Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 16.09.2022 – AN 16 K 20.02557
Titel:

Schadensersatz wegen versehentlich falscher Einweisung in das Einstiegsamt A 9 beim gehobenen technischen Verwaltungsdienst

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BBesG § 23 Abs. 2 S. 1
BLV § 7 Nr. 2a, § 8
BBG § 16 Abs. 2
BGB § 195, § 199 Abs. 1
Leitsatz:
Die Ernennung im gehobenen technischen Verwaltungsdienst unter gleichzeitger versehentlicher Einweisung in das Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 9 (anstatt A 10) begründet einen beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch dahingehend, im Wege des Schadensersatzes dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als sei zum Zeitpunkt der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe eine Einweisung in die Besoldungsgruppe A 10 erfolgt. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, beamtrenrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen zu niedrigem Eingangsamt (bejaht), schuldhafte Pflichtverletzung des Dienstherrn (, Verjährung (verneint), beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch, zu niedriges Eingangsamt, Eingruppierung in A 9, Eingruppierung in A 10, gehobener technischer Verwaltungsdienst, schuldhafte Pflichtverletzung des Dienstherrn, Verwaltungsakt, Sekundärschutz, mit einem Bachelor abgeschlossenes naturwissenschaftliches Hochschulstudium
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32739

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2020 wird in Ziffer 2 aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als sei sie im Zeitpunkt ihrer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe am … 2016 in das Eingangsamt der Besoldungsgruppe A10 im gehobenen technischen Verwaltungsdienst eingestuft worden.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin, eine Lebenszeitbeamtin im gehobenen technischen Verwaltungsdienst des Bundes, begehrt Schadensersatz zum Ausgleich der Folgen der Verleihung eines ihrer Ansicht nach zu niedrigen Eingangsamtes.
2
Die Klägerin verfügt über einen an der Fachhochschule … erworbenen Bachelorsowie Masterabschluss im Studiengang „Werkstofftechnik“.
3
Nachdem sie sich erfolgreich auf eine Stellenausschreibung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Urkundensachverständige beim … beworben hatte, wurde die Klägerin am … 2016 als Tarifbeschäftige in die Entgeltgruppe E11 TVöD (Bund) eingestellt.
4
Sie absolvierte anschließend eine Ausbildung zur Urkundensachverständigen in der physikalisch-technischen Urkundenprüfung (PTU), die sie mit Bestallung zur Urkundensachverständigen zum … 2020 abgeschlossen hat.
5
Am … 2016 wurde die Klägerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Regierungsinspektorin (A9g) ernannt.
6
Mit Schreiben vom 21. Februar 2017 teilte … der Klägerin mit, sie verfüge gemäß § 20 Satz 1 Nr. 2 BLV über einen an einer Hochschule erworbenen Abschluss, der zusammen mit der bereits geleisteten hauptberuflichen Tätigkeit geeignet sei, die Befähigung für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst festzustellen.
7
Mit Schreiben vom 16. Juni 2017 teilte … der Klägerin mit, ihre Probezeit ende mit Ablauf des … 2018. Ihr könnten bei der Berechnung der Probezeit mehrere Tätigkeiten angerechnet werden, die der Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes entsprochen hätten.
8
Mit Wirkung zum … 2018 wurde die Klägerin zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt.
9
Mit E-Mail vom 6. Dezember 2018 fragte die Klägerin beim Personalreferat … an, ob es beim … Unterschiede bei der Verbeamtung im gehobenen nichttechnischen und technischen Dienst hinsichtlich der Besoldungsgruppe im Eingangsamt sowie der festgelegten Tätigkeiten gebe. In der Infoport-Nachricht des Referats … stehe unter dem Punkt Hinweis: „In den Bereichen der IT sowie der PTU kann ausnahmsweise eine Verbeamtung in der Fachrichtung des technischen Verwaltungsdienstes in Betracht kommen.“ In einem Artikel des Beamtenmagazins habe sie gelesen, dass für die Laufbahngruppe „gehobener Dienst“ für den technischen Dienst die Eingangsämter mit A10 eingestuft würden.
10
Am … 2019 wurde die Klägerin zur Regierungsoberinspektorin (A10) ernannt.
11
Mit E-Mail vom 31. Oktober 2019 fragte die Klägerin bei Referat … … an, weshalb sie nicht im Eingangsamt A10 bzw. A11 der Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes nach § 23 BBesG zugelassen worden sei.
12
Mit E-Mail vom 22. November 2019 teilte der Referatsleiter des Referats … der Klägerin mit, dass Beamte des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BBesG in der Tat im Eingangsamt A10 bzw. A11 ernannt würden. Diese Gesetzesvorschrift habe bei der Ernennung der Klägerin versehentlich keine Anwendung gefunden. Tatsächlich sei dem … bei der Ernennung der Klägerin ein Fehler unterlaufen, die Ernennung hätte im Eingangsamt A10 erfolgen sollen. Da die Ernennung ein Verwaltungsakt sei, der Bestandskraft habe, könne dieses Versehen rechtlich nicht mehr korrigiert werden. Eine rückwirkende Ernennung im Eingangsamt A10 könne nicht erfolgen. Die Einwände hätten vor der Ernennung vorgetragen werden müssen. Für eine nachträgliche Beförderung oder eine Sprungbeförderung gebe es keine Gesetzesgrundlage.
13
Mit E-Mail vom 17. Dezember 2019 bat die Klägerin um eine Lösung, wie der ihr dadurch entstehende und bereits entstandene Einkommensnachteil behoben werden könne.
14
Mit Schreiben vom 17. Juli 2020 forderte der Klägerbevollmächtigte die Beklagte auf, der Klägerin unverzüglich das statusrechtliche Amt der Besoldungsgruppe A11 zuzuweisen. Anderenfalls würde die Klägerin die Differenz zwischen dem Gehalt für die Besoldungsgruppe A9g und der Besoldungsgruppe A10 gerichtlich geltend machen.
15
Mit Bescheid vom 10. August 2020 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf rückwirkende Ernennung in der Besoldungsgruppe A10 oder A11 gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG (Ziff. 1) sowie einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 BGB ab (Ziff. 2). Die Klägerin sei zwar im gehobenen technischen Dienst ernannt worden, die unterbliebene Anwendung von § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG sei jedoch ein Versehen gewesen, das nicht rückgängig gemacht werden könne. Die Klägerin hätte gegen die Ernennung Rechtsmittel einlegen müssen. Im Übrigen sei der Schadensersatzanspruch verjährt.
16
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2020 zurück. § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG habe zu Recht keine Anwendung gefunden, zumindest treffe die Beklagte kein Verschulden hinsichtlich der unterbliebenen Anwendung auf die Klägerin. Die Zuweisung in die Besoldungsgruppe A9 gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 BBesG sei rechtlich nicht zu beanstanden. Sinn und Zweck der mit Wirkung vom 22. März 2012 beschlossenen Neufassung des § 23 Abs. 2 BBesG sei die Fachkräftegewinnung von Personen, gerade auch in der Informationstechnik. Die Klägerin verfüge über einen Bachelor- und Masterabschluss im Studiengang „Werkstofftechnik“, bei dem es sich nicht um einen Abschluss handle, der vom Willen des Gesetzgebers umfasst sei und somit auch nicht den Aufgabenbereich der Klägerin beim … betreffe. Zum Zeitpunkt der Ernennung der Klägerin zur Regierungsinspektorin im Jahre 2016 sei, abgesehen vom IT-Fachbereich, beim … keine technische Fachrichtung eingerichtet gewesen. Die Stellenausschreibung habe auch nicht speziell der Gewinnung von Technikern gedient, sondern sei auf die Fachrichtung Mediengestaltung für Digital- und Druckmedien ausgerichtet gewesen, die dem kunstwissenschaftlichen Dienst zuzuordnen sei. Nicht ersichtlich sei, welchen Mehrwert der Abschluss der Klägerin dem … im Hinblick auf die ausgeschriebene Stelle und den damit einhergehenden Dienstposten verschaffe. Beim … würden alle Beamte gleichbehandelt werden. Sämtliche Beamte, die beim … mit der Laufbahn technischer Verwaltungsdienst erfasst seien, seien in der Besoldungsgruppe A9g ernannt worden. Darunter sei auch eine Person mit vergleichbarer Vor- und Ausbildung wie sie die Klägerin habe.
17
Die Klägerin habe zudem die Obliegenheit, sich vor der Ernennung zur Regierungsinspektorin über die gesetzlichen Grundlagen zu erkundigen, verletzt. Sie hätte den aus ihrer Sicht vermeintlichen Schaden vor dessen Eintritt geltend machen müssen. Darüber hinaus seien Ansprüche im Zusammenhang mit der Ernennung aus dem Jahre 2016 mit Ablauf des 31. Dezember 2019 verjährt.
18
Die Klägerin ließ hiergegen am 26. November 2020 Klage erheben.
19
Am … 2020 wurde die Klägerin zur Regierungsamtfrau (A11) ernannt.
20
Mit ihrer Klage macht sie im Wesentlichen geltend, ihr stehe ein Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstanden sind, zu. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin in einem falschen Eingangsamt eingestellt wurde. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG sei das Eingangsamt für Beamte den Besoldungsgruppen A10 oder A11 zuzuweisen, soweit für die Zulassung zur Laufbahn des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes ein mit einem Bachelor abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss gefordert werde. Die Klägerin sei unter der formalen Voraussetzung eingestellt worden, dass sie ein Bachelor- oder Diplomstudium (FH) der Fachrichtung Mediengestaltung für Digital- und Druckmedien oder einer vergleichbaren naturwissenschaftlichen/technischen Fachrichtung abgeschlossen habe. Dies sei ihr mit Schreiben vom 21. Februar 2017 ausdrücklich bestätigt worden. Auch aus dem Schreiben vom 16. Juni 2017 gehe eindeutig hervor, dass die Klägerin in einem Amt der Laufbahn des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes beschäftigt werde. Demnach habe die Beklagte keinen Ermessensspielraum gehabt, von der Einstellung in einem Amt des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes abzusehen. Zu Unrecht rücke die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin in die Nähe des kunstwissenschaftlichen bzw. gestalterischen Dienstes. Das Amt der Klägerin sei der technischen Laufbahn zuzuordnen und nicht dem nichttechnischen Verwaltungsdienst.
21
Am … 2016 habe es die Laufbahn des technischen Verwaltungsdienstes im … bereits gegeben, was zahlreiche Dokumente deutlich machen würden, in denen im Zusammenhang mit der Verbeamtung und Einstellung der Klägerin durch die Personalabteilung die Begriffe „technische Laufbahn bzw. gehobener technischer Verwaltungsdienst“ verwendet worden seien. Dem Übertragungserlass des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 31. Juli 2009 könne nicht entnommen werden, dass sich das BMI die Einrichtung der technischen Laufbahn beim … in der PTU vorbehalten habe. Im Gegenteil sei in der Tabelle auf Seite 2 „Übertragung von Zuständigkeiten“ für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst die Anerkennung der Laufbahnbefähigung für alle Abschlüsse aufgeführt. Lediglich im gehobenen natursowie sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienst sei die Laufbahnbefähigung auf Abschlüsse im Bereich Informatik und Bibliothekswesen beschränkt gewesen. Zudem schließe das Schreiben des BMI vom 22. Januar 2021 nicht aus, dass es nicht schon vor dem BMI-Erlass von 2019 eine technische Laufbahn in der PTU gegeben habe. Mittlerweile werde im … in der PTU auch in der Fachrichtung des technischen Verwaltungsdienstes verbeamtet.
22
Die Klägerin habe es nicht gemäß § 839 Abs. 3 BGB analog unterlassen, durch ein zumutbares Rechtsmittel den Schaden abzuwenden, da sie keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass sie falsch eingruppiert worden sei. Ihr sei für den Zeitraum ab dem … 2016 bis zum 22. November 2019 keine grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen. Sie habe mehrmals um Auskunft gebeten, jedoch falsche Aussagen oder gar keine Auskunft bezüglich der Eingruppierung im Eingangsamt bekommen. Bereits mit E-Mail vom 6. Dezember 2018 habe sie sich an die Beklagte gewandt, aber erst mit E-Mail vom 22. November 2019 Rückmeldung erhalten, dass sie versehentlich im Eingangsamt A9 anstelle A10 verbeamtet worden sei. Frau …, ihre frühere Personalbetreuerin, habe ihr eine falsche Auskunft gegeben, indem sie in einem Gespräch im April 2019 gesagt habe, dass beim … im Eingangsamt des gehobenen Dienstes immer die Eingruppierung in A9 erfolge. Sie habe aufgrund ihrer vertraglichen Loyalitätspflicht auf die Richtigkeit der Angaben der Beklagten vertraut. Auch das Personalratsmitglied … … habe ihr mit E-Mail vom 18. Mai 2017 fälschlicherweise mitgeteilt, dass die Einstellung grundsätzlich im Eingangsamt A9 erfolge.
23
Die Einrede der Verjährung des Schadensersatzanspruches sei vorliegend nicht statthaft. Die Klägerin habe erst im Jahr 2019 erfahren, dass sie bei der Einstellung fehlerhaft eingruppiert worden sei.
24
Die Klägerin beantragt zuletzt,
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziff. 2 des Bescheides vom 10. August 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2020 verpflichtet, die Klägerin dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als sei sie zum Zeitpunkt ihrer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe am … 2016 in das Eingangsamt in der Besoldungsgruppe A10 im gehobenen technischen Verwaltungsdienst eingestuft worden.
25
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
26
In Ergänzung zur Begründung des Widerspruchsbescheides macht die Beklagte geltend, eine Verbeamtung im technischen Dienst sei gemäß des Übertragungserlasses des BMI vom 31. Juli 2009 nur nach vorheriger Zustimmung des BMI möglich gewesen, wenn die Zuerkennung der Laufbahnbefähigung mit der Einrichtung einer neuen Laufbahn in der Behörde verbunden gewesen sei. Mit dieser Regelung habe sich das BMI die Einrichtung der technischen Laufbahn bei der Beklagten vorbehalten. Die technische Laufbahn im Bereich PTU sei bei der Beklagten zum Zeitpunkt der Einstellung und Verbeamtung der Klägerin nicht eingerichtet gewesen. Aus dem Erlass des BMI vom 22. Januar 2021 sei ersichtlich, dass erst zukünftig in allen Laufbahngruppen der Laufbahn des technischen Verwaltungsdienstes Einstellungen bzw. Verbeamtungen durch das … erfolgen können, mithin auch im technischen Dienst. Eine entsprechende Bewertung und Einstufung, dass der Bereich der PTU sowohl der Laufbahn des nichttechnischen Dienstes als auch der Laufbahn des technischen Dienstes zugeordnet werden könne, sei hausintern erst im Sommer 2021 erfolgt. Die Beklagte habe somit zum Zeitpunkt der Verbeamtung der Klägerin im Jahr 2016 nicht schuldhaft gehandelt.
27
Den Vergleichsvorschlag der Beklagten, im Ausgleich der Hälfte der damaligen Klageforderung einen Betrag in Höhe von 9.280,00 EUR brutto zu bezahlen, lehnte die Klägerin ab. In der Begründung des Vergleichsvorschlags führte die Beklagte aus, sie habe am 4. Februar 2022 im Rahmen eines Verbeamtungsverfahrens erfolgreiche Bewerbende mit gleichartigen Bildungs- und Befähigungsvoraussetzungen wie die Klägerin nach Bejahung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG in die Besoldungsgruppe A10 in der Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes ernannt. Der Sachverhalt liefere daher gewisse Gleichbehandlungsaspekte.
28
Auf richterliche Verfügung legte die Beklagte am 5. September 2022 eine Übersicht der 2016 im BMI und … eingerichteten Laufbahnen sowie die zugehörigen Übertragungserlasse vor und teilte mit, dass bzgl. der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen für die Laufbahnen auf die Bandbreite des § 17 BBG und der §§ 18 bis 21 BLV zurückgegriffen werde.
29
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

30
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, im Wege des Schadensersatzes dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als sei sie zum Zeitpunkt ihrer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe am … 2016 in das Eingangsamt der Besoldungsgruppe A10 im gehobenen technischen Verwaltungsdienst eingestuft worden. Der entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 10. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2020 ist in Ziff. 2 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31
Anspruchsgrundlage ist vorliegend ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch, der unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis selbst resultiert und gegen den Dienstherrn einen Ersatzanspruch für Schäden begründet, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Pflichten entstehen. Als im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelndes und insofern „quasi-vertragliches“ Institut gewährleistet der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch Sekundärrechtsschutz für Pflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis, wie dies § 280 Abs. 1 BGB für vertragliche Schuldverhältnisse vorsieht (vgl. OVG Saarland, U.v. 18.5.2022 - 1 A 216/20 - juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 12/14 - juris Rn. 9 f.). Voraussetzung des Anspruchs ist, dass der Dienstherr eine ihm seinem Beamten gegenüber obliegende Pflicht schuldhaft verletzt (vgl. i.F. Ziff. 1 und 2), diese Pflichtverletzung kausal für einen dem Beamten entstandenen Schaden war (vgl. i.F. Ziff. 3) und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (vgl. i.F. Ziff. 4). Im Übrigen darf sich der Dienstherr auch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen können (vgl. i.F. Ziff. 5).
32
1. Eine Pflichtverletzung des Dienstherrn ist vorliegend gegeben. Sie besteht darin, dass die Beklagte die Klägerin zwar im gehobenen technischen Dienst verbeamtet hat, nicht aber die besoldungsrechtliche Konsequenz des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG hinsichtlich des Eingangsamtes gezogen hat. Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist, soweit für die Zulassung zu den Laufbahnen des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes oder des gehobenen naturwissenschaftlichen Dienstes ein mit einem Bachelor abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss gefordert wird, das Eingangsamt für Beamte mit einem solchen Abschluss der Besoldungsgruppe A10 oder A11 zuzuweisen. Der Klägerin wurde stattdessen die Besoldungsgruppe A9g zugewiesen, obwohl die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG vorlagen:
33
a) Vorliegend wurde die Klägerin im gehobenen technischen Verwaltungsdienst verbeamtet. Die Argumentation der Beklagten, die Klägerin sei nicht im gehobenen technischen Verwaltungsdienst verbeamtet worden, da ihr Abschluss dem nichttechnischen Verwaltungsdienst zugeordnet werden müsse und die Laufbahn des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes in der PTU nicht eingerichtet gewesen sei, überzeugt nicht.
34
aa) Die Beklagte hat der Klägerin die Laufbahnbefähigung für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst, mithin die Laufbahn, in die sie eingestellt werden sollte, ausdrücklich anerkannt, indem sie ihr mit Bescheid vom 21. Februar 2017 nach § 7 Nr. 2a, § 8 BLV i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1 BBG mitgeteilt hat, dass sie gemäß § 20 Satz 1 Nr. 2 BLV über einen an einer Hochschule erworbenen Abschluss verfüge, der zusammen mit der bereits geleisteten hauptberuflichen Tätigkeit geeignet sei, die Befähigung für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst festzustellen.
35
Die Mitteilung stellt einen feststellenden Verwaltungsakt dar, der dazu dient, Rechtsunsicherheiten über das Vorliegen der Laufbahnbefähigung auszuräumen, in dem der Beamte gemäß § 7 Nr. 2a, § 8 BLV i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1 BBG eine verbindliche Auskunft darüber erhält, ob er die Befähigung für die Laufbahn, in die er eingestellt werden soll, besitzt. Unerheblich ist, ob der Bewerber auch für eine andere oder für eine höhere Laufbahn befähigt wäre. Die Feststellung dient allein der Prüfung, ob die Beamtin oder der Beamte geeignet ist, die Aufgaben der Laufbahn wahrzunehmen (vgl. BT-Drs. 16/7076, S. 103).
36
Die verbindliche Feststellung gegenüber der Klägerin ist vorliegend bestandskräftig. Die Beklagte hat auch nichts unternommen, um den Bescheid, der mit ihrer Argumentation konsequenterweise als rechtswidrig einzustufen wäre, gemäß § 48 VwVfG aufzuheben.
37
bb) Darüber hinaus hat sich der Wille der Beklagten, die Klägerin in der Laufbahn des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes zu verbeamten, auch in weiteren beamtenrechtlichen Entscheidungen gegenüber der Klägerin manifestiert. So hat sich die Beklagte sowohl bei der Stufenfestsetzung gemäß § 27 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 BBesG (Schreiben vom 16.3.2017, vgl. Bl. 56 der Gerichtsakte) als auch bei der Anrechnung von Beschäftigungszeiten auf die Probezeit (Schreiben vom 16.6.2017, vgl. Bl. 61 der Gerichtsakte) darauf gestützt, dass die Klägerin im gehobenen technischen Verwaltungsdienst verbeamtet worden ist und vorausgegangene Beschäftigungs- bzw. Erfahrungszeiten an dieser Laufbahn gemessen.
38
cc) Ausweislich der dem Gericht auf richterliche Verfügung übersandten Aufstellung der im Jahr 2016 im BMI eingerichteten Laufbahnen war die Laufbahn des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes zur Zeit der Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Probe und Lebenszeit auch eingerichtet (vgl. Aufzählung auf Bl. 227 der Gerichtsakte). Im … waren nach Mitteilung der Beklagten keine davon abweichenden Laufbahnen eingerichtet.
39
Die Laufbahn des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes war ausweislich der Aufstellung sowie des Erlasses des BMI vom 31. Juli 2009 auch nicht, wie die Beklagte vertritt, auf Fachbereiche, z.B. IT, oder bestimmte Studienabschlüsse beschränkt eingerichtet, sodass dahinstehen kann, dass die Beklagte davon ausgegangen ist, im Bereich der PTU sei die technische Laufbahn bei der Beklagten zum Zeitpunkt der Einstellung und Verbeamtung der Klägerin nicht eingerichtet gewesen.
40
Keine Beschränkung galt zudem für die Zuständigkeit des … hinsichtlich der Laufbahnanerkennungen. Dem … war im Rahmen seiner allgemeinen Zuständigkeit für Personalangelegenheiten mit dem Erlass die Zuständigkeit übertragen, Laufbahnbefähigungen gleich welcher Abschlüsse für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst anzuerkennen und den Bewerbern die Feststellung der Laufbahnbefähigung mitzuteilen (siehe Ziffer 1. Übertragung von Zuständigkeiten, Spalte gehobener technischer Dienst, „alle Abschlüsse“). Lediglich im gehobenen naturwissenschaftlichen sowie im sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienst war die Befugnis über die Anerkennung der Laufbahnbefähigung auf bestimmte Abschlüsse beschränkt, was mit Erlass des BMI vom 22. Januar 2021 wohl aufgehoben werden sollte.
41
Für die Anerkennung der Laufbahnbefähigung bei der Klägerin war damit entgegen der Argumentation der Beklagten auch nicht die Zustimmung des BMI erforderlich, da die Zuerkennung der Laufbahnbefähigung bei der Klägerin nicht gemäß Ziffer 2 des Erlasses des BMI vom 31. Juli 2009 mit der Einrichtung einer neuen Laufbahn in der Behörde verbunden war.
42
Eine etwaige Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften im Innenverhältnis zwischen BMI und … müsste die Klägerin darüber hinaus ohnehin nicht gegen sich gelten lassen. Sie würden die Verbeamtung im gehobenen technischen Verwaltungsdienst jedenfalls in ihrer Wirksamkeit nicht berühren. Gleiches gilt für einen vermeintlichen - wie die Beklagte ausführt - entgegenstehenden Gesetzeszweck des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG, wonach die Regelung der Fachkräftegewinnung im Bereich der Informationstechnik dienen solle, wozu die Klägerin mit ihrem Abschluss nicht zu zählen sei, sowie für einen fehlenden Mehrwert der Abschlüsse der Klägerin für ihren Tätigkeitsbereich im …
43
b) Für die Zulassung zu der Laufbahn des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes war auch ein mit einem Bachelor abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss im Sinne des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG gefordert. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 4 Nr. 2 BBG und § 20 Abs. 1 Bundeslaufbahnverordnung (BLV), wonach Voraussetzung für die Zulassung zu den Laufbahnen des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes ein mit einem Bachelor abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss ist. Nach Mitteilung der Beklagten vom 5. September 2022 gelten im BMI bzw. im … auch keine weiteren, die Regelungen des § 17 BBG („mindestens“) und der §§ 18 bis 21 BLV konkretisierenden Regelungen. Vielmehr wird bzgl. der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen auf diese allgemeinen Regelungen zurückgegriffen.
44
2. Die Pflichtverletzung, § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG nicht bei der Klägerin anzuwenden, erfolgte schuldhaft. Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen der Verletzung der Pflichten aus Art. 33 Abs. 2 GG gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des Bürgerlichen Rechts (vgl. OVG Saarland, U.v. 18.5.2022 - 1 A 216/20 - juris Rn. 49 f.). Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Nach diesem objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von dem für den Dienstherrn handelnden Amtswalter erwartet werden kann. Das bedeutet, dass jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden muss. Wird eine behördliche Maßnahme im Nachgang gerichtlich missbilligt, so kann daraus nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Sorgfaltspflichtverstoß des verantwortlichen Amtswalters nicht hergeleitet werden, wenn er die zugrundeliegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen hat und sie im Ergebnis vertretbar ist. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen war und weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt worden ist. Dabei sind ausschließlich die Überlegungen zu berücksichtigen, die der Sachbearbeiter seiner Entscheidung tatsächlich zugrunde gelegt hat. Genügten diese nicht den genannten Anforderungen, lässt sich der Sorgfaltspflichtverstoß nicht mit der hypothetischen Erwägung bestreiten, dass er aufgrund einer den Sorgfaltsanforderungen genügenden Prüfung zum selben fehlerhaften, wenn auch vertretbaren Ergebnis hätte kommen können (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.2010 - 2 C 22/09 - juris Rn. 26 m.w.N.; OVG NRW, B.v. 5.11.12 - 6 A 715/11 - juris Rn. 41, 50).
45
Nach diesem Maßstab stellt sich die unterlassene Übertragung des Eingangsamtes der Besoldungsgruppe A10 gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG vorliegend als schuldhaft dar. Dies ergibt sich maßgeblich daraus, dass das … in seiner ersten Reaktion mit E-Mail des Leiters des Personalreferats vom 22. November 2019 eingeräumt hat, dass es sich bei der unterbliebenen Anwendung des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG um ein Versehen gehandelt habe und damit das fehlerhafte Verhalten bzw. das des zuständigen Mitarbeiters mit fahrlässigem Verhalten erklärt hat.
46
Daran ändert auch die im Laufe des Widerspruchverfahrens sowie des Klageverfahrens vorgebrachte Argumentation der Beklagten nichts, der gehobene technische Verwaltungsdienst sei bei der Beklagten 2016 in der PTU nicht eingerichtet gewesen, auch der Personalrat habe Zweifel gehegt, eine solche Einrichtung habe der Zustimmung des BMI bedurft und darüber hinaus sei der Tätigkeitsbereich der Klägerin als Urkundensachverständige ohnehin eher dem künstlerischen Bereich und damit nicht einer technischen Laufbahn zuzuordnen. Die Exkulpation im Falle eines nachträglich als rechtswidrig anerkannten Behördenhandelns setzt nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, a.a.O. Rn. 26) nicht nur voraus, dass die gefundene Lösung im Ergebnis rechtlich vertretbar ist, sondern auch, dass sie Ausdruck einer sorgfältigen rechtlichen und tatsächlichen Prüfung ist, wobei es maßgeblich auf die Umstände der haftungsbegründenden Pflichtverletzung ankommt. Zu den Abläufen, Zuständigkeiten und rechtlichen Prüfungen, die 2016 im Einzelnen dazu geführt haben, dass die Klägerin zwar im gehobenen technischen Verwaltungsdienst verbeamtet wurde, jedoch eine Anwendung des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG unterblieben ist, fehlen Ausführungen der Beklagten. Ihr Vorbringen im Widerspruchssowie im Klageverfahren stellt eine rein retrospektive Rechtfertigung des Resultats des damaligen (Fehl-)verhaltens dar, erläutert aber nicht, ob und wie der zuständige Mitarbeiter des … damals nach sorgfältiger und gewissenhafter rechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, der Klägerin die Befähigung für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst anzuerkennen, ihr jedoch statt der Besoldungsgruppe A10 die Besoldungsgruppe A9 zuzuweisen. Für den Schadensersatzanspruch ist es unerheblich, ob die Beklagte bei pflichtgemäßer, sorgfältiger Arbeitsweise möglicherweise ohne Verschulden zu dem Ergebnis hätte gelangen können, dass der Klägerin die Laufbahnbefähigung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst hätte anerkannt werden können und damit die Festlegung des Eingangsamtes mit der Besoldungsgruppe A9 rechtmäßig gewesen sein könnte.
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3. Die Pflichtverletzung war für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden kausal. Hätte die Beklagte § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG angewendet, ist bei Betrachtung des hypothetischen Kausalverlaufs davon auszugehen, dass der Klägerin anlässlich ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe das Eingangsamt der Besoldungsgruppe A10 zugewiesen worden wäre. Gegenteiliges wurde nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht erkennbar.
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4. Dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch steht nicht entgegen, dass die Klägerin keinen Primärrechtsschutz gegen die Zuweisung des Eingangsamtes nach A9 geltend gemacht hat. Sie trifft insofern kein Mitverschulden.
49
Auch im Beamtenrecht tritt nach dem in § 839 Abs. 3 BGB enthaltenen Rechtsgedanken eine Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln dann nicht ein, wenn der Verletzte es vorwerfbar im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Handeln abzuwehren. Ob der Schadensersatz beanspruchende Beamte es in diesem Sinne schuldhaft unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen, hängt davon ab, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von einem Angehörigen des entsprechenden Verkehrskreises verlangt werden muss. Daraus folgt, dass die Sorgfaltsanforderung in jedem Einzelfall gesondert zu beurteilen ist, wobei unter anderem auf das dem Beamten im maßgeblichen Zeitraum übertragene konkrete Amt, seine Ausbildung sowie seine bisherige berufliche Erfahrung abzustellen ist. Die Einlegung eines Rechtsmittels ist dabei nicht erst dann geboten, wenn die Fehlerhaftigkeit des Behördenhandelns offenkundig ist. Das Verschulden des Verletzten ist nach allgemeiner Auffassung auch nicht allein deswegen zu verneinen, weil ihm die erforderlichen Rechtskenntnisse fehlen. Er muss notfalls rechtskundigen Rat einholen, wobei hierfür Anlass im Sinne einer erkennbaren Pflichtverletzung bestanden haben muss (vgl. OVG Saarland, U.v. 18.5.2022 - 1 A 216/20 - juris Rn. 59 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht von einem Beamten zu erwarten, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein eigenes statusrechtliches Amt nebst besoldungsrechtlicher Einstufung sowie die ihm zustehenden Besoldungsbestandteile kennt. Von einem Kläger, der mit Besoldungsangelegenheiten dienstlich nicht befasst war, kann mehr als ein besoldungsrechtliches Grundwissen nicht erwartet werden. Spezielle Kenntnisse auch aktueller Neuregelungen gehören nicht dazu (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2004 - 2 A 5/03 - juris Rn. 15 ff. m.w.N.).
50
Vorliegend bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die Klägerin gewusst hat, dass ihr ab … 2016 bei Verbeamtung auf Probe das Eingangsamt der Besoldungsgruppe A10 inkl. der damit verbundenen Bezüge zugestanden hätten.
51
Der Klägerin kann auch keine Fahrlässigkeit insofern unterstellt werden, dass sie von der Ungleichbehandlung hätte wissen bzw. diese in Erfahrung hätte bringen müssen. Die Kammer hat aus den im Laufe des Verfahrens vorgelegten Unterlagen die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin in besoldungsrechtrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich stets gewissenhaft gehandelt hat. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass sie bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Handelns der Beklagten entsprechende Nachfragen gestellt und um Aufklärung gebeten hat sowie sich selbst bspw. mittels Zeitschriftenmaterial informiert hat. Spezielle Kenntnisse im Beamten-/Besoldungsrecht hatte die Klägerin weder aufgrund ihrer Vorbildung noch aus eigener Erfahrung. Die Klägerin wurde 2016 erstmals zur Beamtin auf Probe ernannt, vorher war sie tariflich beschäftigt. Darüber hinaus handelt es sich bei § 23 Abs. 2 BBesG ohnehin nicht um eine Kernvorschrift des Besoldungsrechts, sondern einen Ausnahmetatbestand, bei dem äußert fraglich ist, ob er noch zu den von einem Beamten zu erwartenden Grundkenntnissen des Besoldungsrechts gehört. Die Ungleichbehandlung der Klägerin ist für sie auch nicht erkennbar nach außen getreten, da laut Angabe der Beklagten alle anderen vergleichbaren Fälle damals ebenfalls in die Besoldungsgruppe A9 eingestuft worden seien, was grundsätzlich der wohl als bekannt geltenden und vorauszusetzenden Regel des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BBesG entspricht. Auch die Bezügemitteilung war vorliegend nicht geeignet, Zweifel an der richtigen Besoldungshöhe auszulösen, da diese in Bezug auf die Besoldungsgruppe und das daraus resultierende Entgelt in sich stimmig gewesen sein dürfte. Auch in der Stellenausschreibung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Urkundensachverständige, auf die sich die Klägerin erfolgreich beworben hatte, war das künftige Besoldungsamt der Stelle mit A9 angegeben. Die Klägerin gab zudem an, sowohl vom Personalrat als auch von ihrer Personalsachbearbeiterin die Auskunft bekommen zu haben, dass beim … im Eingangsamt des gehobenen Dienstes stets die Eingruppierung in A9 erfolge. Der Klägerin hat sich die Ungleichbehandlung damit in keiner Weise aufgedrängt. Sie wäre nur durch eigenes intensives Nachforschen bzw. das Einholen qualifizierten Rechtsrates (außerhalb des …*) erkennbar gewesen. Hierzu war die Klägerin allerdings nicht verpflichtet. Sie durfte auf die erhaltenen Antworten vertrauen. Anlass für weitergehendes Nachforschen im Sinne einer erkennbaren Pflichtverletzung bestand nicht. In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass innerhalb der Beklagten die Anwendung des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG bzw. die Einstufung der Klägerin in den gehobenen technischen Verwaltungsdienst lange nicht eindeutig geklärt gewesen ist. Der Klägerin kann vorliegend nicht entgegengehalten werden, dass sie es hätte besser wissen müssen und Primärrechtsschutz gegen die Verbeamtung auf Probe sowie auf Lebenszeit hätte anstreben müssen.
52
Der Klägerin kann vorliegend auch nicht im Sinne eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden, den Schaden zu spät geltend gemacht zu haben. Als die Klägerin aufgrund der E-Mail des Personalleiters vom 22. November 2019 um die Pflichtverletzung der Beklagten wusste, wurde sie am 17. Dezember 2019 tätig und bat das … um eine einvernehmliche Lösung. Dass bis zum anwaltlichen Tätigwerden im Juli 2020 anschließend ca. 6 Monate vergangen sind, ist ihr nicht im Sinne eines Verschuldens vorwerfbar. Aufgrund des mit ihrem Dienstherrn bestehenden Treueverhältnisses und der daraus resultierenden Loyalitätspflicht durfte die Klägerin zunächst das Zustandekommen einer gütlichen Einigung abwarten.
53
5. Der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ist nicht verjährt. Die Beklagte erhebt vorliegend die Einrede der Verjährung und ist der Auffassung, dass die Ansprüche aus dem Jahr 2016 nach der 3-jährigen Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2019 verjährt seien.
54
Die allgemeine Verjährungsfrist findet grundsätzlich auf den vorliegenden Fall Anwendung. Nach der Rechtsprechung unterliegt ein Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Beförderung mangels spezieller Verjährungsvorschriften der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, die drei Jahre beträgt (vgl. OVG NRW, U.v. 27.4.2016 - 1 A 1923/14 - juris Rn. 82; zur grds. Verjährbarkeit: BVerwG, U.v. 29.8.1996 - 2 C 23/95 - juris Rn. 25). Da die Fälle, in denen Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung begehrt wird, wegen desselben Klageziels mit dem vorliegenden Begehren vergleichbar sind, unterliegt auch das Begehren auf Schadensersatz wegen eines zu niedrigen Eingangsamtes der Verjährung.
55
Die Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 46). Die erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners hat der Gläubiger nicht erst dann, wenn der Anspruch bewiesen ist oder der Gläubiger selbst keinerlei Zweifel mehr hat. Kenntnis hat der Gläubiger vielmehr schon dann, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen den Anspruch mit hinreichender Aussicht auf Erfolg einklagen kann. Nicht vorausgesetzt wird, dass er aus dieser Kenntnis die richtigen Rechtsfolgerungen zieht. Notwendig ist, dass der Geschädigte zumindest aufgrund der Tatsachenlage beurteilen kann, ob eine rechtserhebliche Handlung von dem üblichen Vorgehen abweicht und ihm die Erhebung einer Klage zuzumuten ist. Gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen ein Verschulden des Anspruchsgegners, z.B. eines Schädigers, muss sich die Kenntnis des Verletzten auch darauf beziehen. Innere Tatsachen des Schädigers kann der Verletzte naturgemäß nicht kennen, so dass hier die Kenntnis derjenigen äußeren Umstände maßgeblich ist, die einen Rückschluss auf die inneren Tatsachen zulassen (Schmidt-Räntsch in: Erman BGB, Kommentar, § 199 Rn. 18a; BeckOK BGB, Hau/Poseck, § 199 Rn. 18, 32).
56
Nach Auffassung der Kammer war der Klägerin trotz bereits vorher aufgetretener Zweifel an der Korrektheit des Eingangsamtes erst in Folge der E-Mail des Personalleiters am 22. November 2019 zuzumuten, Schadensersatz gerichtlich geltend zu machen. Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von sämtlichen, den Anspruch begründenden Tatsachen hatte die Klägerin erst als ihr zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt worden war, die Anwendung des § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG sei in ihrem Fall versehentlich unterblieben. Vorherigen Auskünften des … konnte sie lediglich entnehmen, dass in ihrem Fall die Einstufung in A9 korrekt sei oder § 23 Abs. 2 Satz 1 BBesG generell im … Anwendung finde. Die E-Mail des Personalleiters am 22. November 2019 verschaffte ihr erstmals Tatsachenkenntnis über das Vorliegen einer Pflichtverletzung sowie der Schuldhaftigkeit dieser.
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Die dreijährige Verjährungsfrist begann damit gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 1. Januar 2020 zu laufen (zusätzliche Hemmung durch die Einlegung des Widerspruchs am 17. Juli 2020 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 12, § 209 BGB), sodass die Klageeinreichung am 26. November 2020 rechtzeitig war.
58
6. Die Kostentragungspflicht der Beklagten aufgrund ihres Unterliegens ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO.