Inhalt

Kirchliches Arbeitsgericht Augsburg, Urteil v. 29.06.2022 – 2 MV 17/22
Titel:

Rechtsfolgen der Veräußerung einer kirchlichen Gesellschaft an ein weltliches Unternehmen ("share deal") - Kein Übergangsmandat der Mitarbeitervertretung

Normenketten:
GG Art. 140
WRV Art. 137
BetrVG § 21a, § 118 Abs. 2
BPersVG § 29, § 108
ArbGG § 2a
RL 2001/23/EG
Leitsätze:
1. Veräußert der kirchliche Gesellschafter einer Einrichtung, in der eine Mitarbeitervertretung besteht, 100% der Geschäftsanteile an ein weltliches Unternehmen, so hat diese Anteilsveräußerung („share deal“) auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts zur Folge, dass die Einrichtung nicht mehr unter die Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 BetrVG fällt, bei ihr künftig nicht mehr die Mitarbeitervertretungsordnung (hier: MAVO Augsburg), sondern das Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden ist, und sie im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Regelungen nicht mehr am Selbstbestimmungsrecht der Kirche gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV teilnimmt. Die Mitarbeitervertretung verliert mit Wirksamwerden eines solchen Gesellschafterwechsels und der „Verweltlichung“ der Einrichtung ihr Mandat. (Rn. 44 und 50)
2. § 13d der Mitarbeitervertretungsordnung (hier: MAVO Augsburg) enthält keine Regelung für den Fall, dass eine ehemals in den Geltungsbereich der Mitarbeitervertretungsordnung fallende Einrichtung oder ein Teil einer Einrichtung nunmehr in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes oder des Personalvertretungsrechts fällt, also für den Fall der „Verweltlichung“ einer zuvor kirchlichen Einrichtung, z.B. - wie hier - durch Übernahme von 100% der Gesellschaftsanteile durch einen weltlichen Gesellschafter. Eine solche Regelung wäre staatskirchenrechtlich ohnehin nicht zulässig. Der kirchliche Gesetzgeber ist nämlich nicht befugt zu bestimmen, dass eine nach kirchlichem Mitarbeitervertretungsrecht gewählte Mitarbeitervertretung, die infolge der „Verweltlichung“ ihr bisheriges Mandat verliert, im Bereich des weltlichen Rechts ein Übergangsmandat ausübt und/oder für eine Übergangszeit als Betriebsrat oder als Personalrat handelt. (Rn. 49 und 50)
3. Es ist Sache des für das Betriebsverfassungsrecht bzw. für das Personalvertretungsrecht zuständigen staatlichen Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob eine nach kirchlichem Mitarbeitervertretungsrecht gewählte Mitarbeitervertretung im Falle der „Verweltlichung“ der Einrichtung für eine Übergangszeit ein Übergangsmandat im weltlichen Bereich (im Betrieb bzw. in der Dienststelle) ausüben und/oder als Betriebsrat bzw. Personalrat handeln darf. Diese Fallgestaltung ist derzeit weder in § 21a BetrVG noch in § 29 BPersVG geregelt. (Rn. 55)
4. Ob ein solches Übergangsmandat im Hinblick auf die RL 2001/23/EG des Rates der Europäischen Union vom 12.03.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen geboten ist und ob insoweit derzeit eine Regelungslücke vorliegt, die bis zum Tätigwerden des staatlichen Gesetzgebers durch eine Analogie zu § 21a BetrVG und/oder § 29 BPersVG geschlossen werden kann, bleibt offen. Jedenfalls haben hierüber nicht die kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen, sondern die für das Betriebsverfassungsrecht bzw. Personalvertretungsrecht zuständigen staatlichen Gerichte für Arbeitssachen (vgl. § 2a ArbGG ) bzw. der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. § 108 BPersVG ) zu entscheiden. (Rn. 56)
Siehe zu diesem Sachverhaltskomplex auch KAG Bayern BeckRS 2022, 32501. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mitarbeitervertretung, Bereichsausnahme, Betriebsrat, Übergangsmandat
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32505

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen Auslagen der Klägerin, auch für die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
(2) Die Klägerin ist die bei der Beklagten bestehende Mitarbeitervertretung (MAV). Die Beklagte betreibt die Einrichtung A. in B.
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(3) In dem Rechtsstreit soll geklärt werden, ob der Klägerin nach dem Vollzug eines durch Anteilsveräußerung („share deal“) herbeigeführten Gesellschafterwechsels bei der Beklagten von einem kirchlichen zu einem weltlichen Gesellschafter ein Übergangsmandat zusteht.
3
(4) Bisheriger alleiniger Gesellschafter der Beklagten war seit 2018 der Verein C. e. V. Am 11.11.2021 wurde der Klägerin seitens der Beklagten mitgeteilt, dass für die Einrichtung A. ein neuer Träger gesucht werde.
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(5) Die Klägerin stellte der Geschäftsführung der Beklagten mit Schreiben vom 11.01.2022 (vgl. Anlage K 1 zur Klage vom 28.04.2022) insgesamt zweiunddreißig die Mitarbeiter und die Mitarbeitervertretung betreffende Fragen zum Trägerwechsel/Gesellschafterwechsel.
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(6) Am 06.04.2022 erfolgte die notarielle Beurkundung der Anteilsveräußerung an die zur ...-Gruppe gehörenden ...-Krankenhausholding B. GmbH. Am 07.04.2022 wurde eine Mitarbeiterversammlung zur Information hierüber einberufen. Informationen zum „share deal“ und zum Gesellschafterwechsel sind auch in Rundschreiben des bisherigen Gesellschafters der Beklagten, des Vereins C. e.V., vom 07.04.2022 an Gesamtmitarbeitervertretung und Wirtschaftsausschuss (vgl. Anlage B 2 zur Klageerwiderung vom 19.05.2022) bzw. an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten (vgl. Anlage B 3 zur Klageerwiderung) enthalten.
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(7) Mit Schreiben an die Klägerin und deren jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2022 (vgl. Anlage B 4 zur Klageerwiderung) informierte die Beklagte über den „share deal“ und dessen Auswirkungen aus Sicht der Beklagten und übersandte als Anlage einen Auszug aus einem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 06.04.2022 (vgl. Anlage B5 zur Klageerwiderung).
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(8) Die Klägerin macht geltend, der bisherige Gesellschafter der Beklagten, der Verein C. e.V. der Diözese Augsburg, verkaufe seine Geschäftsanteile an der Einrichtung A. GmbH im Rahmen eines „share deal“ an den weltlichen neuen Gesellschafter, die ...- Gruppe. Infolge der Übernahme von 100% der Geschäftsanteile durch den weltlichen Gesellschafter verliere die Religionsgemeinschaft jeglichen Einfluss auf die Gesellschaft. Damit fände ab dem Gesellschafterwechsel das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung und die Klägerin würde ihr Mandat als Mitarbeitervertretung verlieren.
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(9) Es bestehe jedoch ein Übergangsmandat der Klägerin gemäß § 13d MAVO analog.
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(10) § 13d MAVO regele ein Übergangsmandat für den Fall einer betrieblichen Umstrukturierung. Grundsätzlich betreffe ein „share deal“ lediglich eine Regelung auf Unternehmensebene. Der Unternehmensträger bleibe derselbe, nur die Gesellschafter wechselten. Arbeitnehmervertretungen blieben grundsätzlich im Amt. In diesen Fällen bedürfe es eines Rückgriffs auf das Übergangsmandat üblicherweise nicht. Im vorliegenden Fall gingen jedoch sämtliche Gesellschaftsanteile im Rahmen eines „share deal“ von einem kirchlichen Gesellschafter, dem Verein C. e.V., auf einen weltlichen Gesellschafter, die ...-Gruppe, über. Die Mitarbeitervertretung bestehe dabei gerade nicht fort. Insoweit liege eine planwidrige Regelungslücke vor und § 13d MAVO müsse im Wege der Rechtsanalogie entsprechend herangezogen werden.
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(11) Vorbild der Regelung in § 13d MAVO sei § 21a BetrVG. Das Betriebsverfassungsgesetz wolle betriebsratslose Zustände möglichst vermeiden. Eine Regelungslücke im Bundespersonalvertretungsgesetz bei Privatisierungsmaßnahmen sei bereits erkannt und durch § 29 Abs. 6 BPersVG geschlossen worden. Auch im kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht halte Art. 6 der RL 2001/23/EG dazu an, Schutzlücken zu schließen. Das Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer sei im Anschluss an eine umwandlungsrechtliche, eine einzelrechtsgeschäftliche oder eine gesamtrechtsgeschäftliche Umstrukturierung in allen Fällen gleich. Es sei deshalb auch aus Gründen der Gleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte geboten, ein Übergangsmandat analog § 13d MAVO auch für eine Mitarbeitervertretung anzuerkennen, soweit die Änderung durch einen Gesellschafterwechsel von einem kirchlichen zu einem weltlichen Gesellschafter zum Verlust des bisherigen Mandats führe.
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(12) Die Klägerin habe am 26.04.2022 beschlossen, einen Rechtsanwalt für das vorliegende Verfahren beim Kirchlichen Arbeitsgericht zu beauftragen.
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(13) Die Beauftragung und Hinzuziehung des Rechtsanwalts sei gemäß § 12 Abs. 2 KAGO in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstrich 3 [gemeint ist wohl: Spiegelstrich 4] MAVO zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin erforderlich. Es handele sich um eine schwierige juristische Materie, welche eine juristische Unterstützung erfordere. Weiter betreffe die hier aufgeworfene Thematik die Klärung von grundsätzlichen Rechtsfragen, welche bislang ungeklärt seien und einer gründlichen juristischen Aufarbeitung durch einen Rechtsanwalt bedürften.
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(14) Die Klägerin beantragt,
I. festzustellen, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt der Eintragung der ...-Gruppe als neue Gesellschafterin der Beklagten als solche in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste bis zur Wahl eines neuen Betriebsrates in der Einrichtung A. und der Bekanntgabe der Wahlergebnisse, längstens jedoch bis sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Eintragung der ...-Gruppe als neue Gesellschafterin der Beklagten als solche in der in im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste ein Übergangsmandat hat;
II. die Beklagte zu verpflichten, die mit der Beauftragung des Rechtsanwalts verbundenen Kosten zu übernehmen.
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(15) Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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(16) Die Beklagte meint, die Klage sei unzulässig und auch unbegründet.
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(17) Sie macht geltend, die auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewandten Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) würden auch nach dem Gesellschafterwechsel weiter angewendet. Ebenso werde die Zusatzversorgung fortgeführt. Mit dem Wechsel von einem kirchlichen zu einem weltlichen Gesellschafter würden jedoch die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse und die Mitarbeitervertretungsordnung nicht mehr gelten und die Klägerin ihr Amt verlieren. Ein Übergangsmandat der Klägerin bestehe nicht.
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(18) Die Klage sei unzulässig. Es sei unklar, was das Kirchliche Arbeitsgericht eigentlich feststellen solle. Wenn die Klägerin festgestellt haben wolle, dass sie nach dem Gesellschafterwechsel und dem Wegfall der Grundordnung übergangsweise als Betriebsrat fortbestehe, handele es sich um nicht um eine Rechtsfrage aus dem Anwendungsbereich der MAVO, sondern aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Wenn die Klägerin festgestellt haben wolle, dass sie als Mitarbeitervertretung nach dem Mitarbeitervertretungsrecht weiter existiere, sei zum einen auf das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs vom 2. März 2007 - M 05/06 - verwiesen, zum anderen darauf, dass die Kirchlichen Arbeitsgerichte weltliche Träger nicht binden könnten, da hier die kirchliche Gesetzgebungskompetenz fehle.
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(19) Die Klage sei auch unbegründet. § 13d Abs. 4 MAVO sei nur auf den Fall der „Verkirchlichung“ anwendbar. Die im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Übergangsmandate beträfen nur Betriebsübergange und gegebenenfalls noch Vorgänge nach dem Umwandlungsgesetz. Beides liege hier nicht vor. Im Betriebsverfassungsgesetz sei auch nicht geregelt, dass außerhalb seines Geltungsbereichs errichtete Arbeitnehmervertretungen bei einem Wechsel in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ein Übergangsmandat hätten. Obwohl das Betriebsverfassungsgesetz durch das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ vom 14.06.2021 eine umfangreiche Überarbeitung erfahren habe, sei von der Einführung einer dem § 13d Abs. 4 MAVO nachgebildeten Vorschrift abgesehen worden. Mit dem Gesetz zur Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 09.06.2021 habe der Bund nur für seine öffentlichen Betriebe und Dienststellen die versäumte Umsetzung des Gebots aus der Betriebsübergangs-Richtlinie nachgeholt, die Kontinuität der Arbeitnehmervertretung zu sichern. Kirchliche Einrichtungen würden davon nicht erfasst. Ob das Betriebsverfassungsgesetz eventuell entsprechend der Richtlinie auszulegen wäre, müsse hier nicht geklärt werden. Jedenfalls würde die Anwendung der Richtlinie bereits am fehlenden Betriebsübergang scheitern.
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(20) Die Beklagte meint, es bestehe auch kein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung. Angesichts des Urteils des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs vom 2. März 2007 - M 05/06 - sei die Klage nicht Erfolg versprechend. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei in einer E-Mail vom 29.03.2022 davon ausgegangen, dass die Mitarbeitervertretung automatisch ihr Amt verlieren werde und dann bis zur Wahl eines Betriebsrats eine Zeitspanne ohne Interessenvertretung liegen würde.
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(21) Wegen der Einzelheiten des hier nur knapp dargestellten Sach- und Streitstandes und der Rechtsausführungen der Parteien wird entsprechend § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 27 KAGO Bezug genommen auf die Klage vom 28.04.2022, auf die Klageerwiderung vom 19.05.2022, auf die zu diesen Schriftsätzen eingereichten Unterlagen (K 1 und K 2 bzw. B 1 bis B 5) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 29.06.2022.

Entscheidungsgründe

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(22) Die Klage hat mit dem Antrag in der Hauptsache keinen Erfolg.
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(23) 1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
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(24) 1.1. Die sachliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 2 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO). Es handelt sich um eine Streitigkeit aus dem Mitarbeitervertretungsrecht.
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(25) Die Klägerin macht geltend, dass im vorliegenden Fall eines „share deal“ und des Wechsels von einem kirchlichen zu einem weltlichen Gesellschafter bei der Beklagten ein Übergangsmandat der Mitarbeitervertretung gemäß § 13d MAVO analog bestehe. Es liege eine planwidrige Regelungslücke vor, für deren Schließung § 13d MAVO entsprechend heranzuziehen sei.
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(26) Dieses Vorbringen reicht aus, um eine Streitigkeit aus dem Mitarbeitervertretungsrecht zu bejahen. Die Klägerin stützt das Übergangsmandat, dessen sie sich berühmt, auf die analoge Anwendung einer Vorschrift des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts, nicht auf eine analoge Anwendung von Vorschriften des weltlichen Betriebs- oder Personalvertretungsrechts, sondern zieht § 21a des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und § 29 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) lediglich zur Unterstützung ihrer Rechtsauffassung heran. Für die Entscheidung eines sich aus dem weltlichen Recht ergebenden Übergangsmandats wäre ohnehin keine Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen ersichtlich.
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(27) Ob sich das angebliche Übergangsmandat der Klägerin aus dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht ergibt oder nicht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage.
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(28) 1.2. Die örtliche Zuständigkeit für die gegen die Beklagte erhobene Klage beruht auf § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO, weil die Beklagte im Dienstbezirk des Kirchlichen Arbeitsgerichts für die Bayerischen (Erz-)Diözesen ihren Sitz hat.
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(29) 1.3. Die Klage ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO (in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und § 27 KAGO).
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(30) Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie ab dem Zeitpunkt der Eintragung der ...- Gruppe als neue Gesellschafterin der Beklagten als solche in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste bis zur Wahl eines neuen Betriebsrates in der Einrichtung A. und der Bekanntgabe der Wahlergebnisse, längstens jedoch bis sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Eintragung der ...-Gruppe als neue Gesellschafterin der
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Beklagten als solche in der in im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste ein Übergangsmandat hat. Ein Übergangsmandat hat nach § 13d der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (Rahmen-MAVO) bzw. § 13d der Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Augsburg (MAVO Augsburg) die Wirkung, dass die Mitarbeitervertretung einer Einrichtung für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten nach Wirksamwerden des das Übergangsmandat auslösenden Ereignisses im Amt bleibt. Dementsprechend ist der Klageantrag auszulegen. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass „sofort und ohne Wahl ein Betriebsrat existiert“ (vgl. Seite 9 der Klageerwiderung der Beklagten vom 19.05.2022).
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(31) 1.4. Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und § 27 KAGO) an der alsbaldigen Feststellung des angeblichen Übergangsmandats, weil dieses längstens sechs Monate nach dem Vollzug des „share deal“ und des Wechsels von einem kirchlichen zu einem weltlichen Gesellschafter bei der Beklagten enden würde.
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(32) 2. Die Klage wird in der Hauptsache als unbegründet abgewiesen.
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(33) 2.1. Beide Parteien beziehen sich auf die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), ohne dass sie sich dazu äußern, welche diözesane oder sonstige Mitarbeitervertretungsordnung im konkreten Fall Anwendung finden soll.
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(34) Das Kirchliche Arbeitsgericht geht davon aus, dass die Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Augsburg (im Folgenden kurz: MAVO Augsburg) einschlägig ist. Der Standort der Beklagten in B. liegt jedenfalls in dieser Diözese. Ohnehin dürfte die Rechtslage auch nach anderen auf der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (Rahmen-MAVO) beruhenden Mitarbeitervertretungsordnungen in gleicher Weise zu beurteilen sein.
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(35) 2.2. Der für eine Analogie in Betracht kommende § 13d MAVO Augsburg lautet wie folgt:
„§ 13d Übergangsmandat
(36) (1) Wird eine Einrichtung gespalten, so bleibt deren Mitarbeitervertretung im Amt und führt die Geschäfte für die ihr bislang zugeordneten Teile einer Einrichtung weiter, soweit sie die Voraussetzungen des § 6 Absatz 1 erfüllen und nicht in eine Einrichtung eingegliedert werden, in der eine Mitarbeitervertretung besteht (Übergangsmandat). Die Mitarbeitervertretung hat insbesondere unverzüglich Wahlausschüsse zu bestellen.“
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Das Übergangsmandat endet, sobald in den Teilen einer Einrichtung eine neue Mitarbeitervertretung gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist, spätestens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Spaltung. Durch Dienstvereinbarung kann das Übergangsmandat um bis zu weitere sechs Monate verlängert werden.
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(37) (2) Werden Einrichtungen oder Teile von Einrichtungen zu einer Einrichtung zusammengelegt, so nimmt die Mitarbeitervertretung der nach der Zahl der Wahlberechtigten größten Einrichtung oder des größten Teils einer Einrichtung das Übergangsmandat wahr. Absatz 1 gilt entsprechend.
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(38) (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn die Spaltung oder Zusammenlegung von Einrichtungen und Teilen von Einrichtungen im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz erfolgt.
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(39) (4) Führt eine Spaltung, Zusammenlegung oder Übertragung dazu, dass eine ehemals nicht in den Geltungsbereich nach § 1 fallende Einrichtung oder ein Teil einer Einrichtung nunmehr in den Geltungsbereich dieser Ordnung fällt, so gelten Absätze 1 und 2 entsprechend. Die nicht nach dieser Ordnung gebildete Arbeitnehmervertretung handelt dann als Mitarbeitervertretung. Bestehende Vereinbarungen zwischen dem Dienstgeber und der nicht nach dieser Ordnung gebildeten Arbeitnehmervertretung erlöschen und zuvor eingeleitete Beteiligungsverfahren enden.
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(40) 2.3. Nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Kirchlichen Arbeitsgerichts (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 KAGO) steht der Klägerin nach dem Vollzug des „share deal“ und dem Wechsel von einem kirchlichen zu einem weltlichen Gesellschafter bei der Beklagten kein Übergangsmandat in analoger Anwendung des § 13d MAVO Augsburg zu.
41
(41) 2.3.1. Es besteht keine Regelungslücke im kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht, die durch eine analoge Anwendung von § 13d MAVO Augsburg geschlossen werden könnte.
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(42) Dem kirchlichen Gesetzgeber ist es nämlich mit Rücksicht auf die Trennung zwischen kirchlichem Mitarbeitervertretungsrecht und staatlichem Betriebsverfassungsrecht (vgl. § 118 Abs. 2 BetrVG) staatskirchenrechtlich verwehrt, das von der Klägerin befürwortete Übergangsmandat zu regeln. Dementsprechend steht es auch den kirchlichen Gerichten für Arbeitssachen nicht zu, die von der Klägerin befürwortete Analogie zu ziehen.
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(43) 2.3.1.1. Anders als bei einem „asset deal“, bei dem ein Betrieb, ein Betriebsteil oder eine Einrichtung durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber bzw. Rechtsträger übergeht mit der Folge, dass der Erwerber gegebenenfalls nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB als neuer Arbeitgeber bzw. Dienstgeber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt, findet beim „share deal“ kein Wechsel auf Arbeitgeber- oder Dienstgeberseite statt. Bei einer Gesellschaft und juristischen Person - wie hier bei der Beklagten als einer gGmbH - betrifft der „share deal“ unmittelbar nur das Innenverhältnis des Rechtsträgers. Im Außenverhältnis bleiben die Rechte und Pflichten des Rechtsträgers als Arbeitgeber bzw. Dienstgeber unberührt und bestehen weiter fort. Insbesondere tritt kein „neuer“ Arbeitgeber bzw. Dienstgeber in die Rechte und Pflichten aus den Individualarbeitsverhältnissen ein, so dass kein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB gegeben ist.
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(44) Die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf ein weltliches, nicht kirchliches Unternehmen hat hier allerdings auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts zur Folge, dass die Beklagte nicht mehr unter die Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) fällt, bei ihr künftig nicht mehr die MAVO Augsburg, sondern das BetrVG anzuwenden ist, und sie im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Regelungen nicht mehr am Selbstbestimmungsrecht der Kirche gemäß Art. 140 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) teilnimmt.
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(45) Nach dem Vollzug des „share deal“ und dem Wechsel von einem kirchlichen zu einem weltlichen Gesellschafter handelt es sich nämlich bei der Beklagten nicht mehr um einen kirchlichen Rechtsträger im Sinne des Art. 2 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (Grundordnung - GrO) und des § 1 MAVO Augsburg. Infolge der „Verweltlichung“ gilt die Grundordnung bei der Beklagten nicht mehr. Die Beklagte ist dann kein kirchlicher Dienstgeber mehr, sondern ein weltlicher Arbeitgeber. Die Einrichtung A. ist dann keine kirchliche Einrichtung mehr, sondern ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, in dem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Betriebsrat gewählt wird. Die Einleitung und Durchführung der Betriebsratswahl obliegt dem Wahlvorstand, der in Betrieben ohne Betriebsrat nach Maßgabe des § 17 BetrVG gebildet wird.
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(46) 2.3.1.2. § 13d Abs. 4 MAVO Augsburg betrifft den Fall, dass eine ehemals nicht in den Geltungsbereich des § 1 MAVO Augsburg fallende Einrichtung oder ein Teil einer Einrichtung nunmehr in den Geltungsbereich des Mitarbeitervertretungsrechts fällt, also die „Verkirchlichung“ eines zuvor weltlichen Betriebes, z.B. durch Übernahme der Gesellschaftsanteile durch einen kirchlichen Gesellschafter.
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(47) Die nicht nach der MAVO Augsburg gebildete Arbeitnehmervertretung - etwa ein nach dem Betriebsverfassungsgesetz gewählter Betriebsrat oder ein nach einem Personalvertretungsgesetz gewählter Personalrat -, die infolge der „Verkirchlichung“ ihr bisheriges Mandat verliert, handelt dann nach § 13d Abs. 4 Satz 2 MAVO Augsburg als Mitarbeitervertretung und nimmt das Übergangsmandat entsprechend § 13d Abs. 1 und Abs. 2 MAVO Augsburg wahr.
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(48) Diese Regelung des § 13d Abs. 4 MAVO Augsburg zum Übergangsmandat begegnet im Hinblick auf das Verhältnis zwischen kirchlichem und weltlichem Recht keinen Bedenken. Wenn ein zuvor weltlicher Betrieb den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes verlässt und zu einer kirchlichen Einrichtung wird, welche unter die Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 BetrVG fällt, steht es dem für das Mitarbeitervertretungsrecht zuständigen kirchlichen Gesetzgeber frei, der nach weltlichem Recht gewählten Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat oder Personalrat) für eine Übergangszeit das Recht einzuräumen, „als Mitarbeitervertretung“ zu handeln.
49
(49) 2.3.1.3. § 13d MAVO Augsburg enthält keine Regelung für den Fall, dass eine ehemals in den Geltungsbereich des § 1 MAVO Augsburg fallende Einrichtung oder ein Teil einer Einrichtung nunmehr in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes oder des Personalvertretungsrechts fällt, also die „Verweltlichung“ eines zuvor kirchlichen Betriebes, z.B. - wie hier - durch Übernahme der Gesellschaftsanteile durch einen weltlichen Gesellschafter.
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(50) Eine solche Regelung wäre staatskirchenrechtlich ohnehin nicht zulässig. Der kirchliche Gesetzgeber ist nicht befugt zu bestimmen, dass eine nach kirchlichem Mitarbeitervertretungsrecht gewählte Mitarbeitervertretung, die infolge der „Verweltlichung“ ihr bisheriges Mandat verliert, im Bereich des weltlichen Rechts ein Übergangsmandat ausübt und/oder für eine Übergangszeit als Betriebsrat oder als Personalrat handelt.
51
(51) In dem vom Kirchlichen Arbeitsgerichtshof (KAGH) mit Urteil vom 2. März 2007 - M 05/06 - entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin. Die in erster Instanz unterlegene Mitarbeitervertretung einer der Caritas zugehörigen Einrichtung hatte gegen das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts der Diözese Rottenburg-Stuttgart Revision eingelegt. Nach Einlegung der Revision war die Einrichtung, in der die Mitarbeiterin beschäftigt war, zum 01.01.2007 auf einen Rechtsträger aus dem Bereich der evangelischen Kirche (Diakonie) übergegangen. Daraufhin hat der KAGH die von der Mitarbeitervertretung eingelegte Revision für unzulässig erachtet, da die Mitarbeitervertretung zum 01.01.2007 ihr Amt verloren habe und sich auch nicht auf ein Übergangsmandat berufen könne. Der KAGH hat ausgeführt, mit dem Übergang der Einrichtung auf einen zur Diakonie gehörenden Rechtsträger habe die Einrichtung den Geltungsbereich der MAVO (RottenburgStuttgart) verlassen. Im Bereich der evangelischen Kirche habe der Bischof der katholischen Kirche keine Gesetzgebungsbefugnis für eine Fortsetzung des Mandats. Wäre der Erwerber einer Einrichtung der katholischen Kirche zugeordnet, hier insbesondere der Diözese Rottenburg-Stuttgart, wäre bei einem Betriebsübergang die Mitarbeitervertretung bestehen geblieben. Da der Erwerber nicht der katholischen Kirche zugeordnet sei, habe die Mitarbeitervertretung auch kein Übergangsmandat. Dies ergebe sich aus § 13d Abs. 4 MAVO (Rottenburg-Stuttgart), der ein Übergangsmandat für eine „nicht nach dieser Ordnung gebildete Arbeitnehmervertretung“, also einen Betriebsrat oder eine Personalvertretung vorsehe, wenn die Einrichtung „in den Geltungsbereich dieser Ordnung“, also in den Geltungsbereich der MAVO (Rottenburg-Stuttgart) falle.
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(52) Diese Rechtsprechung, mit der der KAGH ein Übergangsmandat der Mitarbeitervertretung mangels Gesetzgebungsbefugnis des Bischofs der katholischen Kirche verneint hat, wenn die Einrichtung, in der die Mitarbeitervertretung gewählt ist, aus dem Regelungsbereich des katholischen Mitarbeitervertretungsrechts in den Regelungsbereich des evangelischen Mitarbeitervertretungsrechts übergeht, ist im Wege eines ErstrechtSchlusses (argumentum a fortiori) auch für den hier zu entscheidenden Fall, in dem die Einrichtung aus dem Regelungsbereich des katholischen Mitarbeitervertretungsrechts in den Regelungsbereich des weltlichen Betriebsverfassungsrechts wechselt, maßgeblich.
53
(53) Gestützt wird diese Rechtsauffassung durch einen Beschluss des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland (KGH.EKD) vom 29. April 2011 - KGH.EKD II-0124/R33-09 -. In dem dortigen Fall war eine der Diakonie zugehörige Einrichtung auf eine Servicegesellschaft außerhalb der Diakonie übergegangen. Nach der Entscheidung des KGH.EKD besteht ein Übergangsmandat der Mitarbeitervertretung (nach § 7 Abs. 3 MVG.EKD) nicht, wenn das Unternehmen, in das ausgegliedert worden ist, nicht dem MVG.EKD unterliegt. Dies folge schon daraus, dass die aufnehmende Einrichtung nicht dem Geltungsbereich unterliege, den § 1 MVG.EKD beschreibe. Der KGH.EKD formuliert eindeutig: „Ein Mitbestimmungsrecht kann der kirchliche Gesetzgeber nicht mit Wirkung für den nichtkirchlichen Gesetzgeber regeln.“ Auch diese Argumentation ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.
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(54) 2.3.2. Nach alledem kommt das Kirchliche Arbeitsgericht zu dem Schluss, dass der Klägerin das Übergangsmandat, dessen sie sich berühmt, nicht zusteht und auch im Wege einer Analogie zu § 13d MAVO Augsburg nicht zugebilligt werden kann.
55
(55) Es ist Sache des für das Betriebsverfassungsrecht bzw. für das Personalvertretungsrecht zuständigen staatlichen Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob eine nach kirchlichem Mitarbeitervertretungsrecht gewählte Mitarbeitervertretung im Falle der „Verweltlichung“ der Einrichtung für eine Übergangszeit ein Übergangsmandat im weltlichen Bereich (im Betrieb bzw. in der Dienststelle) ausüben und/oder als Betriebsrat bzw. Personalrat handeln darf. Diese Fallgestaltung ist derzeit weder in § 21a BetrVG noch in § 29 BPersVG geregelt.
56
(56) Ob ein solches Übergangsmandat im Hinblick auf die RL 2001/23/EG des Rates der Europäischen Union vom 12.03.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82 vom 22.03.2001, Seite 16) geboten ist und ob insoweit derzeit eine Regelungslücke vorliegt, die bis zum Tätigwerden des staatlichen Gesetzgebers durch eine Analogie zu § 21a BetrVG und/oder § 29 BPersVG geschlossen werden kann, mag offen bleiben. Jedenfalls haben hierüber nicht die kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen, sondern die für das Betriebsverfassungsrecht bzw. Personalvertretungsrecht zuständige staatlichen Gerichte für Arbeitssachen (vgl. § 2a ArbGG) bzw. der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. § 108 BPersVG) zu entscheiden.
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(57) 3. Gerichtsgebühren werden nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KAGO nicht erhoben.
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(58) Der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Auslagen und der Kosten der Vertretung der Klägerin im Verfahren 2 MV 17/22 beruht auf § 12 Abs. 1 KAGO.
59
(59) Materiellrechtlich richtet sich die Entscheidung nach der Regelung über die Kosten der Mitarbeitervertretung in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Spiegelstrich 4 MAVO Augsburg. Danach trägt der Dienstgeber die durch die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung entstehenden und für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Kosten einschließlich der Reisekosten im Rahmen der für den Dienstgeber bestehenden Bestimmungen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 MAVO Augsburg). Zu den erforderlichen Kosten gehören auch die Kosten der Beauftragung eines Bevollmächtigten in Verfahren vor den kirchlichen Gerichten für Arbeitssachen, soweit die Bevollmächtigung zur Wahrung der Rechte des Bevollmächtigenden notwendig ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstrich 4 MAVO Augsburg).
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(60) Diese Notwendigkeit ist im vorliegenden Fall zu bejahen.
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(61) Erachtet das Gericht eine Klage für unbegründet, kann allein daraus nicht geschlossen werden, die Rechtsverfolgung sei nicht notwendig gewesen.
62
(62) Bei der Klägerin handelt es sich um eine Mitarbeitervertretung, die - soweit ersichtlich - bisher noch nicht „prozesserfahren“ ist. Es erscheint notwendig (und auch zweckmäßig), dass die Klägerin zur Klärung der Frage, ob ihr im konkreten Fall der „Verweltlichung“ einer Einrichtung ein Übergangsmandat zusteht, einen Rechtsanwalt beauftragt und bevollmächtigt hat. Für eine solche Notwendigkeit spricht auch, dass sich die Beklagte zu ihrer Rechtsverteidigung von einem Rechtsanwalt (einer Rechtsanwaltsgesellschaft) vertreten lässt, denn dies bedingt in der Regel, dass aus Gründen der Ausgewogenheit und zur Wahrung gleicher Rechte und Chancen im Prozess die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auch auf Seiten der Mitarbeitervertretung angemessen und daher notwendig erscheint (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 13. Dezember 2013 - M 09/13 - Abschnitt III.). Hinzu kommt, dass - soweit ersichtlich - über die Frage eines Übergangsmandats im Falle, dass eine Einrichtung den Bereich des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts verlässt und in den Bereich des weltlichen Betriebsverfassungsgesetzes bzw. Personalvertretungsrechts wechselt, bis dato noch keine Entscheidung eines kirchlichen Gerichts für Arbeitssachen ergangen ist.
63
(63) Nach alledem hat die Beklagte die notwendigen Auslagen der Klägerin im Verfahren 2 MV 17/22 einschließlich der Kosten der Beauftragung ihres Bevollmächtigten zu tragen.
64
(64) 4. Die Revision wird nicht zugelassen.
65
(65) Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 47 Abs. 2 Buchst. a) KAGO noch weicht sie - soweit ersichtlich - im Sinne des § 47 Abs. 2 Buchst. b) KAGO von einer Entscheidung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs oder eines anderen Kirchlichen Arbeitsgerichts ab. Vielmehr ist die Rechtssache auf der Grundlage der und im Einklang mit der Rechtsprechung des Kirchlichen Arbeitsgerichts zur fehlenden Gesetzgebungsbefugnis des Diözesanbischofs für ein Übergangsmandat beim Wechsel einer Einrichtung in einen Bereich außerhalb der katholischen Kirche entschieden worden (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 2. März 2007 - M 05/06 - sowie Thiel/Fuhrmann/Jüngst, MAVO, 8. Aufl. 2019, Rn. 42).