Inhalt

Kirchliches Arbeitsgericht Augsburg, Urteil v. 29.06.2022 – 2 MV 4/22
Titel:

Verstoß der individualvertraglichen Bezugnahme auf weltlichen Tarifvertrag in einem Arbeitsvertrag eines kirchlichen Arbeitgebers gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes der katholischen Kirche

Normenkette:
Rahmen-MAVO § 33, § 35
Leitsätze:
1. Ein kirchlicher Dienstgeber im Anwendungsbereich der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ hat die auf dem „Dritten Weg“ gemäß Art. 7 Abs. 1 der Grundordnung durch Beschlüsse von arbeitsrechtlichen Kommissionen zustande gekommenen und bischöflich in Kraft gesetzten Rechtsnormen „wegen der Einheit des kirchliches Dienstes“ (vgl. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GrO) in seinen Einrichtungen zur Geltung zu bringen und anzuwenden. (Rn. 59 – 66)
2. Ein kirchlicher Dienstgeber, der dem lokalen Caritasverband, dem Diözesan-Caritasverband und dem Deutschen Caritasverband als korporatives Mitglied angehört und der in seiner Satzung geregelt hat, dass die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ Anwendung findet, hat demzufolge bei der Eingruppierung von Mitarbeitern die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) zur Geltung zu bringen und anzuwenden. (Rn. 75 und 59 – 66)
3. Wenn ein kirchlicher Dienstgeber in den individualrechtlichen Arbeitsverträgen mit den Mitarbeitern die Bezugnahme auf weltliche Tarifverträge vereinbart, schließt er zwar selbst keinen Tarifvertrag mit einer Gewerkschaft ab, was ihm nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GrO untersagt wäre. Jedoch steht eine solche Bezugnahme auf weltliche Tarifverträge nicht im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 GrO. (Rn. 64 und 65)
4. Die Mitarbeitervertretung ist berechtigt, die Zustimmung zu einer Eingruppierung gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO (hier: MAVO Würzburg) zu verweigern, wenn es sich bei der Vergütungsregelung um keine Regelung im Sinne des „Dritten Weges“ gemäß Art. 7 Abs. 1 der Grundordnung handelt. Eine vom Dienstgeber vorgesehene Eingruppierung außerhalb des „Drittes Weges“ verstößt nämlich gegen Art. 7 Abs. 1 GrO und damit gegen eine kircheneigene Ordnung im Sinne des § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO. (Rn. 68 und 69)
Schlagworte:
Grundordnung des kirchlichen Dienstes der katholischen Kirche, Tarifvertrag, Bezugnahme, Eingruppierung, Wechselschichtzulage, Mitarbeitervertretung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32506

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klägerin die vom Beklagten erbetene Zustimmung zu den Eingruppierungen der Mitarbeiterinnen B, C, D, E und F wegen Verstoßes der beabsichtigten Eingruppierungen gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse durch Nichtanwendung der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) zu Recht nicht erteilt hat.
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte satzungsgemäß der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse unterliegt und zwingend die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) anzuwenden hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die notwendigen Kosten der Klägerin, auch für die Beauftragung ihres Bevollmächtigten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
(2) Die Klägerin wendet sich mit ihrer „wegen Verletzung von § 33 i.V.m. § 35 MAVO“ erhobenen Klage gegen mehrere vom Beklagten vorgesehene Eingruppierungen.
2
(3) Die Klägerin ist die bei der Einrichtung A gewählte Mitarbeitervertretung (MAV). Der Beklagte, ein gemeinnütziger eingetragener Verein (e.V.), ist Träger dieser Einrichtung. Er beschäftigt über 140 Mitarbeiter. Bei dem Beklagten wird die Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Würzburg (MAVO Würzburg) angewendet.
3
§ 1 der neu gefassten Satzung des Beklagten vom 29.10.2021 (vgl. Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 29.04.2022) lautet wie folgt:
§ 1 Name, Wesen und Sitz
4
(1) Der Verein trägt den Namen „Einrichtung A"
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(2) Er ist eine vom Bischof von Würzburg anerkannte institutionelle Zusammenfassung seiner Mitglieder im Wirkungskreis des Vereins. Der Verein und seine Organe unterliegen der kirchlichen Aufsicht des Ortsordinarius (Bischof oder Generalvikar). Er steht unter dem Schutz des Bischofs.
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(3) Der Verein gehört dem Caritasverband für die Stadt und den Landkreis W. e.V. und über diesen dem Caritasverband für die Diözese W. e.V. sowie dem Deutschen Caritasverband e.V. als korporatives Mitglied an.
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(4) Der Verein wurde am 19. Juli 1982 gegründet und wird in der nunmehrigen Satzungsstruktur weitergeführt.
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(5) Der Verein ist in das Vereinsregister des Amtsgerichts Würzburg eingetragen.
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(6) Der Verein hat seinen Sitz und seine Verwaltung in G.
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(7) Die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ findet Anwendung in der jeweils geltenden Fassung.
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(4) Mittels eines Personalbogens (vgl. Anlage K 2 zur Klage vom 18.02.2022) teilte der Beklagte der Klägerin mit Datum vom 16.11.2021 mit, er beabsichtige zum 01.01.2022 die unbefristete Einstellung von Frau B mit Vergütung nach BAP E 1, ohne Berufserfahrung, Kinderzulage, und erbat hierzu gemäß § 34 MAVO die Zustimmung der MAV. Die Klägerin stimmte der Einstellung zu. Hinsichtlich der Eingruppierung wurde seitens der Klägerin auf dem Personalbogen ohne Datumsangabe handschriftlich vermerkt:
„Die MAV stimmt der Eingruppierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO nicht zu, da sie weder den AVR noch der kirchlichen Grundordnung entspricht § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO“.
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Mittels eines Personalbogens (vgl. Anlage K 3 zur Klage vom 18.02.2022) teilte der Beklagte der Klägerin mit Datum vom 25.11.2021 mit, er beabsichtige zum 01.01.2022 die unbefristete Einstellung von Frau C mit Vergütung nach BAP E 6, > 6 Jahre Berufserfahrung, Fachkraftzulage, Kinderzulage. Die Klägerin stimmte der Einstellung zu. Hinsichtlich der Eingruppierung wurde seitens der Klägerin auf dem Personalbogen unter dem Datum vom 26.11.2021 handschriftlich vermerkt:
„Die MAV stimmt der Eingruppierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 nicht zu, da sie weder den AVR noch der kirchlichen Grundordnung entspricht gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO“.
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(5) Mittels eines Personalbogens (vgl. Anlage K 4 zur Klage vom 18.02.2022) teilte der Beklagte der Klägerin mit Datum vom 09.12.2021 mit, er beabsichtige zum 26.02.2022 die unbefristete Einstellung von Frau D mit Vergütung nach BAP E 4, > 1 Jahr Berufserfahrung, Wechselschichtzulage, Fachkraftzulage, Kinderzulage. Die Klägerin stimmte der Einstellung zu. Hinsichtlich der Eingruppierung wurde seitens der Klägerin auf dem Personalbogen unter dem Datum vom 14.12.2021 handschriftlich vermerkt:
„Die MAV stimmt der Eingruppierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO nicht zu, da sie weder den AVR noch der kirchlichen Grundordnung entspricht gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO“.
14
(6) Mittels eines Personalbogens (vgl. Anlage K 5 zur Klage vom 18.02.2022) teilte der Beklagte der Klägerin mit Datum vom 12.01.2022 mit, er beabsichtige zum 20.01.2022 die bis 19.01.2023 befristete Einstellung von E mit Vergütung nach BAP E 2a, keine Berufserfahrung, Wechselschichtzulage, Kinderzulage. Die Klägerin stimmte der Einstellung zu. Hinsichtlich der Eingruppierung wurde seitens der Klägerin auf dem Personalbogen unter dem Datum vom 13.01.2022 handschriftlich vermerkt:
„Die MAV stimmt der Eingruppierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO nicht zu, da sie weder den AVR noch der kirchlichen Grundordnung entspricht gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO“.
15
Mittels eines Personalbogens (vgl. Anlage K 6 zur Klage vom 18.02.2022) teilte der Beklagte der Klägerin mit Datum vom 14.01.2022 mit, er beabsichtige zum 19.01.2022 die unbefristete Einstellung von Frau F mit Vergütung nach BAP E 4, 10 Jahre Berufserfahrung. Die Klägerin stimmte der Einstellung zu. Hinsichtlich der Eingruppierung wurde seitens der Klägerin auf dem Personalbogen unter dem Datum vom 14.01.2022 handschriftlich vermerkt:
„Die MAV stimmt der Eingruppierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO nicht zu, da sie weder den AVR noch der kirchlichen Grundordnung entspricht gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO“.
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(7) Die vom Beklagten verwendeten formularmäßigen Arbeitsverträge mit den Mitarbeiterinnen B, C, D, E und F (vgl. Anlagen B 2 bis B 6 zur Klageerwiderung vom 29.04.2022) enthalten jeweils unter Nr. 2 folgende Bezugnahmeklausel:
(8) 2. Anwendbare Tarifverträge
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a) Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen geltenden und nachwirkenden Mantel-, Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge vom 22.07.2003, im folgenden MTV BAP, ETV BAP und ERTV BAP genannt, und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Als ergänzend im obigen Sinne gelten auch Tarifverträge über Branchenzuschläge mit einzelnen der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit angehörenden Gewerkschaften. Die Tarifverträge liegen zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen aus.
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b) Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem BAP und ver.di abgeschlossenen geltenden und nachwirkenden Tarifverträge vom 22.07.2003 und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
19
Die Klägerin ist der Auffassung, die vom Beklagten vorgesehene Anwendung von BAPTarifverträgen für die Zeitarbeit verstoße gegen Art. 7 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse und sei einem kirchlichen Dienstgeber untersagt. Wegen dieses Verstoßes im Sinne von § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO habe die Klägerin die in den jeweiligen Anträgen des Beklagten erbetene Zustimmung zur Eingruppierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 33 MAVO zu Recht verweigert.
20
(9) Die Zustimmungsverweigerungen seien der Geschäftsführerin des Beklagten mit dem Hinweis auf die geltenden Eingruppierungsvorschriften nach AVR, jeweils unter Verwendung des Einstellungsformulars [Personalbogens], schriftlich mitgeteilt worden. Daraufhin wäre der Beklagte nach § 33 Abs. 3 MAVO verpflichtet gewesen, zu einem sog. Einigungsgespräch mit dem Ziel der Verständigung einzuladen, falls er nicht von der beabsichtigten Maßnahme oder Entscheidung Abstand nehmen wollte, und gegebenenfalls das Kirchliche Arbeitsgericht anzurufen, um sich dort die fehlende Zustimmung ersetzen zu lassen. Beides sei nicht erfolgt.
21
(10) Die Klägerin meint, der Beklagte habe die Kosten für die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten zu tragen. Die Bevollmächtigung sei zur Wahrung der Rechte der Klägerin notwendig und zweckmäßig.
22
(11) Die Klägerin beantragt,
1. [Klageantrag 1 ist in der mündlichen Verhandlung am 29.06.2022 zurückgenommen worden];
2. den Beklagten zu verurteilen, den Vollzug der Umsetzung einer unzulässigen Eingruppierung nach einem Tarifvertrag für Zeitarbeit BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.) nach E 1 zu unterlassen, da die MAV dem Antrag des Dienstgebers vom 16.11.2021 auf Zustimmung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 33 MAVO für Frau B , mit Beschluss vom ??.11.2021, wegen dem Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 35 Abs. 2 Nr. 1, Verstoß gegen die Grundordnung wegen der Nichtanwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, begründet verweigert hat;
den Beklagten zu verurteilen, den Vollzug der Umsetzung einer unzulässigen Eingruppierung nach einem Tarifvertrag für Zeitarbeit BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.) nach E 6 zu unterlassen, da die MAV dem Antrag des Dienstgebers vom 25.11.2021 auf Zustimmung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 33 MAVO für Frau C, mit Beschluss vom 26.11.2021, wegen dem Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 35 Abs. 2 Nr. 1, Verstoß gegen die Grundordnung wegen der Nichtanwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, begründet verweigert hat;
3. den Beklagten zu verurteilen, den Vollzug der Umsetzung einer unzulässigen Eingruppierung nach einem Tarifvertrag für Zeitarbeit BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.) nach E 4 zu unterlassen, da die MAV dem Antrag des Dienstgebers vom 09.12.2021 auf Zustimmung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 33 MAVO für Frau D, mit Beschluss vom 14.12.2021, wegen dem Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 35 Abs. 2 Nr. 1, Verstoß gegen die Grundordnung wegen der Nichtanwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, begründet verweigert hat;
4. den Beklagten zu verurteilen, den Vollzug der Umsetzung einer unzulässigen Eingruppierung nach einem Tarifvertrag für Zeitarbeit BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.) nach E 2a zu unterlassen, da die MAV dem Antrag des Dienstgebers vom 12.01.2022 auf Zustimmung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 33 MAVO für Frau E, mit Beschluss vom 13.01.2022, wegen dem Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 35 Abs. 2 Nr. 1, Verstoß gegen die Grundordnung wegen der Nichtanwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, begründet verweigert hat;
den Beklagten zu verurteilen, den Vollzug der Umsetzung einer unzulässigen Eingruppierung nach einem Tarifvertrag für Zeitarbeit BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.) nach E 4 zu unterlassen, da die MAV dem Antrag des Dienstgebers vom 14.01.2022 auf Zustimmung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 33 MAVO für Frau F, mit Beschluss vom 14.01.2022, wegen dem Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 35 Abs. 2 Nr. 1, Verstoß gegen die Grundordnung wegen der Nichtanwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, begründet verweigert hat;
5. festzustellen, dass der Beklagte, als Mitglied des Caritasverbandes in der Diözese W., der Grundordnung zum Kirchlichen Dienst unterliegt, und ihn zu verurteilen, dass er nach Art. 7 „Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen“, zwingend die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) anzuwenden hat;
6. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin gemäß den Eingruppierungsvorschriften der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR), gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 33 MAVO, für die in den Anträgen 2 bis 6 genannten Zustimmungsverfahren, nach Anlage 1 (I. Eingruppierung) AVR unverzüglich zur Zustimmung vorzulegen;
7. festzustellen, dass die Bevollmächtigung nach § 11 KAGO in diesem Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht gemäß § 17 Abs. 1 MAVO zur Wahrnehmung der Rechte der MAV und ihrer Mitglieder notwendig und zweckmäßig ist und die Klägerin [gemeint ist offensichtlich: der Beklagte] die Kosten und Auslagen zu tragen hat.
23
(12) Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
24
(13) Laut Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht am 29.06.2022 bestehen gegen den Kostenantrag 9 keine Einwendungen.
25
Der Beklagte vertritt den Standpunkt, die mit den Klageanträgen 2 bis 6 geltend gemachten Unterlassungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu.
26
(14) Die Vergütung der in den Klageanträgen 2 bis 6 genannten Mitarbeiterinnen richte sich infolge der individualrechtlichen Bezugnahme nach den Regelungen der BAP-Tarifverträge. Der Beklagte beschäftige alle Mitarbeiter auf der Grundlage der individualrechtlich in Bezug genommenen Tarifwerke des BAP. Die Eingruppierung der Mitarbeiter erfolge stets nach dem ERTV BAP.
27
(15) Zwar habe die Klägerin ihre Zustimmung zur Eingruppierung von Mitarbeitern nach Maßgabe des ERTV BAP bereits in der Vergangenheit immer wieder verweigert. Sie habe die gleichwohl vollzogene Eingruppierung der Mitarbeiter auf Grundlage des ERTV BAP jedoch jeweils stillschweigend und jahrelang toleriert. Die von der Klägerin jetzt geltend gemachten Unterlassungsansprüche seien somit verwirkt.
28
(16) Die Unterlassungsansprüche stünden der Klägerin darüber hinaus auch deshalb nicht zu, weil der Beklagte die jeweilige Eingruppierung der in den Klageanträgen 2 bis 6 genannten Mitarbeiterinnen richtig beurteilt habe. Eingruppierung sei die Einreihung eines Mitarbeiters in eine in der Einrichtung geltende Vergütungsordnung. Sie erfolge ausschließlich auf Grundlage der vom Mitarbeiter auszuübenden Tätigkeit. Der Beklagte habe die in den Klageanträgen 2 bis 6 genannten Mitarbeiterinnen entsprechend ihren Tätigkeiten zutreffend der nach dem kollektiven Vergütungssystem des Beklagten gemäß ERTV BAP maßgeblichen Entgeltgruppe zugeordnet.
29
(17) Der Beklagte habe nach wie vor ein Interesse, die Vergütungsstruktur zu verbessern, und biete weitere Gespräche mit der Klägerin ausdrücklich an.
30
Das Kirchliche Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 02.06.2022 den Caritasverband für die Diözese W. e.V. zum vorliegenden Verfahren 2 MV 4/22 von Amts wegen beigeladen. Der Beigeladene, für den in der mündlichen Verhandlung am 29.06.2022 niemand erschienen ist, hat sich mit Schriftsatz vom 24.06.2022 geäußert. Er erklärt, er unterstütze den Antrag der Klägerin uneingeschränkt und schließe sich deren Vortrag ausdrücklich an. Der Beklagte sei über Jahre hinweg darauf hingewiesen worden, dass der Beigeladene die vom Beklagten geübte Praxis ablehne, und aufgefordert worden, die AVR anzuwenden. Sollte es für die ordnungsgemäße Eingruppierung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Beklagten in die AVR also lediglich eines erneuten Hinweises des Beigeladenen bedürfen, so sei dieser hiermit als gegeben zu betrachten.
31
(18) In der mündlichen Verhandlung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den ursprünglichen Klageantrag 1, der die Eingruppierung einer mittlerweile ausgeschiedenen Mitarbeiterin betraf, zurückgenommen. Daraufhin ist das Verfahren bezüglich des ursprünglichen Klageantrags 1 gemäß § 29 Satz 2 KAGO durch Beschluss eingestellt worden.
32
(19) Wegen der Einzelheiten des hier nur knapp dargestellten Sach- und Streitstandes und der Rechtsausführungen der Parteien wird entsprechend § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 27 KAGO Bezug genommen auf die Klage vom 18.02.2022, auf die Klageerwiderung vom 29.04.2022, auf die schriftliche Äußerung des Beigeladenen vom 24.06.2022, auf sämtliche eingereichten Unterlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 29.06.2022.

Entscheidungsgründe

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(20) Die Klage hat mit den verbliebenen Anträgen nur zum Teil Erfolg.
34
(21) 1. Die Klage ist - nach Auslegung der Klageanträge durch das Kirchliche Arbeitsgericht - zulässig.
35
1.1. Die sachliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 2 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO). Das vorliegende Verfahren betrifft eine Rechtsstreitigkeit aus dem Mitarbeitervertretungsrecht. Die Parteien streiten über Rechtsfragen aus dem Bereich der Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei der Eingruppierung mehrerer Mitarbeiterinnen.
36
(22) Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-)Diözesen ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO örtlich zuständig, weil der Beklagte seinen Sitz in dessen Dienstbezirk hat.
37
(23) 1.2. Die jeweils auf Unterlassung gerichteten Klageanträge 2. bis 6. bedürfen der Auslegung unter Berücksichtigung des Klagebegehrens.
38
(24) 1.2.1. Bei den Anträgen auf Verurteilung des Beklagten, den Vollzug der Umsetzung einer unzulässigen Eingruppierung nach einem Tarifvertrag für Zeitarbeit BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.) zu unterlassen, handelt es um Leistungsanträge, die als solche jedoch nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind. Im Falle einer antragsgemäßen Verurteilung wäre - auch im Hinblick auf eine Vollstreckung der Verurteilung zu einer Leistung nach § 53 KAGO - nicht eindeutig bestimmbar, welchen „Vollzug der Umsetzung“ der Beklagte denn unterlassen soll.
39
Die Eingruppierung eines Mitarbeiters ist dessen Einordnung in ein vorgegebenes Entgeltschema. Wie sich aus Abschnitt I Abs. a der Anlage 1 zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas) ergibt, „ist“ der Mitarbeiter nach den einschlägigen Tätigkeitsmerkmalen eingruppiert (sog. Eingruppierungsautomatik oder Tarifautomatik). Er „wird“ also nicht durch eine konstitutive Entscheidung des Dienstgebers eingruppiert. Vielmehr beurteilt der Dienstgeber bei der Eingruppierung die Rechtslage. Entsprechendes gilt für Eingruppierungen auf Grund von Tarifverträgen im weltlichen Recht (vgl. Bundesarbeitsgericht 30. Oktober 2003 - 8 ABR 47/02 - zu § 99 BetrVG), wie etwa aus § 12 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder aus § 12 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ersichtlich. An der Beurteilung der Rechtslage bei der Eingruppierung ist die Mitarbeitervertretung zu beteiligen, um sicherzustellen, dass die Anwendung allgemeiner und interpretationsbedürftiger Vergütungsmerkmale im Einzelfall zutreffend erfolgt (vgl. Kirchliches Arbeitsgericht für die Diözese Rottenburg-Stuttgart 22. Juni 2012 - AS 07/12 -; Kirchliches Arbeitsgericht für die Bayerischen [Erz-]Diözesen 4. Februar 2019 - 2 MV 18/18 -; Kirchliches Arbeitsgericht für die Bayerischen [Erz-]Diözesen 16. Mai 2022 - 2 MV 23/21; Thiel/Fuhrmann/Jüngst, Kommentar zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung, 8. Auflage 2019, § 35, Rn. 5 f.). Die in § 35 Abs. 1 Nr. 1 der Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Würzburg (MAVO Würzburg) vorausgesetzte Pflicht des Dienstgebers zur Eingruppierung und die Beteiligung der Mitarbeitervertretung dienen der Transparenz und der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit (vgl. Eichstätter Kommentar - Schmitz, 1. Aufl. 2014, § 35 MAVO, Rn. 4). Dementsprechend handelt es sich bei dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO Würzburg um ein Mitbeurteilungsrecht im Sinne einer Richtigkeitskontrolle.
40
(25) Im Hinblick darauf, dass die Eingruppierung ein Akt der Rechtsanwendung und keine konstitutive Maßnahme ist, die vollzogen werden könnte, ist nicht klar, was mit dem „Vollzug der Umsetzung einer unzulässigen Eingruppierung“ (vgl. Klageanträge 2 bis 6) gemeint ist. Die Klägerin kann vom Beklagten jedenfalls nicht verlangen, dass er seine Rechtsmeinung unterlässt oder aufgibt, wonach sich die Eingruppierung nach dem vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. abgeschlossenen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV BAP) richtet. Die Klärung, welche Rechtsmeinung zur Eingruppierung „richtig“ ist, erfolgt gegebenenfalls in einem Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht (vgl. § 33 Abs. 4 MAVO Würzburg).
41
(26) 1.2.2. Die nicht hinreichend bestimmten Leistungsanträge 2 bis 6 können hier allerdings unter Berücksichtigung der in den Anträgen selbst enthaltenen Erläuterung („da die MAV … wegen dem Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes … begründet verweigert hat“) und den Ausführungen im Klageschriftsatz vom 18.02.2022 als zulässige Feststellungsanträge ausgelegt werden.
42
Der Klägerin geht es ersichtlich um eine gerichtliche Klärung, dass sie die vom Beklagten erbetene Zustimmung zu den Eingruppierungen der Mitarbeiterinnen B, C, D, E und F wegen Verstoßes der beabsichtigten Eingruppierungen gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse durch Nichtanwendung der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) begründet verweigert hat.
43
(27) 1.2.3. Mit diesem durch Auslegung ermittelten Inhalt sind die Klageanträge 2 bis 6 als Feststellungsanträge zulässig.
44
(28) Sie stellen gegenüber den ursprünglichen Leistungsanträgen ein „minus“ dar. Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (vgl. § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Klägerin wird aber im Falle des Erfolgs dieser Anträge nicht etwas Anderes („aliud“), sondern weniger („minus“) zugesprochen als nach der ursprünglichen Formulierung.
45
(29) Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 Satz 1 ZPO an der alsbaldigen Feststellung. Der Beklagte hat nämlich nach den Stellungnahmen der Klägerin, dass sie der jeweiligen Eingruppierung nicht zustimme, da diese weder den AVR noch der kirchlichen Grundordnung entspreche, weder von der beabsichtigten Eingruppierung nach dem ERTV BAP Abstand genommen noch die Klägerin zu einer Verhandlung mit dem Ziel der Einigung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 MAVO Würzburg eingeladen. Erklärt die Mitarbeitervertretung innerhalb von drei Tagen nach diesem sog. Einigungsgespräch, dass sie die Zustimmung verweigert (vgl. dazu § 33 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 MAVO Würzburg), kann der Dienstgeber im sog. Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 33 Abs. 4 MAVO Würzburg das Kirchliche Arbeitsgericht anrufen. Diesen gesetzlichen „Verfahrensablaufplan“ hat der Beklagte nicht befolgt. Die als Feststellungsanträge ausgelegten Klageanträge 2 bis 6 sind geeignet, im Falle ihres Erfolgs den untätigen Beklagten zur Beachtung des Mitbeurteilungsrechts der Klägerin anzuhalten, zumal der Beigeladene erklärt hat, dass er das Anliegen der Klägerin unterstütze.
46
(30) 1.3. Gegen die Zulässigkeit der weiteren Klageanträge 7 und 8 bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
47
2. Die Klage ist nur zum Teil begründet.
48
(31) 2.1. Auf die Klageanträge 2 bis 6 unter Berücksichtigung ihrer im Abschnitt 1.2.2. vorgenommenen Auslegung wird vom Kirchlichen Arbeitsgericht zusammenfassend festgestellt, dass die Klägerin die vom Beklagten erbetene Zustimmung zu den Eingruppierungen der Mitarbeiterinnen B, C, D, E und F wegen Verstoßes der beabsichtigten Eingruppierungen gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (Grundordnung - GrO) durch Nichtanwendung der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) zu Recht nicht erteilt hat.
49
(32) 2.1.1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beklagte bezüglich der Eingruppierungen der besagten Mitarbeiterinnen das Zustimmungsverfahren nach § 33 MAVO Würzburg zwar eingeleitet hat, es jedoch, nachdem die Klägerin Einwendungen erhoben hat, nicht weiter betrieben hat.
50
(33) 2.1.1.1. Die Eingruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedarf nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO Würzburg der Zustimmung der Mitarbeitervertretung.
51
(34) Der Dienstgeber unterrichtet nach § 33 Abs. 2 Satz 1 MAVO Würzburg die Mitarbeitervertretung von der beabsichtigten Maßnahme oder Entscheidung und beantragt ihre Zustimmung. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht binnen einer Woche nach Eingang des Antrags bei ihr Einwendungen erhebt (§ 33 Abs. 2 Satz 2 MAVO Würzburg).
52
Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen, so haben Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel der Einigung zu verhandeln, falls nicht der Dienstgeber von der beabsichtigten Maßnahme oder Entscheidung Abstand nimmt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 MAVO Würzburg). Der Dienstgeber setzt den Termin für die Verhandlung fest und lädt dazu ein (§ 33 Abs. 3 Satz 2 MAVO Würzburg). Die Mitarbeitervertretung erklärt innerhalb von drei Tagen nach Abschluss der Verhandlung, ob sie die Zustimmung erteilt oder verweigert (§ 33 Abs. 3 Satz 3 MAVO Würzburg). Äußert sie sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 33 Abs. 3 Satz 4 MAVO Würzburg).
53
(35) 2.1.1.2. Wenn der Beklagte in der Klageerwiderung vom 29.04.2022 erklären lässt, er habe nach wie vor ein Interesse, die Vergütungsstruktur zu verbessern, und biete weitere Gespräche mit der Klägerin ausdrücklich an, ist dies unbehelflich. Solche Gespräche können nämlich das im Rahmen des formalisierten Zustimmungsverfahrens vorgesehene sog. Einigungsgespräch nach § 33 Abs. 3 Satz 2 MAVO Würzburg nicht ersetzen.
54
(36) Vereinbarungen mit dem Dienstgeber über eine „hausinterne Vergütungsregelung“ fallen nach der MAVO Würzburg ohnehin nicht in den Aufgabenbereich der Mitarbeitervertretung; die Klägerin ist hierfür nicht zuständig. Regelungen über die Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden auf dem „D. Weg“ von paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen nach Art. 7 Abs. 1 der Grundordnung getroffen (vgl. die entsprechenden Anlagen zu den AVR Caritas betreffend Vergütung und Eingruppierung). Im Rahmen des „D. Weges“ können gegebenenfalls auch einrichtungsspezifische Regelungen vorgesehen werden (vgl. dazu § 14 der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e.V.).
55
(37) 2.1.1.3. Dem sich aus § 33 Abs. 2 und 3 MAVO Würzburg ergebenden „Verfahrensablaufplan“ ist zu entnehmen, dass die Mitarbeitervertretung zunächst Einwendungen erheben kann und erst nach Durchführung des sog. Einigungsgesprächs entscheidet und gegenüber dem Dienstgeber erklärt, ob sie die Zustimmung erteilt oder verweigert.
56
Zu einer abschließenden Zustimmungsverweigerung ist es in den vorliegenden Fällen nicht mehr gekommen. Der Beklagte hat zwar nach § 33 Abs. 2 MAVO Würzburg das Zustimmungsverfahren eingeleitet. Doch nachdem die Klägerin jeweils durch einen Vermerk („Die MAV stimmt der Eingruppierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO nicht zu, da sie weder den AVR noch der kirchlichen Grundordnung entspricht gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO“) auf dem Einstellungsformular [Personalbogen] Einwendungen erhoben hatte, ist er nicht zum nächsten, in § 33 Abs. 3 MAVO geregelten Verfahrensabschnitt übergegangen. Der Beklagte hätte sich entscheiden können, von seiner Eingruppierungsbeurteilung Abstand zu nehmen. Nachdem er dies offensichtlich nicht getan hat, hätte er die Klägerin zu der in § 33 Abs. 3 Satz 2 MAVO Würzburg vorgesehenen Verhandlung (sog. Einigungsgespräch) einladen müssen, was nicht geschehen ist.
57
(38) Das Zustimmungsverfahren im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Eingruppierungen ist also nach dem Erheben von Einwendungen durch die Klägerin zwischen den Regelungsbereichen von § 33 Abs. 2 und § 33 Abs. 3 MAVO Würzburg „stecken geblieben“.
58
(39) 2.1.2. Die Klägerin hat gegen die ihr zur Mitbeurteilung vorgelegten Eingruppierungen zu Recht Einwendungen erhoben und die Zustimmung zu Recht nicht erteilt.
59
(40) 2.1.2.1. Der Beklagte hat in § 1 Abs. 7 seiner Satzung (vgl. Anlage B 1 zur Klageerwiderung) ausdrücklich geregelt, dass die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse Anwendung findet.
60
(41) Zur Anwendung der Grundordnung ist der Beklagte als kirchlicher Dienstgeber auch deswegen verpflichtet, weil er dem Caritasverband für die Stadt und den Landkreis W. e.V. und über diesen dem Caritasverband für die Diözese W. e.V. - also dem hier Beigeladenen - sowie dem Deutschen Caritasverband e.V. als korporatives Mitglied angehört (vgl. § 1 Abs. 3 der Satzung des Beklagten).
61
(42) Der von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands beschlossene Art. 7 der Grundordnung lautet wie folgt:
„Artikel 7 Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen
(1) Das Verhandlungsgleichgewicht ihrer abhängig beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Abschluss und Gestaltung der Arbeitsverträge sichert die katholische Kirche durch das ihr verfassungsmäßig gewährleistete Recht, ein eigenes Arbeitsrechtsregelungsverfahren zu schaffen. Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse kommen zustande durch Beschlüsse von arbeitsrechtlichen Kommissionen, die mit Vertretern der Dienstgeber und Vertretern der Mitarbeiter paritätisch besetzt sind. Die Beschlüsse dieser arbeitsrechtlichen Kommissionen bedürfen der bischöflichen Inkraftsetzung für die jeweilige (Erz-)Diözese. Das Nähere, insbesondere die jeweiligen Zuständigkeiten, regeln die einschlägigen Ordnungen. Die arbeitsrechtlichen Kommissionen sind an diese Grundordnung gebunden.“
62
(2) Wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts schließen kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften ab. Streik und Aussperrung scheiden ebenfalls aus.
63
(43) 2.1.2.2. Seiner Verpflichtung als kirchlicher Dienstgeber, die Grundordnung anzuwenden, ist der Beklagte bei den streitgegenständlichen Eingruppierungen nicht nachgekommen.
64
(44) Zwar hat er nicht gegen Art. 7 Abs. 2 Satz 2 GrO verstoßen, denn er hat selbst keinen (Haus-) Tarifvertrag mit Gewerkschaften abgeschlossen, sondern „nur“ individualrechtlich in Nr. 2 der von ihm gestellten Arbeitsverträge mit den einzugruppierenden Mitarbeiterinnen mittels einer sog. Bezugnahmeklausel vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen geltenden und nachwirkenden Mantel-, Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge vom 22.07.2003 und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung bzw. die zwischen dem BAP und ver.di abgeschlossenen geltenden und nachwirkenden Tarifverträge vom 22.07.2003 und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden (vgl. Anlagen B 2 bis B 6 zur Klageerwiderung).
65
Jedoch steht die Vereinbarung einer Bezugnahme auf weltliche Tarifverträge durch einen kirchlichen Dienstgeber nicht im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 GrO, wonach Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse - also auch bezüglich der Vergütung - durch Beschlüsse von arbeitsrechtlichen Kommissionen, die mit Vertretern der Dienstgeber und Vertretern der Mitarbeiter paritätisch besetzt sind, zustande kommen. „Wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes“ (vgl. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GrO) hat nämlich der kirchliche Dienstgeber diese auf dem „D. Weg“ beschlossenen und bischöflich in Kraft gesetzten Rechtsnormen in seinen Einrichtungen zur Geltung zu bringen und anzuwenden.
66
(45) Der Beklagte hätte also eine Bezugnahmeklausel verwenden müssen, die nicht auf weltliche Tarifverträge, sondern auf die AVR Caritas verweist.
67
(46) 2.1.2.3. Die von der Klägerin gegen die streitgegenständlichen Eingruppierungen erhobenen Einwendungen sind zu Recht erfolgt und beachtlich.
68
(47) Nach der Rechtsprechung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs (KAGH) ist die Mitarbeitervertretung berechtigt, die Zustimmung zu einer Eingruppierung gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO zu verweigern, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - bei der Vergütungsregelung um keine Regelung im Sinne des „D. Weges“ gemäß Art. 7 Abs. 1 GrO handelt (vgl. KAGH 30. November 2006 - M 02/06 -; KAGH 12. Oktober 2007 - M 03/07 -; KAGH 7. November 2008 - M 09/08 und M 10/08 -; vgl. auch Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart 22. Februar 2008 - AS 04/08 und AS 05/08 -).
69
(48) Die vom Beklagten vorgesehene Eingruppierung außerhalb des „D. Weges“ verstößt nämlich gegen Art. 7 Abs. 1 GrO und damit gegen eine kircheneigene Ordnung im Sinne des § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO.
70
Die Klägerin muss sich vom Beklagten nicht entgegen halten lassen, dass sie die gleichwohl vollzogene Eingruppierung von Mitarbeitern auf der Grundlage des ERTV BAP „stillschweigend und jahrelang toleriert“ habe und die jetzt geltend gemachten Ansprüche somit verwirkt seien. Zum einen setzt jede vom Dienstgeber der Mitarbeitervertretung unterbreitete Eingruppierung ein neues Mitbestimmungsverfahren mit erneuter Mitbeurteilung in Gang; zum anderen kann die - unter welchen Umständen auch immer erfolgte - Hinnahme früherer Rechtsverstöße des Beklagten nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einem Rechtsverlust der Klägerin führen.
71
(49) 2.1.3. Nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Kirchlichen Arbeitsgerichts (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 KAGO) ist daher festzustellen, dass die Klägerin die vom Beklagten erbetene Zustimmung zu den Eingruppierungen der Mitarbeiterinnen B, C, D, E und F wegen Verstoßes der beabsichtigten Eingruppierungen gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse durch Nichtanwendung der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) zu Recht nicht erteilt hat.
72
(50) Das Kirchliche Arbeitsgericht verwendet bewusst die Formulierung „die Zustimmung … zu Recht nicht erteilt hat“ und nicht „die Zustimmung … begründet verweigert hat“. Die Klägerin hatte nur die Gelegenheit, gegen die streitgegenständlichen Eingruppierungen im Regelungsbereich des § 33 Abs. 2 MAVO Würzburg Einwendungen im Sinne des § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO Würzburg zu erheben. Zu einer Zustimmungsverweigerung im Regelungsbereich des § 33 Abs. 3 MAVO Würzburg ist es nicht mehr gekommen, weil der Beklagte nicht zu einem sog. Einigungsgespräch eingeladen, andererseits auch nicht von den beabsichtigten Eingruppierung Abstand genommen hat.
73
(51) 2.1.4. Soweit die als Leistungsanträge gestellten Klageanträge 2 bis 6 nach alledem nicht in vollem Umfang Erfolg haben, werden sie als unbegründet abgewiesen.
74
2.2. Auf den Klageantrag 7 wird festgestellt, dass der Beklagte satzungsgemäß der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse unterliegt und zwingend die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) anzuwenden hat.
75
(52) 2.2.1. Zur Begründung wird auf die Ausführungen in den Abschnitten 2.1.2.1. und 2.1.2.2. der vorliegenden Entscheidungsgründe Bezug genommen.
76
(53) Im Hinblick darauf, dass der Beklagte bei der Vergütung und Eingruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom „D. Weg“ abgekommen ist, erscheint diese klarstellende Feststellung als geboten.
77
(54) Eine Verurteilung des Beklagten zur Anwendung der AVR Caritas im Sinne einer Leistungsklage erfolgt nicht, da die Anwendung von Rechtsnormen keine Leistung darstellt. Insoweit reicht die entsprechende Feststellung aus.
78
(55) 2.2.2. Soweit der Klageantrag 7 nach alledem nicht in vollem Umfang Erfolg hat, wird er als unbegründet abgewiesen.
79
(56) 2.3. Der Klageantrag 8, welcher darauf abzielt, dass der Beklagte verurteilt werden soll, der Klägerin die streitgegenständlichen Eingruppierungen gemäß den Eingruppierungsvorschriften der AVR Caritas, d.h. nach Anlage 1 (I. Eingruppierung) der AVR Caritas, unverzüglich zur Zustimmung vorzulegen, wird als (derzeit) unbegründet abgewiesen.
80
Nach dem Erlass des vorliegenden Urteils des Kirchlichen Arbeitsgerichts obliegt es dem Beklagten, die im Regelungsbereich des § 33 Abs. 2 MAVO Würzburg „stecken gebliebenen“ Zustimmungsverfahren fortzusetzen und nach § 33 Abs. 3 MAVO Würzburg darüber zu befinden, ob er entweder von den beabsichtigten Eingruppierungen nach dem ERTV BAP Abstand nimmt oder ob er die Klägerin zum sog. Einigungsgespräch einlädt. Im Falle der Durchführung des sog. Einigungsgesprächs kann dann die Klägerin abschließend entscheiden, ob sie die Zustimmung erteilt oder verweigert (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 3 MAVO Würzburg).
81
(57) Diesem gesetzlichen „Verfahrensablaufplan“ soll nach Überzeugung des Kirchlichen Arbeitsgerichts durch eine Stattgabe des Klageantrags 8 (derzeit) nicht vorgegriffen werden. Erst wenn der Beklagte im Rahmen der noch nicht abgeschlossenen Zustimmungsverfahren weiterhin untätig bleiben sollte, steht es der Klägerin frei, ihre Zustimmungsrechte durch eine Klage auf Weiterführung der „stecken gebliebenen“ Zustimmungsverfahren zu wahren.
82
(58) 3. Gerichtsgebühren werden nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KAGO nicht erhoben.
83
(59) Der Kostenausspruch, wonach der Beklagte die notwendigen Kosten der Klägerin, auch für die Beauftragung ihres Bevollmächtigten, zu tragen hat, beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 KAGO in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Spiegelstrich 4 MAVO Würzburg.
84
(60) Danach trägt der Dienstgeber die durch die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung entstehenden und für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Kosten einschließlich der Reisekosten im Rahmen der für den Dienstgeber bestehenden Bestimmungen. Zu den erforderlichen Kosten gehören auch die Kosten der Beauftragung eines Bevollmächtigten in Verfahren vor den kirchlichen Gerichten für Arbeitssachen, soweit die Bevollmächtigung zur Wahrung der Rechte des Bevollmächtigenden notwendig ist.
85
(61) Bei der Klägerin handelt es sich um eine Mitarbeitervertretung, die - soweit ersichtlich - bisher noch nicht „prozesserfahren“ ist. Es erscheint notwendig (und auch zweckmäßig), wenn die Klägerin für das Verfahren zur Wahrung ihrer Zustimmungsrechte einen Referenten und Fachberater für kirchliches Arbeitsrecht beauftragt und bevollmächtigt. Für eine solche Notwendigkeit spricht auch, dass sich der Beklagte zu seiner Rechtsverteidigung von einem Rechtsanwalt vertreten lässt, denn dies bedingt in der Regel, dass aus Gründen der Ausgewogenheit und zur Wahrung gleicher Rechte und Chancen im Prozess die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auch auf Seiten der Mitarbeitervertretung angemessen und daher notwendig erscheint (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 13. Dezember 2013 - M 09/13 - Abschnitt III.).
86
(62) In der mündlichen Verhandlung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht am 29.06.2022 hat der Beklagtenvertreter ohnehin erklärt, gegen den Kostenantrag 9 bestünden keine Einwendungen (vgl. Seite 2 des Sitzungsprotokolls vom 29.06.2022).
87
(63) 4. Die Revision wird nicht zugelassen.
88
(64) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 47 Abs. 2 Buchst. a) KAGO. Durch die im Abschnitt 2.1.2.3. zitierten Entscheidungen des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs und des Kirchlichen Arbeitsgerichts der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist die Rechtslage hinreichend geklärt. Das hiesige Kirchliche Arbeitsgericht folgt diesen Entscheidungen und weicht nicht im Sinne von § 47 Abs. 2 Buchst. b) KAGO davon ab.