Inhalt

Kirchliches Arbeitsgericht Augsburg, Urteil v. 29.06.2022 – 2 MV 18/22
Titel:

Informationsrecht der Mitarbeitervertretung im Falle der Anteilsveräußerung ("share deal") von einem kirchlichen an einen weltlichen Gesellschafter.

Normenketten:
KAGO § 12 Abs. 2
BetrVG § 106, § 118 Abs. 2
Rahmen-MAVO § 17 Abs. 1, § 26 Abs. 2 S. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Mitarbeitervertretung eines kirchlichen Arbeitgebers steht bei einem beabsichtigten "share deal" kein Informationsanspruch bezüglich der das Innenverhältnis des Rechtsträgers betreffenden Anteilsveräußerung zu. (Rn. 33 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf ein weltliches, nicht kirchliches Unternehmen im Wege eines "share deal" kann auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts zur Folge haben, dass der Arbeitgeber nicht mehr unter die Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 BetrVG fällt und bei ihr künftig nicht mehr die MAVO (hier: Augsburg), sondern das BetrVG anzuwenden ist (s. auch KAG Bayern BeckRS 2022, 32505). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mitarbeitervertretung, Auskunftsanspruch, Informationsanspruch, Geheimhaltungsinteressen, Schweigepflicht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32501

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen Auslagen der Klägerin, auch für die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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(1) Die Klägerin ist die bei der Beklagten bestehende Mitarbeitervertretung (MAV). Die Beklagte betreibt die Einrichtung A. in B.
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(2) In dem hiesigen mit der Klage vom 02.05.2022 eingeleiteten Hauptsacheverfahren 2 MV 18/22 geht es um einen von der Klägerin geltend gemachten Auskunftsanspruch bezüglich einer Anteilsveräußerung („share deal“) und eines bevorstehenden Gesellschafterwechsels bei der Beklagten.
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(3) Bisheriger alleiniger Gesellschafter der Beklagten war seit 2018 die der Verein C. e.V. Am 11.11.2021 wurde der Klägerin seitens der Beklagten mitgeteilt, dass für die Einrichtung A. ein neuer Träger gesucht werde.
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Die Klägerin stellte der Geschäftsführung der Beklagten mit Schreiben vom 11.01.2022 (vgl. Anlage K 1 zur Klage) insgesamt zweiunddreißig die Mitarbeiter und die Mitarbeitervertretung betreffende Fragen zum Trägerwechsel/Gesellschafterwechsel. Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin verfolgte mit E-Mail vom 16.03.2022 an die Beklagte und mit E-Mail an den Gesellschafter vom 29.03.2022 das Informationsbegehren weiter (zum Inhalt dieser E-Mails vgl. Seiten 2/3 der Klageerwiderung vom 24.05.2022).
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(4) Am 06.04.2022 erfolgte die notarielle Beurkundung der Anteilsveräußerung an die zur ....-Gruppe gehörenden ...-Krankenhausholding B. GmbH. Am 07.04.2022 wurde eine Mitarbeiterversammlung zur Information hierüber einberufen. Informationen zum „share deal“ und zum Gesellschafterwechsel enthalten auch die Rundschreiben des bisherigen Gesellschafters der Beklagten, des Vereins C. e.V., vom 07.04.2022 an Gesamtmitarbeitervertretung und Wirtschaftsausschuss (vgl. Anlage B 2 zur Klageerwiderung) bzw. an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung A. gGmbH (vgl. Anlage B 3 zur Klageerwiderung).
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(5) Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin richtete eine weitere Anfrage vom 08.04.2022 bzw. 11.04.2022 hinsichtlich des Gesellschafterwechsels an die Beklagte. Auf diese Anfrage und auf einen Fragenkatalog der Klägerin vom 28.01.2022 antwortete die Beklagte mit Schreiben an die Klägerin und deren jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2022 (vgl. Anlage K 2 zur Klage), informierte über den „share deal“ und dessen Auswirkungen aus Sicht der Beklagten und übersandte als Anlage einen Auszug aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 06.04.2022 (zu dessen Inhalt vgl. Seiten 6/8 der Klageerwiderung bzw. Anlage B 5 zur Klageerwiderung).
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(6) Die Klägerin vertritt den Standpunkt, ihr stünde bezüglich des „share deal“ und des Gesellschafterwechsels ein Informationsanspruch aus § 27 Abs. 1, § 26 Abs. 1 MAVO gegen die Beklagte zu, den die Beklagte noch nicht erfüllt habe.
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Sie bringt vor, der bisherige Gesellschafter der Beklagten, der Verein C. e.V. der Diözese, verkaufe seine Geschäftsanteile an der Einrichtung A. GmbH im Rahmen eines „share deal“ an den weltlichen neuen Gesellschafter, die ...-Gruppe. Die Aufgabe der Mitarbeitervertretung bestehe vorliegend in der Prüfung, ob die beabsichtigte Anteilsveräußerung und damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen der Beklagten wesentliche Nachteile für die Mitarbeiter und eine Sozialplanpflicht mit sich bringen. Ausreichend für den Auskunftsanspruch sei eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben der MAV. Durch die begehrten Auskünfte zu dem Grund der Anteilsveräußerung, zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Anteilsveräußerung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zu den hinsichtlich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Aussicht gestellten Maßnahmen solle durch die Klägerin überprüft werden können, ob sozialplanpflichtige Maßnahmen gegeben seien.
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(7) Die Information habe umfassend zu erfolgen, müsse also so vollständig sein, dass die MAV die notwendigen Kenntnisse erhalte, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß durchzuführen. Die bisher erteilte Auskunft reiche dazu nicht aus. Auf Geheimhaltungsinteressen könne sich die Beklagte im Hinblick auf die in § 20 MAVO geregelte Schweigepflicht nicht berufen.
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(8) Die Klägerin habe am 26.04.2022 beschlossen, einen Rechtsanwalt für das vorliegende Verfahren beim Kirchlichen Arbeitsgericht zu beauftragen.
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(9) Die Beauftragung und Hinzuziehung des Rechtsanwalts sei gemäß § 12 Abs. 2 KAGO in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstrich 3 [gemeint ist wohl: Spiegelstrich 4] MAVO zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin erforderlich. Es handele sich um eine schwierige juristische Materie, welche eine juristische Unterstützung erfordere.
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(10) Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Anteilsveräußerung der Gesellschaftsanteile an der Einrichtung A. gGmbH durch den Verein C. e.V. an die ...-Gruppe, den Grund der Anteilsveräußerung,
2. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Anteilsveräußerung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
3. die hinsichtlich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Grund der Anteilsveräußerung in Aussicht gestellten Maßnahmen unter Vorlage geeigneter Unterlagen, insbesondere des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrages vom 06.04.2022, mitzuteilen;
II. die Beklagte zu verpflichten, die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts verbundenen Kosten zu übernehmen.
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(11) Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
(12) Die Beklagte meint, die Klage sei unbegründet.
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Den Grund der Veräußerung der Geschäftsanteile wisse allein der Gesellschafter, der diesen nicht preisgeben müsse. Die Folgen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Klägerin seien von der Beklagten bereits umfassend dargestellt worden. Die in Bezug genommenen AVR würden auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse weiterhin angewandt. Der Standort des Krankenhauses bleibe erhalten und solle weiter ausgebaut werden. Die ...-Gruppe verzichte für die Dauer von zwei Jahren auf betriebsbedingte Kündigungen. Der Gesellschafter der Beklagten habe auch die die Mitarbeiter betreffenden Passagen aus dem Übertragungsvertrag zitiert. Einen Anspruch auf die Vorlage des Übertragungsvertrages vom 06.04.2022 könne die Klägerin allein schon deshalb nicht gegen die Beklagte haben, weil es sich um einen Vertrag zwischen dem alten und dem neuen Gesellschafter handele, mithin um ein Dokument, das von der Beklagten, selbst wenn sie es wollte, nicht herausgegeben werden könnte.
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(13) Soweit die Klägerin weitergehende Auskünfte begehre, gebe es hierfür keine Anspruchsgrundlage, insbesondere nicht aus § 27a MAVO oder aus § 106 BetrVG analog.
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(14) Durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile trete für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinerlei Änderung ihrer Arbeitsverhältnisse ein. Es erfolge nicht einmal ein Betriebsübergang. Die Mitarbeiter hätten über den Gesellschafterwechsel nicht einmal informiert werden müssen.
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(15) Die Beklagte meint, es bestehe auch kein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung. Nachdem die Klägerin bereits materiell weder einen Anspruch auf weitergehende Auskunftserteilung noch auf Vorlage weiterer Unterlagen habe, habe es der der Einleitung eines Hauptsacheverfahrens nicht bedurft. Auf Grund fehlender Eilbedürftigkeit sei es erst recht nicht erforderlich gewesen, das Verfahren 2 MV 19/22 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anzustrengen.
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(16) Wegen der Einzelheiten des hier nur knapp dargestellten Sach- und Streitstandes und der Rechtsausführungen der Parteien wird entsprechend § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 27 KAGO Bezug genommen auf die Klage vom 02.05.2022, auf die Klageerwiderung vom 24.05.2022, auf die zu diesen Schriftsätzen eingereichten Unterlagen (K 1 und K 2 bzw. B 1 bis B 5) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 29.06.2022.
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(17) Die Klägerin hat ihr Informationsbegehren auch mit Antrag vom 02.05.2022 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgt. Mit Beschluss des stellvertretenden Vorsitzenden des Kirchlichen Arbeitsgerichts vom 20.05.2022 - 2 MV 19/22 - ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen worden.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat mit dem Antrag in der Hauptsache keinen Erfolg.
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(18) 1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
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(19) Die sachliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 2 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO), die örtliche Zuständigkeit des Kirchlichen Arbeitsgerichts für die Bayerischen (Erz-)Diözesen aus § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO.
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(20) 2. Die Klage wird in der Hauptsache als unbegründet abgewiesen.
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(21) 2.1. Beide Parteien beziehen sich auf die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), ohne dass sie sich dazu äußern, welche diözesane oder sonstige Mitarbeitervertretungsordnung im konkreten Fall Anwendung finden soll.
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(22) Das Kirchliche Arbeitsgericht geht davon aus, dass die Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Augsburg (im Folgenden kurz: MAVO Augsburg) einschlägig ist. Der Standort der Beklagten liegt jedenfalls in dieser Diözese. Ohnehin dürfte die Rechtslage auch nach anderen auf der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (Rahmen-MAVO) beruhenden Mitarbeitervertretungsordnungen in gleicher Weise zu beurteilen sein.
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(23) 2.2. Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 MAVO Augsburg sind der Mitarbeitervertretung auf Verlangen die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen vorzulegen (zu den Aufgaben der MAV vgl. u.a. auch § 26 Abs. 3, § 28a, §§ 29 bis 37 MAVO Augsburg).
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(24) Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 MAVO Augsburg informieren sich Dienstgeber und Mitarbeitervertretung gegenseitig über die Angelegenheiten, welche die Dienstgemeinschaft betreffen (zu den Informationspflichten des Dienstgebers vgl. u.a. auch § 27 Abs. 2, § 27a, § 30a MAVO Augsburg).
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(25) 2.3. Nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Hauptsacheverfahrens gewonnenen Überzeugung des Kirchlichen Arbeitsgerichts (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 KAGO) hat die Beklagte im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung der Gesellschaftsanteile an der Einrichtung A. gGmbH im Rahmen eines „share deal“ ihren Informationspflichten aus § 26 Abs. 2 Satz 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 MAVO bereits genügt.
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(26) Anders als bei einem „asset deal“, bei dem ein Betrieb, ein Betriebsteil oder eine Einrichtung durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber bzw. Rechtsträger übergeht mit der Folge, dass der Erwerber gegebenenfalls nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB als neuer Arbeitgeber bzw. Dienstgeber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt, findet beim „share deal“ kein Wechsel auf Arbeitgeber- oder Dienstgeberseite statt. Bei einer Gesellschaft und juristischen Person - wie hier bei der Beklagten als einer gGmbH - betrifft der „share deal“ unmittelbar nur das Innenverhältnis des Rechtsträgers. Im Außenverhältnis bleiben die Rechte und Pflichten des Rechtsträgers als Arbeitgeber bzw. Dienstgeber unberührt und bestehen weiter fort. Insbesondere tritt kein „neuer“ Arbeitgeber bzw. Dienstgeber in die Rechte und Pflichten aus den Individualarbeitsverhältnissen ein. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf ein weltliches, nicht kirchliches Unternehmen kann hier allerdings auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts zur Folge haben, dass die Beklagte nicht mehr unter die Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) fällt und bei ihr künftig nicht mehr die MAVO Augsburg, sondern das BetrVG anzuwenden ist.
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Über diese Auswirkungen des „share deal“ ist die Klägerin bereits hinreichend unterrichtet worden, nämlich mit Schreiben des bisherigen Gesellschafters der Beklagten vom 21.04.2022 (vgl. Anlage K 2 zur Klage vom 02.05.2022 bzw. Anlage B 4 zur Klageerwiderung vom 24.05.2022), welchem ein - von der Klägerin dem Gericht nicht vorgelegter - Auszug aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 06.04.2022 der Einrichtung A. gGmbH vom 06.04.2022 beigefügt war (vgl. Seiten 6/8 der Klageerwiderung bzw. Anlage B 5 zur Klageerwiderung).
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(27) In dem Schreiben an die Klägerin und deren jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2022 (vgl. Anlage K 2 zur Klage) heißt es unter anderem:
(28) „[…], dass mit der Übernahme der Gesellschaftsanteile durch die ...-Gruppe die Regelungen der AVR weiterhin Gültigkeit haben.
Dies gilt jedoch künftig nicht für die Anwendung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes als auch die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), die in der Folge außer Kraft treten. Dies bedeutet, nachdem die ...-Gruppe kein kirchliches Unternehmen darstellt, dass der sog. „D. Weg“ nicht mehr zur Anwendung kommt. Somit gelten dann künftig die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes, wonach durch die Mitarbeitenden ein Betriebsrat gewählt werden kann. […]“
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(29) Außerdem hat der bisherige Gesellschafter der Beklagten, die Verein C. e.V., mit Rundschreiben vom 07.04.2022 an Gesamtmitarbeitervertretung und Wirtschaftsausschuss (vgl. Anlage B 2 zur Klageerwiderung) bzw. an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten (vgl. Anlage B 3 zur Klageerwiderung) über sich aus dem Gesellschafterwechsel ergebende Änderungen informiert.
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(30) Ein weitergehender Informationsanspruch der Klägerin bezüglich der das Innenverhältnis des Rechtsträgers betreffenden Anteilsveräußerung ist nicht gegeben.
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Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der „share deal“ als solcher bereits unmittelbare Auswirkungen im Außenverhältnis haben könnte, die Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung von wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen von ihnen bedingen (vgl. dazu § 36 Abs. 1 Nr. 11, § 37 Abs. 1 Nr. 11 und § 38 Abs. 1 Nr. 13 MAVO Augsburg). Der von der Klägerin verwendete Begriff „Sozialplan“ findet sich in der MAVO Augsburg übrigens nicht. Nach dem durch § 10 Abs. 3 des Kauf- und Abtretungsvertrags vom 06.04.2022 (vgl. Seite 8 der Klageerwiderung) gestützten Vorbringen der Beklagten ist offenbar auch keine Massenentlassung im Sinne von § 30a MAVO Augsburg, § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geplant. In § 10 Abs. 3 dieses Vertrages heißt es nämlich:
(31) „Der Erwerber beabsichtigt, im Zusammenhang mit dem Erwerb keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, und schließt es längstens für die Dauer von 2 (zwei) Jahren ab dem Vollzugstag (maßgeblich für die Einhaltung der Frist ist der Tag des Wirksamwerdens der Kündigung) aus, im Zusammenhang mit dem Erwerb betriebsbedingte Kündigungen gegenüber den derzeitigen Mitarbeitern der Zielgesellschaften auszusprechen bzw. dafür Sorge zu tragen, dass die Zielgesellschaften keine derartigen betriebsbedingten Kündigungen aussprechen.“
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(32) Diesbezügliche Mitbestimmungsrechte der Klägerin sind daher aktuell nicht ersichtlich.
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(33) Hinzu kommt, dass nach dem Urteil des hiesigen Kirchlichen Arbeitsgerichts vom 29.06.2022 in dem weiteren Hauptsacheverfahren 2 MV 17/22 der Klägerin nach dem Vollzug des „share deal“ und einem damit verbundenen Wechsel vom kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht ins weltliche Betriebsverfassungsrecht kein Übergangsmandat entsprechend § 13d MAVO Augsburg zusteht und sie mit Wirksamwerden des Gesellschafterwechsels bei der Beklagten ihr Mandat verliert (vgl. zu dieser Problematik Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 2. März 2007 - M 05/06 -).
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(34) 3. Gerichtsgebühren werden nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KAGO nicht erhoben.
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Der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Auslagen und der Kosten der Vertretung der Klägerin im Hauptsacheverfahren 2 MV 18/22 beruht auf § 12 Abs. 1 KAGO.
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(35) Materiellrechtlich richtet sich die Entscheidung nach der Regelung über die Kosten der Mitarbeitervertretung in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Spiegelstrich 4 MAVO Augsburg. Danach trägt der Dienstgeber die durch die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung entstehenden und für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Kosten einschließlich der Reisekosten im Rahmen der für den Dienstgeber bestehenden Bestimmungen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 MAVO Augsburg). Zu den erforderlichen Kosten gehören auch die Kosten der Beauftragung eines Bevollmächtigten in Verfahren vor den kirchlichen Gerichten für Arbeitssachen, soweit die Bevollmächtigung zur Wahrung der Rechte des Bevollmächtigenden notwendig ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstrich 4 MAVO Augsburg).
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(36) Diese Notwendigkeit ist im vorliegenden Fall zu bejahen.
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(37) Erachtet das Gericht eine Klage für unbegründet, kann allein daraus nicht geschlossen werden, die Rechtsverfolgung sei nicht notwendig gewesen.
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(38) Bei der Klägerin handelt es sich um eine Mitarbeitervertretung, die - soweit ersichtlich - bisher noch nicht „prozesserfahren“ ist. Es erscheint notwendig (und auch zweckmäßig), dass die Klägerin für das Hauptsacheverfahren zur Klärung ihrer Informationsrechte bezüglich eines „share deal“ einen Rechtsanwalt beauftragt und bevollmächtigt hat. Für eine solche Notwendigkeit spricht auch, dass sich die Beklagte zu ihrer Rechtsverteidigung von einem Rechtsanwalt (einer Rechtsanwaltsgesellschaft) vertreten lässt, denn dies bedingt in der Regel, dass aus Gründen der Ausgewogenheit und zur Wahrung gleicher Rechte und Chancen im Prozess die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auch auf Seiten der Mitarbeitervertretung angemessen und daher notwendig erscheint (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 13. Dezember 2013 - M 09/13 - Abschnitt III.).
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Nach alledem hat die Beklagte die notwendigen Auslagen der Klägerin im Hauptsacheverfahren 2 MV 18/22 einschließlich der Kosten der Beauftragung ihres Bevollmächtigten zu tragen.
44
(39) 4. Die Revision wird nicht zugelassen.
45
(40) Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 47 Abs. 2 Buchst. a) KAGO. Sie betrifft den Umfang bzw. die Erfüllung des Informationsbegehrens der Mitarbeitervertretung in einem konkreten Einzelfall.