im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Wettvermittlung für Wettvermittlungsstellen der Veranstalter, die im Konzessionsverfahren bereits die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben - insbesondere zur Zuverlässigkeit und zum Spielerschutz - nachgewiesen haben, die Möglichkeit eröffnet, eine formelle Duldung zu erhalten. Diejenigen Anbieter bzw. Betreiber der Wettvermittlungsstellen, die sich dem Duldungsverfahren freiwillig unterworfen haben, war durch die Schaffung einer Übergangsregelung insoweit zu begegnen, als im Vertrauen auf den Bestand des formalen Duldungsbescheids getätigte Investitionen in begrenzten Maße schutzwürdig sind (vgl. dazu auch LT-Drs. 18/5861, S. 12). Diesen alleinigen, rechtlich nicht zu beanstandenden Anknüpfungspunkt des Vertrauensschutzes sieht die Antragstellerin nicht. Die von ihr zitierte Judikatur (vgl. u.a. EuGH, U.v. 4.2.2016 - C-336/14 - Ince - juris; BayVGH, U.v. 8.3.2018 - 10 B 15.990 - juris; OVG NRW, U.v. 23.1.2017 - 4 A 3244/06 - juris; HessVGH, B.v. 29.5.2017 - 8 B 2744/16 - juris) zur Frage der Notwendigkeit der Teilnahme an einem Duldungsverfahren bzw. dessen Verfassungs- und Unionsrechtskonformität zieht die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Anknüpfungspunktes daher nicht in Zweifel.“
53
Diese in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen macht sich die streitentscheidende Kammer zu eigen und schließt sich ihnen vollumfänglich an.
54
Auch der Einwand der Antragstellerin, wonach die Europarechtswidrigkeit der streitentscheidenden Normen darauf beruhe, dass das Sportwettenkonzessionsverfahren europarechts- bzw. verfassungswidrig sei, verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Die Antragstellerin beruft sich diesbezüglich auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 1.4.2020 (3 L 446/20.DA - juris). Die seitens der Antragstellerin zitierte Entscheidung betrifft ausschließlich das Erlaubnisverfahren für Veranstalter von Sportwetten und nicht die Erlaubniserteilung für Sportwettenvermittlungsstellen. Nach Auffassung der Kammer kann deshalb dahinstehen, inwieweit das derzeit geltende Konzessionierungsverfahren für Veranstalter von Sportwetten rechtmäßig ist (vgl. dazu: VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - 22.765 - juris Rn. 106); denn selbst bei Rechtswidrigkeit wäre die Antragstellerin dadurch nicht in subjektiven Rechten verletzt. Sie vermittelt Sportwetten des Veranstalters Y. …, der als Veranstalter konzessioniert ist. Deshalb erschließt sich dem Gericht nicht, wie die Antragstellerin durch ein vermeintlich mit Verfahrensfehlern behaftetes Konzessionierungsverfahren bei der Erteilung der Konzession für die Y. … in eigenen Rechten verletzt sein sollte.
55
(2) Aufgrund der im Eilrechtschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung hat das Gericht auch keine Bedenken hinsichtlich der Kohärenz der streitgegenständlichen Regelung.
56
Das Kohärenzgebot besagt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV nur gerechtfertigt sind, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung der zu ihrer Rechtfertigung angeführten Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (BayVGH, U.v. 26.6.2012 - 10 BV 09.2259 - juris Rn. 68 unter Hinweis auf: EuGH U.v. 6.11.2003 - C-243/01 Gambelli u.a. - juris Rn. 67; EuGH U.v. 10.3.2009 - C-169/07 Hartlauer - juris Rn. 55; EuGH U.v. 8.9.2009 - C-42/07 Liga Portuguesa de Futebol Profissional - juris Rn. 61; EuGH U.v 3.6.2010 - C-258/08 Ladbrokes Betting & Gaming - juris Rn. 21; vgl. auch BVerwG U.v. 1.6.2011 - 8 C 5.10 - juris Rn. 32). Außerdem dürfen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, um den unionsrechtlichen Anforderungen zu genügen, nicht in diskriminierender Weise angewandt werden (BayVGH, U.v. 26.6.2012 - 10 BV 09.2259 - juris Rn. 69; vgl. EuGH U.v. 30.11.1995 - C-55/94 Gebhard - juris Rn. 37; EuGH U.v. 06.11.2003 - C-243/01 Gambelli u.a. - juris Rn. 65; EuGH U.v. 6.3.2007 - C-338/04 Placanica - juris Rn. 45; BVerwG, U.v. 1.6.2011 - C 5.10 - juris Rn. 32). Ein Mitgliedstaat darf somit nicht scheinbar legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können.
57
Unter Anlegung dieses Maßstabs verstoßen die glücksspielrechtliche Erlaubnispflicht und die Abstandsregelung für Wettvermittlungsstellen nicht gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Die zu überprüfenden Regelungen werden nicht durch das Vorgehen in anderen Glücksspielsektoren in der Weise konterkariert, dass ihre Geeignetheit zur Erreichung der verfolgten Ziele in Frage stünde. Der gesamte Glücksspielmarkt ist zunehmend strengen Regeln unterworfen, wobei diese sich in ihrer konkreten Ausgestaltung durchaus voneinander unterscheiden. Die im Staatsvertrag ausgewiesenen Ziele, namentlich die Belange der Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) und des Jugend- und Spielerschutzes (§ 1 Nr. 3 GlüStV) sowie die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV) stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen können (BVerwG, U.v. 24.11.2010 - 8 C 14.09 - juris Rn. 69). Dass die verschiedenen Glücksspielformen dabei unterschiedlichen Regelungen unterworfen sind, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums aber insgesamt Bestimmungen gewählt hat, die ein kohärentes Konzept der Spielsuchtbekämpfung bilden. Durch die strengere Reglementierung des Bereichs der Sportwetten soll gerade den Anforderungen an eine systematische und kohärente Normierung des gesamten Glücksspielbereichs Rechnung getragen werden.
58
Bedenken hinsichtlich der Kohärenz folgen insbesondere nicht aus dem Umstand, dass für Lotto-Annahmestellen kein Mindestabstand zu allgemeinbildenden Schulen vorgesehen ist. Insofern ist zu bedenken, dass es bei der Festlegung eines Mindestabstandsgebots nicht um eine Monopolisierung bestimmter Glücksspielarten geht, sondern lediglich um eine räumliche Steuerung der Angebote. Deshalb kann im Rahmen der Betrachtung der Kohärenz auch nicht verlangt werden, dass der Gesetzgeber für alle Glücksspieltypen gleichförmige Regelungen trifft, konkret also dafür Sorge trägt, dass in dem vorgesehenen Mindestabstand zu Schulen jegliches Angebot an Glücksspielen gesetzlich ausgeschlossen ist. Dies wäre lediglich dann angezeigt, wenn auch andere Formen des Glücksspiels in gleicher Weise Gefahren für Kinder und Jugendliche erzeugten, was indes nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist (vgl. B. 1. g) aa) (1)). Der Gesetzgeber durfte deshalb eine differenzierte Gefahreneinschätzung treffen und abweichende gesetzliche Rahmenbedingungen für Lotto-Annahmestellen schaffen (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 Stoß - juris Rn. 90 ff; BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 52). Dies gilt umso mehr als Lotto-Annahmestellen auf Grund ihres Gepräges von vornherein nicht geeignet erscheinen, in gleichem Maße anziehend auf Kinder und Jugendliche zu wirken. Sie unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf Art und Umfang der angebotenen Glücksspiele. Der überwiegende Teil des Angebots besteht aus Lotterien. In Bezug auf Sportwetten gibt es eine wesentlich geringere Angebotspalette. Insbesondere fehlt es an Livewetten auf Sportereignisse, denen ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird. Zur Wesensverschiedenheit trägt zusätzlich der Umstand bei, dass Lotto-Annahmestellen neben dem staatlichen Glücksspielangebot Artikel des täglichen Lebens wie Zeitungen, Tabakwaren, Schreibwaren, Getränke und Snacks führen, so dass auch Kunden, die nicht an einem Glücksspiel teilnehmen wollen, den Eindruck der Annahmestelle prägen. Schon deshalb ist ihnen eine völlig andere Gestaltung und Atmosphäre eigen. Die Tatsache, dass dort auch Kunden ein- und ausgehen, die mit gewöhnlichen, ihren Alltagsbedarf deckenden Bedürfnissen befasst sind, gibt ihnen ein anderes, alltäglicheres und weniger auf die Befriedigung des Spieltriebs ausgerichtetes Gepräge. In einer Wettvermittlungsstelle hingegen finden sich ausschließlich Kunden, die Sportwetten abschließen möchten und sich hierfür gegebenenfalls auch über Stunden in den typischerweise aufgrund ihrer Gestaltung und ihres Angebots zum längeren Verweilen einladenden Räumlichkeiten aufhalten (VG Berlin, B.v. 12.6.2020 - 4 L 290/19 - juris Rn. 34 ff.).
59
Nach alledem ist nicht zu erwarten, dass ein Mindestabstand für Wettvermittlungsstellen zu einer stärkeren Wahrnehmung und ggf. Nutzung in der Umgebung von Schulen befindlicher Lotto-Annahmestellen führt und damit das gesetzgeberische Ziel einer Begrenzung des Einflusses von Glücksspielen auf Kinder und Jugendliche konterkariert (so auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 68 ff.; VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - juris Rn. 98 ff.; VG Augsburg, B.v. 29.7.2022 - Au 8 S 22.1487 - noch nicht veröffentlicht Rn. 66 ff.; vgl. zur Rechtslage in NRW: VG Köln, U.v. 5.10.2022 - 24 K 1475/21 - juris Rn. 352 ff.).
60
bb) Das Gericht vermag schließlich auch keine Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Normen zu erkennen. Nach summarische Prüfung ist eine Grundrechtsverletzung nicht ersichtlich.
61
(1) Die streitgegenständliche Abstandsregelung greift in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Konkret liegt eine Berufsausübungsregelung vor, die sich nicht auf die Freiheit der Berufswahl auswirkt. Die Abstandsregelung bestimmt ausschließlich die Art und Weise der Ausübung des Berufs als Wettvermittler. Nach der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend dazu: BVerfG, U.v. 11.6.1958 - 1 BvR 95/56 - juris Rn. 75 ff. = BVerfGE 7, 37) sind derartige Regelungen bereits dann gerechtfertigt, wenn sie sich auf vernünftige Gründe des Gemeinwohls stützen lassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. auch BVerfG, B.v. 12.1.2016 - 1 BvL 6/13 - juris Rn. 52 = BVerfGE 141, 82). Es ist dabei vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.1.2015 - 1 BvR 931/12 - juris Rn. 53 f. m.w.N.).
62
Gemessen hieran stellen sich die Abstandsregelungen als verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar. Die Abstandsregelung verfolgt in erster Linie die Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes und ist - was bereits ausgeführt wurde - hierfür auch geeignet und angemessen (vgl oben B. 1. g) aa) (1)). Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Berufsausübung von Betreibern von Wettvermittlungsstellen ist für die betroffenen Gewerbetreibenden hinnehmbar, da sie ohne weiteres auf andere Standorte ausweichen können, bei denen kein Konflikt mit der geltenden Abstandsregelung besteht. Den betroffenen Unternehmen ist dies zuzumuten, weshalb eine gerechtfertigte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt. Insbesondere vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Standortkapazität für Wettvermittlungsstellen derart erschöpft ist, dass die Abstandsregelung faktisch eine Kontingentierung bewirkt und somit auch die Berufswahl einschränkt (so auch VG Augsburg, B.v. 4. 7. 2022 - Au 8 S 22.765 - juris Rn. 110).
63
(2) Auch im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG begegnet die geltende Abstandsregelung keinen Bedenken. Ein Eingriff in die Eigentumsgarantie käme insoweit in Betracht, wenn der Gesetzgeber bei der Neuregelung Vertrauensschutzgesichtspunkte außer Acht gelassen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, was bereits oben dargestellt wurde (vgl. B. 1. g) aa) (1)). Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.
64
(3) Zuletzt vermag das Gericht auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Ein Verstoß liegt weder darin begründet, dass für staatliche Lotto-Annahmestellen, die auch Sportwetten (ODDSET) anbieten, keine Abstandsregelungen gelten, noch darin, dass nur für Sportwettvermittlungsstellen, für die am 16.6.2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10.12.2019 beantragt worden war, die Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV gilt, nach der die betroffenen Wettvermittlungsstellen bis zum 31.12.2022 keine Abstände zu Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 4 GlüStV 20221 einhalten müssen.
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Für die Ungleichbehandlung staatlicher Lotto-Annahmestellen, die auch ODDSET-Sportwetten anbieten, und nichtstaatlichen Sport Wettvermittlungsstellen besteht ein sachlicher Grund. Schon aufgrund ihres allgemeinen Gepräges sind Lotto-Annahmestellen nicht gleichermaßen geeignet, Kinder und Jugendliche bzw. Betroffene von Suchtberatungs- bzw. Suchtbehandlungsstellen anzuziehen. Von nichtstaatlichen Sportwettvermittlungsstellen unterscheiden sie sich vor allem im Hinblick auf die Art und den Umfang der angebotenen Glücksspiele. Der überwiegende Teil des Angebots besteht aus Lotterien. Das Angebot an Sportwetten ist bei weitem nicht so weit gefächert, wie bei nichtstaatlichen Anbietern. So gibt es etwa keine Livewetten, denen ein besonders hohes Suchtpotenzial zugeschrieben wird. Im Regelfall gibt es darüber hinaus neben dem staatlichen Glücksspielangebot auch Artikel des täglichen Lebens wie Zeitungen, Tabakwaren, Schreibwaren, Getränke und Snacks, weshalb sich dort häufig Kunden aufhalten, die nicht in erster Linie Sportwetten abschließen wollen und deshalb dort länger verweilen. Die Anziehungswirkung staatlicher Lotto-Annahmestellen ist somit nicht vergleichbar mit dem Angebot und der Atmosphäre nichtstaatlicher Wettvermittlung stellen, deren Räumlichkeiten zum längeren Verweilen einladen (vgl. bereits oben B. 1. g) aa) (2) sowie VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - 8 S 22.765 - juris Rn. 101; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 69).
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Auch durch den Umstand, dass durch Bescheid geduldete Sportwettvermittlungsstellen noch bis zum 31.12.2022 keinen Mindestabstand zu Schulen etc. einhalten müssen (vgl. Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV), wird die Antragstellerin nicht ungerechtfertigt benachteiligt. Auch für diese Ungleichbehandlung besteht ein sachlicher Grund. Da nämlich aufgrund des gestoppten Verfahrens zur Erteilung von Konzessionen für Sportwettveranstalter keine Erlaubnis für Wettvermittlungsstellen erteilt werden konnten, hat Bayern im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Wettvermittlung die Möglichkeit der Erteilung eines formalen Duldungsbescheids eröffnet (vgl. bereits oben B. 1. g) aa) (1)). Mit der Erteilung eines derartigen Bescheids wurde aber bei den betroffenen Unternehmen ein konkreter Vertrauenstatbestand geschaffen, der wiederum zugleich die Schaffung einer Übergangsregelung rechtfertigt. Da die Antragstellerin einen derartigen Duldungsbescheid gerade nicht besitzt, besteht dieser Anknüpfungspunkt bei ihr nicht (VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - 8 S 22.765 - juris Rn. 98).
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2. Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, 29 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 31, 36 Abs. 1 und Abs. 5 VwZVG. Die Höhe der Zwangsgeldandrohungen, die sich nach dem wirtschaftlichen Interesse für die Antragstellerin richtet, ist nach summarischer Prüfung mit Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG vereinbar. Für das Gericht bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sein könnte.
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Zwar hat der Antragsgegner für die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung in Ziffer 2.1 des Bescheids keine Frist gesetzt und die sofortige Unterlassung der Vermittlung neuer Wettverträge mit der Bekanntgabe des Bescheids gefordert. Dies steht aber nur vermeintlich im Widerspruch zur Regelung des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, der für die Erfüllung der mit einer Zwangsgeldandrohungen durchzusetzenden Verpflichtung die Bestimmung einer angemessenen Frist fordert. Nach überwiegender Auffassung gilt dieses Erfordernis nämlich nur für die Durchsetzung von Handlungs-, nicht aber von Duldungs- oder Unterlassungspflichten (vgl nur BayVGH, B.v. 24.4.2013 - 22 CS 13.590 - juris Rn. 14; B.v. 15.6.2000 - 4 B 98.819 - juris Rn. 20 m.w.N. sowie VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - juris Rn. 119). In derartigen Fällen ist eine Fristsetzung nur ausnahmsweise erforderlich, wenn die Erfüllung der Duldung- oder Unterlassungspflichten weitere Handlungen oder Vorkehrungen nötig macht und dem Betroffenen daher eine gewisse Reaktionsfrist eingeräumt werden muss. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Vermittlung von Sportwetten kann ohne weiteres sofort eingestellt werden. Problematisch ist ausschließlich die Abwicklung bereits geschlossener Verträge sowie die Beseitigung der technischen Einrichtungen in den Geschäftsräumen. Für die Erfüllung dieser Verpflichtungen wurden der Antragstellerin aber ausreichend lange Fristen eingeräumt.
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Im Ergebnis war der Antrag daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. dort. Nrn. 1.5, 1.7.2, 54.1).