Titel:
Auskunftsanspruch, Stufenklage, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vermögensrechtliche Ansprüche, Versicherungsnehmer, Versicherungsschein, Rechtshängigkeit, Versicherungsvertrag, Aufbewahrungspflicht, Rückzahlungsanspruch, Dsgvo, Kostenentscheidung, Nutzungsentschädigung, Personenbezogene Daten, Streitwert, Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, Private Krankenversicherung, Erteilung der begehrten Auskunft, Hinweisbeschluss, Klageabweisung
Schlagworte:
Stufenklage, Auskunftsanspruch, § 3 Abs. 3 S. 1 VVG, Art. 15 DSGVO, § 242 BGB, § 810 BGB, Aufbewahrungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32823
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klageseite begehrt Auskunft über die von der Beklagten vorgenommenen Prämienanpassungen in den Jahren 2008 bis 2019.
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Die Klageseite unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung.
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Mit anwaltlichen Schreiben vom 28.03.2022 forderte die Klageseite die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung überzahlter Beiträge und Auskunft über Unterlagen auf.
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Die Klageseite ist der Ansicht, der Auskunftsanspruch sei begründet und ein Vorgehen im Wege der Stufenklage zulässig. Es sei davon auszugehen, dass die Prämienerhöhungen der Beklagten zumindest formell unwirksam sind, da die mitgeteilten Begründungen jeweils nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG entsprechen.
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Auch seien die Ansprüche nicht verjährt. Die Klageseite habe daher nach Erteilung der begehrten Auskunft einen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit, Rückzahlung der rechtsgrundlos geleisteten Prämien und Anpassung der Prämienhöhe für die Zukunft sowie auf Nutzungsentschädigung.
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Die Klageseite beantragt:
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei Auskunft über von der Beklagten zum Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer erteilten Nachträge zum Versicherungsschein der Jahre 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 zu erteilen, soweit diese die private Krankenversicherung betreffen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, nach Erteilung der Auskunft erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite nach Erteilung der Auskunft einen Betrag in noch zu bestimmender Höhe nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 4.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Beitragserhöhungen gezahlt hat.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass es an einer Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Auskunftsanspruch fehle und ein Vorgehen im Wege der Stufenklage bereits unzulässig sei. Etwaige Rückzahlungsansprüche wären jedenfalls verjährt. Die Einrede der Verjährung wird erhoben.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Parteien haben ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet.
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Die im Wege der Stufenklage verfolgten Anträge Ziffern 2) und 4) sind bereits unzulässig, da die Voraussetzungen für eine Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO nicht vorliegen. Die Verbindung zwischen Auskunfts- und Leistungsanspruch in der in § 254 ZPO vorgesehenen Weise ist entsprechend dem Zweck der Vorschrift nur zulässig, wenn der Kläger mit der Auskunft erstrebt, den Leistungsanspruch zu beziffern oder in sonstiger (der Bezifferung vergleichbarer) Weise zu konkretisieren (vgl. Bacher in: BeckOK ZPO, 43. Auflage, § 254 Rn. 4). Dies ist vorliegend nicht der Fall, vielmehr begehrt der Kläger die Auskunft mit dem Ziel, seine Ansprüche überhaupt erst zu benennen. Im Zusammenhang mit dem gemäß Klageantrag Ziffer 2) geltend gemachten Anspruch sind noch keine Erhöhungen angegeben, es fehlt demnach nicht lediglich an einer Bezifferung, sondern schon an der Beschreibung der Grundlage für einen vom Kläger vermuteten Rückzahlungsanspruch und damit an der Bestimmtheit des Antrags (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 24.11.2021, Az.: 14 U 6205/21, BeckRS 2021, 40311).
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Die Klageseite hat keinen Anspruch auf Auskunft.
I. Kein Auskunftsanspruch
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Das Oberlandesgericht München hat in seiner Entscheidung vom 24.11.2021 (OLG München, Hinweisbeschluss vom 24.11.2021, Az.: 14 U 6205/21, BeckRS 2021, 40311 und auch OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 – 20 U 269/21, r+s 2022, 93), der sich das Gericht vollumfänglich anschließt, einen Auskunftsanspruch in einem gleichgelagerten Sachverhalt abgelehnt. Keine der von der Klageseite aufgeworfenen Anspruchsgrundlagen eröffnet den von ihr geltend gemachten Auskunftsanspruch. Dieser Auffassung haben sich inzwischen weitere Oberlandesgericht angeschlossen (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03.2022 – 8 U 2907/21, VersR 2022, 622; OLG Dresden, Urteil vom 29.03.2022 – 4 U 1905/21, BeckRS 2021, 25249).
1. Kein Anspruch aus § 3 Abs. 3 S. 1 VVG
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Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 3 S. 1 VVG, da Rechtsfolge dieser Vorschrift nicht die begehrte Auskunft ist. Das Oberlandesgericht München führt insoweit aus:
„Mit der Neuausstellung des Versicherungsscheins hätte der Kläger nicht den Zweck erreicht, den sein Auskunftsantrag (Berufungsantrag 3) verfolgt und der sich ausweislich seiner 3-gliedrigen ausdifferenzierten Struktur darauf richtet, die Beitragserhöhungen unterlagenmäßig und in strukturierter Form neu aufbereitet zu erhalten.“
2. Kein Anspruch aus Art. 15 DSGVO
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Auch ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus Art. 15 DSGVO Dies schon deshalb nicht, weil es sich bei den Tarifprämien nicht um personenbezogene Daten im Sinne der Vorschrift handelt. Tarifprämien geben Aufschluss darüber, welcher Preis die durch den Versicherungsvertrag verwirklichte Vorsorge dieser Person hat. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO.
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Darüber hinaus ist Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht die Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem dahinterstehenden Ziel, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen. Vielmehr bezweckt die DSGVO eine effektive Kontrolle des jeweiligen Betroffenen darüber, welche Daten der Verantwortliche besitzt und was weiter damit geschieht. Soweit Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Durchsetzung von Ansprüchen des Betroffenen bezweckt, geht es hierbei nicht um vermögensrechtliche Ansprüche, sondern um persönliche Ansprüche aus dem 3. Abschnitt, so etwa Löschungsansprüche.
3. Kein Anspruch aus § 242 BGB
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Weiterhin besteht ein Auskunftsanspruch auch nicht nach § 242 BGB.
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Entgegen des klägerischen Vortrags bringt es die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung nicht mit sich, dass der Kläger in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen ist (vgl. Klageschrift).
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Unstreitig hat der Kläger von der Beklagten zu den jeweiligen Zeitpunkten die Unterlagen betreffend die Beitragsanpassungen erhalten. Dass sie ihm nicht mehr vorliegen, macht seine Ungewissheit nicht entschuldbar. Entsprechende Gründe sind nicht dargelegt.
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Wie dem Gericht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle, bei welchen die entsprechenden Unterlagen stets von Seiten des Versicherungsnehmers vorgelegt werden, jedoch geläufig ist, ist eine Aufbewahrung üblich und sinnvoll, sodass – jedenfalls mangels entsprechenden Vortrags – nicht von einer entschuldbaren Unkenntnis ausgegangen werden kann.
4. Kein Anspruch aus § 810 BGB
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Ein Auskunftsanspruch besteht auch nicht aus § 810 BGB.
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Rechtsfolge von § 810 BGB ist ein Akteneinsichtsrecht, das vorliegend jedoch nicht geltend gemacht wird.
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Das Oberlandesgericht München führt insoweit aus:
„Die Übermittlung strukturiert zusammengestellter und insoweit systematisch aufbereiteter Unterlagen ist mit einer Akteneinsicht weder identischen noch ist das eine zum anderen ein wie auch immer geartetes Minus.“
5. Kein Anspruch aus etwaiger Aufbewahrungspflicht der Beklagten
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Auch aus einer Aufbewahrungspflicht, der die Beklagte unterliegen mag, folgt nicht ein Recht des Klägers auf die begehrte Auskunft. Soweit Versicherer zur Aufbewahrung von Unterlagen verpflichtet sind, verfolgt der Gesetzgeber damit kein Anliegen des Vertragspartners, insbesondere nicht, diesem später die Durchsetzung eigener Rechte zu ermöglichen.
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Die Klageseite hat gegen die Beklagte mangels Anspruch in der Hauptsache auch keinen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 711 ZPO.
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Die Höhe des Streitwerts wird auf 5.100,00 € geschätzt.